Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung. Vom 23. April 1886

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Gesetzestext
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Titel: Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung.
Abkürzung:
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1886, Nr. 12, Seite 125 - 127
Fassung vom: 23. April 1886
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 29. April 1886
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(Nr. 1657.) Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung. Vom 23. April 1886.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, wie folgt:

Hinter §. 104g der Gewerbeordnung wird eingeschaltet:

§. 104k.[Bearbeiten]

Durch Beschluß des Bundesraths kann Innungsverbänden die Fähigkeit beigelegt werden, unter ihrem Namen Rechte, insbesondere Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht zu klagen und verklagt zu werden. In solchem Falle haftet den Gläubigern für alle Verbindlichkeiten des Innungsverbandes nur das Vermögen desselben.
Der Beschluß des Bundesraths ist durch den Reichsanzeiger zu veröffentlichen. Auf diejenigen Innungsverbände, welchen die gedachte Fähigkeit beigelegt worden ist, finden die Bestimmungen der §§. 104i bis 104o Anwendung.

§. 104i.[Bearbeiten]

Der Innungsverband wird bei gerichtlichen wie bei außergerichtlichen Verhandlungen durch seinen Vorstand vertreten. Die Befugniß zur Vertretung erstreckt sich auch auf diejenigen Geschäfte und Rechtshandlungen, für welche nach den Gesetzen eine Spezialvollmacht erforderlich ist. Durch das Statut kann einem Mitgliede oder mehreren Mitgliedern des Vorstandes die Vertretung des Innungsverbandes nach außen übertragen werden.
Zur Legitimation der Vertreter des Innungsverbandes genügt bei allen Rechtsgeschäften die Bescheinigung der höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk der Vorstand seinen Sitz hat, daß die bezeichneten Personen zur Vertretung des Verbandes befugt sind.

§. 104k.[Bearbeiten]

Der Innungsverband ist befugt, Einrichtungen zur Erfüllung der im §. 97 Nr. 2 bezeichneten Aufgaben, sowie Einrichtungen der im §. 97a Nr. 1, 2, 4, 5 vorgesehenen Art gemeinsam für die ihm angehörenden Innungen zu treffen. Beschließt er die Herstellung von Einrichtungen der im §. 97a Nr. 4, 5 bezeichneten Art, so sind die dafür erforderlichen Bestimmungen in Nebenstatuten zusammenzufassen. Diese sowie Abänderungen derselben bedürfen der Genehmigung durch den Reichskanzler.
Auf die von dem Innungsverbande errichteten Unterstützungskassen finden dieselben Vorschriften Anwendung, welche für gleichartige von einer Innung errichtete Kassen gelten. Sofern für solche Unterstützungskassen Zwangsvollstreckungen [126] vorzunehmen sind, haben die in den einzelnen Bundesstaaten für die Beitreibung von Gemeindeabgaben zuständigen Behörden sich gegenseitig im unmittelbaren Geschäftsverkehr Rechtshülfe zu gewähren.

§. 104l.[Bearbeiten]

Der Innungsverband unterliegt, vorbehaltlich der Vorschrift des §. 104e, der Aufsicht der höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk der Vorstand seinen Sitz hat.
Die Aufsichtsbehörde überwacht die Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften und kann dieselben durch Androhung, Festsetzung und Vollstreckung von Ordnungsstrafen gegen die Inhaber der Aemter des Verbandes erzwingen.
Sie entscheidet Streitigkeiten über die Aufnahme und Ausschließung von Verbandsmitgliedern, über die Wahlen zu den Verbandsämtern sowie, unbeschadet der Rechte Dritter, über die Rechte und Pflichten der Inhaber derselben.
Der Aufsichtsbehörde ist jährlich ein Rechnungsabschluß nebst Vermögensausweis vorzulegen.

§. 104m.[Bearbeiten]

Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Innungs-Verbandes hat die Auflösung des letzteren kraft Gesetzes zur Folge. Der Vorstand des Innungsverbandes hat jedoch die während des Konkursverfahrens dem Gemeinschuldner zustehenden Rechte wahrzunehmen.

§. 104n.[Bearbeiten]

Bei der statutmäßig beschlossenen Auflösung eines Innungsverbandes wird die Abwickelung der Geschäfte, sofern die Verbandsvertretung nicht anderweitig beschließt, durch den Vorstand unter Aufsicht der im §. 104l bezeichneten Behörde vollzogen. Genügt der Vorstand seiner Verpflichtung nicht, oder tritt die Auflösung auf Grund des §. 104g oder des §. 104m ein, so erfolgt die Abwickelung der Geschäfte durch einen Beauftragten der Aufsichtsbehörde.
Von dem Zeitpunkte der Auflösung ab bleiben die Verbandsmitglieder noch für diejenigen Zahlungen verhaftet, zu welchen sie statutarisch für den Fall eigenen Ausscheidens aus den Verbandsverhältnissen verpflichtet sind. Das Recht, diese Beiträge auszuschreiben und einzuziehen, steht dem mit Abwickelung der Geschäfte Beauftragten zu.

§. 104o.[Bearbeiten]

Im Falle der Auflösung des Innungsverbandes muß sein Vermögen zuvörderst zur Berichtigung seiner Schulden und zur Erfüllung seiner sonstigen Verpflichtungen verwendet werden. War dasselbe bisher ganz oder theilweise zur Fundirung von Unterrichtsanstalten oder zu anderen öffentlichen Zwecken bestimmt, so darf der nach Berichtigung der Schulden übrig bleibende Theil des Vermögens dieser Bestimmung nicht entzogen werden; über seine fernere Verwendung wird von der im §. 104c Absatz 1 bezeichneten Behörde Anordnung getroffen. [127]
Bedarf es zum Fortbestande der von dem Innungsverbande errichteten Unterrichtsanstalten, Hülfskassen oder sonstigen zu öffentlichen Zwecken bestimmten Einrichtungen als selbständiger Anstalten der Genehmigung des Landesherrn oder einer Behörde des Staates, in welchem die fernere Verwaltung der Anstalt stattfinden soll, so hat die im vorstehenden Absatze bezeichnete Behörde diese Genehmigung herbeizuführen.
Das hiernach verbleibende Reinvermögen des Innungsverbandes wird, soweit die Verbandsvertretung nicht anders beschließt, unter die Innungen, welche dem Verbände zur Zeit der Auflösung angehört haben, nach dem Verhältniß der von ihnen an den Verband in dem der Auflösung vorangegangenen Jahre geleisteten Beiträge vertheilt. Streitigkeiten hierüber werden von der im §. 104l bezeichneten Stelle endgültig entschieden.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 23. April 1886.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst von Bismarck.