Gesetz, betreffend die Patentanwälte

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Gesetzestext
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Titel: Gesetz, betreffend die Patentanwälte.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1900, Nr. 17, Seite 233 - 238
Fassung vom: 21. Mai 1900
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 25. Mai 1900
Inkrafttreten: 1. Oktober 1900
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(Nr. 2670.) Gesetz, betreffend die Patentanwälte. Vom 21. Mai 1900.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

§. 1.[Bearbeiten]

Bei dem Kaiserlichen Patentamte wird eine Liste der Patentanwälte geführt. In die Liste werden Personen, welche Andere in Angelegenheiten, die zum Geschäftskreise des Patentamts gehören, vor demselben für eigene Rechnung berufsmäßig vertreten wollen, auf ihren Antrag eingetragen.

§. 2.[Bearbeiten]

Die Eintragung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller gemäß den §§. 3, 4 seine technische Befähigung und den Besitz der erforderlichen Rechtskenntnisse nachweist.
Im Uebrigen ist die Eintragung zu versagen:
1. wenn der Antragsteller nicht im Inlande wohnt;
2. wenn er das fünfundzwanzigste Lebensjahr nicht vollendet hat;
3. wenn er in der Verfügung über sein Vermögen durch gerichtliche Anordnung beschränkt ist;
4. wenn er sich eines unwürdigen Verhaltens schuldig gemacht hat. Als ein unwürdiges Verhalten sind politische, wissenschaftliche und religiöse Ansichten oder Handlungen als solche nicht anzusehen.
Wird die Eintragung gemäß Abs. 2 Nr. 4 versagt, so ist ausschließlich eine Beschwerde nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zulässig. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Entscheidung schriftlich bei dem Patentamt anzumelden. Ueber die Beschwerde entscheidet das Ehrengericht. Auf das Verfahren finden die Vorschriften des §. 9 Abs. 2, 3 und der §§. 10, 11, 12 und 13 entsprechende Anwendung. [234]

§. 3.[Bearbeiten]

Als technisch befähigt gilt, wer im Inland als ordentlicher Hörer einer Universität, einer technischen Hochschule oder einer Bergakademie sich dem Studium naturwissenschaftlicher und technischer Fächer gewidmet, alsdann eine staatliche oder akademische Fachprüfung bestanden, außerdem mindestens ein Jahr in praktischer gewerblicher Thätigkeit gearbeitet und hierauf mindestens zwei Jahre hindurch eine praktische Thätigkeit auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes ausgeübt hat.
Der Besuch ausländischer Universitäten oder Akademien und die Ausübung der praktischen Thätigkeit im Auslande kann durch Beschluß der Prüfungskommission (§. 4) als ausreichend anerkannt werden. Die Fachprüfung (Abs. 1) muß auch in diesem Falle im Inland abgelegt werden.

§. 4.[Bearbeiten]

Der Besitz der erforderlichen Rechtskenntnisse ist durch Ablegung einer Prüfung nachzuweisen. Zu derselben darf nur zugelassen werden, wer die technische Befähigung (§. 3) dargethan hat. Die Prüfung ist eine schriftliche und eine mündliche; sie ist insbesondere auch darauf zu richten, ob der Bewerber die Fähigkeit zur praktischen Anwendung der auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes geltenden Vorschriften besitzt.
Die Prüfung wird vor einer Kommission abgelegt, in welche Mitglieder des Patentamts und Patentanwälte durch den Reichskanzler zu berufen sind.
Im Falle des Nichtbestehens kann die Prüfung nach Ablauf einer von der Prüfungskommission festzusetzenden Frist von mindestens sechs Monaten einmal wiederholt werden.
Die näheren Bestimmungen über die Zusammensetzung und den Geschäftsgang der Prüfungskommission und über das Prüfungsverfahren und die Prüfungsgebühr werden durch eine vom Bundesrathe zu erlassende Prüfungsordnung getroffen.

§. 5.[Bearbeiten]

Der Patentanwalt ist verpflichtet, seine Berufsthätigkeit gewissenhaft auszuüben und durch sein Verhalten in Ausübung des Berufs sowie außerhalb desselben sich der Achtung würdig zu zeigen, welche sein Beruf erfordert. Er wird auf die Erfüllung dieser Obliegenheiten durch Handschlag verpflichtet. Die Bestimmung des §. 2 Abs. 2 Ziffer 4 findet Anwendung.

§. 6.[Bearbeiten]

Die Eintragung wird vom Patentamte gelöscht:
1. wenn der Eingetragene es beantragt;
2. wenn er gestorben ist;
3. wenn er keinen Wohnsitz im Inlande hat;
4. wenn er in Folge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über sein Vermögen beschränkt ist. [235]

§. 7.[Bearbeiten]

Die Eintragung ist ferner zu löschen, wenn nachträglich Thatsachen bekannt werden, welche nach §. 2 Abs. 2 Nr. 4 die Versagung der Eintragung begründen, oder wenn der Eingetragene die ihm nach §. 5 obliegenden Pflichten verletzt.
In leichteren Fällen der Pflichtverletzung kann statt der Löschung in der Liste als Ordnungsstrafe ein Verweis oder eine Geldstrafe bis zu dreitausend Mark verhängt werden. Geldstrafe kann mit Verweis verbunden werden.

§. 8.[Bearbeiten]

Die Entscheidung in den Fällen des §. 7 erfolgt in einem ehrengerichtlichen Verfahren.

§. 9.[Bearbeiten]

Die Einleitung des Verfahrens wird vom Reichskanzler verfügt. Derselbe ernennt, falls er eine besondere Voruntersuchung für erforderlich hält, den untersuchungsführenden Beamten.
Der Angeschuldigte ist über die Anschuldigungspunkte zu hören.
In dem Verfahren kann jederzeit die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen angeordnet werden. Die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beweisaufnahme und die Vertheidigung finden entsprechende Anwendung. Als Vertheidiger können Patentanwälte nicht zurückgewiesen werden.

§. 10.[Bearbeiten]

Zuständig zur Verhandlung und Entscheidung ist das Ehrengericht. Es besteht aus zwei Mitgliedern des Patentamts, einem rechtskundigen und einem technischen, sowie drei Patentanwälten. Den Vorsitz führt das rechtskundige Mitglied des Patentamts.
Zu der mündlichen Verhandlung der Sache ist der Angeschuldigte unter schriftlicher Mittheilung der Anschuldigungspunkte zu laden.
Die Vorschriften der Strafprozeßordnung über Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen finden entsprechende Anwendung.
Die mündliche Verhandlung ist nicht öffentlich. Das Ehrengericht kann die Oeffentlichkeit der Verhandlung anordnen. Die Anordnung muß erfolgen, falls der Angeschuldigte es beantragt, sofern nicht die Voraussetzungen des §. 173 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorliegen.

§. 11.[Bearbeiten]

Die Entscheidung ist mit Gründen zu versehen, schriftlich auszufertigen und dem Angeschuldigten von Amtswegen zuzustellen.
Dem Angeschuldigten sind im Falle einer zu seinen Ungunsten ergehenden Entscheidung die baaren Auslagen des Verfahrens zur Last zu legen. [236]

§. 12.[Bearbeiten]

Gegen die Entscheidung steht dem Angeschuldigten die Berufung zu.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Entscheidung schriftlich bei dem Patentamt einzulegen.
Ueber die Berufung entscheidet der Ehrengerichtshof. Er besteht aus drei Mitgliedern des Patentamts, von denen der Vorsitzende und ein Mitglied rechtskundig sein müssen, und vier Patentanwälten. Auf das Verfahren finden die Vorschriften des §. 9 Abs. 2, 3 und der §§. 10, 11 entsprechende Anwendung.

§. 13.[Bearbeiten]

Stellt der Angeschuldigte vor rechtskräftiger Entscheidung den Antrag, seinen Namen in der Liste zu löschen, so ist das Verfahren einzustellen. Dem Angeschuldigten fallen die baaren Auslagen des Verfahrens zur Last.

§. 14.[Bearbeiten]

Für jedes Jahr im voraus werden vom Reichskanzler diejenigen Mitglieder des Patentamts bestimmt, welche nach den §§. 10, 12 an dem Verfahren mitzuwirken haben, und zwanzig Patentanwälte bezeichnet, von welchen in einer öffentlichen Sitzung der Beschwerdeabtheilung I des Patentamts für jede Spruchsitzung die erforderliche Anzahl von Beisitzern ausgeloost wird.

§. 15.[Bearbeiten]

Die Eintragungen und Löschungen in der Liste der Patentanwälte sind zu veröffentlichen.

§. 16.[Bearbeiten]

Die Patentanwälte können für Personen, welche sie mit ihrer ständigen Vertretung im Verkehre mit dem Patentamte beauftragt haben, die Eintragung in eine besondere Spalte der Liste nachsuchen. Auf die Eintragung finden die Vorschriften der §§. 2 und 3 entsprechende Anwendung. Jedoch genügt es, wenn der Einzutragende das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet und nach Ablegung der staatlichen oder akademischen Fachprüfung mindestens ein Jahr hindurch eine praktische Thätigkeit auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes ausgeübt hat. Im Uebrigen finden die Vorschriften der §§. 5 bis 13 auf diese Personen entsprechende Anwendung.

§. 17.[Bearbeiten]

Der Präsident des Patentamts ist befugt, Personen, welche, ohne in die Liste eingetragen zu sein, die Vertretung vor dem Patentamte berufsmäßig betreiben, von dem Vertretungsgeschäft auszuschließen. Auf Rechtsanwälte findet diese Vorschrift keine Anwendung.

§. 18.[Bearbeiten]

Die berufsmäßige Vertretung anderer Personen vor dem Patentamte darf Patentanwälten auf Grund der Vorschrift im §. 35 Abs. 3 der Gewerbeordnung nicht untersagt werden. [237]

§. 19.[Bearbeiten]

Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und im Unvermögensfalle mit Haft wird bestraft, wer, ohne als Patentanwalt eingetragen zu sein, sich als Patentanwalt bezeichnet oder sich einen ähnlichen Titel beilegt, durch den der Glaube erweckt wird, der Inhaber sei als Patentanwalt eingetragen.

§. 20.[Bearbeiten]

Auf diejenigen, welche zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes das Vertretungsgeschäft für eigene Rechnung berufsmäßig betreiben, findet §. 17 erst vom 1. April 1901 ab Anwendung. Wer von ihnen bis dahin die Erfüllung der im §. 3 bezeichneten Voraussetzungen nachweist und die Zulassung zur Prüfung (§. 4) beantragt, kann, sofern nicht einer der im §. 2 Abs. 2 bezeichneten Fälle vorliegt, bis zur endgültigen Entscheidung über seine Eintragung in die Liste vom Vertretungsgeschäfte nicht ausgeschlossen werden.
Wer zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes das Vertretungsgeschäft für eigene Rechnung seit 1. Januar 1899 berufsmäßig betreibt, ist, sofern seine Geschäftsführung und sein Verhalten in Ausübung des Berufs sowie außerhalb desselben zu erheblichen Anständen keinen Anlaß gegeben hat, auf Antrag in die Liste der Patentanwälte einzutragen, auch wenn er die in den §§. 3 und 4 bezeichneten Voraussetzungen nicht erfüllt.
Der Antrag, über welchen die Prüfungskommission beschließt, ist spätestens bis zum 1. April 1901 zu stellen. Gegen eine den Antrag ablehnende Entscheidung steht dem Antragsteller die Beschwerde zu. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Entscheidung schriftlich bei dem Patentamt anzumelden. Ueber die Beschwerde entscheidet endgültig der Ehrengerichtshof (§. 12 Abs. 3). Auf das Verfahren finden die Vorschriften des §. 9 Abs. 2, 3 und der §§. 10, 11 entsprechende Anwendung. Bis zur endgültigen Entscheidung kann der Antragsteller vom Vertretungsgeschäfte nicht ausgeschlossen werden.

§. 21.[Bearbeiten]

Wer seit dem 1. Januar 1899 das Vertretungsgeschäft berufsmäßig, wenn auch nicht auf eigene Rechnung, betreibt oder wer als technischer Beamter im Patentamte mindestens zwei Jahre hindurch thätig gewesen ist, kann, sofern er durch seine Thätigkeit und durch sein Verhalten zu erheblichen Anständen keinen Anlaß gegeben hat, auf seinen Antrag das Zeugniß über die Befähigung als ständiger Vertreter eines Patentanwalts (§. 16) erhalten, auch wenn er die Voraussetzungen des §. 3 nicht erfüllt. Auf den Antrag und das weitere Verfahren finden die Vorschriften des §. 20 Abs. 3 Anwendung.
Wer das Zeugniß erhalten hat, ist auf Antrag eines Patentanwalts, der ihn mit seiner ständigen Vertretung beauftragt hat, in die besondere Spalte der Liste (§. 16) einzutragen. Auf seinen eigenen Antrag ist er zur Prüfung (§. 4) zuzulassen und im Falle des Bestehens der Prüfung, sofern nicht einer der im [238] §. 2 Abs. 2 vorgesehenen Hinderungsgründe vorliegt, als Patentanwalt einzutragen.
Eine Entbindung von der Prüfung kann durch einstimmigen Beschluß der Prüfungskommission erfolgen, wenn der Besitz der erforderlichen Kenntnisse durch die bisherige Thätigkeit dargethan ist. Ein hierauf bezüglicher Antrag ist spätestens bis zum 1. Oktober 1901 zu stellen.

§. 22.[Bearbeiten]

Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1900 in Kraft.
Solange die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderliche Anzahl von Patentanwälten in die Liste noch nicht eingetragen ist, werden an deren Stelle durch den Reichskanzler Personen bestellt, welche bisher Andere in Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes für eigene Rechnung berufsmäßig vertreten haben.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Wiesbaden, den 21. Mai 1900.
(L. S.)  Wilhelm.

  Graf von Posadowsky.