Gesetz, die Ergänzung des stehenden Heeres betreffend

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Gesetzestext
unkorrigiert
Titel: Gesetz, die Ergänzung des stehenden Heeres betreffend
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich: Königreich Bayern
Rechtsmaterie: Wehrrecht
Fundstelle: Gesetzblatt für das Königreich Bayern, VII. Stück, Spalte 73-120
Fassung vom: 15. August 1828
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 27. August 1828
Inkrafttreten: 1. Mai 1829
Anmerkungen:
aus: {{{HERKUNFT}}}
Quelle: Scan auf MDZ
Editionsrichtlinien zum Projekt
Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia
Bild
[[Bild:{{{BILD}}}|200px]]
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[Index:|Indexseite]]


[73]


Gesetz, die Ergänzung des stehenden Heeres betreffend.

Ludwig

von Gottes Gnaden, König von Bayern,
ec. ec.


Titel I. Allgemeine Bestimmungen.[Bearbeiten]

§. 1.[Bearbeiten]
Die stehende Armee bildet den ersten Bestandtheil der Vertheidigungs-Anstalten des Königreichs, und wird sowohl im Kriege als im Frieden ergänzt aus dem freiwilligen Zugange, und durch die allgemeine Militär-Conscription.
§. 2.[Bearbeiten]
Jeder Bayer hat das Recht, in die stehende Armee einzutreten, in so fern er die zum Kriegsdienste erforderlichen Eigenschaften und einen guten Leumund besitzt, das 18te Lebensjahr bereits zurückgelegt, das 30te Lebensjahr jedoch noch nicht überschritten hat. Minderjährige können von diesem Rechte nur dann Gebrauch machen, wenn sie 75
die legal erklärte Einwilligung der Eltern oder des Vormundes beybringen.
§. 3.[Bearbeiten]
Wer in der stehenden Armee bereits eine oder mehrere Capitulationen zurücklegte, ist zum Wiedereintritt berechtiget, wenn er das 40te Lebensjahr noch nicht zurück gelegt hat, und die zum Kriegsdienste nöthigen Eigenschaften und einen guten Leumund besitzt.
§. 4.[Bearbeiten]
Wer wegen eines Verbrechens oder wegen eines durch Betrug, Unterschlagung, Fälschung oder Diebstahl begangenen Vergehens verurtheilt worden ist, kann der Ehre der Waffen nicht theilhaftig werden.
§. 5.[Bearbeiten]
Der allgemeinen Militär-Conscription ist jeder Bayer unterworfen, und zwar in jenem Jahre, während welches er sein ein und zwanzigstes Lebensjahr zurücklegt.
§. 6.[Bearbeiten]
Mit dem 1. Jänner des darauffolgenden Jahres tritt jeder Conscriptionspflichtige in die Militärpflichtigkeit.
§. 7.[Bearbeiten]
In den ersten zwei Jahren der Militärpflichtigkeit ist jeder Conscribierte verbunden, in die stehende Armee zu treten, wenn er hiezu berufen wird.
Von dieser Verbindlichkeit sind Kraft des Gesetzes entbunden:
a)jeder einzig übrig gebliebene Sohn jener Eltern, welche bereits zwey Söhne, diese mögen vermöge der Conscription eingereiht worden, oder freywillig zum Militär gegangen seyn, unter den Fahnen, sey es auf dem Schlachtfelde, vor dem Feinde, an den Folgen der im Felde erhaltenen Wunden oder sonst auf was immer für eine Weise durch die Verrichtungen ihrer dienst- lichen Obliegenheiten, verloren haben, und
b)jeder Sohn jener Eltern, welcher auf die ebenbemerkte Weise drey Söhne unter den Fahnen verloren haben.
§. 8.[Bearbeiten]
Die Berufung zur Armee geschieht durch das Loos, in so fern nicht der im §. 11. vorgesehene Fall eintritt.
§. 9.[Bearbeiten]
In Friedenszeiten soll in der Regel die Zahl der zur jährlichen Ergänzung des Heeres erforderlichen Mannschaft den sechsten Theil des formationsmäßigen Standes nicht überschreiten.
§. 10.[Bearbeiten]
Die Ergänzung muß vor allem aus der Classe derjenigen genommen werden, welche im ersten Jahre der Militärpflichtigkeit stehen. 77
§. 11.[Bearbeiten]
In Kriegszeiten kann die Ergänzung nach Gutbefinden der Staats-Regierung das im §. 9. bestimmte Maaß überschreiten; der Mehrbetrag wird dann gleichmäßig auf die erste und zweyte militärpflichtige Altersclasse ausgeschlagen; auch können zur Kriegszeit diese beiden Altersclassen ohne vorgängiges Loosen in Massa zur Armee berufen werden.
§. 12.[Bearbeiten]
Der in die Armee eingereihte Conscribirte ist zu einer Dienstzeit von sechs Jahren verpflichtet. Diese Dienstzeit zählt von dem Tage, an welchem ein Conscribirter durch den Rekrutirungsrath zum Dienste der Armee bestimmt, und dem Militär-Commando überwiesen wird.
§. 13.[Bearbeiten]
Kein Bayer darf zur Ansäßigmachung oder Verehelichung zugelassen, oder in einem öffentlichen Amte definitiv angestellt werden, bevor er der Armeepflichtigkeit vollkommen genüget, und durch einen Abschied oder Entlassungsschein sich hierüber ausgewiesen haben wird.
Die Verehelichung kann je doch auch vor dem Eintritte des Conscriptions-Alters statt haben, wenn der Conscriptionspflichtige einen Ersatzmann stellt, und ihm sonst keine polizeylichen, privat- oder kirchenrechtlichen Hindernisse im Wege stehen. Der Ersatzmann hat alle Verbindlichkeiten zu erfüllen, welche das Gesetz auflegt, den Einsteller mag das Loos treffen oder nicht; jener wird dem Contingente des betreffenden Bezirkes zu gut gerechnet. Auch sind solche Verehelichungen gegen Caution wegen Stellung eines Ersatzmannes für den Fall des Aufrufes gestattet.
Die Verehelichungen der im Armee-Verbande stehenden Personen hängt nicht bloß von den polizeylichen, dann den Privat- und kirchenrechtlichen, sondern auch von den militärdienstlichen Vorschriften ab.
§. 14.[Bearbeiten]
Von den Bestimmungen der §§. 5– 12. inclus. sind befreyt:
a)die Standesherren und ihre Familien;
b)der geistliche Stand.
Als dem geistlichen Stande angehörig werden betrachtet bey den Katholiken diejenigen, welche die höheren Weihen wirklich erhalten, oder in Klöstern mit der Bewilligung der zuständigen Landesbehörde lebenslängliche Gelübde abgelegt haben; bey den Protestanten diejenigen, welche förmlich ordiniert worden sind.

Titel II. Von dem freywilligen Zugange.[Bearbeiten]

§. 15.[Bearbeiten]
Wer freywillig in die Armee tritt, hat das Recht, die ihm beliebige Waffengattung zu wählen, wenn er die hiezu erforderlichen Eigenschaften besitzt. 79
§. 16.[Bearbeiten]
Der freywillig Zugehende muß sich zu einer Dienstzeit (Capitulation) von sechs Jahren verpflichten.
Wer bereits eine oder mehrere Capitulationen in der Armee diente, kann bey dem Wiedereintritte in dieselbe die Dienstzeit selbst bestimmen, jedoch ist das Minimum hiebey auf zwei Jahre oder auf die Dauer der Kriegszeit festgesetzt.


§. 17.[Bearbeiten]
Nach dem Eintritte in die Armee steht der freywillig Zugegangene an Rechten und Obliegenheiten in dienstlicher Hinsicht denjenigen gleich, welche auf dem Grunde der Armeepflichtigkeit eingereiht worden sind.
§. 18.[Bearbeiten]
So wie ein freywillig Zugegangener die Dienstzeit, wozu er sich bei dem Eintritte in die Armee verpflichtete, zurückgelegt hat, muß derselbe in Friedenszeiten auf Verlangen unverzüglich mittelst förmlichen Abschiedes entlassen werden.
§. 19.[Bearbeiten]
Wer in die Armee tritt, um einen militärpflichtigen Bayer darin zu ersetzen, kann auf die in den §§. 15. und 16. bezeichneten Rechte keinen Anspruch machen, seine Rechte und Verbindlichkeiten richten sich vielmehr nach den im Tit. III. wegen der Einsteher enthaltenen Vorschriften.

Titel III. Von dem Aufrufe mittelst der Conscripiton.[Bearbeiten]

I. Abschnitt. Von der Conscription überhaupt.[Bearbeiten]

§. 20.[Bearbeiten]
Für jeden Polizeybezirk muß jährlich eine besondere, auf die Geburtsregister und Speciallisten der Gemeinde-Vorsteher gegründete Conscriptionsliste hergestellt werden; in dieser sind alle Jünglinge zu verzeichnen, welche in dem betreffenden Jahre nach den Bestimmungen des §. 5. in das Conscriptions-Alter treten, und im Bezirke ihre gesetzliche Heimath haben. Mit Herstellung dieser Liste muß in allen Bezirken der Monarchie am 4. November, oder wenn er ein Feyertag ist, am 5. November begonnen werden, in so fern die Staats-Regierung hiezu nicht einen andern Tag durch eine allgemeine, mittelst des Regierungsblattes zu verkündende Anordnung bestimmt.
§. 21.[Bearbeiten]
Jeder Bayer ist verpflichtet, an dem im vorstehenden §. bezeichneten Termine desjenigen Jahres, während welches er das 21te Lebensjahr zurücklegt, vor der Conscriptions-Behörde des Bezirkes seiner gesetzlichen Heimath entweder persönlich oder durch Bevollmächtigte zu erscheinen, und zum Eintragen in die Conscriptionslisten sich zu melden; diese Anmeldung darf auch 81
bey der Concriptions-Behörde des temporären Aufenthaltes geschehen. Bey der Anmeldung und Aufzeichnung muß der Conscriptionspflichtige alle Aufschlüsse und Nachweise geben, deren die Behörde zur Anfertigung der Conscriptions-Listen bedarf.
§. 22.[Bearbeiten]
Eine spätere Anmeldung darf nur dann statt finden, wenn die Conscriptionsbehörde für die Pflichtigen einer einzelnen Gemeinde oder Abtheilung durch eine besondere Verfügung einen spätern Tag bestimmt, dieser darf jedoch in keinem Falle den Normal-Anmeldungs-Termin um 10 Tage überschreiten.
Die Anmeldung zur Conscription bey der Conscriptions-Behörde des temporären Aufenthaltes muß jederzeit 14 Tage vor dem gemäß §. 20. bestimmten Normaltermine geschehen; dem Conscriptionspflichtigen ist die Beobachtung seiner Pflicht zu bescheinigen, und sogleich ausführliche Mittheilung an die Conscriptionsbehörde seiner Heimath zu machen, welche ihn sodann in ihre Conscriptionsliste einzutragen hat.
§. 23.[Bearbeiten]
Die Districts-Polizeibehörden sind allenthalben auch die Conscriptionsbehörden ihrer Bezirke. :Diese Bezirke sind nach Ermessen der Staats-Regierung in der Art abzutheilen, daß das Geschäft der Aufzeichnung der Anmeldungen in jedem derselben an einem Tage vollendet werden kann.
§. 24.[Bearbeiten]
Die Conscriptionsbehörden sind verbunden, den Termin, an welchem die Herstellung der Conscriptionslisten beginnen soll, 4 Wochen vorher in allen Gemeinden ihres Bezirkes verkünden, und gleichzeitig die Strafen und andere gesetzliche Folgen bekannt machen zu lassen, denen jene unter liegen werden, welche sich nicht vorschriftmäßig melden.
§. 25.[Bearbeiten]
Die Conscriptionspflichtigen, welche an dem festgesetzten Termine weder persönlich erscheinen, noch durch Bevollmächtigte sich vertreten lassen, sind von den Behörden auf den Grund der Geburtsregister und Speciallisten der Gemeinde-Vorsteher in die Conscriptionsliste von Amtswegen einzutragen.


§. 26.[Bearbeiten]
Am 12ten Tage nach dem ersten Anmeldungstage (§. 20.) ist die Concriptionsliste eines jeden Bezirkes zu vollenden, und sodann acht Tage in einem Zimmer der Conscriptionsbehörde zur Einsicht aller Militärpflichtigen des Bezirkes ihrer Eltern und Vormünder aufzulegen.
Gleichzeitig ist in jeder Gemeinde das Namensverzeichniß ihrer conscribirten Jüng- 83
linge öffentlich anzuheften, und auf diese Art acht Tage zur allgemeinen Einsicht auszustellen.
§. 27.[Bearbeiten]
Nach Ablauf des im vorstehenden §. bemerkten achttägigen Termins, und zwar in den darauf folgenden drey Tagen müssen, bey Vermeidung der Präclusion, die gegen die Conscriptionslisten gerichteten Reclamationen bey der Conscriptionsbehörde unter Anführung der Ursache angemeldet werden. Die Reclamationen können nicht bloß wegen unrichtiger, sondern auch wegen unterlassener Eintragung angestellt werden.
Das Recht der Reclamation steht ausser den Conscribirten auch sämmtlichen Militärpflichtigen des Bezirkes, so wie den Eltern und Vormündern der ersteren und letzteren zu.
§. 28.[Bearbeiten]
Innerhalb acht Tagen ist die Instruction dieser Reclamationen durch die Conscriptionsbehörde zu vollenden, am 9ten Tage nach Anmeldung der ersten Reclamation muß die Conscriptionsbehörde sämmtliche Reclamationen nach der Reihenfolge ihrer Anmeldung mündlich wiederholen lassen, die Verhandlung vornehmen, resp. reassumiren, unter Vorbehalt der Berufung und Revision entscheiden, und auf den Grund dieser Entscheidungen die Conscriptionslisten berichtigen.
Kann die Entscheidung und Berichtigung nicht an einem Tage erfolgen, so muß das Reclamationsverfahren in den nachfolgenden Tagen ohne Unterbrechung fortgesetzt werden.
§. 29.[Bearbeiten]
Unmittelbar nach dem Schluße der Reclamationsverhandlungen muß auf den Grund der berichtigten Conscriptionslisten das Loosen statt finden. Dieses wird in allen Bezirken des Königreiches nach ganz gleichen Vorschriften vorgenommen.
Für die Conscribirten, welche bereits freywillig in die Armee getreten sind, müssen hiebey ebenfalls Loose gezogen werden.
§. 30.[Bearbeiten]

Nach Vollendung des Loosens und Verkündung der Resultate desselben muß sogleich zum Messen der Conscribirten geschritten werden. Dabey ist das Bayerische Normal-Maaß zu Grunde zu legen, und der Aufruf der Conscribirten muß nach der Reihenfolge der Loosnumern geschehen. Die Verhandlung des Messens unterliegt der besonderen Controlle eines Ausschusses. Dieser soll bestehen aus fünf Gemeinde-Vorstehern oder Gemeinde-Bevollmächtigten des Bezirkes, welche jährlich aus einem im voraus zu bestimmenden Turnus zu alterniren haben. 85

Jedes Glied dieses Ausschusses hat von der Richtigkeit der Messung sich persönlich zu überzeugen, und eines derselben mit wohl vernehmlicher Stimme hierüber auszusprechen.
§. 31.[Bearbeiten]
Bei der Verhandlung des Messens müssen die Conscriptionspflichtigen sich so gleich erklären, ob sie sich für dienstfähig halten, und ob sie Ansprüche auf Zurückstellung machen. Die Erklärung über beyde Puncte muß dem Conscribirten gleich nach seiner Messung abgefordert, und von diesem laut und vernehmlich ausgesprochen werden.
§. 32.[Bearbeiten]
Die Erklärung der Dienstesunfähigkeit muß mit der Bezeichnung des Gebrechens, der Anspruch auf Zurückstellung mit Aufzählung der hiefür sprechenden Gründe verbunden werden. Die Conscriptionsbehörde hat hierauf sogleich in ersterer Beziehung die ärztliche und wundärztliche Visitation anzuordnen, das Resultat derselben bekannt zu machen, und hierauf, unter Vorbehalt der Berufung und Revision, die Dienstfähigkeit oder Dienstunfähigkeit des Conscribirten auszusprechen, in Hinsicht der Zurückstellungs-Ansprüche entweder, unter dem obenerwähnten Vorbehalte, zu entscheiden, oder dem Conscribirten den erforderlichen Beweis aufzulegen, welcher bey Vermeidung der Präclusion binnen 14 Tagen auszuführen ist.
Am 15ten Tage, nachdem ihnen die beyzubringenden Beweismittel speciell benannt wurden, hat die Conscriptionsbehörde zu entscheiden.
Conscribirte, welche sich für dienstfähig erklären, werden bei der untern Conscriptionsbehörde keiner Visitation unterworfen.
§. 33.[Bearbeiten]
Die Verhandlungen zur Berichtigung der Conscriptionslisten (SS. 27. und 28.) des Loosens, des Messens, der Entscheidung wegen Dienstesunfähigkeit und Zurückstellungs-Anspruch müssen öffentlich vorgenommen werden. Der Zutritt ist jedoch, außer den Müttern der Conscribirten, nur Männern gestattet, und hiebey gebührt den Conscribirten und Armeepflichtigen des Bezirkes, dann den Eltern und Vormündern der Conscribirten der Vorzug, wenn das Locale nicht alle Anwesenden fassen sollte.
§. 34.[Bearbeiten]

Die Visitation geschieht durch das aufgestellte ärztliche und wundärztliche Personal nach einer für alle Bezirke der Monarchie gleichmäßig anzuwendenden Instruction, ab gesondert für jeden einzelnen Concribirten, unter Entfernung aller übrigen, jedoch in Gegenwart eines nach den Vorschriften des 87

§. 30. gebildeten Ausschusses bey verschlossenen Thüren. Hiebey ist außer den Conscriptionsbeamten Niemand der Zutritt gestattet, als den Vätern und Vormündern desjenigen Conscribirten, welcher der Visitation unterzogen wird.
§. 35.[Bearbeiten]
Ueber den ganzen Vorgang einer jeden in den §§. 33 und 34. bemerkten Hauptverhandlung muß ein genaues Protokoll abgefaßt werden, welches nach geschehener öffentlicher Verlesung von dem Conscriptionsbeamten und Protokollführer zu unterzeichnen ist.
Der im §. 30. bezeichnete Ausschuß hat alle in den §§. 33 und 34. enthaltenen Verhandlungen der Conscriptionsbehörden zu controllieren, und zu diesem Behufe die Protocolle zu unterzeichnen.
§. 36.[Bearbeiten]
Die den Conscriptionsbehörden unmittelbar vorgesetzten königl. Verwaltungsstellen berichtigen die Conscriptionslisten eines jeden Bezirkes definitiv, sprechen in letzter Instanz über die Gültigkeit der im gegenwärtigen Titel bezeichneten Verhandlungen der Conscriptionsbehörden, so wie über die hierüber angebrachten Reclamationen und Berufungen, und bilden in dieser Beziehung für den ganzen Regierungsbezirk den obersten Rekrutirungsrath.
Die Sitzungen desselben müßen jederzeit am 15. Jänner eines Jahres beginnen, in so ferne die Staats-Regierung hiezu nicht einen andern Termin festgesetzt; – sie sind öffentlich, jedoch unter Beobachtung der Vorschriften des §. 33.; das Verfahren ist mündlich, die Entscheidungen müssen in collegialer Form abgefaßt werden, nachdem zuvor jederzeit die allenfalls anwesenden Reklamanten und andere Betheiligten, oder ihre Vertreter, und der vom Könige besonders aufgestellte Staatsanwalt, welchem zugleich die Revision der Conscriptionslisten und der von den Unterbehörden vorgenommenen Verhandlungen obliegt, oder sein Stellvertreter werden vernommen worden seyn.
Jeder Conscribirte ist verbunden, zum Behufe der Revision der Conscriptionslisten persönlich vor dem Rekrutirungsrathe zu erscheinen, wenn er hiezu besonders berufen werden sollte.

II. Abschnitt. Von der Aushebung.[Bearbeiten]

§. 37.[Bearbeiten]
Die Staats-Regierung bestimmt jährlich die Zahl der zur Ergänzung der Armee zu berufenden Mannschaft, und spricht die Größe des Contingentes aus, welches hieran jeder Regierungsbezirk zu den verschiedenen Waffengattungen zu stellen hat. 89
Bey Festsetzung dieser Contingente wird das Zahlverhältniß der Conscribirten der betreffenden Altersclasse als Vertheilungsmaaßstab zu Grunde gelegt.
§. 38.[Bearbeiten]
Die Aushebung beginnt jährlich am ersten März, und muß in der Regel am letzten März beendiget seyn, in so ferne die Staats-Regierung nicht andere, durch das Regierungsblatt bekannt zu machende Termine festsetzt.
§. 39.[Bearbeiten]
Der Rekrutirungsrath eines jeden Regierungsbezirkes verheilt das für denselben festgesetzte Contingent auf die untergegebenen Bezirke ebenfalls nach dem Zahlenverhältnisse der aufrufpflichtigen Jünglinge der betreffenden Altersclasse. – Er bestimmt gleichzeitig für jeden Bezirk den Tag und Ort der Aushebung und die bereit zu haltende Reserve.
§. 40.[Bearbeiten]
In jedem Conscriptionsbezirke müssen die armeepflichtigen Jünglinge der betreffenden Altersclasse nach der Reihenfolge der Loosnumern sowohl zum Contingente, als zur Reserve gerufen werden, sie sind sodann verbunden, an dem bestimmten Orte und Tage sich vor dem Rekrutirungsrathe zu stellen, in so ferne sie nicht schon früher freywillig in die Armee getreten sind. – Diese freiwillig Zugegangenen werden, wenn sie die Reihenfolge der Loose trifft, dem Bezirke ihrer Heimath an dem Contingente zu gut geschrieben.
§. 41.[Bearbeiten]
Von dem Abmarsche sind diejenigen befreit, welche
a)das Maaß von 5 bayerischen Fuß, 4 Zoll, nicht erreichten;
b)oder zur Zeit wegen schwächlichen Körpers oder heilbarer Krankheiten noch nicht dienstfähig sind;
c)oder wegen körperlicher Gebrechen als dienstunfähig erkannt wurden;
d)oder das bereits anerkannte Recht haben, aus andern Titeln zurück gestellt zu werden;
e)oder auf den Grund des §. 4. unwürdig sind, in die Armee zu treten.
Statt derselben müssen jene abmarschieren, welche ihnen in der Reihe der Loose folgen.
Die ad a. und b. bemerkten Jünglinge müssen im darauffolgenden Jahre wieder conscribirt und gemessen werden. – Erreichen sie bis zur nächsten Aushebung die Normalgröße von 5 bayerischen Fuß und 4 Zoll, oder haben sich die Ursachen, wegen welcher sie früher nicht dienstfähig waren, gehoben, so sind sie in die Armee einzureihen; und werden an dem Contin- 91
gente des Bezirkes abgerechnet, und diesem zu gut geschrieben.
§. 42.[Bearbeiten]
Die aufgerufenen Conscribirten müßen sich vor dem Rekrutirungsrathe nochmal der Meßung, und sodann der körperlichen Visitation unterwerfen. – Hiebey muß das in den §§. 30., 31., 32. und 35. vorgezeichnete Verfahren beobachtet werden, je doch findet hiebey die Zuziehung des im §. 30. bezeichneten Ausschusses nicht statt.
Auf dem Grunde der neuen Messung und der körperlichen Besichtigung spricht der Rekrutirungsrath in öffentlicher Sitzung, für welche er mit zwei bis drey vom Könige ernannten und zum vollen Stimmenrechte berechtigten Militärpersonen – deren Zahl jedoch nie größer, als jene der Civil-Beysitzer seyn darf, – verstärkt wird, über die allgemeine Dienstesfähigkeit des Pflichtigen, sowie über dessen besondere Fähigkeit zum Cavallerie- oder Artillerie-Dienste aus, erklärt, daß die als fähig erkannten Individuen nach der Reihenfolge bis zur Vollzähligmachung des Contingents eines jeden Bezirks in die Armee zu treten haben, und ruft sie hiezu namentlich auf.
Wenn ein Conscriptionsbezirk nicht im Stande ist, ein Contingent an dem bestimmten Tage ganz zu stellen, so muß die Nachstellung der abgängigen Mannschaft vor Ablauf der im §. 38. für die Vollendung der Aushebung festgesetzten Zeit an dem von dem Rekrutirungsrathe zu bestimmenden Tage erfolgen; reichen hiezu nicht die im Conscriptionsbezirke vorhandenen Conscribirten der ersten Altersclasse hin, so muß der Abgang durch die übrigen Conscriptionsbezirke des nämlichen Regierungs-Bezirkes gedeckt werden, wofür der Rekrutirungsrath die Vertheilung nach den in dem §. 39. festgesetzten Grundsätzen auszusprechen hat.
§. 43.[Bearbeiten]

Die von dem Rekrutirungsrathe zum Dienste der Armee aufgerufenen Jünglinge werden jederzeit gleich an das zur Uebernahme bestimmte Militär-Commando abgegeben, sowie ihre Dienstesfähigkeit ausgesprochen ist.

§. 44.[Bearbeiten]

Jene Conscribirten, welche Gebrechen angeben, deren Vorhandenseyn weder durch die ärztliche und wundärztliche Untersuchung, noch durch vollgültige Aussagen der übrigen Conscribirten oder Orts-Einwohner bestätiget wird, sollen der Armee ohne weiters eingereihet werden.

§. 45.[Bearbeiten]

Die gemäß §. 4. der Ehre der Waffen unwürdigen Conscribirten, welche das Loos traf, haben Ersatzmänner zu stellen, in so ferne sie das hiezu erforderliche Vermögen besitzen, außerdem sollen sie sich in 93 den Festungen und andern Vertheidigungs-Anstalten des Reiches zu den für den Bedarf derselben erforderlichen Arbeiten während der im Gesetze vorgeschriebenen Zeit gebrauchen lassen, wenn sie zu diesen Arbeiten gerufen werden. – Sie können jedoch hiezu nur während der auf die Aushebung ihrer Altersclasse folgenden 6 Jahre verwendet werden, müßen während ihrer Präsenz den Soldaten der Armee an Löhnung und Verpflegung gleichgehalten werden, ohne jedoch die Auszeichnung derselben zu theilen, und Waffen zu erhalten.

III. Abschnitt. Von der Zurückstellung und den besonderen Vorrechten einzelner Classen der Conscribirten.[Bearbeiten]

§. 46.[Bearbeiten]
Zur Zurückstellung eignen sich diejenigen Conscribirten, welche das Normalmaaß nicht erreichen, die Folgen dieser Zurückstellung sind bereits in dem §. 41. vorgezeichnet.
§. 47.[Bearbeiten]
Auf vorläufige Zurückstellung und Befreyung von dem Abmarsche haben auch diejenigen Conscribirten Anspruch, welche nach vorschriftmäßiger Prüfung mit landesherrlicher Genehmigung in ein Clerikal-Seminar oder in das Noviciat eines Klosters eingetreten sind, und sich nicht durch Unfleiß oder Unsittlichkeit ihres künftigen Berufes unwürdig gemacht haben.
Gleiche Ansprüche haben die protestantischen Candidaten der Theologie, wenn sie eine vom homiletischen Collegium approbierte Predigt gehalten, und ein günstiges Zeugniß der theologischen Fakultät über ihre Fähigkeit und Sittlichkeit beygebracht haben. -
Wenn ein Candidat der Theologie, welcher auf den Grund dieser Bestimmungen zurückgestellt wird, das Clerikalseminar, das Kloster oder das Studium der Theologie überhaupt verläßt, ohne die höheren Weihen oder die Ordination erhalten zu haben, so soll derselbe zu der ersten darauf folgenden Aushebung gezogen werden.
§. 48.[Bearbeiten]
Eben so hat auf Zurückstellung in jeder Familie ein Sohn, sohin auch der einzige Sohn, gleichwohl ob ehelich geboren, oder legitimirt oder rechtsförmlich adoptirt, einen Anspruch, insoferne die Familie nicht in dem Genuße eines die Subsistenz derselben sichernden Einkommens sich befindet, und zugleich außer Stand ist, diese Subsistenz durch eigenen Verdienst zu sichern.
Wenn sich in einer Familie mehrere Söhne befinden, so bestimmt das Haupt derselben denjenigen dieser Söhne, welchem der Anspruch auf das bemerkte Recht zustehen soll. 95
Wenn der zurückgestellte Sohn stirbt, und der Grund für die Zurückstellung noch fortdauert, so ist das Familienhaupt berechtiget, die im ersten Absatze ausgesprochene Begünstigung auf einen andern Sohn zu übertragen, Ein Adoptivsohn kann auf Zurückstellung nur dann Anspruch machen, wenn die Adoption schon vor seinem 12ten Jahre erfolgt, und derselbe von einem Adoptiv-Vater erzogen worden ist.
§. 49.[Bearbeiten]
Gleicher Anspruch auf Zurückstellung wird denjenigen Conscribirten zugesichert, welche
a)an Gymnasien und den denselben gleich stehenden Lehranstalten durch alle Classen unter den Ersten wa ren, oder
b)an den höheren Unterrichtsanstalten des Reiches als Preiseträger ausgezeichnet wurden.
Die Staatsregierung wird durch allgemeine, für alle Gebietstheile der Monarchie gleichmäßig geltende Verordnungen festsetzen, welche Unterrichts-Anstalten zu den vorbezeichneten Cathegorien gehören, und wie das Zahlverhältniß in Hinsicht der ad a und b gegebenen Vorschriften zu bemessen sey.
§. 50.[Bearbeiten]
Die in den §§. 47, 48 und 49 ausgesprochenen Zurückstellungen werden aufgehoben, so wie der Krieg eintritt. Die Zurückgestellten müssen sodann nach der Ordnung ihrer Zurückstellung in die Armee treten.
§. 51.[Bearbeiten]
Den Söhnen der Adelichen, der Collegialräthe und höhern Beamten gebührt die Auszeichnung, als Cadetten in die Armee zu treten.

IV. Abschnitt. Von der Einstellung und dem Tausche der Nummern.[Bearbeiten]

§. 52.[Bearbeiten]
Jeder Bayer kann sich in der Armee durch einen andern Mann ersetzen lassen. Während der Kriegszeit können jedoch diejenigen, welche bereits schon in der Armee eingereiht wurden, von diesem Rechte keinen Gebrauch machen.
§. 53.[Bearbeiten]
Der Ersatzmann muß
a)ein Inländer und
b)der Armeepflichtigkeit bereits entbunden feyn,
c)in einem Alter von wenigstens 21, und von höchstens 36 Jahren stehen,
d)die volle Fähigkeit zum Dienste besitzen,
e)alle jene Verpflichtungen übernehmen, welche dem Einsteller in Be- 97
zug auf die Armee obliegen würden.
Das Alter von 36 Jahren darf der Ersatzmann bey dem Eintritte in die Armee nur dann überschritten haben, wenn er früher schon eine volle Dienstzeit oder Capitulation von 6 Jahren in der Armee zubrachte, und wenn ihn die Militärbehörde für dienstfähig erklärt; in keinem Falle aber darf er sodann das 40te Jahr schon zurück gelegt haben.
§. 54.[Bearbeiten]
War der Einsteller schon wirklich in die Armee eingerechnet, so muß der Ersatzmann nicht nur die im vorstehenden §. 53. bemerkten Eigenschaften besitzen, sondern früher bereits eine volle Dienstzeit oder Capitulation von 6 Jahren in jener Waffengattung zugebracht haben, in welcher der Einsteller eingereiht ist, und auch ersetzt werden muß.
Der Einsteller muß zugleich die besondern Kosten tragen, welche aus einem solchen Wechsel für das Aerar entstehen werden.
§. 55.[Bearbeiten]
Die Festsetzung der Summe für die Uebernahme der Dienstzeit bleibt zwar des Privat-Uebereinkunft der Betheiligten überlassen, das Einstandskapital muß jedoch in jedem Falle als Caution deponiert werden, und zwar entweder in Staatspapieren, oder in exceptionsfreyen Hypothek-Urkunden.
Alles dasjenige, was im Einstands-Vertrage über das Einstandskapital besonders stipuliert ist, muß bey der Regiments-Casse zur successiven Verwendung für den Einsteher hinterlegt werden.
Nebenverträge und geheime Verabredungen dürfen nicht eingegangen werden, die Uebertretung dieser Bestimmung hat sowohl für die Einsteher als Einsteller eine dem Invalidenfond verfallende Geldstrafe zur Folge, welche der geheim bedungenen Summe, sowie dem Geldwerthe der geheim bedungenen Gegenstände gleichkommt.
Beträgt das Einstands-Capital eines Infanteristen nicht einhundert fünfzig Gulden, oder jenes eines Cavalleristen nicht dreyhundert Gulden, so soll dasselbe bis zur Größe dieser Summen ergänzt, und in vorbezeichneter Weise als Caution deponirt werden.
Wenn der Einsteher später durch den Rekrutirungsrath der Kavallerie zugetheilt wird, so ist die für diese Waffengattung festgesetzte Caution zu ergänzen. – Wird diese Cautions-Ergänzung nicht geleistet, so haftet der Einsteller noch zwey Jahre, für den Fall der Desertion des Einstehers in der Art, daß er einen anderen Ersatzmann zu stellen, oder insoferne er noch 99
unverheurathet ist, persönlich einzutreten hat.
§. 56.[Bearbeiten]
Die Gesuche und Reklamationen der Conscribirten entscheidet der Rekrutierungsrath unter Beyziehung der Militärbeysitzer in letzter Instanz, und verbindet die hier über zu führenden Verhandlungen mit jenen, welche die Vorschriften der §§. 42 und 43 aussprechen. Ueber die allgemeine und besondere Dienstesfähigkeit der Ersatzmänner jener Conscribirten, welche bereits in die Armee getreten sind, erkennen ausschließend die Militärbehörden.
§. 57.[Bearbeiten]
Sobald der Ersatzmann angenommen, und die Einstands-Caution vorschriftmäßig geleistet ist, wird der Einsteller der Armee-Pflichtigkeit entbunden, und dessen Rechte und Pflichten in Hinsicht des Dienstes der Armee gehen auf den Ersatzmann über.
§. 58.[Bearbeiten]
Wenn der Einsteher die übernommene Dienstzeit treu vollendet hat, oder während derselben ohne sein Verschulden dienstuntauglich wird, oder mit Tod abgeht, so wird die deponirte Einstandscaution ganz verabfolgt.
Wird der Ersatzmann vor vollendeter Dienstzeit auf den Grund der Bestimmungen des §. 4 oder wegen einer durch eigenes Verschulden sich zugezogenen Dienstuntauglichkeit entlassen, so müßen aus dem Einstandskapitale und der allenfallsigen Cautionsergänzung vor Allem die dem Aerar hierdurch allenfalls zugehenden pecuniären Nachtheile ersetzt, und die Kosten zur Einstellung eines andern, für den Rest der Dienstzeit zu verpflichtenden, den Bestimmungen des §. 54. entsprechenden Ersatzmannes gedeckt werden; nur der Mehrbetrag über diese Kosten wird sodann an die Beheiligten verabfolgt.
§. 59.[Bearbeiten]
Der Tausch der Numern ist zwischen den dienstfähigen Consribirten der nämlichen Altersclasse bis zu dem Augenblicke der wirklichen Einreihung gestattet, jedoch darf dabey ein Conscribirter, welcher zu Artillerie oder Kavallerie geeignet, und durch den Recrutirungsrath bereits zur Einreihung in eine dieser beyden Waffengattungen bestimmt ist, nicht mit einem solchen tauschen, welcher diese Eigenschaften nicht besitzt. – Zwischen Brüdern hat das Tauschen ohne Rücksicht auf die Altersklasse, sowohl vor als nach der Einreihung und ohne Anforderung, gleicher Eigenschaften statt; nur muß im Falle der jüngere für den Aelteren eintritt, dieser für die Dauer der Armeepflichtigkeit des Erstern, dessen Stelle in der treffenden Altersklasse einnehmen.
§. 60.[Bearbeiten]
Die Gesuche und Reklamationen der Conscribirten wegen Vertauschung der Num – 101
mern entscheidet der Recrutirungsrath in letzter Instanz, und zwar ohne Beyziehung der Militärbeysitzer, wenn die Vertauschung vor der definitiven Berichtigung der Conscriptionslisten statt fand (§. 36) mit Beyziehung derselben, wenn die Vertauschung erst später angemeldet wurde.
Ueber die Dienstesfähigkeit derjenigen, welche einen bereits in die Armee eingereihten Bruder ersetzen wollen, erkennen ausschließend die Militärbehörden.

V. Abschnitt. Von der Entlassung.[Bearbeiten]

§. 61.[Bearbeiten]
Die Armeepflichtigkeit derjenigen, welche in die Armee auf den Grund der Conscription eingereiht wurden, endet in der Regel erst, wenn sie die gesetzliche Dienstzeit von 6 Jahren in der Armee zubrachten; früher nur dann, wenn, und so wie sie
a)dienstesuntauglich wurden, oder
b)unter Erfüllung der in den §§. 54 und 55. ertheilten Vorschriften für sich einen Ersatzmann stellten, oder
c)sich mit einem älteren Diensttauglichen, der Armeepflicht bereits entlassenen Bruder vertauschten, und dieser für sie in die Armee trat, oder
d)wirklich in den geistlichen Stand getreten sind. -
§. 62.[Bearbeiten]
Die Armee-Pflichtigkeit eines Ersatzmanns endet in der Regel gleichfalls nur nach vollendeter sechsjähriger Dienstzeit, früher nur dann, wenn, und so wie derselbe
a)dienstuntauglich wird, oder
b)jene Dienstzeit zurücklegt, welche seinem Einsteller bey dem Austreten aus der Armee noch obgelegen hätte, oder
c)einen Ersatzmann stellt.
§. 63.[Bearbeiten]
Für diejenigen Conscribirten, welche nicht in die Armee eingereiht wurden, endet die Armeepflichtigkeit in der Regel während des zweyten Jahres derselben unmittelbar nach Vollendung der Aushebung jener Altersclasse, welche im ersten Jahre der Armeepflichtigkeit steht, früher endet sie nur dann, wenn, und so wie sie
1)mit Gebrechen behaftet sind, welche sie zum Dienste der Armee untauglich machen;
2)wenn ein Conscribirter einen Ersatzmann stellte und die Vorschriften der §. 53 und 55. erfüllte;
3)wenn sie auf den Grund des §. 4. von der Ehre der Waffen ausgeschlossen, und nach §. 45 während 6 Jahren zu der darinn bezeichneten Arbeit verwendet wurden, oder in Bereitschaft standen. 103
§. 64.[Bearbeiten]
Unmittelbar nach Beendigung der Armeepflichtigkeit müssen die Consribirten derselben entlassen werden; hierüber sind ihnen legale Urkunden auszustellen, und zwar:
denjenigen, welche in der Armee dienten, förmliche Abschiede;
den übrigen dagegen einfache Entlassung-Scheine; diese werden von dem Recrutirungsrathe des betreffenden Gebiets, jene von den Militärbehörden ausgestellt.
Zu den Reserve-Bataillons, Escadrons, und zur Landwehr bleibt jeder aus der Armeepflichtigkeit Entlassene durch das Gesetz verbunden, in so fern die Entlassung nicht wegen Untauglichkeit oder wegen des Eintritts in den geistlichen Stand erfolgte.
§. 65.[Bearbeiten]
Während der Kriegszeit kann die Entlassung aus dem stehenden Heere nicht verlangt werden; wenn jedoch die Staatsregierung während derselben Entlassungen zuläßig findet, so sollen dieselben jederzeit vor Allem bey der am längsten dienenden Altersklasse eintreten; – alle Ausgedienten müßen sechs Wochen nach geschlossenem Frieden ihre Entlassung erhalten.
Die in diesen Fällen mit Abschied entlassenen Conscribirten treten in Kriegszeiten unmittelbar aus der stehenden Armee in die Reserve-Bataillons oder Escadrons, in so ferne sie nicht vorziehen, bis zur Beendigung des Feldzuges oder des ganzen Kriegs im stehenden Heere zu bleiben.
§. 66.[Bearbeiten]
Die Militärperson, welche sich während ihrer Dienstzeit der in dem §. 4. bemerkten Verbrechen und Vergehen schuldig machen, werden zwar unverzüglich nach erfolgtem Erkenntniße aus der Armee entfernt, von der Armeepflichtigkeit aber erst dann entlassen, nachdem sie für die noch übrige Dienstzeit einen Ersatzmann gestellt, oder zu den im §. 45. bezeichneten Arbeiten so lange in Bereitschaft gestanden sind, oder verwendet wurden, daß die hiezu bestimmte Zeit mit jener, welche sie im Dienste der Armee zubrachten, sechs volle Jahre betrage.
§. 67.[Bearbeiten]
Die Entlassung von der Militärpflicht wegen Auswanderung richtet sich nach den Staatsverträgen, bey deren Ermanglung nach den Grundsätzen der Reciprocität, und wenn auch diese nicht zur Anwendung kommen, so haben diejenigen, welche bereits im Alter der Conscriptions- oder Armeepflichtigkeit stehen und Diensttauglich sind, einen diensttauglichen Ersatzmann zu stellen, welcher sogleich auf 6 Jahre in die Armee tritt, und dem Conscriptionsbezirke bey dem Aufgebote der Altersklasse, in welcher der Auswandernde steht, zu Gut geschrieben wird. 105

VI. Abschnitt. Von den Uebertretungen des gegenwärtigen Gesetzes, deren Bestrafung und andern Folgen.[Bearbeiten]

§. 68.[Bearbeiten]
Der Conscriptionspflichtige Bayer, welcher in dem Jahre, während dessen er sein 21tes Lebensjahr zurückgelegt, verabsäumt, sich in dem festgesetzten Termine persönlich oder mittels Bevollmächtigter
1) bei der geeigneten Conscriptions-Behörde zur Eintragung in die Conscriptionsliste anzumelden, oder
2) bey der Verhandlung des Messens und der Visitation zu erscheinen, oder
3) der erhaltenen Aufforderung ungeachtet mit dem Contingente seines Bezirkes zur Revision der Conscriptions-Listen, oder zur Aushebung vor dem Rekrutirungsrathe zu stellen, soll als ungehorsam behandelt, der in den §§. 47. 48. 49. und 59. bezeichneten Vortheile verlustig erklärt, in die durch seine Pflichtverletzung sich allenfalls ergebende besondere Kosten und in eine Geldstrafe verurtheilt werden, welche in dem Falle von Nro. 1, zehn bis zwanzig, in jenem von Nro. 2 fünf bis zehen, in jenem von Nro. 3 fünfzig bis hundert Gulden betragen soll.
§. 69.[Bearbeiten]
Als widerspenstig sind zu behandeln:
1) jene Conscribirte, welche von dem Recrutirungsrathe in ihrer Gegenwart zur wirklichen Einreihung in die Armee bestimmt wurden, aber vor dem Abmarsche oder während des Marsches zu der betreffenden Heeresabtheilung sich eigenmächtig entfernen, und bey derselben nicht binnen 14 Tagen sich freywillig stellen, dann
2) jene, welche von dem Rekrutirungs-Rathe in ihrer Abwesenheit zur Einreihung in die Armee bestimmt wurden, sich aber während der darauffolgenden 40 Tage ohne Zwang weder persönlich, noch einen den Bestimmungen der §. 53 und 55. ganz entsprechenden Ersatzmann stellen, endlich
3) die Conscribirten, welche, um hin sichtlich der Conscriptions- oder Armeepflicht besondere Ansprüche zu begründen:
a)verfälschte Belege beybringen, oder
b)Krankheiten oder Gebrechen erdichten oder
c)an ihren Körper Wunden oder Geschwüre herbeiführen, oder
d)sich selbst verstümmeln.
§. 70.[Bearbeiten]
Die Widerspenstigen sind mit einer Geldstrafe von 100 – 200 fl. zu belegen, der in den §§. 47 – 59. den Conscribirten zugesicherten Vortheile verlustig zu 107
erklären, und auf Betreten sogleich in die Armee bey jener Waffengattung einzureihen, wozu sie tauglich sind.
Dieser persönlichen Pflicht unbeschadet, muß für jeden abwesenden Widerspenstigen nach Abfluß der im vorstehenden §. 69. bemerkten Termine auf dessen Kosten ein Ersatzmann zur Armee gestellt, und, wenn es die Umstände gestatten, der Cavallerie oder Artillerie zugetheilt werden. :Reicht das Vermögen eines Widerspenstigen zur Einstellung eines Ersatzmannes nicht hin, so unterliegt jener auf Betreten außer der oben bemerkten Geldstrafe, noch einer Freyheitsstrafe von 3 Monaten.
Ein versäumtes Friedensjahr ist mit einem andern Friedensjahr zu ersetzen.
Wenn aber während der ersten 6 Jahre der Abwesenheit eines Widerspenstigen Krieg entstand, so muß derselbe nach seiner Einreihung jedes versäumte Kriegsjahr wieder durch ein Kriegsjahr oder durch zwey Friedensjahre ersetzen, und im letzteren Falle wird verhältnismäßig die gewöhnliche Dienstzeit verlängert.
Die persönliche Einreihung eines Widerspenstigen hat die Entlassung des für denselben und auf dessen Kosten eingereihten Ersatzmannes nicht zur Folge.
Die in diesem §. bestimmte Geldstrafe ist denen, welche beweisen können, schon vor erfolgter Widerspenstigkeits-Erklärung dienstuntauglich gewesen zu sein, nachzulassen, oder wenn die Bezahlung schon erfolgt seyn sollte, rückzuvergüten.
§. 71.[Bearbeiten]
Widerspenstige Conscribirte, welche sich vorsetzlich dergestalt verstümmeln, daß sie zu allen Waffengattungen untauglich sind, unterliegen, außer der in dem vorstehenden §. ausgesprochenen Strafen, der im §. 45. bezeichneten Behandlung.
§. 72.[Bearbeiten]
Wer einem Widerspenstigen heimlichen Aufenthalt gestattet, oder auf eine andere Weise zu einer Entfernung oder zur Beharrung in seiner Widerspenstigkeit Hülfe leistet, oder Anleitung giebt, unterliegt einer Geldstrafe von 50 – 100 fl., und haftet überdieß subsidiarisch für die dem Widerspenstigen selbst zur Last fallende Geldstrafe, für die Untersuchungskosten und den wegen Einstellung eines Ersatzmannes erforderlichen Aufwand.
§. 73.[Bearbeiten]
Jeder Conscriptionsbezirk muß jene Widerspenstigen ersetzen, welche ihm angehören, und binnen 6 Wochen weder in Person in die Armee eingereiht, noch in derselben durch Ersatzmänner vertreten wurden. Dieser Termin zählt von dem Tage an, an welchem das Contingent des betreffenden Bezirks vor dem Recrutirungs-Rathe zur Aushebung erscheinen mußte. (§. 42) 109
§. 74.[Bearbeiten]
Die Nachstellung der zu diesem Ersatze erforderlichen Mannschaft muß 24 Tage nach Ablauf dieses sechswöchentlichen Termins geschehen. Hierzu sind jene Conscribirte berufen, welche den bereits Eingereihten in der Reihe der Loose folgen. Diese haben jedoch das Recht, auf Rechnung der Widerspenstigen, statt deren sie eintreten sollen, Ersatzmänner zu stellen, und die deswegen übernommenen Lasten, aus deren Vermögen sich ersetzen zu laßen. Machen sie von diesem Rechte keinen Gebrauch, und treten persönlich in die Armee, so müssen sie wieder entlassen werden, so wie die Widerspenstigen, statt der er sie eintraten, in die Armee persönlich eingereiht, oder für dieselben Ersatzmänner ein gestellt seyn werden.
Die Entlassung geschieht hiebey in der Art, daß die letzte Loosnumer am ersten austritt.
§. 75.[Bearbeiten]
Als Deserteurs sind jene zu behandeln, welche nach vorhergegangener umständlicher Bekanntmachung der Militärstrafgesetze auf dieselben förmlich vereidet wurden, und nachher entweichen; mögen sie in die verschiedenen Heeres-Abtheilungen bereits eingereiht seyn oder nicht.
§. 76.[Bearbeiten]
Die Bestrafung der Deserteurs gehört vor die Militärgerichte. Für die Deserteure muß aus ihrem Vermögen ein Ersatzmann gestellt werden, welcher, wenn es die Umstände gestatten, der Cavallerie oder Artillerie zuzutheilen ist.
Deserteurs, welche sich in einem der in dem §. 4. bemerkten Fällen befinden, sind den Verpflichtungen des §. 45. während voller 6 Jahre unterworfen, wenn auch für sie ein Ersatzmann zur Armee gestellt wurde.
Konnte jedoch dieser wegen Mangels an hinreichendem Vermögen nicht eingestellt werden, so soll jene Verbindlichkeit auf volle 12 Jahre ausgedehnt werden.
§. 77.[Bearbeiten]
Wer einen Deserteur zur Entweichung oder zur Beharrung in der Desertion Hülfe oder Anleitung giebt, unterliegt nicht nur einer Geldstrafe von 50 – 200 fl., sondern haftet subsidiarisch für die Kosten, welche die Stellung eines Ersatzmannes erfordert, für den Schaden, welcher dem Aerar durch den Deserteur zugefügt wurde, und für die Untersuchungskosten. Geschieht die Hülfe und Anleitung zur Desertion während der Kriegszeit, so soll die Geld Strafe 100 – 400 fl. betragen.
Für diese und andere Fälle der Uebertretung dieses Gesetzes werden in Hinsicht der damit verbundenen Handlungen die durch die allgemeinen Gesetze hiefür ausgesprochenen allenfallsigen höhern Strafen ausdrücklich vorbehalten. 111
§. 78.[Bearbeiten]
Geldstrafen, welche wegen Vermögenslosigkeit uneinbringbar sind, werden in Freyheitsstrafen umgewandelt.
Hiebey kommen die allgemeinen Vorschriften der Strafgesetze in Anwendung.
§. 79.[Bearbeiten]
Eine unmittelbare Folge der Widerspenstigkeits- oder Desertions-Erklärung ist die Beschlagnahme des Vermögens der Widerspenstigen und Deserteurs. Sie erstreckt sich nicht nur über das Vermögen, welches die betreffenden Individuen in dem Momente der erfolgten Widerspenstigkeits- oder Desertions-Erklärung schon wirklich besitzen, sondern auch auf dasjenige, was ihnen unter einem gültigen Rechtstitel bereits angefallen ist, oder während ihres strafbaren Zustandes anfällt.
Die denselben gebührenden Pflichttheile und anderes zu hoffendes Vermögen werden gerichtlich vorgemerkt.
§. 80.[Bearbeiten]
Jede, auch theilweise Aushändigung des dem Beschlage unterworfenen oder gerichtlich vorgemerkten Vermögens ist dem Schuldner oder Inhaber bey Selbsthaftung untersagt,
§. 81.[Bearbeiten]
Die Verwaltung und Nutznießung des in Beschlag gelegten Vermögens der Widerspenstigen steht den Gemeinden zu, in welchen jene die Heimathsrechte besitzen,
Aus diesem Vermögen müssen vor allem die Kosten für Aufstellung eines Ersatzmannes, die Untersuchungskosten und die Geldstrafen bestritten werden, und zwar in Falle der Unzureichenheit desselben in der vorstehenden Reihenfolge.
§. 82.[Bearbeiten]
Das in Beschlag gelegte Vermögen der Widerspenstigen, vielmehr der nach Bestreitung der oben bemerkten Lasten verbleibende Rest desselben wird erst dann wieder freygegeben, wenn der Widerspenstige sich gestellt, und
a)entweder feine Dienstuntauglichkeit nachgewiesen, oder
b)eine sechsjährige Dienstzeit in der Armee vollendet haben wird.
Der Beschlag wird gleichfalls nach dem Tode des Widerspenstigen aufgehoben, und der Vermögensrest den Erben ausgeantwortet.
§. 83.[Bearbeiten]

Die Beschlagnahme desjenigen Vermögens eines Deserteurs, welches derselbe in dem Momente der Desertions-Erklärung schon wirklich besessen hat, oder ihn unter einem gültigen Rechtstitel bereits angefallen ist, verwandelt sich in Confiskation, wenn der Deserteur binnen 6 Wochen vom Tage der Desertions-Erklärung nicht freywillig zu seiner Pflicht zurückkehrt. Das confiscirte Vermögen fällt der Gemeinde zu, in welcher derselbe die Heimathsrechte. 113

besitzt. Dieselbe hat jedoch die Verpflichtung, hieraus die Kosten zur Einstellung des Ersatzmannes, die Untersuchungskosten und den durch den Deserteur dem Aerar zugefügten Schaden zu decken, in so weit das Vermögen hiezu hinreicht. Im Falle der Unzulänglichkeit desselben müssen die ebenbemerkten Verbindlichkeiten in der eben bezeichneten Reihenfolge erfüllt werden.
Das mit Beschlag belegte Vermögen, welches dem Deserteur erst von dem Augenblicke an, wo er als Deserteur erklärt ist, aus was immer für einen Rechtstitel angefallen ist, vielmehr der nach Berichtigung der vorbemerkten Kosten verbleibende Rest desselben, wird dem Deserteur ausgehändiget, wenn er sich wieder gestellt, seine Strafe ausgestanden, und seiner Militärpflicht genüget, oder die Begnadigung erlangt hat.
Stirbt der Deserteur vor diesem Zeitpuncte, so erhalten den Vermögensrest seine Erben.
Was sich der Deserteur nach dem Zeitpunkte der Desertions-Erklärung durch eigenen Fleiß und durch eigene Arbeit verdient, verbleibt demselben für jeden Fall, jedoch vorbehaltlich der Schaden-Ersatz-Leistung.
§. 84.[Bearbeiten]
Die Sammlung der Behelfe zur Herstellung des Thatbestandes des Ungehorsams und der Widerspenstigkeit liegt den Conscriptionsbehörden von Amtswegen ob, die Judicatur hierüber steht jedoch auf Betreibung dieser Behörden in der gesetzlichen Instanzen-Ordnung in den obern sieben Kreisen den Stadt-, Land- und Herrschafts-Gerichten, und im Rheinkreise den Friedens- und Bezirksgerichten zu.
Die Gerichte sind verbunden, diese Gegenstände zu dringendsten Angelegenheiten ihres amtlichen Wirkens zu zählen, und die Verhandlungen dergestalt zu beschleunigen, daß die Aburtheilung jederzeit binnen 8 Tagen nach Herstellung des Thatbestandes erfolge. Edictal-Citationen dürfen durchaus nicht statt finden, sondern für die Abwesenden ist von Amts wegen ein Anwalt oder Vertheidiger aufzustellen, und der Thatbestand ist als vollkommen hergestellt zu betrachten, wenn
a)durch das Geburtszeugniß dargethan ist, daß das angeschuldigte Individuum conscriptionspflichtig ist, und wenn
b)ein Zeugniß der competenten Conscriptions-Behörde oder des betreffenden Rekrutirungsrathes vorliegt, daß das Individuum die in Frage stehende Handlung vornahm oder unterließ, in so fern nicht das Gegentheil oder das Nichtverschulden erwiesen wird.
Die Gerichte dürfen sich, bey Vermeidung der auf Mißbrauch der Amtsge- 115
walt gesetzten Strafe, eine Entscheidung über die Conscribirung, Einreihung oder Entlassung des Ungehorsamen oder Widerspenstigen durchaus nicht erlauben, und haben sich hiebey ausschließend auf Aburtheilung über die Frage des Ungehorsams oder der Widerspenstigkeit, und auf den Ausspruch der hierauf zu setzenden Strafen, deren Umwandlung und des Kostenpunctes zu beschränken.
Wegen aller solcher Erkenntnisse steht die Restitution offen.
§. 85.[Bearbeiten]
Im Uebrigen richtet sich das Verfahren nach den allgemeinen Vorschriften, welche in Hinsicht der Untersuchung und Aburtheilung der Polizey-Uebertretungen bestehen, oder künftig erlassen werden.
§. 86.[Bearbeiten]
Die Herstellung des Thatbestandes der Desertion liegt den Armeebehörden ob; die Judikatur hierüber steht den Militärgerichten zu, jedoch mit Ausnahme der Aburtheitung jener Gehülfen, welche keine Militärpersonen find.
§. 87.[Bearbeiten]
Die Begnadigung der Ungehorsamen, Widerspenstigen und Deserteure kann nur von dem Monarchen ausgehen; sie hebt die Strafe und ihre gesetzlichen Folgen, jedoch nicht die Pflicht zur Dienstleistung auf.
§. 88.[Bearbeiten]
Die Staatsbürger, welche kraft des Gesetzes zur Mitwirkung bey den Conscriptions-Verhandlungen, insbesondere bey jener der Messung und der körperlichen Untersuchung berufen sind, treten hiebey in die Rechte und Pflichten öffentlicher Diener. Sowohl dieselben, als die Beamten, die Geistlichen, Aerzte, Wundärzte und Notare, so wie alle öffentlichen Diener, welche mittel- oder unmittelbar bey der Conscription, der Aushebung oder Nachstellung mitzuwirken berufen sind, oder mitwirken, und sich eine Pflichtverletzung oder sonstige Vernachläßigung zu Schulden kommen lassen, haften nicht nur für allen hier aus dem Aerar, den Conscriptionsbezirken oder einzelnen Staatsbürgern erwachsenden Schaden, sondern unterliegen auch den Disciplinar- oder höheren Strafen, welche die Gesetze im Allgemeinen für ähnliche Handlungen der öffentlichen Diener aussprechen.
§. 89.[Bearbeiten]
Die wegen Verschiedenheit der Gerichts-Verfassung im Rheinkreise erforderlichen Abweichungen von den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes bey dem Vollzuge desselben werden durch eine allerhöchste reglementäre Verordnung festgesetzt werden.

VII. Abschnitt. Von den Kosten.[Bearbeiten]

§. 90.[Bearbeiten]
Alle zum Zweck der Militär-Conscrip- 117
tion erforderlichen Verrichtungen sollen durchaus kostenfrey behandelt werden, sohin weder einer Stempelgebühr, noch einer Taxe unterliegen. Ebenso sind auch die hiezu nöthigen Geburts- und ärztlichen Zeugeniße durch die verpflichteten Personen von Amtswegen ganz unentgeldlich auszustellen.
Eine Ausnahme hievon machen:
a)die auf den Grund des S. 64 aus zustellenden Entlaßscheine;
b)die auf die Einstellung Bezug habenden Verträge und Verhandlungen, und
c)die Strafsachen.
Auf dieselben sind die allgemeinen Stempel- und Tax-Vorschriften, in Anwendung zu bringen.
Ausserdem unterliegen die ad a. bemerkten Entlassungsscheine, dann die Einstands-Verträge einem besondern Conscriptionsstempel, und zwar erstere in einem Betrage von 6, letztere in einem Betrage von 12 fl.
Denjenigen jedoch,
1) welche mit solchen auffallenden Gebrechen behaftet sind, wie sie in der bey folgenden Beilage angeführt sind, so wie denjenigen,
2) welche nach der Entscheidung der obersten Verwaltungsstelle des Kreises so arm sind, daß sie die Stempelgebühren durchaus nicht zu bezahlen vermögen, muß der Entlassungsschein ganz unentgeldlich erheilt, und dieses darauf bemerkt werden.
§. 91.[Bearbeiten]
Die Concriptions- und Aushebungs-Kosten werden aus der Staatscasse bestritten, und in den Regie-Rechnungen der Behörden verausgabt.
Im Laufe der zweiten Finanz-Periode bleiben jedoch die Conscriptionskosten noch der Kriegscassa zur Last, und die Aushebungskosten werden aus den Stempelgefällen bestritten.
§. 92.[Bearbeiten]
Der Invalidenfond wird aus den Staatsgefällen einen jährlichen Zuschuß von 10,000 fl., die Militärwittwen - und Waisencasse einen jährlichen Zuschuß von 82,000 fl. erhalten. Im Laufe der zweyten Finanz-Periode sollen diese Beyträge aus den Stempelgefällen geleistet, in den nachfolgenden Jahren aber directe auf die Central-Staatscassa radicirt werden.
Diese Zuschüsse sollen so lang zu dem Militärfonde fließen, so lang der Stempel in der ausgesprochenen Art zur Central-Staatscasse erhoben wird.

§. 93. Transitorische Bestimmungen[Bearbeiten]

Wenn nicht außerordentliche Umstände eintreten, soll zur Armee-Ergänzung für das Jahr 1829 keine Aushebung stattfinden; bey dem Eintreten ausserordentlicher Fälle aber diese Aushebung auf die Alters- 119
Classe 1807 beschränkt, und nur im Falle eines Krieges auf die Altersclasse 1806 zurückgegriffen werden.

S ch l u ß.[Bearbeiten]

Mit dem ersten May 1829 wird das Gesetz vom 29. März 1812 nebst allen späterhin erlassenen Gesetzen, Verordnungen und Instructionen, welche die Militär-Conscription und Aushebung betreffen, außer Kraft gesetzt, und an ihre Stelle tritt in allen Theilen der Monarchie das gegenwärtige Gesetz, welches durch das Gesetzblatt zu verkünden ist.
Gegeben im Bad Brückenau am 15. August, im Jahr 1828.
Ludwig
Fürst v. Wrede. Graf v. Thürheim. Freyherr v. Zentner.
v. Maillot. Graf v. Armansperg.
Nach dem Befehle Sr. Majestät des Königs:
Egid v. Kobell,
Königlicher Staatsrath und General-Sekretär.