Gesammelte Schriften über Musik und Musiker/Rondo’s für Pianoforte (2)

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Sechster Quartettmorgen Gesammelte Schriften über Musik und Musiker (1854) von Robert Schumann
Rondo’s für Pianoforte
Kürzeres und Rhapsodisches für Pianoforte


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Rondo’s für Pianoforte.
Antoinette Pesadori, Einleitung und Rondo. – Const. Decker, Rondo. Werk 11. – C. Krebs, Einleitung und Rondo. Werk 40. – F. A. Reißiger, 3 Rondino’s. Werk 22. – A. Hesse, 2tes Rondo. Werk 43. – C. Haslinger, die Luftschiffer, Rondo. Werk 11. – F. W. Grund, Einleitung und Rondo. Werk 25.


Aus vielen Gründen componirt man, — der Unsterblichkeit halber, — oder weil gerade der Flügel offen steht — um ein Millionär zu werden, — auch weil Freunde loben, — oder weil Einen ein schönes Auge angesehen, — oder auch aus gar keinem. Seh’ ich recht, so entstand das erste der obigen Rondo’s aus dem vierten Grunde, es ist eine vollkommene Damenarbeit, ein Ruhekissen, eine Brieftasche: von Musik ist nur nebenbei die Rede. Was Hrn. Decker zur Composition und Herausgabe seines Rondo’s veranlaßt, scheint ebenfalls zu errathen; seine Schüler sind’s. Baten wir ihn schon in der letzten Sonatenschau, nicht gar zu trocken zu dociren, so wiederholen wir dies heute; man kann schon einmal einen Septimenaccord anbringen und etwas Phantasie; wir [274] leben nicht mehr vor 30 Jahren. Durch gewisse Componisten seh’ ich aber wie durch Fensterglas. Das folgende Rondo hat sich mit allen Schönheitsmitteln einer Coquette angethan, und doch, blickt man ihr in’s herzlose Auge, wischt man die Schminke weg, spricht man vollends mit ihr und merkt, wie die eine Hälfte der Unterhaltung affectirt, die andere fad, und das Ganze aus Clauren oder Kotzebue entlehnt ist, so verdrießt Einen all’ die Zärtlichkeit, mit der sie bestricken will, der nutzlos verschwendete Putz, das Vornehmthun bei angeborner Gewöhnlichkeit. Nimmt man es aber mit Rondo’s nicht so genau, übersieht man dies und jenes, ist man ein Feind von Melodie und vergißt, daß Hummel auch eins in A geschrieben, so wüßte ich nicht, warum das Rondo des Hrn. Krebs nicht dem Besten anzureihen wäre, was Czerny und Kalkbrenner in ihrer letzten Blüthenzeit geschrieben, und warum es nicht zu empfehlen. — Der Componist der folgenden Rondo’s ist nicht der Dresdener Capellmeister, hat aber manches Charakterverwandte und namentlich Leichtigkeit in Erfindung hübscher Melodieen mit diesem gemein. Auf den ersten Seiten geht es daher immer flink vom Zeug; im Verlauf des Stückes verfitzt er sich aber meistens in den Tonarten, und so ist keins der Rondo’s fertig, ein Ganzes worden. Z. B. im ersten kömmt das D moll zu früh, das C dur, wo man F dur erwartete, das F dur (S. 3), wo man in C dur bleiben wollte, das A dur ebenfalls wenig vorbereitet, von B dur gar nicht zu reden, das besser ein ganz [275] neues Rondo angefangen hätte. Es scheint, der Componist will zu viel anbringen, einen brillanten Passagensatz, eine Cantilene, einen Mittelsatz mit Arbeit etc., und so erdrückt eins das andere in so kleinem Raum. Gerade, was Symmetrie der Form und Klarheit des harmonischen Baus betrifft, kann er noch von seinem Namensbruder lernen.

Das Rondo des Hrn. Hesse schwankt zwischen Capriccio-, Mazurken- und Rondocharakter und wirkt daher auch nicht entschieden. Offenbar soll es ein Gesellschaftsstück sein; doch hab’ ich dem Componisten nie große Erfolge im Salon prophezeit; er schreibt dazu zu gut und andererseits zu schwerfällig. Im Uebrigen versteht es sich, daß das Stück harmonisch interessant, gut abgerundet und durchdachter ist, als zwanzig der neuesten Pariser Modearbeiten.

Im Rondo von Hrn. Haslinger findet man viel artige Einfälle, leichtes, lustiges Wesen, kurz, was es sein soll, eine Luftfahrt, wo Niemand den Finger bricht, geschweige Anderes. Ordentliche musikalische Schriftsteller werden das Stück zu schildern suchen und wie (B dur, 4/4 Tact, Andante) das Publicum gespannt sei und der Ballon gefüllt werde, bis er endlich (im Allegro con moto) über die nachsehenden Köpfe auffliege, während ich lieber auf den hübschen gelenken Bau, leichten Fluß und die guten Rhythmen aufmerksam mache und manchen doppelten Contrapunct dafür hingebe.

Einen tüchtigen Künstler, wie Hrn. Grund, erkennt [276] man überall, und wär’s an einzelnen Tacten, wie sie in seinem Rondo auf S. 2, Syst. 3, im Anfang von S. 4 oder S. 5, Syst. 3 von Tact 2 an vorkommen. Aber das ganze Rondo zeigt die feste Hand, Gedanken und solide Bildung, wie man so selten findet. Der Cantilene in der Mitte hätte ich vielleicht eine bestimmtere Melodie gewünscht; im übrigen muß man es schön und gut heißen. Warum schreibt der geschätzte Componist so wenig?




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