Frühlings-Einläuten
[235] Frühlings-Einläuten. (Mit Illustration S. 217.) Zu den frühesten Vorboten des Lenzes gehört in unserer Heimath das Schneeglöckchen, das an sonnigen Plätzen seinen weißen Blüthenkelch emportreibt, wenn noch die Flüsse still stehen und tiefer Schnee die Felder und Auen deckt. Diese allgemein bekannte Erscheinung wußte L. Fehrenbach zu einem reizenden Märchen umzudichten, indem er zu dessen Schöpfung den allen Volksglauben verwerthete, nach dem Kobolde, Zwerge und Elfen mit dem Pflanzenleben innig verbunden sind. In der That ist das Silhouettenbild „Frühlings-Einläuten“ ein reizendes Phantasiestück, voll origineller Pointen. Da erscheint bei klarem Sonnenaufgang der Zwerg „Temperatur“ mit dem Thermometer, und flugs springen die Knospen der Frühlingsblume auf. Ein anderer Zwerg benutzt die Blüthe feinsinnig als Glocke und zieht freudig an den improvisirten Glockensträngen. Er lockt durch die magischen Klänge aus der ein wenig aufgethanten Erde einige vorwitzige Kerfe hervor, und der kleine Lenzgott schwebt auf seinen Fittigen hernieder, um die ersten Vasallen seines Reiches zu begrüßen. Der zwerghafte Glöckner freut sich des Erfolgs. Was kümmert’s ihn, ob er rechtzeitig den Frühling eingeläutet? Er ist ein Kobold und lacht sich ins Fäustchen, wenn urplötzlich Wolken die Sonne verhängen, ein scharfer Ostwind über den Wald fegt und das erste flüchtige Lenzbild wie im Traum verschwindet. Er wird ja in nächsten Tagen wieder läuten können am Fuße von Hunderten und Tausenden neuer Schneeglöckchen, bis das vereinte Tönen derselben die ganze Natur weckt, bis alle Knospen springen und laute Frühlingslieder der gefiederten Sänger den siegreichen Einzug des Lenzes feiern. *