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Handelshochschulen

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Textdaten
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Autor: Ignaz Jastrow
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Titel: Handelshochschulen
Untertitel:
aus: Handbuch der Politik Dritter Band: Die Aufgaben der Politik, Fünfzehntes Hauptstück: Bildung, 83. Abschnitt, S. 157−158
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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Quelle: Commons
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83. Abschnitt.


Handelshochschulen.
Von
Prof. Dr. J. Jastrow, Berlin.


Literatur:

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Die ausführlichste Darstellung des Betriebes einer Handelshochschule gibt:
Jastrow, die Handelshochschule Berlin, Rektoratsbericht 1906/09,Berlin, Georg Reimer, 278 S [fortgesetzt bis 1912/3 von Binz],
Vergl. von demselben:
Kaufmannsbildung und Hochschulbildung, Bürgertum und Staatsverwaltung. Zwei akademische Festreden (ebenda 1907),
sowie den Bericht über eine Studienreise durch Nordamerika: Berliner Jahrbuch für Handel und Industrie, 1904.
Die längste zusammenhängende Reihe von Berichten sind die der Handelshochschule Köln 1901–1912,
zuerst von Schumacher,
dann von Eckert (Berlin, Julius Springer).
Neueste (internat.) Übersicht: A. Schmidt-Wien i. Zeitschr. f. Handelswiss. u. Handehpraxis 1913. Sept.
Statistisches, Finanzen etc. bei Obst: ebenda. 1908–1912. –
Über die Vorgeschichte orientieren die
„Veröffentlichungen des Verbandes für das kaufmännische Unterrichtswesen“ 1897/98,
die Schriften von Apt (1900, 1907) sowie vor allem die
Biographie Mevissens von J. Hansen (Berlin 1906) I 824–835, II 627–636 (Denkschrift von 1879). –
Weitere Literatur: Katalog der Bibliothek der Korporation der Kaufmannschaft von Berlin. 2. A. Berlin 1909, S. 736–737 (u. Nachträge).

Die deutschen Handelshochschulen wollen solchen jungen Kaufleuten, die ausser der üblichen kaufmännischen Ausbildung für ihre spätere Laufbahn in einem oder in mehreren Fächern eingehende wissenschaftliche Studien machen wollen, hierzu in geeigneterer Weise Gelegenheit bieten, als dies an Universitäten, Technischen Hochschulen, Bergakademien etc. nach deren bisheriger Lehrverfassung der Fall sein kann. Ihr Zweck kann ebensowohl in Anlehnung an eine der genannten Hochschulgattungen, wie in selbständiger Form angestrebt werden. Diese beiden Möglichkeiten ergaben innerhalb des Deutschen Reiches um die Wende vom 19. zum 20. Jahrh. zwei Typen. Leipzig (begr. 1898) stellt den Studierenden die Vorlesungen der Universität zur Verfügung und sorgt selbständig nur für solche Vorlesungen, die an der Universität gar nicht oder nicht in der angemessenen Art vertreten sind; in ähnlicher Art wurde in Aachen (1901–1908) mit der Anlehnung an die Technische Hochschule ein Versuch gemacht, der aber in der Hauptsache aufgegeben wurde und nur die Einrichtung handelswissenschaftlicher Vorlesungen innerhalb der Technischen Hochschule zurückliess. Der entgegengesetzte Typus wurde zuerst in Köln geschaffen (1901): geschlossene Einheit und Selbständigkeit; Lehrer benachbarter Hochschulen kommen nur insoweit in Betracht, als sie in den Lehrkörper der Handelshochschule eintreten; nach demselben Typus: Berlin 1906, Mannheim 1909, München 1910. Einen in der Entwicklung begriffenen dritten Typus scheint die „Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften“, Frankfurt a. M. (1901) darzustellen, insofern sie zwar ebenso selbständig wie der Kölner Typus, aber auf Umfassung eines weiteren Wissenschaftskreises angelegt ist; nach Zustandekommen der Universität Frankfurt werden hier die kaufmännischen Studien vielleicht am ehesten mit denen der – in Deutschland immer noch bedeutend unterschätzten – amerikanischen Universitäten (vgl. Jastrow, Reisebericht) zu vergleichen sein.

Von den bestehenden 6 Handelshochschulen ist Köln eine städtische Einrichtung, Berlin eine Einrichtung der dortigen Korporation der Kaufmannschaft; die vier andern sind von mehreren Körperschaften gemeinsam begründet und von Kuratorien verwaltet. Sie sind sämtlich von den Landesregierungen (Preussen, Sachsen, Bayern, Baden) als öffentliche Hochschulen anerkannt. Auch wo der Aufbau selbständig ist, ist vielfach der betr. Landesuniversität eine Vertretung im Grossen Rat o. ä. eingeräumt.

Die Verzeichnisse der Vorlesungen und Übungen weisen folgende Fächer auf:

Allgemeine Einführung in die Studien. – Handelswissenschaften, „Privatwirtschaftslehre“ (Betriebslehre des Handels und einzelner Handelszweige, Buchhaltung, kaufmännische Arithmetik). – Volkswirtschaftslehre und verwandte Fächer (darin: Kolonialwesen, Versicherungslehre, Genossenschaften; auch Grenzgebiete [158] der Jurisprudenz, wie Patent-, Muster- und Markenschutz, Gewerbe-, Eisenbahn-, Post-, Telegraphen- und Telephonrecht). – Rechtswissenschaft (öffentliches und Privatrecht). – Wirtschaftsgeographie und Wirtschaftsgeschichte. – Reine und angewandte Naturwissenschaften (Physik, Chemie). – Warenkunde und Technologie. – Sprachen. – Theorie und Praxis des kaufmännischen Unterrichts. – Allgemeine wissenschaftliche Ausbildung (Literatur, Kunst, Kunstgewerbe, Philosophie etc.). – Fertigkeiten.

Das hochschulmässige Niveau der Vorlesungen und Übungen wird in erster Linie durch die Verfassung der Handelshochschule gewährleistet, die ebenso wie die aller anderen deutschen Hochschulen auf der Lehr- und Lernfreiheit beruht und den Lehrkörper unter dem Gesichtspunkt zusammensetzt, dass seine Mitglieder die Wissenschaft nicht nur lehren, sondern auch selbstforschend weiter entwickeln. Die Immatrikulationsbedingungen (entweder Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis plus 2–3 jährige kaufmännische Lehrzeit, oder Abiturientenzeugnis) bedeuten keine Minderforderungen gegenüber anderen Hochschulen, da für die Eigenart der Handelshochschule der Kombinierung von Schul- und Berufsbildung mindestens derselbe Wert beigemessen wird, wie die volle Absolvierung einer Prima. Nicht gering ist übrigens die Zahl der Studierenden, die sowohl das Abiturientenzeugnis, als die volle kaufmännische Ausbildung mitbringen. Gegen die kurze Studienzeit (2 Jahre) bildet ein gewisses Gegengewicht, dass die natürliche Auslese an den Handelshochschulen schärfer ist, als an den anderen Hochschulen, die ein obligatorisches Durchgangsstadium für gewisse Berufe sind. – Das „Diplom der Handelshochschule“ wird auf Grund einer schriftlichen und mündlichen Prüfung unter Vorsitz eines staatlichen Kommissars erworben.

Nebenaufgaben der Handelshochschule sind die volle Ausbildung von Handelslehrern (Studienzeit 2½ Jahre; besondere Prüfungsordnung), ergänzende Lerngelegenheit für zukünftige Konsuln, Kolonialbeamte, für Juristen, sowie Verwaltungsbeamte aller Art etc.

Die Zahl der voll immatrikulierten Studierenden (ohne Hospitanten und Hörer) betrug im Wintersemester 1912/13 in Berlin 509, Frankfurt 416, Köln 532, Leipzig 533, Mannheim 124, München 181. Diese Zahlen sind nicht durchweg vergleichbar, da z. B. in Leipzig jeder als Studierender gezählt wird, der ein gewisses Minimum an Stundenzahl belegt hat, während sonst ein volles Studiengeld verlangt wird (Berlin: 125 M. pro Semester; Ausländer 250 M.).

Teils aus diesem Grunde, teils auch wegen Verschiedenheiten der Etatisierung lassen sich die Finanzen der Handelshochschulen ebenfalls nicht genau vergleichen. Obst berechnet für das Jahr 1911/12 (zu Berlin anscheinend 1910/11) die Summe aller Ausgaben in Berlin auf 309 991, Frankfurt a. M. auf 442 350, Köln auf 409 300, Mannheim auf 176 800, München 151 000, wovon durch Vorlesungshonorare nicht gedeckt wurden: 143 196, 385 230, 236 300, 146 830, 96 000; so dass O. als Zuschuss auf den Kopf der Studierenden berechnet: Berlin 355, Frankfurt a. M. 1411, Köln 493, Mannheim 1546, München 580 M.

Im Auslande befinden sich die wichtigsten Handelshochschulen oder ähnliche Veranstaltungen in:

Wien (Exportakademie); Budapest, Klausenburg, Fiume (Exportak.) – an den 6 schweizerischen Landesuniversitäten, sowie an der freien (kath.) Universität Freiburg in Gestalt von (vorhandenen oder in Errichtung begriffenen Lehrstühlen für Handelswissenschaften („Privatwirtschaftslehre“) oder, wie in Lausanne, in Angliederung unter selbständiger Direktion; städtisch: Sankt Gallen (in Entwickelung aus einer „Handelsakademie“).– Brüssel, Antwerpen (auch Lüttich, Mons, Löwen?) – Paris – Genua, Mailand (Luigi Bocconi) – London, Birmingham, Glasgow, Manchester – Stockholm – Moskau, Kiew (auch St. Petersburg, Charkow?) – Athen. – Aus dem ferneren Ausland werden, ohne die Möglichkeit, den Hochschulcharakter zu kontrollieren, genannt: Buenos Aires, Valparaiso – Tokio, Kobe, Osaka – Shangai. – New-York, Philadelphia, Cambridge (Mass) Burlington (Vermont) Hanover (New-Hampshire), Chicago, Madison (Wisc.), Berkloy (Kalif.), sowie ähnl. Veranstaltungen in Urbana (Ill.), Ann Arbor (Mich.), Minneapolis (Minn.) und Palo Alto (Kalif.).