Gesetz, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Reichsbeamten der Civilverwaltung

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Gesetzestext
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Titel: Gesetz, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Reichsbeamten der Civilverwaltung.
Abkürzung:
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Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1881, Nr. 9, Seite 85 - 90
Fassung vom: 20. April 1881
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 2. Mai 1881
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
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(Nr. 1415.) Gesetz, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Reichsbeamten der Civilverwaltung. Vom 20. April 1881.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§. 1.[Bearbeiten]

Beamte der Civilverwaltung, welche Diensteinkommen oder Wartegeld aus der Reichskasse beziehen und welchen beim Eintritt der Voraussetzungen der Versetzung in den Ruhestand nach Erfüllung der erforderlichen Dienstzeit Pension aus der Reichskasse gebühren würde, sowie in den Ruhestand versetzte Beamte der Civilverwaltung, welche kraft gesetzlichen Anspruchs oder auf Grund des §. 39 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 (Reichs-Gesetzbl. S. 61) lebenslängliche Pension aus der Reichskasse beziehen, sind verpflichtet, Wittwen- und Waisengeldbeiträge zur Reichskasse zu entrichten.
Diese Verpflichtung erstreckt sich nicht auf solche Beamte, welche nur nebenamtlich im Reichsdienst angestellt sind.

§. 2.[Bearbeiten]

Von dem den Hinterbliebenen eines zur Entrichtung von Wittwen- und Waisengeldbeiträgen verpflichteten Beamten nach den §§. 7, 8, 31 und 69 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 gebührenden oder bewilligten Betrage des vierteljährlichen Gehalts oder Wartegelds beziehungsweise der einmonatlichen Pension des Verstorbenen sind die Wittwen- und Waisengeldbeiträge gleichfalls zu entrichten.

§. 3.[Bearbeiten]

Die Wittwen- und Waisengeldbeiträge betragen jährlich 3 Prozent des pensionsfähigen Diensteinkommens, des Wartegeldes oder der Pension mit der[86] Maßgabe, daß der die Jahressumme von 9.000 Mark des pensionsfähigen Diensteinkommens oder Wartegeldes und von 5.000 Mark der Pension übersteigende Betrag nicht beitragspflichtig ist.

§. 4.[Bearbeiten]

Die Wittwen- und Waisengeldbeiträge werden in denjenigen Theilbeträgen, in welchen das Diensteinkommen, das Wartegeld oder die Pension zahlbar ist, durch Einbehaltung eines entsprechenden Theiles dieser Bezüge erhoben.
Der einzubehaltende Theil ist weder der Pfändung unterworfen, noch bei der Ermittelung, ob und zu welchem Betrage die Bezüge der Pfändung unterliegen, zu berechnen.

§. 5.[Bearbeiten]

Die Verpflichtung zur Entrichtung der Wittwen- und Waisengeldbeiträge erlischt:
1. mit dem Tode des Beamten, vorbehaltlich der im §. 2 getroffenen Bestimmungen;
2. wenn der Beamte ohne Pension aus dem Dienste scheidet, oder mit Belassung eines Theiles derselben aus dem Dienste entlassen wird;
3. wenn der Beamte in den Ruhestand versetzt wird und ihm auf Grund des §. 39 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 eine Pension auf bestimmte Zeit bewilligt ist;
4. für den Beamten, welcher weder verheirathet ist, noch unverheirathete eheliche oder durch nachgefolgte Ehe legitimirte Kinder unter 18 Jahren besitzt, mit dem Zeitpunkte der Versetzung in den Ruhestand;
5. für den pensionirten Beamten mit dem Ablauf desjenigen Monats, in welchem die unter Ziffer 4 bezeichnete Voraussetzung zutrifft. Durch eine nach der Pensionirung geschlossene Ehe oder durch das Vorhandensein von Kindern aus einer solchen wird das Erlöschen der Verpflichtung nicht gehindert.

§. 6.[Bearbeiten]

Die zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes pensionirten Beamten, welche weder verheirathet sind, noch unverheirathete eheliche oder durch nachgefolgte Ehe legitimirte Kinder unter 18 Jahren besitzen, sind von Entrichtung der Wittwen-und Waisengeldbeiträge befreit. Eine nach der Pensionirung geschlossene Ehe sowie Kinder aus einer solchen kommen hierbei nicht in Betracht.

§. 7.[Bearbeiten]

Die Wittwe und die Hinterbliebenen ehelichen oder durch nachgefolgte Ehe legitimirten Kinder eines zur Zeit seines Todes zur Entrichtung von Wittwen- und Waisengeldbeiträgen verpflichteten Beamten erhalten aus der Reichskasse Wittwen- und Waisengeld nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen. [87]

§. 8.[Bearbeiten]

Das Wittwengeld besteht in dem dritten Theile derjenigen Pension, zu welcher der Verstorbene berechtigt gewesen ist oder berechtigt gewesen sein würde, wenn er am Todestage in den Ruhestand versetzt wäre.
Das Wittwengeld soll jedoch, vorbehaltlich der im §. 10 verordneten Beschränkung, mindestens 160 Mark betragen und 1600 Mark nicht übersteigen.

§. 9.[Bearbeiten]

Das Waisengeld beträgt:
1. für Kinder, deren Mutter lebt und zur Zeit des Todes des Beamten zum Bezuge von Wittwengeld berechtigt war, ein Fünftel des Wittwengeldes für jedes Kind;
2. für Kinder, deren Mutter nicht mehr lebt oder zur Zeit des Todes des Beamten zum Bezuge von Wittwengeld nicht berechtigt war, ein Drittel des Wittwengeldes für jedes Kind.

§. 10.[Bearbeiten]

Wittwen- und Waisengeld dürfen weder einzeln noch zusammen den Betrag der Pension übersteigen, zu welcher der Verstorbene berechtigt gewesen ist oder berechtigt gewesen sein würde, wenn er am Todestage in den Ruhestand versetzt wäre.
Bei Anwendung dieser Beschränkung werden das Wittwen- und das Waisengeld verhältnißmäßig gekürzt.

§. 11.[Bearbeiten]

Bei dem Ausscheiden eines Wittwen- oder Waisengeld berechtigten erhöht sich das Wittwen- oder Waisengeld der verbleibenden Berechtigten von dem nächstfolgenden Monat an insoweit, als sie sich noch nicht im vollen Genuß der ihnen nach den §§. 8 bis 10 gebührenden Beträge befinden.

§. 12.[Bearbeiten]

War die Wittwe mehr als 15 Jahre jünger als der Verstorbene, so wird das nach Maßgabe der §§. 8 und 10 berechnete Wittwengeld für jedes angefangene Jahr des Altersunterschiedes über 15 bis einschließlich 25 Jahre um 1/20 gekürzt.
Auf den nach §. 9 zu berechnenden Betrag des Waisengeldes sind diese Kürzungen des Wittwengeldes ohne Einfluß.

§. 13.[Bearbeiten]

Keinen Anspruch auf Wittwengeld hat die Wittwe, wenn die Ehe mit dem verstorbenen Beamten innerhalb dreier Monate vor seinem Ableben geschlossen und die Eheschließung zu dem Zwecke erfolgt ist, um der Wittwe den Bezug des Wittwengeldes zu verschaffen. [88]
Keinen Anspruch auf Wittwen- und Waisengeld haben die Wittwe und die Hinterbliebenen Kinder eines pensionirten Beamten aus solcher Ehe, welche erst nach der Versetzung des Beamten in den Ruhestand geschlossen ist.

§. 14.[Bearbeiten]

Stirbt ein zur Entrichtung von Wittwen- und Waisengeldbeiträgen verpflichteter Beamter, welchem, wenn er am Todestage in den Ruhestand versetzt wäre, auf Grund des §. 39 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 eine Pension hätte bewilligt werden können, so kann der Wittwe und den Waisen desselben Wittwen- und Waisengeld durch den Reichskanzler bewilligt werden.
Stirbt ein zur Entrichtung von Wittwen- und Waisengeldbeiträgen verpflichteter Beamter, welchem nach §§. 50 und 52 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 im Falle seiner Versetzung in den Ruhestand die Anrechnung gewisser Zeiten auf die in Betracht kommende Dienstzeit hätte bewilligt werden können, so ist der Reichskanzler befugt, eine solche Anrechnung auch bei Festsetzung des Wittwen- und Waisengeldes zuzulassen.

§. 15.[Bearbeiten]

Die Zahlung des Wittwen- und Waisengeldes beginnt mit dem Ablauf des Gnadenquartals oder des Gnadenmonats.

§. 16.[Bearbeiten]

Das Wittwen- und Waisengeld wird monatlich im voraus gezahlt. An wen die Zahlung gültig zu leisten ist, bestimmt die oberste Reichsbehörde, welche die Befugniß zu solcher Bestimmung auf die höhere Reichsbehörde übertragen kann.
Nicht abgehobene Theilbeträge des Wittwen- und Waisengeldes verjähren binnen vier Jahren, vom Tage ihrer Fälligkeit an gerechnet, zum Vortheil der Reichskasse.

§. 17.[Bearbeiten]

Das Wittwen- und Waisengeld kann mit rechtlicher Wirkung weder ab getreten, noch verpfändet oder sonst übertragen werden.

§. 18.[Bearbeiten]

Das Recht auf den Bezug des Wittwen- und Waisengeldes erlischt:
1. für jeden Berechtigten mit dem Ablauf des Monats, in welchem er sich verheirathet oder stirbt;
2. für jede Waise außerdem mit dem Ablauf des Monats, in welchem sie das 18. Lebensjahr vollendet.

§. 19.[Bearbeiten]

Das Recht auf den Bezug des Wittwen- und Waisengeldes ruht, wenn der Berechtigte das deutsche Indigenat verliert, bis zur etwaigen Wiedererlangung desselben. [89]

§. 20.[Bearbeiten]

Mit den aus §. 14 sich ergebenden Maßgaben erfolgt die Bestimmung darüber, ob und welches Wittwen- und Waisengeld der Wittwe und den Waisen eines Beamten zusteht, durch die oberste Reichsbehörde, welche die Befugniß zu solcher Bestimmung auf die höhere Reichsbehörde übertragen kann.

§. 21.[Bearbeiten]

Das den Hinterbliebenen eines Beamten zu bewilligende Wittwen- oder Waisengeld darf nicht hinter demjenigen Betrage zurückbleiben, welcher denselben nach den bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes für sie geltenden Bestimmungen aus der Reichskasse hätte gewährt werden müssen, wenn der Beamte vor diesem Zeitpunkte gestorben wäre.

§. 22.[Bearbeiten]

Beamte, welche nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Wittwen- und Waisengeldbeiträge zu entrichten haben, sind nicht verpflichtet, einer Militär- oder Landesbeamten-Wittwenkasse oder der sonstigen Veranstaltung eines Bundesstaates zur Versorgung der Hinterbliebenen von Beamten beizutreten.

§. 23.[Bearbeiten]

Diejenigen nach §. 1 zur Entrichtung von Wittwen- und Waisengeldbeiträgen verpflichteten Beamten, welche Mitglieder einer der im §. 22 bezeichneten Landesanstalten und derselben nicht erst nach der Verkündung dieses Gesetzes beigetreten sind, bleiben, wenn sie binnen drei Monaten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes durch eine schriftliche Erklärung für ihre etwaigen künftigen Hinterbliebenen am das in den §§. 7 ff. bestimmte Wittwen- und Waisengeld verzichten, von Entrichtung der im §. 3 bestimmten Wittwen- und Waisengeldbeiträge befreit. Andernfalls sind sie berechtigt, aus der Landesanstalt auszuscheiden.

§. 24.[Bearbeiten]

Diejenigen nach §. 1 zur Entrichtung von Wittwen- und Waisengeldbeiträgen verpflichteten Beamten, welche vor der Verkündung dieses Gesetzes und während sie im Dienste des Norddeutschen Bundes oder des Reichs befindlich waren, auf ihren Todesfall ihren Ehefrauen oder Kindern eine Leibrente oder ein Kapital oder ihren gesetzlichen Erben ein Kapital bei einer Privat-Versicherungsgesellschaft versichert haben, können, falls diese Versicherung zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch besteht, und wenn sie binnen drei Monaten nach diesem Zeitpunkte durch eine schriftliche Erklärung für ihre etwaigen künftigen Hinterbliebenen auf das in den §§. 7 ff. bestimmte Wittwen- und Waisengeld verzichten, durch die oberste Reichsbehörde oder die von derselben ermächtigte höhere Reichsbehörde von Entrichtung der Wittwen- und Waisengeldbeiträge befreit werden. [90]
Die näheren Voraussetzungen, unter denen eine solche Befreiung zulässig, sowie die Bedingungen, von welchen dieselbe abhängig zu machen ist, bestimmt der Reichskanzler.

§. 25.[Bearbeiten]

Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Juli 1881 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 20. April 1881.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst v. Bismarck.