Goliath und David unter den Antilopen

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Autor: L. Heck
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Titel: Goliath und David unter den Antilopen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 532–535
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Goliath und David unter den Antilopen.

Eine naturgeschichtliche Studie von Dr. L. Heck, Direktor des Zoologischen Gartens Berlin.
Mit einer Zeichung von G. Mützel.


Unter diesem Titel vereinigen sich zwei meiner Pfleglinge, die vermöge ihrer eigenartigen Schönheit und zutraulichen Liebenswürdigkeit zu meinen Lieblingen gehören, seit ich sie unter meiner Obhut habe. Es sind der Wasserbock (Antilope unctuosa Laur.) und das Buschböckchen (Antilope pygmaea Pall.).

Obwohl beides Antilopen, sind sie doch so verschieden, wie innerhalb eines gewissen Rahmens zwei Thiere nur sein können, und sie führen uns dadurch recht handgreiflich vor Augen, wie die im Kampfe ums Dasein nothwendige Anpassung an verschiedene Lebensverhältnisse das Aeußere eines in seinen wesentlichen inneren Verrichtungen völlig gleichen Organismus verändert. Wie sie sich uns jetzt darstellen, sind nun allerdings auch beide Antilopenformen für das Leben an den ihnen eigenthümlichen Aufenthaltsorten ganz vortrefflich ausgerüstet, während die eine am Platze der anderen ganz unmöglich wäre.

Der Wasserbock durchbricht mit wuchtigem Sprunge aeines mächtigen Körpers leicht die dichten Schilfwaldungen der süd- und innerafrikanischen Flußufer; durch sein langes dichtes, von Fett glänzendes Haarkleid geschützt, bewegt er sich stundenlang äsend auf den überwachsenen Untiefen und teichartigen Ausbuchtungen derselben, und vor dem verfolgenden Leoparden – wie auf unserer Zeichnung von Mützel – vor dem Löwen oder Menschen stürzt er sich ohne weiteres in das tiefe Wasser des breitesten Stromes, um sich schwimmend zu retten.

Das Buschböckchen andererseits ist durch seinen überaus zier lichen Körperbau, seine für eill Hnftier fast ungtanhliche Kleinheit in stand gesetzt, mit mausartiger Behendigkeit durch die unentwirrbaren Dickichte des afrikanischen „Busches“ zu schlüpfen; es pflegt hier behaglich der sicheren Ruhe an Orten, wohin von außen weder der Sprung eines Raubthieres, noch der Stoß eines Raubvogels, noch endlich das Auge und die Kugel eines Jägers zu dringen vermögen, oder es schleicht durch das hohe Gras der Lichtungen von einem „Busch“ zum andern auf bleistiftdünnen Beinchen so sachte dahin, daß nicht einmal ein Zittern der Halme dem Verfolger seine Spur verräth.

Wenn wir nun zwei so unter einander verschiedene Thiergestalten unter dem Namen „Antilope“ vereinigt finden, so liegt die Frage sehr nahe, was sie denn eigentlich Gemeinsames besitzen. Darauf giebt uns die wissenschaftliche Betrachtung folgende Antwort: Sie sind zunächst Hufthiere und zwar Zweihufer oder, wie man aus triftigen Gründen sich jetzt ausdrückt: Paarzeher (Säugethierordnung der Artiodactyla); ferner sind sie Wiederkäuer (Unterordnung der Ruminantia) und schließlich tragen sie Hohlhörner, d. h. hornige Scheiden um zwei Knochenzapfen, die dem Stirnbein aufsitzen und niemals abgeworfen werden (Familie der Cavicornia). Aber alle diese Charaktere kommen auch Rindern, Schafen und Ziegen zu; warum sind nun Wasserbock und Buschböckchen Antilopen? Was versteht man überhaupt unter einer Antilope?

Durch diese Frage bringen wir die Zoologie einigermaßen in Verlegenheit. Sie muß, wenn auch verblümt, eingestehen, daß sie eine scharfe Bestimmung des Begriffes nicht zu geben weiß, und auch die Paläontologie, die ihr sonst mitunter aus der Noth hilft, indem sie aus vergangenen Perioden der Erdgeschichte Zwischenglieder zu Tage fördert, giebt in diesem Falle so gut wie gar keine nähere Auskunft; denn Reste von Antilopen früherer Erdperioden sind bis jetzt nur sehr sparsam und aus den jüngsten Schichten bekannt geworden. So ist man denn in der Bestimmung der Unterfamilie der Antilopen nicht über den Standpunkt des alten russischen Zoologen und Sibirienreisenden Pallas hinausgekommen, welcher ebenso treffend als ehrlich sagte: „Die Naturforscher haben diejenigen mit Hohlhörnern versehenen Wiederkäuer Antilopen genannt, welche sich weder mit den Ochsen, noch mit den Ziegen, noch mit den Schafen in ungezwungener Weise zusammenbringen lassen.“

Daß bei einer so verschiedenartig zusammengewürfelten Sammelgruppe die innere Gliederung, die Aufstellung von Gattungen ebenso großen Schwierigkeiten begegnet wie die Abgrenzung nach außen, ist von vornherein wahrscheinlich; und in der That treten denn auch bei den Antilopen alle diejenigen Merkmale, die zur Zusammenfassung je einer Anzahl Arten zu einer Gattung dienen könnten, ohne jeden Zusammenhang so bunt durch- und nebeneinander auf, daß eine eigentlich systematische Gliederung, eine Eintheilung nach einem und demselben durchgehenden Prinzip ganz unmöglich ist und man froh sein muß, [533] eine Anzahl ausgeprägter, wenn auch nach ganz verschiedenen Gesichtspunkten charakterisierter Typen gefunden zu haben, um die man dann die übrigen Formen gruppiert, so gut es eben gehen will. Unter diesen Typen ist es nun derjenige der Wasserantilopen (Gatung Kobus), dem der Wasserbock, und derjenige der Buschantilopen (Gattung Cephalolophus), dem das Buschböckchen angehört.

Buschböckchen.   Wasserbock.

Der Wasserbock ist, wie oben bereits angedeutet, die Antilope der Flußniederung mit ihren Rohrwäldern und Sumpfwiesen und daraus erklärt sich auch seine hervorstechende Eigenthümlichkeit, die bei einem tropischen Thiere doppelt auffallen muß: das lange, dichte, auf dem Halse bis zu einem Wirbel vor den Schultern gescheitelte Haarkleid, welches von den Talgdrüsen der Haut fortwährend dermaßen eingefettet wird, daß es zeitweise von flüssigem Fette förmlich trieft. Dieses Merkwal ist so charakteristisch, daß es mit Recht sowohl zu der deutschen Bezeichnung „Fetthaarantilope^ als zu dem lateinischen Artnamen „unctuosa“, die „gesalbte“, den Anlaß gegeben hat. Von der Größe unseres Edelhirsches, ist der Wasserbock noch kräftiger und massiger gebaut oder erscheint wenigstens so infolge seiner längeren Behaarung; er wäre vielleicht sogar plump zu nennen, wenn die elegant geformten und gestellten Beine diesen Eindruck nicht verhinderten. Jedenfalls ist er eine der stattlichsten Erscheinungen unter allen Antilopen, und wenn er den schönen Kopf mit dem ausdrucksvollen Auge und dem prächtigen Gehörn langsam erhebt, entzückt er das Auge des Jägers und Thierfreundes. Man kann sich in solchen Augenblicken lebhaft in die freudige Aufregung des Reisenden hineinversetzen, der zum ersten Male die majestätische, dunkel glänzende Gestalt aus dem Grün des umgebenden Dickichts emportauchen sieht, wenn das vorsichtige Thier einen Termitenbau besteigt, um von dort aus mit ruhiger Würde sichernd sein Gebiet zu überschauen, eine Gewohnheit, die dem alten Leitbock jedes Rudels eigen sein soll.

Die Färbung des Wasserbockes ist ein schönes glänzendes Rothbraun mit schwärzlichem Anflug, der dadurch entsteht, daß die einzelnen Haare schwarze Spitzen haben; den schönen Glanz verdankt das Fell der oben bereits erwähnten Einfettung der Haare. Diese letztere hat aber auch einen ganz eigenthümlichen unangenehmen Geruch im Gefolge, der gewöhnlich als Bocksgeruch bezeichnet wird, mich jedoch mehr an Theer erinnert. Er soll auch dem Fleische anhaften und dieses selbst der wenig wählerischen Zunge des hungernden Negers verleiden, was sehr [534] viel sagen will; ja, unmittelbar nach dem Tode soll dieser Geruch oft so stark werden, daß der weiße Jäger kaum imstande ist, das erlegte Wild abzuhäuten und sich des Gehörns als Jagdtrophäe zu versichern.

Die schöne Farbe des Wasserbocks wird durch eine einfache, aber ansprechende Zeichnung noch gehoben. Die Schnauzenspitze mit Ausnahme der nackten schwarzen Nase, ein Ring um die Augen, ein halbmondförmiges Halsband, welches, sich verschmälernd, bis zu den Ohren hinaufreicht, die Innenseite der Ohren selbst, die Gegend zu beiden Seiten des Schwanzes bis gegen die Ferse herab und schließlich ein ganz schmaler Streif gerade über den schwarzen Hufen sind weiß gefärbt, während die Beine in einiger Entfernung vom Rumpfe ganz schwarz werden. Der schönste Schmuck des Wasserbocks, der allerdings nur dem Männchen zukommt, ist unstreitig das Gehörn; es macht ihn erst zu einer so eindrucksvollen Erscheinung. Dick und stark, an der Wurzel etwa von dem Durchmesser eines mäßigen Ochsenhornes, erheben sich die Hörner etwa zwei Fuß über den Kopf, indem sie sich sanft erst nach außen und hinten, dann wieder nach vorn biegen; die Vorderseite ist hell und mit wulstigen Halbringen versehen, die Hinterseite schwarz und glatt. Das Weibchen entbehrt, wie gesagt, der Hörner, ist überhaupt kleiner und unscheinbarer, indeß durch die Farbe und das lebhafte, aufgeweckte Wesen immerhin ein eigenthümlich schönes Thier.

Der Wasserbock lebt in kleinen Rudeln, indem ein alter Bock mehrere Weibchen um sich vereinigt; außerdem halten sich stets einige junge Böcke zu dem Trupp, wohl meist die Söhne des alten, die dieser aber sicher nur solange duldet, als sie ihm keinen Anlaß zur Eifersucht geben. Einen erheblichen Nutzen für den Menschen gewährt der Wasserbock nicht, da Fell und Hörner keine besondere Verwerthung erfahren, und nur ganz junge Thiere ein einigermaßen schmackhaftes Fleisch liefern; ebensowenig thut er aber bei seinem eigenthümlichen Aufenthaltsort irgend welchen Schaden, und seine Jagd wird daher auch nicht um materieller Zwecke willen betrieben, sondern „aus bloßer Leidenschaftlichkeit,“ wie ein namhafter. älterer Systematiker mit unvergleichlicher Trockenheit von der Antilopenjagd im allgemeinen sagt.

In Gefangenschaft ist der Wasserbock in den letzten Jahren mehrfach gekommen und hat sich hier auch wiederholt fortgeplanzt. Doch blieb es mir vorbehalten, ihn in unseren deutschen Zoologischen Gärten bekannt zu machen. Nachdem ich das prächtige Thier einmal in Antwerpen gesehen, ließ es mir keine Ruhe, bis ich nach vielen Umfragen und Bitten glücklich auch ein Paar erobert hatte. Dieses bildet heute noch eine Hauptzierde des Kölner Zoologischen Gartens und ist dadurch noch ganz besonders interessant, daß es meines Wissens den ersten gelungenen Versuch vollständiger Acclimatisation einer Antilope in einem deutschen Thiergarten darstellt. Ermuthigt durch bedeutsame Erfolge auf diesem Gebiet, die mir besonders aus Holland bekannt waren, brachte ich nämlich in Köln meine Wasserböcke zusammen mit einem Paare Nilgauantilopen in den gerade fertig gewordenen neuen Hirschgehegen unter, wo sie Sommer und Winter im Freien leben und nur in einem hölzernen Stalle mit offener Thür vor den schlimmsten Unbilden der Witterung einigen Schutz finden.

Daß so großen kräftigen Thieren, die doch in ihrer Heimath die mitunter gewaltigen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht aushalten müssen, die reine, feuchte, wenn auch kalte Freiluft unseres Winters schaden oder auch nur schädlicher sein sollte als die unreine trockene Heizungsluft unserer Thierhäuser, wollte mir, der ich kaum in die Zunft der deutschen Thiergärtner eingetreten war, nicht recht in den Kopf: so schlug ich denn als junger Wagehals über die Stränge und – der Erfolg gab mir recht. Die Thiere überstanden den Winter prächtig, und als ich nach Berlin übersiedelte, konnte ich schon meinem Nachfolger das Versprechen abnehmen, mir das erste, damals gerade geborene Junge des Wasserbockpaares nachzuschicken, sobald es versandtfähig sei. Dieser mittlerweile stattlich herangewachsene Bock ist jetzt eines der schönsten Stücke des Berliner Antilopenbestandes, und ich sehe ihn jeden Tag auf meinem Rundgang mit besonderer Liebe an.

Das Buschböckchen ist – um einen Vergleich zu gebrauchen – der Zaunkönig unter den Antilopen, nur daß es nicht wie dieser kleine Spektakelmacher unseres heimischen Waldes sich stets durch auffallendes, lautes Benehmen zu verrathen pflegt. Im Gegentheil, die Afrikajäger können es gar nicht drastisch genug schildern, wie es ihnen anfangs trotz aller Zurufe und Fingerzeige ihrer eingeborenen Führer ganz unmöglich war, das Zwergwild in dem Zweig- und Laubgewirr des halbdunklen Buschwaldes zu entdecken. Das Buschböckchen ist so klein – es erreicht nicht einen Fuß Höhe und Rumpflänge, eine für ein Hufthier fast unglaubliche Winzigkeit! – daß es von vornherein leicht übersehen wird, zumal es auch in der Farbe seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort, dem dichten Unterholz, ganz vortrefflich angepaßt ist. Die Hauptfarbe ist ein Mausgrau mit zart bläulichem Anflug, das an Kopf und Gliedern in ein lichtes Fuchsroth, auf der Unterseite des Körpers in Weiß übergeht. Der kurze, jedoch nicht stummelhafte Schwanz ist auf der oberen Fläche dunkel, an den Seiten weiß und zwar lang zweizeilig behaart nach Art des Eichhornschwanzes. Die kleinen spitzen Hörnchen, die für gewöhnlich nur der Bock tragen soll – bei allen Pärchen, die ich bis jetzt gesehen habe, besaßen sie beide Geschlechter – gleichen in Form und Größe den Akazien- oder Mimosendornen und werden von einem Haarschopf, der sich zwischen den Ohren erhebt, halb verdeckt; sie sind schwarz gefärbt, ebenso wie die unbeschreiblich niedlichen Hufe. In Figur und Haltung zeigen die Zwergantilopen wie alle kleinen Wiederkäuer, sogar der verhältnißmäßig noch sehr große Schweinshirsch, eine gewisse Annäherung an die Nagetiere, insbesondere an die südamerikanischen Hufpfötler, z. B. das Aguti, und zwar durch den im Vergleich mit den Beinen massig und schwer erscheinenden Körper sowie den etwas gekrümmt getragenen Rücken und die im Zusammenhang damit besonders stark geknickten Hinterläufe. Ob dies wohl daraus zu erklären ist, daß alle diese Thiere bei ihrer Ortsbewegung vielfach auf Hochsprünge angewiesen sind, zumal die Zwergantilopen, für die ein kräftiger Grasbüschel schon ein ansehnliches Hinderniß zu nennen ist? Abgesehen von den sehr großen Thränengruben, die öfters in ihrer ganzen Länge mit vertrockneter Absonderung gefüllt sind, erinnert auch der Kopf der Zwergantilope einigermaßen an die genannten Nager, und zwar besonders durch die großen Augen und die gebogene Linie des Profils; in der Vorderansicht dagegen erweist die schmale, nackte, dunkel fleischfarbene Muffel unzweifelhaft die Wiederkäuernatur.

Das Freileben der Zwergantilope hat uns Brehm geschildert mit der ganzen klassischen Anschaulichkeit, die diesem großen Thiermaler in Worten eigen ist. Er führt uns in das eigentliche Wohngebiet des Thierchens, den afrikanischen „Busch“ ein, jene kreuz und quer von einer Unzahl von Schlingpflanzen durchrankten, für jeden größeren Körper undurchdringlichen Dickichte von Baum- und strauchartigen Gewächsen, wie sie sich besonders an den Betten der Wildbäche entlang ziehen. Hier, wo der Tisch mit zarten Mimosenblättern, mit saftigen Gräsern und allerhand grünen Trieben und Knospen stets reichlich gedeckt ist, führt das Buschböckchen mit seinem Weibchen ein stillvergnügtes Gnomendasein. Es lebt stets paarweise, niemals in Rudeln, und auch das Junge bleibt nur so lange bei den Alten, bis es selbständig ist. Wenn nur die bösen Feinde nicht wären! Aber deren hat unser Antilopenzwerg, wie alle die Kleinen im Thierreich, eine ganze Schar. Obenan steht natürlich der Mensch. Der Farbige zwar, der Abessinier oder der Kaffer, stellt ihm nicht allzu heftig nach, für seinen Appetit ist der kleine Schelm kein Gegenstand; den weißen Jäger dagegen, den weidwerkskundigen Afrikareisenden, reizt die Schwierigkeit der Jagd und die mit der Jagd verbundene Beobachtung des klugen, niedlichen Thierchens, die in der That ein köstliches Vergnügen, eine wahre Augenweide sein muß. Wiederum unseren Brehm, den weidgerechten Forscher, in Gedanken auf den Pirschgang begleitend, sehen wir den schlauen Bock, der uns natürlich schon eher gewahrt hat als wir ihn, erst eine Weile regungslos im Dickicht stehen und dann ganz sachte im Dunkel des „Busches“ verschwinden, gefolgt von der getreuen Ehehälfte; wir hören den scharf schneuzenden Warnungston in dem Augenblick, ehe das Pärchen in pfeilgeschwinden Sätzen über die nächste Lichtung flüchtet, und das Jagdfieber ergreift uns fast bei dem schwierigen Schusse auf das kleine Wild, das bei der unglaublich raschen Bewegung kaum zu erkennen ist. Selbst mit [535] dem Schrotgewehr bringt nur ein Meisterschuß den flüchtigen Bock zur Strecke.

Nächst dem Menschen ist wohl der schlimmste Feind der Zwergantilopen der Leopard, und er wird sich auch durch die Zähigkeit und Trockenheit des Wildprets nicht abschrecken lassen; ebensowenig wie die kleineren Räuber aus dem Katzen- und Hundegeschlecht, Serval und Schakal, die vielleicht hier und da einen der kleinen Buschklepper erwischen.

Daß lebende Zwergantilopen außerordentlich selten nach Europa kommen, wie Brehm behauptet, kann ich nach meinen Erfahrungen nicht bestätigen. Auf den Listen der englischen Thierhändler erscheint öfters einmal eine „Philantomba-Antelope“ und im Amsterdamer Zoologischen Garten blüht eine ergiebige Zucht mehrerer Arten, so daß man die kleinen Dinger schließlich jederzeit haben kann. Nichtsdestoweniger war ich der erste, der sie sowohl in Köln als hier in Berlin einführte; im allgemeinen sind sie allerdings bei uns in Deutschland noch ziemlich unbekannt, weil es eben in unseren Zoologischen Gärten, die ja alle annähernd nach einer Schablone angelegt sind, meist an passender Unterkunft für kleine Vierfüßler zu fehlen pflegt. Und doch erregen die Zwerge mindestens ebensoviel Interesse als manches zehnmal so theure Stück aus dem „Eisernen Bestand“, der in jedem Zoologischen Garten unvermeidlich wiederkehrt. Wenn man ihnen nun gar ein Liliputanerschlößchen mit drahtübergittertem Grasgärtchen davor zusammenzimmert, wie wir das auf einem großen Tische mitten im Grün unseres hellen, glasgedeckten Antilopenhauses gethan haben, so wird man erst recht inne, welch genußreiches Schauspiel sie gewähren können.