Gesammelte Schriften über Musik und Musiker/Phantasieen, Capricen etc. für Pianoforte (3)

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Aeltere Claviermusik (2) Gesammelte Schriften über Musik und Musiker (1854) von Robert Schumann
Phantasieen, Capricen etc. für Pianoforte (3)
Concertouverturen für Orchester (1)


[96]
Phantasieen, Capricen etc. für Pianoforte.
Michael Bergson, 4 Mazurken.
Werk 1.


Die vorliegenden Mazurken hat Chopin auf dem Gewissen. Wir wollen sie nicht hart anlassen; sie verrathen eine echt nationale Physiognomie, viel Liebe zu Chopin, zur Musik, überhaupt viel Jugend. Dennoch hätten sie nimmermehr gedruckt werden sollen. Der Schüler spukt zu deutlich darin. Gewiß wird den Componisten der Druck später einmal gereuen, obwohl junge Ruhmdürstige uns im Innern dies niemals zugeben mögen. Von manchen Dingen ist Chopin in neuerer Zeit ja selbst zurückgekommen. Nun aber kommen die Nachahmer, wie immer, erst einige Jahre hinterdrein und wir müssen nun die uns schon veralteten wunderlichen Chopin-Schnörkeleien, so reizend sie oft am Original, noch einmal anhören, sollen’s gar als etwas Neues hinnehmen. Aber wir wissen so gut, wie die Componisten selbst, was sie übrigens mit bester Absicht [97] gestohlen und was dann noch übrig bleibt. Was unser junger Pole nach solchem Debut noch leisten wird, ist nicht zu bestimmen. Vor Allem werde er älter; dann wird er auch Tiefsinnigkeiten, wie:

u. A. nicht mehr hinschreiben können. Die Stelle ist übrigens die tollste in den Mazurken, und das andere wirklich besser.




[98]
Valentin Alkan, 6 charakteristische Stücke.


Der Componist gehört zu den Ultra’s der französischen Romantiker und copirt Berlioz auf dem Pianoforte. Seine vorletzte Schöpfung (Etuden) fuhren wir seiner Zeit etwas stark an; sie ist uns noch jetzt in der Erinnerung fürchterlich. Die 6 Charakterstücke sind sanfterer Sitte im Ganzen und sagen uns viel mehr zu. Was man schon in keinem französischen Wörterbuch findet, das Gemüth fehlt auch den französischen Compositionen, wie eben auch der vorliegenden. Dagegen treffen wir auf eine Persiflage der Opernmusik in Nr. 6 (L’Opéra), wie sie kaum besser gemacht werden kann. Auch die „Winternacht“ ist charakteristisch; ein schneidender Frost weht daraus. Den Gegensatz „die Frühlingsnacht“ erwarteten wir wärmer und duftiger; indeß klingt sie artig genug. Das Stück „La Pâque“ wünschten wir als etwas platt ganz aus der Sammlung entfernt; das mit „les Moissonneurs“ überschriebene wirkt dagegen frisch und lieblich, wie Landluft nach Stadtluft. Die „Serenade“ hebt sich gleichfalls nicht über ihren Standpunct und wird daher gefallen. Vortragsbezeichnungen fehlen fast gänzlich. Es hat viel für und gegen sich. Im Uebrigen mag der Componist ein interessanter Spieler sein und sich wohl auf die seltneren Effecte des Instruments verstehen. Als Componist würden ihn nur strengste Studien vorwärts bringen können. Er verfällt sonst immermehr in’s Aeußerliche.




[99]
Phantasie mit Variationen über Mozartische Thema’s. Werk 7. – Romantische Ideen. Werk 10.


An der Phantasie ist nichts zu verwundern, als daß sie vom Componisten festgehalten und aufgeschrieben wurde; sie gleicht ganz einer jener Improvisationen, wie wir sie von jungen Clavierspielern in geselligen Zirkeln oft anhören müssen. Kömmt noch die Zeit einmal, — die wohl namentlich von den Verlegern verwünscht werden möchte, weil jeder Spieler da zugleich sein eigener Drucker und Verleger würde, — die Zeit nämlich, wo am Instrument angebrachte Copirmaschinen das Gespielte heimlich nachschrieben, so werden solche Phantasieen zu Millionen auftauchen. Der Beisatz „über Mozartische Thema’s“ bestach mich zwar vornherein und ich hoffte auf künstlerische Verknüpfung; es erhebt sich aber nichts über das Mittelmäßige, und der Componist hat es sich gar zu leicht gemacht. Die „romantischen Ideen“ haben ein höheres Ziel. „Empfindungen nach einem Ball“ — „Sympathetische Klange“ — und „Grüße an die Heimath“ sind sie überschrieben. Eine leicht verbindende und abschließende Hand macht sich auch in ihnen bemerkbar, auch gute Kenntniß des Instruments. Romantisches ist aber wenig darin. Der Componist scheint jung und nicht ohne Talent; mög’ er beides nützen.




[100]
Joh. Friedr. Kittl, 6 Idyllen.
Werk 1.


Ein späteres Idyllenheft desselben Componisten haben wir bereits früher in der Zeitschrift erwähnt. Schon damals stießen wir uns an die Bezeichnung „Idylle,“ die immer auf Ländliches, Hirtenmäßiges etc. vorbereitet; wie dort ist aber auch hier das Wort im weitesten griechischen Sinne als „Bildchen“ genommen, und die Nummern könnten eben so gut Impromtu’s oder anders heißen. Auf eine richtige Benennung seiner Kinder hat aber der Musiker eben so zu sehen wie jeder andere Künstler; eine falsche kann bei aller Güte der Musik sogar verstimmen, eine treffende aber die Freude am Verständniß um Vieles erhöhen. Tomaschek in Prag brachte zuerst „Idyllen,“ in denen auch, irr’ ich nicht, der ländliche Ton vorwaltet. Hr. Kittl hat bei Tomaschek gelernt; vielleicht glaubte er seinen Lehrer durch Wiederaufnahme des Titels zu erfreuen, was sich in dieser Hinsicht nur loben läßt. Wie die Hauptüberschrift, so trifft auch die Ueberschriften der einzelnen Nummern der Vorwurf, daß sie zum Inhalt der Musik nur wenig passen oder ihn zu hoch angeben. Man sehe gleich das erste beste:

[101]

Wer denkt da an eine Amour exaucé, wie es der Componist betitelt, da es eben so gut und besser Trinklied, Tanzlied oder Hopfer heißen könnte. Dasselbe gilt von den meisten der andern Stücke. Die Ueberschriften aber weggedacht, enthält dies erste Werk Vorzüge, wie man sie in ersten gern sieht und selten erhält: außer dem Streben nach Einfachheit und Natürlichkeit eine correcte und gesunde Harmonie, überhaupt einen deutschen gründlichen Sinn, an den Italien und Frankreich ihre Verführungskünste vergeblich verschwenden würden. Ein eigenes Unglück verfolgt aber den Componisten oft zum Schluß der Theile; es fehlt nämlich häufig etwas im Rhythmus, oder scheint etwas zu viel, so in Nr. 2 zwei Tacte vor dem Fine, in Nr. 3 ebenso, in Nr. 4 ebenso etc. Der Componist wird nicht zur rechten Zeit fertig. Wohl treffen wir manchmal in Meisterwerken auf scheinbar gestörte Rhythmen, (die sich aber zur Secunde wieder ausgleichen,) und der Kühnheit verzeihen wir wohl gar den Sprung, wie denn das Genie immerhin neben Abgründen läuft mit Gemsensicherheit; anders aber ist es hier, und gesteigerte Uebung wird dem jüngern Talent [102] den Schritt stärken und es die Ziele in immer kürzeren Räumen erreichen lassen. –




Friedrich Burgmüller, Phantasie an seinen Freund Lißt (Rêveriees fantastiques).
Werk 41.


Wo der Name Lißt steht, sieht man gleich auf Riesenarbeit auf. Dies ist indeß hier nicht der Fall, obwohl der Verfasser, der bisher meist nur Leichtes, Dilettantenkost und Arrangirtes geliefert, über seine gewöhnliche Sphäre herausgegriffen, und wirklich auch Bedeutenderes geleistet. Das Stück hat einen leichten glücklichen Fluß und namentlich einen sehr wirkungsvollen Mittelgedanken in der Tenorstimme; der Anfang erinnert sehr an den zur Euryanthenouverture, wie das Ganze an Weber’s feuersprühende Allegrosätze. Möge der Verfasser sich ganz wieder zur Originalcomposition hinwenden; zum Arrangiren bleibt noch immer Zeit. Ob er übrigens ein Verwandter des Robert Burgmüller, des früh gestorbenen geweihten jungen Sängers, wissen wir nicht;[H 1] die Namen sind sich gleich, möcht’ es auch das Streben fernerhin! –




[103]
Joseph Nowakowski, 2 Polonaisen.
Werk 14.


Was neuerdings von polnischen Compositionen aufgetaucht, läßt sich mehr oder weniger auf Chopin zurückführen. Durch ihn hat Polen Sitz und Stimme erhalten im großen musikalischen Völkerbund; politisch vernichtet wird es vielleicht noch lange in unserer Kunst fortblühen. Auch in den obigen Polonaisen ist Chopin’s Einfluß zu spüren, nirgends aber, daß man dem unbekannteren Namen einen Vorwurf daraus machen könnte. Der ersten Polonaise wünschte ich nichts als eine ähnliche zweite; während diese fast nur aus Putz und Flitter, obwohl goldenem rauschenden, zusammengesetzt ist, weht uns aus jener ein sanfter melancholischer Charakter entgegen, ein sich leise verhüllender Schmerz, dessen Anblick sogar noch inniger zu rühren vermag, als Chopin’s offener blutender; sie sagt mir fast durchgängig zu. Eine einzige unreinliche Harmonie fiel mir auf; Aufmerksame werden sie leicht finden auf S. 7. Dies einzige kleine Stück macht uns den Componisten lieb und werth. –




Phantasie. Werk 268. – Die Fuchsjagd; Phantasie. Werk 280.

Des Componisten freundliches Talent spricht sich auch in diesen Stücken aus; Jacques Schmitt bleibt Jacques Schmitt, für Schriftsteller ein wenig einträglicher [104] Componist, da man zuletzt nicht mehr weiß, was über ihn sagen. Frappiren kann einen in der Phantasie höchstens die erste Seite, die wie eine Violoncellstimme aussieht mit ihrem einzigen System; später tritt aber die rechte Hand hinzu und dann geht es in heiteren gewöhnlichen Melodieen auf und nieder. Loben muß man, wie immer, das Spielgerechte seiner Schreibart; die Finger können kaum fehlen im Fingersatz. Die „Fuchsjagd“ theilt dieselben Vorzüge. Méhul mit seinen Treibvorschlägen kömmt noch in allen Jagdstücken zum Vorschein, auch hier. Daß wir keine besondere Beschreibung der Jagd zwischen den Linien lesen müssen, ist ebenfalls gut; man erräth auch ohnedem alles. Eine Gemsen- oder Löwenjagd vermissen wir noch in den Katalogen. Wir bitten darum. Nicht immer Wildpret! –




Sigism. Thalberg,
Notturno. Werk 28. – Andante. Werk 32. – Phantasie über Thema’s aus Rossini’s Moses. Werk 33.
Theodor Döhler, Notturno.
Werk 24.
J. Rosenhain,
4 Romanzen. Werk 14. – Romanze (Morceau de Salon). Werk 15.


Am schlimmsten aber ist jenen Leuten von Welt beizukommen, die uns durch Höflichkeit gleich vornherein zur Höflichkeit zu zwingen wissen, die uns einen etwaigen [105] Tadel mit einer Verbeugung von den Lippen wegnehmen, ja die uns entschlüpfen, wenn wir es versuchen, ihnen tiefer auf den Grund zu gehen. Wie sie im Leben, an den Höfen, in den Salons gelten und feststehen, so sind sie auch nicht aus der Kunst wegzubannen. Sind sie vollends, wie Thalberg, durch Geburt schon der Aristokratie, oder wie Döhler der Diplomatie verwandt, so werden sie um so früher durchdringen, sich Namen machen, und des Lobpreisens ist dann überall kein Ende. Freilich in einzelnen Minuten, namentlich späterer Jahre, wo der Weihrauch nicht mehr wirken will, wo auch die Leiber an Geschmeidigkeit verlieren, mag selbst diese vom Geschick Begünstigten manchmal ein Sehnen nach dem Bessern überfallen, oft auch vielleicht Reue über die rasch verflogene Jugend. Ein höheres Streben will dann wieder die Flügel rühren, ein neuer Muth sie heben; sie wollen nachholen, was sie versäumt, und wieder gut machen. Oft gelingt es, oft ist es zu spät. In solcher Sehnsucht nach der echten Heimath der Kunst, die nun einmal in den Salons der Großen und Reichen nicht zu finden ist, mag denn vielleicht auch jenes oben zuerst aufgeführte Notturno entstanden sein; öfter regt sich wohl auch in ihm der Eitelkeitgeist: immerhin zeugt aber das Ganze von einer edleren Regung, als man sonst an den Salonvirtuosen kennt; es ist eines der besten Stücke von Thalberg.

Einer Composition auf den Grund zu kommen, entkleide man sie vorher allen Schmuckes. Dann erst zeigt [106] sich, ob sie wirklich schön geformt, dann erst was Natur ist, was die Kunst dazu that. Und bleibt dann noch ein schöner Gesang übrig, trägt ihn auch eine gesunde, edle Harmonie, so hat der Componist gewonnen und verdient unseren Beifall. Diese Forderung scheint so einfach, und wie selten wird ihr doch Genüge geleistet! Das Notturno nun, seiner äußeren zufälligen Reize entkleidet und auf seine Grundzüge zurückgeführt, wird auch dann noch auf’s Gefälligste wirken. Werden auch an einzelnen Stellen die Melodieenfäden lockerer, so zerreißen sie doch nicht geradezu, wie es den Meisten geschieht, wenn Phantasie und Empfindung ausgehen wollen, — und diese natürliche melodische Haltung macht uns das Stück, das auch interessante Zwischenpartieen enthält, vor vielen andern Thalberg’schen lieb, und wird es auch Andern, namentlich Damen. Weniger geglückt ist ihm das Andante; die Hauptmelodie scheint mir trocken und seelenlos, es ist eine Melodie, wie sie sich die Finger zusammensetzen auf dem Clavier nach langem vergeblichen Mühen; das Herz hat keinen Theil daran. Das Stück scheint zu verschiedenen Zeiten entstanden, umgeändert, aufgefrischt, und ist doch nicht fertig worden. Dazu spielt es sich schwer, und entschädigt für die angewandte Mühe wohl kaum; ich zweifle, ob dies Andante den Virtuosen, der es schrieb, überleben wird.

Die Phantasie über Thema’s aus Moses noch zu erwähnen, so ist sie bekanntlich einer der Triumphsätze Thalberg’s, mit der er aller Orten geschlagen, namentlich [107] durch die auf- und niederfliegenden Harpeggien am Schluß, wo sich der Spieler zu verdoppeln scheint, das Instrument ein neues gebären möchte. Die Phantasie ist in einer glücklichen Saloninspiration geschrieben und gibt dem Virtuosen alle Mittel und Waffen in die Hand, sich sein Publicum zu erobern, wozu beispielsweise gehören: ein fesselnder, zum Aufhorchen spannender Anfang, Virtuosen-Kraftstellen, anmuthige italiänische Melodieen, reizende Zwischensätze und sanftere Ausruhplätze — und nun ein Schluß, wie eben in besagter Phantasie. Steht dann der Maestro vom Piano auf, so will sich das Publicum kaum zufrieden geben und ladet ihn schreiend noch einmal zum Niedersetzen ein: — dieselbe stürmische Wirkung. Wer sähe nicht gern ein enthusiasmirtes Publicum, und dann hat die Phantasie auch wirklich werthvollere Stellen, denen wohl auch der Kenner minutenlang mit Vergnügen zulauscht. Schon die Steigerung verräth den Gewandten und Erfahrenen, und das Einzelne wie gesagt wäre eines größeren Kunstganzen würdig. Lasse man also auch solche Stücke gelten als das was sie sind, und endlich, vergleicht man einen solchen Concertsatz mit welchen aus frühern Zeiten, die auf gleiche Wirkung berechnet waren, so können wir uns noch immer Glück wünschen, daß auch in der Salonmusik an die Stelle gänzlicher Unfruchtbarkeit und Inhaltlosigkeit, wie sie sich z. B. in Gelinek, später in Czerny zeigt, ein Ideenvolleres, mehr künstlerisch Combinirendes getreten ist, und in dieser besseren Art der [108] Salonmusik mag denn auch Thalberg als Matador betrachtet werden.

Wir fügten oben noch ein Notturno von Döhler bei, weil dieser Virtuos auf ziemlich gleiche Erfolge hinzielt als Thalberg. Sein Notturno ist keines, wie es wohl ehedem der Troubadour seiner Dame brachte, nachdem er mit Lebensgefahr über Hecken und Mauern gesetzt, sondern eine Salonliebeserklärung, süß und kalt wie das Eis, was dazu verschluckt wird. Daß es aus Des dur geht, war vorauszusehen; es ist mit einem Worte charmant, allerliebst.

Auch Hrn. Rosenhain treffen wir seit Kurzem öfter, als uns lieb ist, in den Salons. Vielleicht gefällt er sich selbst nicht darin, und wie fehlt auch seinen galanten Versuchen nöthiger feinster Schnitt, und überhaupt das vornehme Nichtssagende, mit dem sich in höheren Cirkeln zu bewegen! Aber trotz dem haben weder die vier Romanzen, noch die einzelne Romanze etwas zu bedeuten und scheinen mir unglückliche Vermehrungen der Salonmusik. Vom guten Musiker, den wir sonst in R. schätzen zu müssen glaubten, spürt man höchstens nur in der letzten Romanze in As, und auch wieder nicht, da sie nicht einmal schön gerundet. Ist das aber die Bildung, die Paris und London geben, so bleibt lieber fein zu Hause, deutsche Musiker, oder haltet euch dort wenigstens von jenen Compositionssudelküchen entfernt, wo der Lorbeer zu nichts gebraucht wird, als abgestandene Gerichte damit zu würzen. Ein Künstler wie [109] R. sollte sich nicht zu solchen Arbeiten hergeben; es fehlt ihm sogar, wie wir glauben, das Talent zum offenbar Schlechten, das indeß, wie die Beispiele lehren, jene Großstädte in bewundernswürdiger Schnelligkeit auszubilden wissen, hat der Künstler nicht Acht auf sich.




3 Märsche zu 4 Händen. Werk 50. – Amüsement. Werk 55.


Der Componist gehört einer von jeher geachteten Musikerfamilie an. Irr’ ich nicht, so versuchte auch er sein Glück längere Zeit in Paris, das sich jedoch vergebens an ihm zu glätten und verfeinern bemühte; er ist als der ehrliche handfeste Deutsche wiedergekommen, wie er gegangen ist (wir meinen’s immer musikalisch,) und so erblicken wir ihn namentlich im Amüsement, das in der Clavier-Marschtonart Es dur geschrieben ist, und freilich nur wenig enthält, was nicht auch schon von Andern auf dieselbe Weise gesagt worden wäre; im Grunde sind es Variationen ohne Thema, eine variirte Harmoniefolge mit wiederkehrenden Refrains. Als einen sehr verschiedenen zeigt sich derselbe Componist in den 3 Märschen, und versucht Franz Schubert’schen Flug; es hat aber Gefahr mit solchen Versuchen für den, der sonst nur auf breiter sicherer Mittelstraße zu gehen gewohnt. Mit [110] einem Worte, es ist keine Natur in diesen Märschen, und es läßt sich vieles in der Welt nachmachen, nur nicht das Romantische. In Quinten aber, wie S. 14. Syst. 3., such’ er das Romantische nicht, das gerade im reinsten, feinsten Wohllaut besteht. Macht der Meister eine Ausnahme, so wird er zu verantworten wissen, wozu dem schwächeren Talente die Gründe fehlen. Damit soll aber, wie gesagt, der Fleiß und das Streben des kenntnißvollen Componisten, der in diesem Werke offenbar auf Höheres ausging, keineswegs verkannt sein. –




3 Impromtu’s für die linke Hand. Werk 33. – 3 Stücke (Pièces fugitives). Werk 31.


Je mehr die vierhändigen Stücke aus der heutigen Clavierliteratur schwinden, je mehr einhändige tauchen auf, was charakteristisch genug ist. Der Zeitschrift Ansicht über diese Compositionsart wird als bekannt vorausgesetzt.[H 2] Eigene Compositionen für diesen Zweck drucken zu lassen, sind sie nicht, wie einige von Ludwig Berger, der ausgezeichnetsten Art, verlohnt sich wohl kaum der Mühe. Es hat etwas Tragikomisches, fast Unnatürliches, eine einzige Hand sich abmühen zu sehen, wo ein Niederdruck der andern im Augenblick erleichtern würde; man nehme z. B. solche Tacte, wie

[111]

und stelle ein gescheidtes Kind neben das Clavier, ob es nicht ausrufen wird: „warum nimmst du das nicht mit der andern Hand?“ Wozu sich unnöthig zum Invaliden machen? Doch genug! Die Impromtu’s haben ihre Entstehung wohl auch einer äußeren Anregung zu danken, der Bekanntschaft des Componisten mit Hrn. Dreyschock, der eine der stärksten linken Fäuste besitzen soll, und nennen sich auch auf dem Titel als ein, dem genannten Virtuosen dargebrachtes „Hommage.“ Was nun mit so beschränkten Mitteln geleistet werden kann, finden wir nach Möglichkeit erfüllt, obgleich die Arbeit einen ziemlich gelegentlichen, flüchtigen Anstrich hat, namentlich die Fuge, die weit unter der bekannten einhändigen von Kalkbrenner steht, und doch war es gerade hier, wo sich der Componist in seiner Kunst zeigen konnte. In den Pièces fugitives tritt sein Talent aber bei weitem entschiedener und eigenthümlicher hervor; sie haben Sinn und Charakter, wenn ich mich auch mit einzelnen Wendungen, Melodieenfällen etc. nicht befreunden kann. Auf mehr Adel der Melodie scheint mir der Componist vor Allem Acht geben zu müssen; auch [112] hierin läßt sich selbst bei geringerem Besitz dieser köstlichen Gabe noch manches durch Fleiß erreichen. Originell und trotz des widerspenstigen 5/8tel Rhythmus von nicht unfreundlicher Wirkung ist das letzte Stück; hier zeigt sich eine humoristische Ader, die auf reichere Schätze hinzudeuten scheint. –




Simon Sechter, Zwölf contrapunctische Studien.
Werk 62.


Ein merkwürdiges Heftlein, das man bei verdecktem Titelblatt wohl für eine Reliquie aus einem früheren Jahrhundert halten könnte, wo derlei gelehrte Spielereien an der Tagesordnung waren. Neben einzelnem Barocken enthält es auch manches Sinnige und Gemüthliche; zu den Stücken letzterer Art zähl’ ich die über einen sich immer wiederholenden Cantus firmus gesetzten; zu denen der ersteren den in allen vier Stimmen sich nach und nach vergrößernden Canon, der wahrhaft greulich klingt. Beethoven sagt irgendwo, „daß man sich ehedem mit derlei Calculationen den Kopf zerbrochen habe, daß die Welt aber klüger geworden sei,“ und er hat in der Hauptsache Recht, wie immer. Indeß versuche sich der Studirende auch in solchen Aufgaben, wenn sie auch nicht mehr Werth haben, als jene vor Jahrhunderten einmal gebräuchlichen Gedichte, die auf dem Papier irgend eine [113] Figur, ein Kreuz, einen Altar u. dgl. darstellen mußten; man lernt aber dadurch sich in engen Schranken bewegen, mit kargen Mitteln auskommen müssen, und dies kommt uns dann immer auf eine oder die andere Weise wieder zu Gute. Je früher man sich in solchen Künsteleien Fertigkeit zu verschaffen sucht, je besser wird es sein; in älteren Jahren erworben, verleitet sie oft zu einer Ueberschätzung ihres Werthes, wie man denn auf alles im späteren Alter Gelernte sich das Meiste einzubilden geneigt ist. — Hr. Simon Sechter ist bekanntlich einer der gründlichsten Theoretiker Wiens, und ein so gewissenhafter Contrapunctist, daß man etwa in einem Canon kaum nachsehen möchte, ob sich die Intervalle streng folgen, da er das Gegentheil für das größeste Vergehen halten würde. Quinten gar würden kaum mit einem Falkenauge zu entdecken sein; doch fiel mir namentlich im 3ten Stück eine Art vermiedener Octaven auf, die nicht viel anders als wirkliche Octaven klingend, sich gerade in diesem Stücke so oft wiederholen, daß man sie für absichtlich halten möchte. Man sehe selbst nach; das Heft bleibt in unserer Zeit ein artiges Curiosum, welches das schon vom Titel erweckte Interesse in jeder Art befriedigt. –




[114]
J. P. E. Hartmann, 2 charakteristische Stücke.
Werk 25.


Des schönen Strebens dieses Componisten, eines Dänen, haben wir schon mehrmals gedacht. Diese neuerschienenen Stücke zeigen einen großen Fortschritt, namentlich im Harmonischen, weniger im Melodischen. In ihr Inneres zu dringen, möge man sie sich aber öfter und zu verschiedenen Zeiten spielen und anhören. Der Componist sucht und gräbt tief und bringt oft Befremdliches hervor. Genauer betrachtet findet sich aber in den grotesken Verschlingungen ein Zusammenhang, wie er nur der kunstgeübteren Hand gelingt. Aus vollem Herzen zu singen, es frei herausbrausen zu lassen kann er nicht; es wacht überall der Verstand. Hat aber der Componist, wie es scheint, Manches seinen Studien in C. M. v. Weber, vielleicht auch in Mendelssohn zu verdanken, so lerne er auch von ihnen noch freier zu singen, dann wird er auch allgemeiner wirken. Sicher haben wir noch viel Treffliches von ihm zu erwarten; unter dem „wir“ meine ich die Musiker. Dilettanten werden ihm wenig Geschmack abgewinnen; für diese schreibt er zu complicirt und beziehungsvoll, Italiäner und Italiänisirte würden ihn gar für einen Barbaren erklären. Die Stücke sind beide gleich interessant und spielen in sehr verschiedener Sphäre. Namentlich will mir das letzte zusagen in seinem grüblerischen verlangenden Charakter, [115] als hätte sich ihm ein holdes Phantasiebild genaht, das er nicht zu fassen vermöchte. Doch auch das erste hat seinen Werth. Die Stücke sind sehr der Rede werth.




A. Dreyschock, Lied ohne Worte.
Werk 4.


Der Componist ist als Clavierspieler zu Ruf und Namen gekommen und verdient es. Als Componist liegt er noch in der ersten Verpuppung: der Schmetterling steht noch zu erwarten. Sein Lied ohne Worte ist mehr eine Etude, von freundlicher Wirkung, das Ganze aber beinahe dürftig aneinander gesetzt. Versuche in schwierigeren Compositionsarten müßten ihn vorwärts bringen. Auch daß er nicht vor dem Instrument schreibe, mehr aus innen heraus zu gestalten suche, möchten wir ihm rathen. Es läuft noch alles zu sehr auf Figur, Effect und Fingerwerk hinaus. Der Componist wird dies verstehen, wenn er z. B. ein ähnliches Stück von Mendelssohn zur Hand nimmt und vergleicht, wie hier alles Leben und Seele athmet, wie kunstvoll leicht es sich zum Ganzen abrundet. Mit Worten läßt sich das schwerer zeigen, als am Clavier. Mehr über des jungen Künstlers Anlage und Richtung zu sagen, wird erst nach einem größeren Werke möglich sein, zu dem er sich bald Kraft und Zeit sammeln wolle. –




[116] Noch liegt uns eine Menge kürzerer Musikstücke von W. Taubert, A. Henselt, W. Sterndale Bennett und Chopin, vier der bedeutendsten der jüngeren Claviercomponisten vor, über deren Talente, Bildung und Richtung bereits schon öfter in diesen Blättern die Rede war, daß wir uns kürzer fassen können im Lobe.

Von W. Taubert zuerst „Erinnerungen an Schottland“[1], acht Phantasieen oder Phantasiestücke, die uns in ihrer soliden, echt deutschen Präge, wie Früheres desselben Tonsetzers, ganz besonders erlabt. Die Grundzüge seines musikalischen Charakters, Derbheit und Innigkeit, oft zu einem gemüthlichen Humor gepaart, finden wir auch in diesen Reisebildern wieder. Reisen sind nun zwar unter allen Künstlern wohl dem Musiker am wenigsten ersprießlich zu seiner Kunst, — dem Dichter schon mehr, dem Maler am meisten; — unsere großen Componisten haben immer still an ein und derselben Stelle gehaust, so Bach, Haydn, Beethoven, obwohl ein Blick in die Alpen, oder nach Sicilien hinüber auch diesen nichts geschadet haben möchte. Einer Reise durch die schottischen Hochlande, die W. Taubert vor einigen Jahren gemacht, verdanken wir denn auch obige Schilderungen, und sind sie nicht an Ort und Stelle entstanden, so doch durch lebendiges Anschauen jener romantischen Gegenden treuer und malerischer geworden. Man [117] empfängt in der Sammlung mehr als man erwartet, mehr als bloße An- und Nachklänge, Verwebung schottischer Melodieen, oder variationsmäßige Arbeit, sondern eine Reihe dem Componisten für voll anzurechnender Musikstücke, originelle Scenen und Genrebilder, sämmtlich die Phantasie auf das anmuthigste fesselnd und unterhaltend. Flüchtiges Durchspielen reicht auch hier nicht hin zum Verständniß, und ist die Musik nicht schwierig oder tief, so will sie doch in ihrem besonderen Localton studirt sein: dann aber wird man mit Ergötzen oft und lange bei den Stücken verweilen. Auch Curioseres, Abenteuerliches läuft mit unter, nirgends aber auf Kosten der Musik. Mit einem Worte, der Componist hat in guter Stunde geschrieben und wirkt, was er will.

In „sechs Minneliedern“[2] desselben Künstlers treffen wir ebenfalls auf viel Freundliches, wie es nur einem wirklich musikalischen Gemüth entströmen kann. Mendelssohn und seine Lieder ohne Worte stehen aber hier zu nahe, als daß man nicht zu Vergleichen aufgefordert werden müßte. Doch unterscheiden sich die Taubert’schen, wie schon durch die Individualität des Componisten, so durch die kleinere Form, das rein Liedermäßige; in Erfindung, Neuheit, Werth der Ausführung können sie sich freilich mit denen von Mendelssohn nicht messen. Das Heft spricht nur von Treue und Liebe. Die Motto’s [118] über die einzelnen Stücke sind wohl angebracht und aus Shakespeare, Uhland und W. Müller entlehnt. Das frischeste und edelste an Empfindung will mir das erste scheinen, so oft es auch in der melodischen Führung an Mendelssohn erinnert. Die andern stehen sämmtlich gegen dieses erste zurück. In einem Stück zu vier Händen läßt sich auch mit der Geliebten schwärmen, spielt sie Clavier; „in der Dämmerung“ ist es überschrieben; doch halte ich es für prosaischer. Im Uebrigen spricht die Musik den einfachen deutschen Spruch der ganzen Sammlung „Keine Lust ohn’ treues Lieben“ vollkommen aus.

An Adolph Henselt haben wir nichts zu beklagen, als daß er uns so selten Gelegenheit gibt, über ihn zu sprechen. Vielleicht, daß er uns bald aus dem Norden zurückkömmt mit größeren Beweisen seines Fleißes, wie es von seinem frischen Talent zu erwarten steht. Fünf kleinere Stücke sind in dieser Zeit erschienen: ein halbweg geübtes Auge müßte sie schon an der lieblichen Ordnung im Notengebälk als Stücke seiner Composition erkennen; gehört, sind sie kaum fehl zu rathen. Am meisten könnte man vielleicht bei einem Scherzo[3] schwanken, das einen Orchestercharakter hat, oder auch einen Mittelsatz einer Sonate gegeben hätte; es ist sehr einfach, ernst, charakteristisch. Lebendiger wirkt ein pensée fugitive[4] in beinahe Weber’schem Charakter, [119] den wir zu einem Sonatenschlußsatz ausgesponnen wünschten. Eine kleine Romanze[5] in B moll erinnert in ihrer leisen klagenden Weise an Aehnliches von Henselt, wie er denn ein den Frauenherzen vorzüglich gefährlicher Componist. Von zwei Notturno’s[6] möchte ich nur das zweite so heißen, das der Componist noch außerdem la Fontaine genannt, — nicht ganz treffend, wie mich dünkt; als Musikstück klingt es reizend. Das erste „Schmerz im Glück“ ist mir noch aus dem Spiel des Componisten im Gedächtniß; es hinterläßt einen gemischten Eindruck, das Schwanken darin zwischen Leid und Freud’ macht’s; es neigt sich weder zum einen noch zum andern. Der Componist fühlte das selbst, wie es wenigstens das französische Motto ausspricht. Noch eine Frage: wir sind so reich an deutschen Liebessprüchen, warum so gemüthlose französische? –

Sterndale Bennett hat uns in „three Diversions“[7] für Pianoforte zu 4 Händen auf das Innigste ergötzt. Dies sind auch kleine Formen, aber welche Feinheit im Einzelnen dennoch, wie künstlerhaft das Ganze, und darin unterscheidet sich der höhere Künstler vom mittleren, daß er auch seine kleinsten Arbeiten mit Liebe und Sorgfalt behandelt, während sie der andere liederlich hinwirft und meint, das Zeug verdiene es nicht besser und er schüttele dergleichen aus den Aermeln. In der That wüßte ich außer Mendelssohn keinen der lebenden [120] Componisten, der mit so wenigem Aufwand so viel zu sagen, der ein Stück so anzuordnen und abzurunden, der mit einem Worte solche Diversions zu schreiben wüßte. Keckeres und Geistreicheres gibt es wohl; Zarteres und Netteres kaum. Eine Liebenswürdigkeit ist über die Stücke ausgegossen, die nur die rohesten Hände zu Schanden machen könnten, eine Fülle der köstlichsten Anmuth in den einfachsten Bewegungen, überall Poesie und Unschuld. Scheint es doch, als stünde diese ausländische seltene Wunderblume gerade jetzt in ihrer duftigsten Blüthe; da eile man, sie zu betrachten. Das Ausland gibt uns ohnehin so wenig: Italien treibt nur Schmetterlingstaub herüber, und am wundersamen Berlioz schrecken die knotigen Auswüchse. Aber jener Engländer ist unter allen Fremden der deutschen Theilnahme am würdigsten, ein geborner Künstler, wie selbst Deutschland wenige aufzuweisen. Auf seine Composition zurückzukommen, so thut nichts leid daran, als daß es noch zweier Hände bedarf, sie zu genießen. Vielleicht ließen sich die Stücke geschickt auch für nur zwei umsetzen; das erste ist sogar in dieser Gestalt entstanden und nur arrangirt.

Bei weitem größer angelegt ist Werk 16 von Bennett[H 4] und gehört nur seinem Titel nach in diese kleine Werkschau. Wie eine Sonate, zerfällt es in vier lange, ganz ausgeführte Sätze, die sich gegenseitig bedingen. Doch schließt der letzte nicht eigentlich ab, wie er auch früher als die andern geschrieben. Wir müßten zum Lobe [121] der Phantasie nur wiederholen, was wir über Werk 17 gesagt, wenn jene ihrer Anlage nach auch auf anderm Gebiete spielt, bei weitem complicirter, schwieriger und anspruchvoller ist. An schönen Melodieen ist sie überreich und schmettert es darin wie aus Nachtigallenbüschen. Auch an den Bennett eigenen Harmonieenwendungen läßt sich der Dichter errathen. Der Charakter ist in den drei ersten Sätzen überwiegend lyrisch, der letzte erhebt sich dramatischer und regt die Phantasie am stärksten auf: Musiker, Maler und Poet finden hier Stoff. Zu ihrer Darstellung passen nur wirkliche Künstler. Dilettanten würden sich schwerlich herauszufinden wissen, wenigstens die Mehrzahl.[H 5]

Von neuen Compositionen Chopin’s haben wir, außer einem Heft Mazurken und drei Walzern, eine merkwürdige Sammlung von Präludien zu erwähnen. Er gestaltet sich immer lichter und leichter — oder ist’s Gewöhnung an seine Weise? — So werden die Mazurken[8] im Augenblick anmuthen und scheinen uns populärer als die früheren: vor allen müssen die drei Walzer[9] gefallen, andern Schlages als die gewöhnlichen, und in der Art, wie sie nur einem Chopin beikommen können, wenn er in das Tanzgemenge, das er eben hebt durch sein Vorspielen, großkünstlerisch hineinsieht und andere Dinge denkend, als was da getanzt wird. Ein so fluthendes Leben bewegt sich darin, daß sie wirklich im [122] Tanzsalon improvisirt zu sein scheinen. Die Präludien[10] bezeichnete ich als merkwürdig. Gesteh’ ich, daß ich mir sie anders dachte und wie seine Etuden im größten Styl geführt. Beinahe das Gegentheil; es sind Skizzen, Etudenanfänge, oder will man, Ruinen, einzelne Adlerfittige, alles bunt und wild durch einander. Aber mit seiner Perlenschrift steht in jedem der Stücke: „Friedrich Chopin schrieb’s;“ man erkennt ihn in den Pausen am heftigen Athmen. Er ist und bleibt der kühnste und stolzeste Dichtergeist der Zeit. Auch Krankes, Fieberhaftes, Abstoßendes enthält das Heft; so suche jeder, was ihm frommt und bleibe nur der Philister weg. Was ist ein Philister?

Ein hohler Darm
Von Furcht und Hoffnung ausgefüllt,
Daß Gott erbarm!

Schließen wir besänftigender mit dem schön Schiller’schen:

Jenes Gesetz, das mit ehernem Stab den Sträubenden lenket,
Dir nicht gilt’s. Was du thust, was dir gefällt, ist Gesetz.




  1. Werk 30.
  2. Werk 45.
  3. Werk 9.[H 3]
  4. Werk 8.
  5. Werk 10.
  6. Werk 6.
  7. Werk 17.
  8. Werk 33.
  9. Werk 34.
  10. Werk 28.

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Er war Norberts Bruder. II.167 Commons
  2. [GJ] Bei Erwähnung der C. W. Greulichschen Etuden für die linke Hand sagte Schumann (1836, V, 18 Internet Archive): „Ist es auch nicht so schlimm, als wenn man auf einem Fuß tanzen lernen wollte, so hat es immer etwas Komisches und so zu sagen Einfältiges, wenn die rechte Hand müßig zusehen muß und gleichsam zu sagen scheint: ‚ich brauchte nur hinzutippen und du brauchtest dich nicht so abzumartern‘. Doch kann die Idee ausnahmsweise in Schutz genommen werden. Dabei fällt mir [173] der Gedanke eines bedeutenden Componisten ein, der meinte, ‚daß es ihm immer spaßhaft vorgekommen, wenn sich Violinvirtuosen zwei- und dreistimmig abplagten, während die Orchestranten, die Violine in den Händen, ruhig daständen‘. Nur ist’s (und nicht allein im Klang) ein eben so großer Unterschied, wenn Einer doppelstimmig spielt, als wenn zwei einstimmig.“ II.172–173 Commons
  3. [GJ] Schumann gewidmet. II.204 Commons
  4. [GJ] Phantasie in A dur. II.205
  5. [GJ] Bennett hat die Phantasie Werk 16 Schumann gewidmet als Gegengabe für die Widmung der symphonischen Etüden an ihn. Es handelte sich dabei (wie mir Bennetts Sohn mittheilte) zugleich um einen Scherz: Bennett wollte ein schwieriges Stück schreiben, woran Schumann tüchtig zu üben haben sollte. Vielleicht war es auch nach dieser Seite hin auf ein Gegenstück zu den symphonischen [518] Etüden abgesehen. Ueber das Finale der letzteren liest man in J. A. Fuller Maitlands Biographie Schumanns (London 1888 [WS: bzw. London und New York 1884, S. 53–54]) S. 53: „Das Thema, mit dem es beginnt, ist einer Melodie aus Marschners Oper Templer und Jüdin: ‚Du stolzes England, freue dich‘ entnommen. Die Wahl dieses Themas für das Finale sollte eine Huldigung für Sterndale Bennett sein, der gerade zu der Zeit nach Leipzig gekommen war, als die Variationen componirt wurden, und dem sie Schumann widmete. Es ist jedoch zu befürchten, daß der englische Componist die Ehre, die Schumann ihm erwiesen hatte, kaum auf ihren richtigen Werth hin würdigte, denn es wird von ihm erzählt, daß, als er später das Werk gelegentlich hörte, er es nicht wiedererkannte.“ Internet Archive Das ist wohl glaublich, stimmt auch zu Bennetts Tagebuch, in dem von Schumann nur in den herzlichsten und freundschaftlichsten Worten gesprochen wird, während man vergeblich nach einer Aeußerung über seine Compositionen sucht. (Man darf hieraus übrigens nicht etwa folgern, daß Bennett der Schumannschen Musik theilnahmlos gegenübergestanden habe; er hat vielmehr einige von Schumanns größeren Werken zuerst in England eingeführt, z. B. 1856 die Peri.) — Bennetts A dur-Phantasie ist in England erst nach dem Tode des Verfassers veröffentlicht worden, — wie der Sohn meint: weil der Componist selbst ihr keinen sonderlichen Werth beigelegt habe. II.517–518 Anmerkung 40 Commons
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