Zum Inhalt springen

Harald von Eichen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Bechstein
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Harald von Eichen
Untertitel:
aus: Thüringische Volksmährchen, S. 48–116
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1823
Verlag: Carl Fleck und Comp.
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Sondershausen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google = Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[48]
Harald von Eichen.
Eine Skizze aus der 2ten Hälfte des 10ten Jahrhunderts

In dem hohen gewölbten Rittersaal, auf dem von seinem Vater, Ludwig III. erbauten Schloß Wartburg, stand am 3ten des Herbstmonats im Jahr 1165, Landgraf Ludwig der 4te, als Landgraf der 2te dieses Namens. Vor ihm kniete auf einem sammetnen Kissen Harald von Eichen, rings um ihn her standen viele Grafen, Edle und Ritter, Ludwigs Freunde und Vasallen; der Landgraf hob das Schwerdt empor, gab dem Knienden drei leichte Schläge auf die Achsel und sprach:

[49] Wir Ludwig der Zweite, Landgraf zu Thüringen und Herr zu Hessen, schlagen Euch, Harald von Eichen, zum Ritter im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, und außer diesen drei Schlägen sollt Ihr keinen mehr dulden; Ihr sollt auf Ritterehre halten, wie auf Euer Leben; Ihr sollt schützen die verfolgte Unschuld, Wittwen und Waisen zur Ehre Gottes; Ihr sollt beschirmen, und ehren die Damen zur Ehre der heiligen Jungfrau Maria; Ihr sollt treu seyn dem Kaiser, Eurem Oberherrn, und Eurem Landesfürsten, gleich als ihm, und sollt Uns das zu halten geloben auf Ritterwort mit einem Handschlag.

Harald gelobte, und stieg auf; Ludwig küßte ihn auf die Stirne, und viele Ritter traten herzu und schüttelten ihm treuherzig die Hände.

Oben auf dem Balkon stand mit ihren Dienerinnen der Landgräfin Jutta Hoffräulein, Adelgundis von Eschilbach, und sah der Feyerlichkeit zu. Mit besonderm Wohlgefallen [50] weilte Adelgundens Blick auf des neuen Ritters schöner Jünglings-Gestalt. Und als er hinaufblickte zu ihr, die wie die Rose die[D 1] Blumen, wie der Mond die Sterne, wie der Diamant die Edelsteine, an Schönheit alle Damen, die er je gesehen, überstrahlte, da ward sein Herz wunderbar bewegt, und in seiner Seele keimte der Wunsch auf, daß diese ihn lieben möge. Doch war jetzt nicht die Zeit, verliebten Träumen nachzuhängen, denn die Ritter brachen auf, und wie er wieder empor sah zu dem Himmel, wo seine Sonne ihm erschienen war, da war sie verschwunden. Zwey Ritter standen nicht weit von ihm, die heimlich flüsterten, und ihre spöttischen Blicke dabei fest auf ihn hefteten; schnell regte sich in ihm der Geist des Unmuths, und er wollte schon die Ritter fragen, ob sie von ihm sprächen, da ergriff der Landgraf seinen Arm und führte ihn aus dem Saale; paarweise folgten ihnen die versammelten Ritter in den geräumigen Speisesaal. Eppo von Heineck und Hugo von Brandenfels waren die Ritter, die über Harald leise spöttelten, und jetzt den Zug beschließend, das heimliche Zwey-Gespräch lauter fortsetzten.

[51] Wie sich das neugebackne Ritterlein aufbläht, sagte Hugo von Brandenfels – und Wunder denkt, was er für Ritterthaten schon gethan, daß er einen Eber fällte, der unsern ehrenfesten, mannhaften Landgrafen abgesattelt hatte, welcher überhaupt ein gar gewaltiger Jäger ist.

Unser Landgraf, nahm Eppo von Heineck das Wort, bleibt sich überall gleich. Habt Ihr’ in Eurem ganzen Leben noch Jemanden so zum Ritter schlagen sehen? warlich, das Gastmahl, das er uns, seinem Günstling zu Ehren, heute giebt, muß sehr ausgezeichnet seyn, wenn sichs der Mühe verlohnen soll, daß wir uns auf die Wartburg bemühet haben.

Vergeßt nicht, daß auch getanzt wird, und das Fräulein von Eschilbach auch mittanzen wird, erwiederte Hugo lächelnd, und fixirte den Mürrischen.

Nun ja, meinte er zerstreut, und verbarg die Freude, die ihn bei diesen Gedanken durchbebte, blos Trinkens halber, wäre ich auch nicht [52] hergekommen. Etwas habt ihr doch nicht gesehen, sprach Hugo mit einigermaßen höhnischem Ton. Und das wäre? fragte Eppo gespannt und blieb stehen vor der Thüre des Speisesaals –

Daß Herr Ritter Harald von Eichenrecht absonderliche Blicke auf den Balkon warf, auf dem Eure Angebetete in ihrem schönsten Schmucke stand, und daß sie ihn auch recht scharf ins Auge zu fassen schien. –

Hölle und Teufel! fluchte Eppo, ich breche dem Kerl den Hals! Sie schien ihn scharf ins Auge zu fassen, sagt Ihr? –

Ja, war die Antwort, und das Schlimmste ist, daß Ihr es ihr nicht wehren könnt, so wenig wie ihm, da Ihr auf das Fräulein kein Näher-Recht habt!

Seyd Ihr ein Advokat geworden, Ritter von Brandenfels? zürnte der Eifersüchtige; was schwatzt Ihr da von Recht? Hier in der Scheide steckt mein Recht, rief er, an das Ritterschwerdt [53] schlagend, und mit diesem Recht will ich jeden bündig beweisen, was Recht und Unrecht ist.

Ereifert Euch nicht, lenkte Hugo wieder ein; ich habe ja den neuen Ritter so lieb wie Ihr, habe auch den Landgrafen so lieb wie Ihr, und denke, wir kennen uns zu gut, um uns über diese Kleinigkeiten zu entzweyen; für jetzt müssen wir schweigen, und wollen zur Tafel gehen, wir sprechen schon weiter darüber. Drinnen wirbelten und schmetterten jetzt Trompeten und Pauken, und der Posaunen lang gehaltne Töne, und die weingefüllten Becher klangen hell an einander. Es lebe unser gnädigster Landgraf hoch! riefen die Ritter, als die beyden eintraten, und mit freundlicher Huld im Blick erhob sich Ludwig von seinem Sitz und rief: Unsre Freunde und Getreue! des ganzen Thüringerlandes Ritterschaft lebe hoch! und leerte den Pokal bis auf die Nagelprobe und die Pauken donnerten wieder in der fröhlichen Ritter Jubelruf. Mit Freude auf den Gesichtern, mit Groll und Unmuth im Herzen, setzten sich Eppo und Hugo auf die für sie leergelaßnen Plätze.

[54] Als nach der Tafel der Geigen und Flöten reine Silbertöne zum Tanze riefen, da nahte sich schüchtern Harald dem Fräulein von Eschilbach, die die Ritter beym Mahl bedient hatte, und bot ihr den Arm; sie neigte sich erröthend und folgte ihm; hatte ihr doch eine dunkle Ahnung ihres Herzens gesagt, daß der schöne Jüngling sie auffordern werde. Da standen Eppo und Hugo und sahen einander an. Die Ritter gingen in den mit Eichenlaub und Tannenreisern schön ausgeschmückten Saal, wo sich aus der Stadt Eisenach viel schöne Bürger-Frauen mit ihren Töchtern, der Einladung des Landgrafen zufolge, eingefunden hatten. Der muntre Reigen, von dem Landgrafen eröffnet, begann und die Freude, das mildlächelnde[D 2] Himmelkind, schlug auf allen Gesichtern ihren Rosensitz auf.

Habt ihr nun gesehen? fragte Hugo triumphirend seinen Freund, dem das Erstaunen keine Worte finden ließ; ist das das wilde[D 3] Mädchen, die sonst fast mit unerträglichem Stolz jeden Ritter behandelte, der sich in ihre Nähe wagte? gab sie mir neulich nicht einen Korb, [55] weil sie sich vorgenommen hatte, nicht mit mir zu tanzen, und tanzte lieber den ganzen Abend nicht? Lachte sie Euch nicht neulich unbändig aus, als Eure steife Stute Euch abwarf? und als Ihr der tollen Reiterin den Wettritt anbotet, überhohlte sie Euch nicht auf der Hälfte der Bahn und kam eine ganze Minute eher zum Ziele als Ihr? und jetzt? so jungfräulich verschämt, so sanft erröthend, wie sie der junge Ritter zum Tanze führt! Wißt Ihr was das ist? – das ist die Liebe, die Wurzel gefaßt hat in ihrem Herzen, und auf die Ihr nimmermehr das Zweiglein eurer Minne werdet propfen können.

Hugo schwieg, Eppo stand noch immer in dumpfem Nachsinnen, des Freundes Rede war ihm verloren gegangen, er hatte wenig oder nichts davon gehört. Unwirsch ergriff er, ohne zu antworten, Hugo’s Arm, und ging mit ihm dem Tanzsaale zu. Sie traten ein, aber da war für sie keine Tänzerin mehr und Ludwig, als er vor ihnen vorüberging, sagte mit einem Zug von Ironie: Wie es scheint, kommt ihr heute überall ein wenig zu spät, liebe Ritter.

[56] Nach mehreren vergeblichen Versuchen Eppo’s, gelang es ihm doch, Fräulein Adelsgundis auf einen Tanz zu überkommen, und er hatte kaum einigemale mit ihr gedreht, so fragte er schon, seines Verdrusses nicht mehr Meister: Was hat Euch denn der neue Rittersmann Zärtliches zugeflüstert, mein holdes Fräulein?

Weit zärt’re Dinge, war die Antwort: als in Eurer Frage liegen, Ritter von Heineck! –

Kann denn der Eberwürger auch wilde Tauben fangen und zähmen? fragte der Unhöfliche weiter; da kann er ja alles Mögliche!

Seit wenn geht denn Ritter Eppo darauf aus, Damen zu kränken? ich wenigstens hatte seitdem von Euch eine bessere Meinung, als Ihr mir durch Eure beleidigenden Reden an den Tag legt, entgegnete empfindlich Adelgundis: sucht Euch eine andre Dame, die Ihr dergleichen nicht zu fragen [57] habt. Sie riß sich los von ihm. Fraulein Eschilbach! bat der erschrockene Ritter, aber sie hörte ihn nicht und mit vor Schaam und Zorn glühenden Wangen stürzte sie aus dem Saale. Aus einer Fenstervertiefung hatte Harald müßig, dem Tanze zugesehen, und kein Auge von der wunderholden Adelgundis verwandt, jetzt sah er Eppo’s eindringliche Fragen; er sah wie sie den Blick zu Boden senkte, sah das Hohnlächeln in deß Ritters Gesicht, und wie sie, sich von ihm loßreißend, den Saal verließ. Unbemerkt stahl er sich durch der Tanzenden frohes Getümmel ihr nach, und fand sie auf einem Bogengang weinend stehen. Theilnehmend nahte er ihr und fragte mit Zärtlicher Besorgniß nach ihres Kummers Ursache, und schwur zu rächen an jedem wer es auch sey, jegliche ihr zugefügte Unbilde. Aber sie schwieg hartnäckig auf alle Fragen und suchte ihnen auszuweichen, und nun fals er flehentlich bat, ihm wieder zum Tanz in den Saal zu folgen, und ihr der Gedanke kam, daß sie so am besten des groben Ritters Uebermuth demüthigen könnte, trocknete sie ihre Thränen und trat mit stolzem Schritte, auf ihren Wangen [58] das erzwungene Lächeln der Fröhlichkeit, an Harald’s Arm in den Saal und als sey nichts vorgefallen, schwebte sie an Eppo mit kalten Blicken vorüber, der zähneknirschend, ein veraltetes Fräulein mühsam durch die Reihen der Tanzenden fortschleppte und so toll und regellos mit ihr herumwirbelte, daß die Athemlose ihn nur mit Mühe aufhalten konnte und um Gotteswillen bitten mußte, auszuruhen, wobey ein starker Husten sie überfiel, der auch nicht eher nachließ, als bis der Tanz zu Ende war.

Wo werdet Ihr nun hinziehen, Herr von Eichen? fragte Adelgundis ihren Tänzer, da ihr nun nicht mehr in dem Gefolge des Herrn Landgrafen bleiben werdet?

Unser gütiger Herr, erwiederte Harald, wollte mir eine Burg bauen lassen, aber als ich ihn inständig bat, mich bey sich zu behalten, und mich den ersten seiner Diener seyn zu lassen, gab der Mildherzige meinen Bitten nach, und so ist es mir denn vergönnt, Euch, mein angebetetes Fräulein, täglich auf Schloß [59] Wartburg zu sehen und zu sprechen, und so Ihr es Eurem treuen Diener vergönnen wollt, Euch ritterlich zu minnen in Zucht und Ehren?

Adelgundis, die letzte ihr schmeichelnde Frage, ganz mit Stillschweigen übergehend, erwiederte auf die erste: Lange wird Euch, Herr Ritter, diese Freude nicht zu Theil werden, denn ich ziehe in den nächsten Tagen wieder zur Frau Landgräfin auf Schloß Neuenburg.

Und für den andern Theil meiner Frage habt Ihr keine Antwort? flüsterte er leise mit einem sanften Händedruck.

Es wird mir angenehm seyn, Euch bald in Gesellschaft des Herrn Landgrafen dort den Willkommenbecher auf Neuenburg zu reichem, sprach sie ausweichend, doch mit schüchternen zu Boden gesenktem Blick. Harald hatte sie in eine Fenstervertiefung gezogen, dort wo die Ohren neidischer Späher seine Worte nicht vernehmen konnten, sah er ihr bittend in die [60] schwarzen Augen, drückte ihre Hand stürmisch an seine Lippen und sprach hastig: Ich Liebe Euch Fräulein, wie mein Leben. Als Ihr da oben standet in der Glorie Eurer unendlichen Schönheit, da wagte ich kühne Blicke hinaufzusenden nach Euch und laut sprach es in meinem Innern: Diese oder keine. Ihr seyd meine erste Liebe; ich kann nicht lange in die Tiefe der Brust verschließen, was ich fühle, sprecht, darf ich euch lieben? darf ich hoffen auf Euer Herz und Eure Hand?

Ihr überrascht mich Ritter, sprach sie bebend und der dunkle Carmin ihrer Wangen wetteiferte mit dem Purpurgewölk des westlichen Himmels; dieser Augenblick soll nicht entscheiden über mein künftiges Loos; nehmet einstweilen das Geständniß, daß ich Euch nicht abhold bin, bis wir uns an einem schicklicheren Ort näher erklären können. Wenn und wo? rief der Ueberfrohe, und wäre im Gefühl der Freude fast vor ihr niedergesunken.

Der Landgraf veranstaltet eine Jagd in [61] wenig Tagen, so lange bleibe ich noch, da will ich mit Euch reden; und das Fenster öffnend kühlte sie in der heitern Abendluft der Wangen Gluth und trat dann wieder mit Harald zum Tanze an.

Bis Mitternacht dauerte der Ball, und wie er geendet war, lud der Landgraf alle Ritter, die zugegen waren, zu einer großen Jagd in den Wäldern des Inselberges ein, und schied von allen mit freundschaftlichem Händedruck. Harald wälzte sich unruhig auf seinem Lager umher, des vergangenen Tages Freudengenüsse schwebten im bunten Festreigen[D 4] vor seiner Seele vorüber, und durch die schweigende Nacht schienen ihm noch immer der Tanzmusik heitre Klänge zu tönen.

Eppo und Hugo trabten auf ihren Rossen am andern Morgen früh der Heimath zu; der Erste mißmuthig und verstimmt, der zweite zwar unbefangener als sein Freund, doch auch mit heimlichen Groll gegen den Landgrafen erfüllt. Dieses Herrn Diener mag ich nicht länger seyn, brach endlich Eppo los, bald wird er noch [62] seine Stallbuben zu Rittern schlagen. Was sollen wir uns jeden hergelaufnen Laffen hintangesetzt sehen? Wer ist denn dieser Eichen? wo wohnen seine Aeltern? wo ist sein Stammbaum? und diese Eschilbach, die der Landgräfin, zu der auch nicht viel seyn mag, sonst hätte sie den weibischen[D 5] Gemahl nicht genommen, die, sage ich, der Landgräfin Gnadenbrod ißt, was hat man gehört von Ihren Ahnen, und deren Thaten? ich kenne sie nicht, aber gleich und gleich gesellt sich gern, das mag man wahrnehmen an diesen beiden.

Wie Ihr denkt, so denke auch ich und Robert von Brandenburg, Hans von der Kyburg und mehrere, die alle den Landgrafen nicht leiden können, war Hugo’s Gegenrede: weil er doch gar nicht männlich ist, und über so viel tapfre Grafen und Ritter die Oberherrschaft nicht zu führen versteht, auch nicht verdient. Doch müßt Ihr auch bedenken, daß ein strenger Herr sich weit mehr in unsere Angelegenheiten mischen würde, und manches nicht dulden, was wir, ohne ihn um seinen Consens zu befragen, unternehmen. –

[63] Werdet Ihr Euch einfinden zur großen Jagd, Ritter von Brandenfels?

Dem kecken Fräulein zum Trotz, die sonst glauben möchte, man reiße sich um ihre Huld, will ich dabey seyn; kann ich es verhindern, so spricht sie ihren Trauten nicht allein, sprach scheidend Eppo und sprengte seine Straße fort. Hugo aber ritt gemachsam weiter und sang die erste Strophe des damals neuen Liedes:

      Ueber die Berge,
Ueber die Quellen;
Unter den Gräbern,
Unter den Wellen;
Unter Tiefen und Seen,
In der Abgründe Steg;
Ueber Felsen, über Höhen.
Findet Liebe den Weg.

Die Jagd-Hörner klangen, die Rosse stampften wiehernd im Hofe und vor Freude winselnd sprangen an den Jägern die Rüden ungeduldig in die Höhe; auf den schneeweißen Zelter hatte sich schon Adelgundis geschwungen; in der Rechten den Jagdspieß, in der Linken [64] leicht des Rosses Zügel haltend, glich die Virago mit dem wehenden Reiherfederschmuck des glänzenden Helms einer hochherzigen Diana. Der Silber-Helm vermochte nicht, des Haares reiche Fülle zu fassen, sie wallten in langen Locken über Brust und Schultern hinab. Trunken hingen Haralds Blicke an ihr; der Blitz ihrer dunkeln Augen schlug in die seinen und zündete die Purpurgluth der Freude auf seinen Wangen; sie hatten sich verstanden.

Jetzt trat mit freundlichen Mienen der Landgraf im grünem Jagdkleid im einfachen Federbarret heraus; ein spöttisches Lächeln flog über Eppo’s Gesicht und er beugte sich über seines Rosses Hals hinüber zu Hugo, und flüsterte diesem lächelnd zu: Schau den stattlichen Herrn, wer ihn nicht kennt, wird ihn kaum von den Troßbuben unterscheiden, die unsre Hunde führen müssen; und Beifall nickend der hämischen Rede, entgegnete dieser: Er wird sich auch heute baß hervorthun auf der Jagd; ich sehe schon die Hirsche und Sauen, die er nicht erlegen wird, wenn ihm nur nicht ein Eber wieder aufstößt. – Lautes [65] Schmettern der Hörner und der Jäger fröhlicher Ruf unterbrach das Gespräch. Der Jagdzug setzte sich in Bewegung, voran der Landgraf mit Adelgundis, zunächst nach ihnen Harald von Eichen, Ottokar von Münch, Albert von Hörselgau, zwei neue Freunde Haralds, dann folgten die Ritter von Brandenfels, Brandenburg, Heineck, Kyburg und andere, dann der Jäger, Knappen und Jagdgehülfen endloser Zug.

Dorthin, wo der Inselberg hoch in die Luft über des Thüringer Landes Berge sein Haupt erhebt, ging es; nach mehreren Stunden war der Wald, der von allen Seiten sich um ihn herum zieht, erreicht, und die Jagd begann.

Adelgundis sprengte wild an Harald vorüber, diesem einige Worte zuflüsternd; er nickte fröhlich lachend, und aus seinen Augen strahlte der Freude rosiger Wiederschein.

Mit lautem Halloh, zerstreuten hiehin und dahin sich die Jäger; es war festgesetzt, daß [66] auf Schloß Tenneberg bei Waltershaußen, der Landgraf übernachten wollte; dorthin zogen sich bald die mehr trink- als jagdlustigen Ritter zurück. Ludwig jagte noch mit einem Knappen durch den Fichtenwald; da zeigte sich ein feister Hirsch mit stattlichem Geweih seinen Blicken, stärker spornte er sein Roß, es keuchte dem fliehenden Hirsch nach; vergebens bemühte sich der Knappe, dem jagdlustigen Fürsten zu folgen, bald verlor er ihn aus dem Gesicht; nach einer Viertelstunde fand er des Landgrafen todtes Roß – von ihm selbst keine Spur.

Die Hörner gaben die Signale zur Heimkehr, das Hallali verhallte, die Jäger fanden sich zusammen, und eilten in einzelnen Haufen dem gastlichen Tenneberq zu, vermeinend, daß Ludwig schon dort sey: als aber ein Haufen nach dem andern ankam und den Landgrafen nicht mitbrachte, als der Herbstabend seine Nebelflöre über Wald und Wiesen breitete, und der Knappe, der ihn zuletzt begleitet hatte, die Nachricht brachte, daß er ihn verloren habe, da wurde es doch ängstlich seinen wenigen Getreuen; noch wurde Harald und Adelgundis [67] vermißt, aber über der Sorge um den Landgrafen vergaß man ihrer. Unterdessen kümmerten sich Hugo und Eppo mit den ihnen Gleichgesinnten wenig um den vermißten Ludwig, sie ließen sich’s wohl seyn beym vollen Humpen, und kosten traulich zusammen und ergossen sich in ziemlich lauten Schmähungen gegen den Landgrafen, während die Jäger sich wieder zerstreuten, um durch die Nebelnacht den Herrn zu suchen. Hunde bellten durch den Wald, Hörner klangen in langen verhallenden Tönen, und durch den Nebel schimmerte das Licht vieler Fackeln; die Jäger fanden sich, und trennten sich wieder, ohne den Landgrafen gefunden zu haben. Bange Ahnungen erfüllten mit Angst und Sorge um ihn die Herzen seiner Getreuen.


Emsig arbeitete noch spät in der Nacht Meister Näbeling, der Hammer- und Eisenschmidt in dem Dorfe Ruhla; seine funkensprühende Esse leuchtete durch die Nacht, seines Hammers Schläge hallten vernehmbar durch die Stille, während die Nachbarhäuser am Ende des Dorfes, in Dunkel eingehüllt standen, und [68] tiefer Schlaf über ihre Bewohner seine Flügel gebreitet hatte.

Da ging die Thür auf, und herein trat im grünen Jagdkleid, im einfachen Federbarret, ein Mann, mit freundlichen Blicken guten Abend bietend. Kann ich, begann er, zu dem nach ihm umschauenden fleißigen Arbeiter, ein Nachtlager bei Euch bekommen, lieber Mann? und zuvor ein Abendbrod? – Warum nicht? entgegnete dieser, den Eingetretenen vom Kopf bis zu den Füßen mit finstern Blicken messend: wenn Ihr mit dem, was ich habe, vorlieb nehmen wollt; wenn Ihr kein Schmecker und Lecker seyd, der gemeine Kost verachtet. – Ohne die Antwort abzuwarten, ging er über einen Schrank, und holte heraus, was seine Küche vermochte, schwarzes Brod, Butter und Käse und ein Stück Speck.

Setzt Euch hieher auf die Bank und eßt, sagte er, indem er wieder nach der Stange des Blasebalgs griff, daß die Kohlen hell erglühten. Der Jäger that, wie ihm geheißen wurde, und ließ sich die frugale Mahlzeit wohlschmecken; [69] nach einer kleinen Weile fragte der Schmidt: Wer seyd Ihr? und wo kommt Ihr her?

Ich bin, war die Antwort, ein Jäger des Landgrafen Ludwig, habe mich beym Nachsetzen eines Stück Wildes verirrt, und mich von meinen Kameraden verloren; da hat der helle Schein Eures Feuers mich in Euer gastliches Haus geführt.

Des barmherzigen Landgrafen Jäger? spöttelte der Schmidt: Wer ihn nennt, soll allemal das Maul wischen. Glaubt nicht, sprach er heftiger zu dem staunenden Jäger, daß ich um Eures barmherzigen Herrn willen, Euch Obdach und Herberge gebe. Doch im Stall ist Stroh und Heu genug, da mögt Ihr schlafen. Ihr mögt vielleicht ein guter Mann seyn, aber um Eures Landgrafen willen solltet Ihr mir nicht über die Schwelle schreiten.

Höher und höher stieg das Erstaunen des Jägers bei dieser Rede, sein Blick senkte sich zu Boden, seine Wangen glühten. Was that Euch der Landgraf? lispelte er kaum hörbar.

[70] Aber der Schmidt würdigte ihn keiner Antwort, ein Stück Eisen stieß er in die Kohlen, daß es in wenig Minuten über und über glühte, holte es dann heraus mit der Zange, ergriff den gewichtigen Hammer, legte das Eisen auf den Ambos, und nun mit kräftiger Hand Schlag auf Schlag darauf führend, sprach er laut vor sich hin: Werde hart, wie das Eisen, du barmherziger Landgraf. Was nützt Dein Leben Deinen armen Unterthanen? Deine Rathgeber streuen dir Sand in die Augen, daß Du der Armen Elend nicht siehest; sie füllen dein Ohr mit Geigen und Flötenspiel und mit dem Lärm der Jagd, daß Du der Armen Klagen nicht hörest; sie schalten und walten frey im Lande, und drücken das Volk in den Staub.

Und wieder stieß er das Eisen in die Kohlen, und zog den Blasbalg; hell loderte die blaue Kohlenflamme in die Höhe, und wieder brachte er es glühend heraus, und fing an zu hämmern und zu reden: Werde hart, wie das Eisen, du barmherziger Landgraf. Wie der Hammer auf das [71] Eisen fällt, so fällt auf Deine Unterthanen, Deiner Vasallen Gewaltthat Schlag auf Schlag. Der arme Jörge, des Brandenburgers Dienstmann, konnte die Abgaben nicht erschwingen, die auf seiner Hütte lasteten; er arbeitete Tag und Nacht, bis er krank wurde; da lag er hülflos auf dem Stroh, vier nackte Kindlein um ihn her, so bleich und krank wie er; mit trüben Blicken schlich sein Weib umher, da kam der Vogt, nahm alles, was er fand, das Häuslein auch; die Armen mußten fort, und in zwei Tagen war der arme Jörge todt. Mit tonloser hohler Stimme hatte das der Schmidt gesprochen; der Jäger saß noch immer lautlos auf der Bank; Thränen des Gefühls für Menschenelend traten ihm in die großen blauen Augen, aber er schwieg. Von neuem zog der Schmidt den Blasebalg, frische Kohlen zulegend, ein anderes Eisen ergreifend, und als er es glühroth auf den Ambos brachte, setzte er unter dem Tackt des Hammers seine Rede fort:

Werde hart, wie das Eisen, du barmherziger Landgraf. Mein Gevatter Rößner war ein braver Mann; er nährte sich mit seiner [72] Hände Arbeit redlich. Einst fuhr er Steine, ich weiß nicht mehr wohin; da begegnete ihm in einer Hohlgasse mit einem leichten Wagen ein Edelmannsknecht, der forderte trutziglich, daß Rößner seinen schweren Karren zurückschieben und ihm ausweichen sollte; er that es nicht; von Worten kam es zu Schlägen, der Knecht entlief, wohl durchgebläuet. Drei Tage darauf hieß es, der Rößner sey in die Welt gegangen, er sitzt aber krumm geschlossen im untersten Gefängniß auf Schloß Brandenfels, und nie werde ich ihn wieder sehen.

Das war hart, sprach der Jäger, indem er rasch von der Ruhebank aufsprang; Ja wohl hart, entgegnete der Schmidt; wäre Euer Landgraf minder weich, so geschähe des Harten manches nicht in diesem Lande. – Und wieder trat er zu seiner Arbeit, und fachte die Kohlen zu lichter Gluth an, und begann zu hämmern und zu schmieden unter diesen Worten:

Werde hart wie das Eisen, du barmherziger Landgraf. Ich ging in den Wald am Inselberge, wo heute der Landgraf Jagd gehalten [73] hat, mir Brennholz zu holen, und als ich so meinen Schiebekarren belastete, da hörte ich von weiten ein klägliches Heulen und Winseln, das mir mit schneidenden Tönen das Herz zerriß, und näher mit Windeseile kamen die Töne und es rauschte in den Büschen, da brach aus ihnen mit rasenden Sätzen ein stattlicher Hirsch hervor, weißer Schaum bedeckte ihn über und über; mit fest an das Geweih gebundenen Händen und mit Ketten geschmiedet an den Hirsch, saß auf ihm ein Mann, der die Klagetöne laut durch die Luft brüllte; sein Kleid war abgerissen, und hing in Fetzen um ihn herum; sein Gesicht war unkenntlich von Blut, das unaufhaltsam aus hundert Wunden strömte; ein Auge hatten ihn die Aeste der Bäume schon ausgerissen; sein Haar flatterte wild um das blutende Haupt, seine Haut war zerschunden, in hellen Bächen rieselte das Blut an ihm herab. Ich stand starr vor Entsetzen, doch schnell gefaßt, schleuderte ich mein scharfes Beil nach den Sechzehnender; ich fehlte ihn, er raßte wild durch das Buchengebüsch mit dem Unglücklichen von dannen; noch lange hörte ich diesen aus weiter Ferne jammern.

[74] Haltet ein, um Gotteswillen! rief der Jäger. Mein Herz blutet bei Eurer entsetzlichen Schilderung. – Doch der Schmidt, als höre er ihn nicht, fuhr fort:

Es war ein armer Bauer aus einem nahen Dorfe, der den Edeln von Heineck heimlich einen Hirsch, der sein kleines Kornfeld verwüstete, erlegt hatte, und nun für diese That also büßen mußte. –

Und von allen dem erfuhr ich kein Wort! fuhr der Jäger heraus, unwillig auf den Boden stampfend, und sein Auge brannte dunkel, wie die verglimmenden Kohlen.

Was hätte es auch geholfen, lachte der Schmidt, so Ihr es erfahren hattet? Ihr würdet den armen Jörge seinen Kindern nicht erhalten, den Rößner nicht erlösen, und den unglücklichen Wildschützen nicht haben befreien können. Euer Mund würde gegen den Landgrafen geschwiegen haben, wie der Mund aller, die um ihn sind, gegen ihn schweigt. Und kommt auch seiner Diener einer, den Rittern [75] Befehl zu bringen von ihrem Fürsten und Herrn, so spotten sie seines Willens und nennen ihn Landgraf Metze, und thun, was ihnen gut dünket. – Wollt Ihr Euch nicht zur Ruhe begeben? unterbrach sich plötzlich in seiner Rede der eifernde Schmidt, kommt mit, ich will Euch einen schicklichen Platz anweisen.

Ich danke Euch, sprach der Jäger, der in Gedanken versunken, dagestanden hatte; der Morgen graut schon, ich will mich nun schon zurecht finden. Gott lohn’ Euch Eure Gastfreundschaft. Lebt wohl. –

Der Jäger schied, der Schmidt betete den Abendsegen und legte sich zur Ruhe. –


Heller und heller wurde es auf des Inselberges höchster Spitze, auf welcher Harald und Adelgundis des Sonnenaufgangs harrten; in einiger Entfernung unter ihnen ließ des Ritters Knappe die Rosse weiden.

Auf diesen Höhen und zu dieser Stunde scherzte das Fräulein: mag wohl noch nie ein [76] Stelldichein gehalten worden seyn. – Die Leichtbekleidete zitterte in der kühlen Morgenluft am ganzen Körper.

Wohl mir denn, sprach Harald und hüllte die Frierende in seinen Sammetmantel, wenn ich der Erste bin, der selig in Liebeslust und Glück der Morgensonne von diesen Höhen entgegen jubelt; mag mich dann, wie rings noch Dunkel herrscht in den Thalern unter uns, meiner Feinde Neid und Rachsucht umlagern; frey hebe ich mein Haupt nach den Strahlen Eurer Milde, und glühen auch Eure Wangen, wie die Wolken in Osten glühn; Zeugin ist mir diese Gluth von Eurer Liebe, so werdet Ihr doch auf mich am Ende die Sonnenblicke Eurer Huld werfen, wie die Sonne zuerst des Berges Gipfel bestrahlen wird.

Ihr schwärmt in Fieberschauern, sprach die erröthende Jungfrau, und wenn Ihr nicht nachlaßt mit Euern Schmeichelreden, so werde ich meinen Schleyer fallen lassen, wie die herbstliche Flur verschleyert liegt in Nebelflören.

Seht wie die Schleyer in die Thäler sinken! [77] rief der Jüngling; ein frischer Wind bließ von Ost und jagte die Nebel in die Niederungen, und ein Berg nach dem andern hob unter ihren Füßen das Haupt empor, und heller und immer heller wurde es rings umher.

Harald, sprach Adelgundis, Ihr wißt, ich bin Euch gewogen, das beweist schon das Vertrauen, mit welchem ich mich von Euch durch die Nacht auf dieses Berges Gipfel geleiten ließ; Ihr wißt aber auch, daß ich nicht von mir abhänge, sondern daß die Frau Landgräfin, meine zweite Mutter, sich durch tausendfache Wohlthaten ein Recht auf mich erworben hat, was ich der geliebten Frau um alles Heil der Welt nicht streitig machen möchte.

Bittet den Landgrafen um meine Hand – dieser mag sich bei seiner Gemahlin für Euch verwenden.

Der junge Tag war angebrochen, im reinsten Hellblau, mit Rosenstreifen hie und da durchwebt, lächelte der unermeßliche Himmelsbogen; da blitzte der aufgehenden Sonne erster [78] Gluthstrahl empor hinter den fernen Bergen, die den weiten Horizont begränzten, und schweigend standen Harald und Adelgundis, in den herrlichen Anblick versunken.

Sey mein! Du herrliche, rief plötzlich Harald, und stürzte zu den Füßen der schönen Jägerin. Sey mein, ich flehe Dich an, bey diesem reinen Himmelslicht, rein wie das Feuer, das in meiner Brust ewig für Dich brennen wird, ich flehe Dich an, bey diesem reinen Blau des Himmels, treu will ich Dich lieben und unwandelbar!

Und als die Tageskönigin höher empor gestiegen war, und die goldne Kugel der Erde scheinbar entfliehen wollte, hinauf in die saphirne Wohnung, da schwankten die Reiherfedern von Adelgundens Helm niederwärts, und sie bog sich mit verschämtem Lächeln zu dem Knieenden, und zog ihn an die wogende Brust und lispelte: Auf ewig Dein!

Auf ewig Dein! jauchzte der Glückliche, und hielt sie fest umschlungen, und sah die herrliche [79] Sonne nicht mehr, noch des Himmels Azurblaue; in Adelgundens Augen war sein Himmelblau, auf ihren Wangen sein Morgenroth.

Schweigend standen die Liebenden, und tranken die erfrischende Morgenluft, und würzten sie mit tausend Küssen; das Fräulein fror nicht mehr.

Jetzt war es auch Tag geworden unter ihren Füßen; in unermeßlichen Weiten schweiften die Blicke; wie Silberfäden schlängelten sich die Flüsse durch die Gefilde; wunderbar stach des Laubwaldes buntes Herbst-Kleid gegen die dunkeln Tannen und Fichtenwaldungen ab. Dort lag die Wartburg, hochragend über die Nachbarburgen, und ihre Fenster blitzten im Strahl der Morgensonne; gleich unter ihr der stattliche Matilstein, dort die Brandenburg, die Kyburg und Burg Heineck; dort der Brandenfels, und dort nach Nordost Schloß Gleichen, Mühlberg und Wachsenburg. Am äußersten Horizont verschwand in das Blau des Himmels der Harz und auf der andern Seite die ferne Rhön, während unter ihnen und in der Nähe des Thüringerwaldes [80] Bergkette sich ausbreitete, aus welcher des Schneekopfs weißer Gipfel hervorragte.

Es ist Tag geworden, Harald, brach endlich Adelgundis das süße Schweigen, wir müssen uns trennen; so lebe denn wohl, mein treuer Ritter, und vergiß nicht diese Stunde.

Wie sollte ich die Stunde meines höchsten Erdenglückes so schnell vergessen! sprach er liebetrunken, und küßte die Purpurwangen, und hielt sie fest an beiden Sammethändchen; sie aber drückte ihm noch einen flüchtigen Kuß auf die Lippen, riß sich los, und hinab zu den Rossen schwebte die Huldgestalt, ergriff den Jägerspieß, und ehe Harald ihr nachkam, saß sie schon bügelfest, und noch ein Lebewohl dem Geliebten zurufend, ritterlich den Spieß zum Scheidegruß senkend, trabte sie auf dem herrlich gebauten schneeweißen Rößlein von dannen. Auch Harald schwang sich zu Roß und schlug mit seinen treuen Knappen einen entgegengesetzten Weg ein.

Er war noch nicht 5 Minuten fortgeritten, [81] da schlugen seine Hunde an, und ganz in der Nähe klang ein Jagdhorn, und Hundgebell und Pferdetrappel kam immer näher. Bald kamen im ruhigen Trappe Ottokar von Münch, und Albert von Hörselgau, Haralds Freunde.

Willkommen! Willkommen! riefen sie, wir suchen den Landgrafen und Euch; hoffentlich wißt Ihr uns anzugeben, wo wir den gnädigen Herrn finden; wir haben gestern bis spät in die Nacht den ganzen Wald nach ihm durchstrichen. –

Wird der Landgraf vermißt? unterbrach sie Harald erschrocken; heiliger Gott, dann laß mich ihn finden! Er setzte dem Pferd die Sporen in die Seiten, und jagte von dannen.

So wartet doch, wir wollen ja mit Euch riefen die Freunde – aber er hörte sie nicht; schon war er hinter den Bäumen ihren Blicken entschwunden.

Wenn der Landgraf, nahm gegen Ottokar Albert das Wort, lauter solche Freunde unter [82] Thüringens Ritterschaft hätte, wie unser Harald und wir, es stände traun besser um ihn.

Und wenn er, setzte Ottokar dazu, mit der Milde des Landesvaters die Strenge und Gerechtigkeit des Richters zu verbinden verstände, dieser Heineck und Brandenfels sollten weniger trotzig und ungescheut das Land bedrücken.

Es wird noch ein schlimmes Ende nehmen mit diesen unbeugsamen Starrköpfen; sie werden die Früchte ihrer Saaten erndten, ehe sie an ihre Reise glauben, prophezeihte Albert von Hörselgau. Wenn nur nicht der fromme Landgraf ein Opfer wird seiner Gutmüthigkeit und ihrer Heimtücke; sein allen trauendes Herz vermag nicht den treuen Freund von dem Heuchler zu unterscheiden, der seine Gunst erschlich, sprach besorglich Ottokar, da klang aus der Tiefe ein lustiges Jagdstück herauf in die frische Bergluft, und ein froher Gesang vieler Männerstimmen begleitete die Waldhornklänge, daß es fernhin hallte, und das Echo der Berge den Jubelruf vielfach zurückgab.

Der Landgraf ist gefunden! riefen beyde [83] Ritter wie aus einen Munde, das verkündet uns der frohe Morgengesang, und sie eilten waldeinwarts dem Ton des Liedes nach und antworteten mit den Hörnern. Bald sahen sie von weitem den fröhlichen Jagdzug sich fortbewegen. Rechts neben dem Landgrafen ritt die hohe Adelgundis, zur linken Harald, ihnen folgten die übrigen Jäger und Jagdgehülfen; in ziemlicher Entfernung folgten noch Eppo und Hugo, im eifrigen Gespräch, und als Ottokar und Albert Key ihnen, freundlich guten Morgen rufend, vorbeyjagten, zeigte ihnen der finstre Blick und der halbverschluckte Dank der Ritter, daß sie von nichts Erfreulichem sprachen.


Im blanken Stahlharnisch, auf dem silbernen Helm die goldne Grafenkrone, saß auf dem Fürstenstuhl im Rittersaal, auf Schloß Wartburg mit ernstem Gesicht Landgraf Ludwig. Rings um des Thüringer Landes Ritterschaft und alle seine Vasallen, erwartungsvoll standen die Ritter und blickten auf den Landgrafen, der sie zusammen berufen hatte, ohne daß sie wußten, zu welchem Zweck. Noch nie [84] hatten sie so finster ihren Herrn gesehn, dessen Gesicht sonst immer den Stempel freundlicher Huld und Milde unverkennbar trug.

Als der letzte der Ritter eingetreten war, gebot ein Wink des Fürsten seinen Dienern die Thüren zu schließen. Und er erhob sich von seinem erhabenen Sitz und winkte, da schwiegen die flüsternden Fragen und der Ritter lautwerdender Vermuthungen; tiefe Stille herrschte im geräumigen Saale.

Edle Ritter und Freunde, treue Lehnsmänner und Vasallen, Unsre Lieben und Getreuen, begann er mit lauter kräftiger Stimme; Wir haben Euch versammlet in das Haus, das Unser glorreicher Herr Vater erbaute, Wir haben Euch berufen in diesen Saal, wo Sie Recht und Gerechtigkeit sprechen im Namen des allerheiligsten Gottes. Unsrer Unterthanen Stimme schreit laut zu Uns um Rache gegen die Bedrückungen, die sich viele von Unsern Rittern und Lehnsmännern gegen sie erlauben, und Wir haben geschworen einen heiligen und theuren Eid auf das Kreuz unsers Herrn und Heilandes, [85] daß Wir hören wollen die Klagen Unsrer armen Unterthanen, daß Wir rächen wollen das Blut der Geringsten unter ihnen, wenn es unschuldig geflossen ist, durch Unsrer unredlichen Vasallen Schuld, damit sie uns nicht verklagen vor dem Richterstuhl des ewigen Gottes.

Die Ritter staunten, so hatten sie den Landgrafen noch nicht sprechen hören, einige von ihnen, die sich getroffen fühlten, erbleichten; des Landgrafen Augen flammten, seine zürnenden Blicke glitten durchbohrend im Saal umher und mancher Blick suchte den Boden; der Landgraf fuhr fort:

Was verdient der Ritter, welcher zuläßt, daß sein Vogt den kranken Mann mit Weib und Kindern, nackt und bloß auf die Straße wirft und ihre geringe Haabe gierig an sich reißt? – Ihr schweigt, Ihr antwortet nicht? Wir erklären ihn für ehrlos, und unwürdig Unser Unterthan zu seyn; und fragen Euch im Namen des Allerhöchsten, ist dieses Unser Urtel[Korrektur: Urteil] gerecht?

Es ist, gerecht, murmelte es halblaut durch [86] die Reihen der überraschten Ritter, von denen mancher mit zitternder Stimme sein eigenes Urtheil sprach.

Der Landgraf winkte und in den Saal wurde, begleitet von einer starken Wache, Ritter Robert von Brandenburg geführt, Staunen ergriff die Ritter umher, Staunen ergriff auch den Ritter, welcher mit großen Augen bald den Landgrafen, bald die versammleten Edlen ansah.

Hier steht der Ritter, über welchen Ihr Unser Urtel gerecht geheißen habt, begann der Landgraf wieder: Robert von Brandenburg, Ihr seyd eine Geisel der armen Leute, deren Glück und Wohlfahrt in Eure Hände gegeben ist. Eure Vögte rauben Unsern Unterthanen, auch wenn sie krank und hülflos die Gaben nicht geben können, die letzte Haabe und werfen sie nackt und blos auf die Straße.

Aber des Zornes dunkle Flamme stieg auf, auf Roberts Gesicht und er sprach männlich, doch bescheiden; Herr Landgraf, hat mein Diener [87] sich das erlaubt, so erlaubt mir, ihn zu züchtigen, ich bin auf Ritterehre nicht schuldig an seinem Vergehn.

Da stand der Landgraf und suchte vergebens nach Worten; der Gedanke, zu übereilt gesprochen zu haben, beschämte ihn, doch schnell faßte er sich wieder, und sprach mit ernster Stimme. Ihr liefert den Vogt gebunden auf Schloß Wartburg, wo Wir seine Strafe selbst über ihn verhängen wollen, und kommt noch einmal eine ähnliche Klage vor Unsre Ohren, so seyd Ihr verlustig Eures Lehngutes, so ruft der Herold durch Unsre Lande Euren Namen aus, und der Henker zerbricht Euer Wappenschild an der Gränzmarke. Ihr seyd entlassen. – Der Ritter ging; der Landgraf winkte wieder, und herein trat mit kleinen funkelnden Augen, mit verbissenem Grimm, der Ritter Huge von Brandenfels, und warf unruhige Blicke in der zahlreichen Versammlung umher:

Herr Hugo von Brandenfels, nahm der Landgraf von neuem das Wort, liegt nicht in [88] Eures Schlosses Gefängnissen ein armer Bauer in Ketten, weil er einen eurer Knechte geschlagen hatte?

Hugo’s Mienen verzogen sich zum höfischen Lächeln, er beugte ein Knie vor Ludwig und sprach:

Gnädigster Fürst und Herr, von Gottes Gnaden Landgraf von Thüringen und Herr zu Hessen, es ist mir nicht bekannt, daß ein solcher Mann bei mir gefangen liege.

Sendet augenblicklich herrschte der Landgraf zürnend seinen Burgvogt zu, auf des Ritters Burg und laßt die geheimsten Gewölbe durchsuchen, findet ihr einen Mann, Namens Rößner, so bezahlt ihm Ritter von Brandenfels zwölf Goldgulden, und meidet von Stund an Unser Angesicht, Unser Schloß und Land. Sehr schlecht verbarg der Bedrohte sein Erschrecken. Es könnte vielleicht, hub er an, der Fall seyn, daß mein Burgvogt ohne mein Wissen und Erlaubniß –

Ha! unterbrach ihn der Landgraf, kommt [89] schon die Fürbitte? Ihr tragt die Schuld Eures Burgvogts, der ohne Euren Willen nichts unternehmen kann, ist er nicht schon im Voraus der Einwilligung seines Herrn gewiß! Wir kennen Euch, Wir kennen sie alle, die unruhigen aufrührerischen Köpfe; Wir werden sie zu finden wissen und in Schranken zu halten. Und mit erhöhter Stimme fuhr er fort, als ein Wink von ihm durch seinen Diener den Ritter Eppo in den Saal gerufen hatte: Um ein entsetzliches schreckliches Beispiel zu geben dem ruchlosen Wilddieb, ersannen die Väter die grausamste Strafe des Anschmiedens auf lebendige Hirsche, die entsetzlichste Quaal für das schuldlose Thier, die schrecklichste Todesmarter für den Unglücklichen, mit welchem es die Wälder rasend und rastlos durcheilt, bis es entkräftet mit Ihm zur Erde sinkt, wo auch denn noch der Elende, wenn er nicht früher seine Seele aushauchte, sich nicht losmachen kann von den Eisenbanden, und verblutend am Boden liegen bleiben muß.

Weiß, wie die getünchte Wand, war Eppo’s Gesicht bey dieser Einleitung geworden, sein [90] Herz klopfte, vergebens suchte er sich zu ermannen, er konnte das Zittern seiner Glieder nicht hindern. Der Landgraf fuhr fort:

Ist es ritterlich, ist es christlich, ist es menschlich, um eines getödteten Hirsches willen den armen Bauer, der sein Feld schützt, die grausamste Todesstrafe zuzufügen? Habt ihr mich verstanden, Ritter von Heineck? Der Gefragte verstummte, ein Murmeln des Unwillens flog durch die Reihen der versammelten Ritter, die Meisten wußten, daß Eppo’s Grausamkeit und Härte keine Gränzen kannte.

Seyd Ihr darum Unser Lehnsmann, zürnte ihm der Landgraf von neuem zu, daß Ihr Eure Gewalt so schändlich mißbrauchen sollt?

Wer verklagt mich? stotterte er endlich heraus, eine Miene des Zorns annehmend und sich in die Brust werfend, welches ihm schlecht genug gelang.

Wir verklagen Euch vor dieser Edlen Versammlung, [91] Wir erklären Euch unwürdig der Ehre Unser Vasall zu seyn.

Eine gewaltige Ehre eines Milchbarts Vasall zu seyn, murmelte er vor sich hin, und ein Zug spöttischen Lächelns überflog das finstre Gesicht.

Was sagt Ihr? rief entrüstet der Landgraf, der es bemerkt hatte. Wenn mein Kläger auch mein Richter und als Landesherr der mächtige Vollstrecker seines Urtels ist, so kann ich mir mein Urtel schon im voraus denken, das habe ich gesagt, gestrenger Herr Landgraf. Richtet mich nach Eurem Gutdünken, sprach er mit zurückkehrendem Stolze, schließt mich aus von der überschwenglichen Ehre, Euer Vasall zu seyn, nehmt mir meine Güter. Auch Euch wird einst der Rächer zu finden wissen, setzte er drohend hinzu.

In den Kerker mit dem Rebellen! donnerte der Landgraf, und die Knechte traten herzu und griffen und banden ihn. Gräßliche Drohungen [92] und Flüche ausstoßend wurde er abgeführt.

So strafen Wir die Bedrücker Unsrer Unterthalen, und die, welche es wagen sich aufzulehnen gegen Uns und Unsre Herrschaft, sprach der Landgraf und schloß vor heute die Versammlung.


Der Bauer in Hugo’s Burgverließ war gefunden worden, an diesen die angedrohte Strafe vollzogen, Ritter Eppo ließ seine Wuth an den Eisenschellen aus, die ihm seiner Unbändigkeit halber angelegt worden waren, und der Landgraf war auf die Neuenburg bey Naumburg gezogen, wohin ihn die süßesste Vaterfreude rief, denn Jutta, sein treues und kluges Eheweib, eine Bruders-Tochter Kaiser Konrads des Dritten, hatte ihm einen Sohn geboren. Alle seine Freunde in dortiger Gegend mußten Theil nehmen an den Festen, die des Kindes Taufe begleiteten, und acht Tage tönte unaufhörlicher Jubel auf der Neuenburg; Tournier und Ringelrennen, festliche Jagden, Tanz und frohe Gelage wechselten ohne Aufhören.

[93] Werde wie dein Vater, sprach Pater Wilhelm, Ludwigs Burgkaplan, als er den kleinen Ludwig, seines Vaters Ebenbild, auf den Armen schaukelte, fromm und milde, gerecht und strenge, nie verschließe dein Ohr den Klagen der Armen; wenn Du Thränen des Elends trocknest, dann werden der[D 6] Dankbarkeit und Liebe Freudenzähren zu schönen Perlen in Deiner Fürstenkrone werden.

Die Festlichkeiten waren zu Ende, es war wieder stiller geworden in der Neuenburg, und Ludwig saß eines Tages bei der Landgräfin, welche den schlummernden Säugling an der Brust hatte, im traulichen Gespräch, ihr treulich[D 7] erzählend, was vorgefallen und ihm begegnet war, so lange er von ihr getrennt geblieben; während sie ihm mit der Erzählung der kleinen Begebenheiten und Vorfälle, die sich auf der Neuenburg unterdeß zugetragen hatten, angenehm unterhielt.

Eine Bitte, sprach Ludwig, indem er die schöne Frau umschlang und zärtlich küßte, hätte [94] ich an meiner guten Gemahlin Herz zu legen, die ich sehr gern erfüllt hätte;

Und die ich, so es in meinen Kräften steht, meinem Herrn und Gemahl, mit Freuden erfüllen werde, entgegnete sie, mit freundlichem Lächeln.

Es war gerade, denn ich muß mit meiner Erzählung beginnen, fing der Landgraf an, am letzten des Erndtemonds, daß mir gemeldet wurde, wie sich ein Eber von ungeheurer Größe in der Gegend meines Schlosses Wartburg sehen lasse; meine Jagdlust war entflammt, schnell wurden Jäger, Knappen und Bauern aufgeboten, und schon am Nachmittag desselben Tages zog ich an ihrer Spitze dem Walde, wo er sich aufhalten sollte, zu. Der Wald war umstellt, die Hunde spürten, nichts ließ sich sehen. Mit einemmale tönen an der entferntesten Ecke die Hörner, Peitschen knallen, Hunde bellen, bald darauf ein lautes Geschrey, dann ward es wieder stiller. Ich sandte schnell einen Boten nach der Gegend, aber es kam ihm schon ein andrer entgegen, der des Schreckens Spuren [95] noch im bleichen Gesichte tragend, athemlos berichtete, wie der Eber, so groß fast wie ein feister Ochse, hervorgebrochen sey, 6 Hunde zerfleischt, 2 Männer auf den Tod verwundet habe, und begrüßt von Pfeilen, Bolzen und Spießen sich umgewand und wieder in das Dickicht hineingerennt sey. Wir hielten auf einem etwas freyen Platz, der Bote hatte seine Erzählung noch nicht ganz vollendet, so rauschte und schnaubte es in den Büschen, und ehe wir es uns versahen, stürzt das Unthier wie rasend heraus und auf uns zu.

Die Hunde, die ihm entgegen kamen, flogen rechts und links bey Seite, als der Eber näher kam, flohen mit furchtsamer Hast Bauern und Knechte von dannen. Mein Roß zitterte und ging rückwärts. Ich spornte es und hielt dem wüthenden Thier den Jagdspieß entgegen, und wie ich diesen ihm zu dem schweißtriefenden Rachen hineinstoßen will, bäumt sich das Roß hoch in die Höh, und mein Stoß ging fehl, da schlitzten auch schon die scharfen Hauer des Pferdes Unterleib, und es stürzt mit mir zu Boden, mein Spieß zerbrach, [96] und mit funkelnden Augen wandte sich der Eber –

Heiliger Gott! halt ein, rief den Gemahl unterbrechend die Landgräfin, die mit steigender Angst ihn zugehört halte, und sprang von ihrem Sitz, und umschlang ihn mit beyden Armen, als wollte sie ihn schützen gegen des Thieres mordende Wehr.

Sanft lächelte Ludwig über diesen unzweideutigen Beweis treuer Liebe; strich ihr beruhigend über die blühende Wange, und fuhr in seiner Erzählung fort: Wandte sich der Eber zum neuen Stoße gegen mich, den der Fall eine Strecke fortgeschleudert hatte; da sprang ein rettender Engel, der einzige meiner Knappen, der nicht mit entlaufen war, Harald von Eichen herzu, und mit kräftigem Stoß trieb er den Spieß tief in des Ebers Schlund, bohrte schnell den Hirschfänger in seine Eingeweide, und als ich mich vom Falle wohl gestaucht, mühsam erhob, hatte er ihn schon abgefangen. Jetzt kamen auch die übrigen [97] Ritter, Jäger und Knechte herbey, gerufen durch das Angstgeschrey meiner fliehenden Diener, sie kamen zu spät. Der Eber röchelte und schnaubte nur noch in Todteszuckungen, streckte weit von sich die riesenmäßigen Glieder, zog sie wieder krampfhaft zusammen, streckte sie wieder von sich und hatte es überstanden.

Die Landgräfin holt tief Othem, ein leise „Gottlob“! entschlüpfte mit einem Freudenblick gen Himmel, ihren Lippen; Ludwig erzählte weiter: Jetzt betrachtete ich meinen Retter genauer, ein Vorbild von Jünglingsschönheit, schlank wie die Tanne, kräftig wie die Eiche, stand er vor mir[D 8], und senkte die schwarzen Augen erröthend zu Boden, als aller Anwesenden lauter Beifall über diese That ihm zu Theil wurde. Ich wunderte mich, daß dieser Jüngling mir noch nicht aufgefallen war, dankte ihm laut und ungeheuchelt für meines Lebens Rettung und ließ ihn auf dem Heimweg neben mir reiten. Hier erzählte er mir auf mein Befragen, wie er ein Waise sey, wie seine Aeltern verarmt und außer den unbescholtenen Namen ihn nicht zurückgelassen hatten, und er sich in meine Dienste [98] begeben hatte. Wie er dem Burgvogt, der ihn in meinen Namen angenommen habe, schwören müssen, mir treu zu dienen, bey mir auszuhalten in Freud und Leid, für mich zu wagen Blut und Leben, und dafür empfangen sollte tägliche Kost, Kleidung, und am Schlusse des Jahres, wenn keine Klage über ihn einliefe, Goldgülden; wie seine Seele hocherfreut sey, mir einen geringen Dienst, wie er meines Lebens Rettung nannte, erwiesen zu haben, und dergleichen Reden mehr. Die Dankbarkeit nicht allein, sondern eine plötzliche Zuneigung, die ihn mir unentbehrlich zu machen schien, gebot mir ihn nach Kräften zu belohnen.

Ich schlug ihn auf Schloß Wartburg zum Ritter, fügte seinem Wappen den schwarzen Kopf eines Ebers im grünen Felde bey, und verhieß ihn zu halten, wie meinen Bruder, wie ich ihn denn wirklich brüderlich liebe, wenn er bey mir bleiben wollte.

Warum habt Ihr ihn nicht mitgebracht, daß auch ich ihm für Eures theuren Lebens Rettung danken konnte? fragte theilnehmend Frau Jutta.

[99] Der Burgvogt auf Wartburg wird alt; ich ließ ihn dort als Wächter, denn ich habe über Einige von Adel ein etwas strenges Gericht ergehen lassen, was manchen wurmen wird, daher ich auf einen etwaigen Aufstand gefaßt seyn muß. Und so weit meine Erzählung, endete Ludwig.

Nun und eure Bitte an mich, mein lieber Herr Gemahl? fragte die Landgräfin wieder, und sah den geliebten Bittsteller mit forschenden Augen an.

Da thäte es fast Noth, ich fing eine neue Erzählung an, und die Länge der Vorigen wird Euch schon sattsam gelangweilt haben, scherzte der Landgraf.

Erzählt, erzählt ohne Einleitung, bat die aufmerksame Zuhörerin, und stillte den munter gewordenen künftigen Stammhalter des Landgräflichen Hauses.

Ihr erlaubtet Eurem jagdlustigen Pflegekind, dem Fräulein Adelgundis von Eschilbach, [100] mich auf die Wartburg in Gesellschaft einiger Dienerinnen zu begleiten; wenn es aber von dort aus auf die Jagd ging, dann blieb die weibliche Dienerschaft zu Hause, und nie war sie heitrer, als wenn sie an meiner Seite unter dem Schall der Jagdhörner und dem lauten fröhlichen Getöße hinausritt in die frische Morgenluft; oft mischte sie ihre reine Silberstimme in die Jagdlieder, mit welcher Ritter und Jäger den Morgen begrüßten.

Hörtet ihr schon Ritter Eppo von Heinecks Namen nennen?

Ich entsinne mich dessen nicht, antwortete die Gefragte.

Es ist auch einer von denen, die ich leider strafen mußte, seufzte leise der Landgraf, und fuhr dann lauter fort: dieser machte sich die ersten Tage viel um das Fräulein zu schaffen, trug ihre Farbe, huldigte ihr ritterlich, und ließ sich einfallen, sie allen Ernstes zu minnen. Sie nahm aber kein Bemerkens von ihm und begegnete ihm kalt und höhnisch. Ein and’rer [101] Ritter, der an meiner Seite ritt, trug auch ihre Farbe und blickte oft schüchtern nach der Dame seines Herzens, und Fräulein Adelgundis nahm es nicht für ungut.

Der Ritter war mein Harald. Hatte ihn meine Gunst und Freundschaft schon den Neid und Haß mancher andern zugezogen, so hatte nun Eppo doppelt Gelegenheit, ihn zu hassen. Was mir in jener Nacht, ohne daß er mich kannte, der Schmidt entdeckte, das habe ich Euch schon erzählt; Ritter Eppo war der Grausame, der mit der Strafe des Wilddiebstahls einen unglücklichen Bauer heimsuchte.

Er sitzt im Kerker auf der Wartburg; mit seinen Gütern will ich den Harald belohnen. Dieser hat mir seine reine Liebe zu Fräulein Adelgundis gestanden; das Fräulein, als ich sie scherzend um das Geheimniß ihrer Minne fragte, ist mir mit Lachen und Leugnen ausgewichen, obschon ich die bejahende Antwort in ihren leuchtenden Augen laß; so bitte ich Euch denn, mein trautes Ehegemahl, wollet nicht meinem Freunde und mir Eure Einwilligung zu seiner Verbindung mit der von Eschilbach versagen.

[102] Wenn der junge Ritter Eurer Beschreibung und der Vorstellung, die man sich nach dieser von ihm machen muß, entspricht, und Adelgundis wirklich geneigt ist, sich mit ihm zu verbinden, so segne der Himmel ihren Bund, wie ich ihn segnen werde; das Fräulein ist ja auch eine Waise, und ich habe ihrer sterbenden Mutter versprochen, Mutterstelle an ihr zu vertreten; doch darum muß ich erst den Ritter sehen, muß ihn prüfen, ob er Adelgundis verdient, so wie ich auch mit ihr erst Rücksprache nehmen muß.

Es sey, wie Ihr begehrt, mein holdes Gemahl, sprach der Landgraf, sie freudig küssend; da rief ein Diener den Herrn aus ihren Armen.

Frau Jutta aber schellte, und als die aufwartende Dienerin eintrat, und nach ihren Befehlen fragte, sprach sie: Fräulein Adelgundis von Eschilbach.

Die Landgräfin hatte mit dem Fräulein die auf ihren Wink erschienen war, nur noch wenige Worte gesprochen, da begann es laut [103] zu werden in der Burg; sie hörten Knechte durcheinander laufen, und dazwischen des Landgrafen Stimme. Eben mahlte die jungfräuliche, Schaam Adelgundens Wangen mit dem schönsten Purpur, sie blickte schweigend zu Boden, die Landgräfin hatte sie bei den Händen gefaßt, und sah sie forschend an. Da trat schnell mit verstörtem Gesicht der Landgraf ein, und störte die Gruppe; beide, blickten erschrocken nach ihn um.

So muß ich denn das Schwerdt ziehen, gegen meine Vasallen; Gott weiß, wie ungern ich es thue, begann er. Ein Eilbote Haralds berichtet mir, daß die Ritter von Brandenfels, Kyburg, Brandenburg und andere sich gegen mich verbunden und ihre Unterthanen aufgewiegelt hätten, um entweder mit ihrem Heer gegen mich zu Felde rücken, oder die Wartburg stürmen, und Eppo von Heineck befreien, oder beydes zugleich thun würden. Und Harald hat kaum 150 streitbare Männer in der Veste; er muß unterliegen, wenn ihm nicht schleunige Hülfe kömmt.

Adelgundens Wangen wurden bleich, die [104] Rosengluth, welche Schaam und Liebe über sie gegossen hatten, wich dem Lilienschnee der Angst um den Geliebten; sie vermochte kein Wort zu sprechen, sondern heftete nur starr die großen Augen auf den Landgrafen. Die Landgräfin blickte nach ihr, flüsterte schnell dem Gemahl ins Ohr; Seht Adelgundis, dieß ist mehr als Geständniß, und eilte schnell auf sie zu, damit sie nicht umsinke.

Jetzt trat ein Diener in das Gemach, und meldete, daß die Rosse bereit stünden, und Boten nach allen Seiten geschickt waren, zusammenzurufen alle Freunde und Lehnsmänner Ludwigs in dortiger Gegend.

So lebt denn wohl, mein liebes treues Weib, sprach Ludwig, breitet die Arme aus sie zu umfangen. Betet für mich um Heil und Sieg. Frau Jutta schwieg, der Schmerz ließ ihr keine Worte finden, sie gab sich stillweinend des Gatten Umarmung hin. Aber Adelgundis bekam plötzlich Leben und Sprache wieder. Geht iht schon heute, Herr Landgraf? fragte [105] sie mit einem Blick, der ihren Entschluß deutlich aussprach.

Jetzt gleich in zwei Augenblicken, war die Antwort.

Ich ziehe mit Euch, was soll ich daheim, gebt mir Euern leichten Panzer, und den Flammberg[D 9], den Ihr als Knabe getragen, ich will an Eurer Seite streiten.

Nicht also, mein Fräulein, entgegnete Ludwig, wenn Ihr mir weit voran sprengtet auf der Jagd, wenn Euer Spieß den Sechzehnender fällte, wenn Ihr alles Ungemach dieses Vergnügens mit männlicher Beharrlichkeit ertrugt, da habe ich Euch wohl mit Vergnügen zugeschaut. Aber nicht für zarte Jungfrauen ist das Getümmel der Ritterschlacht. Bleibt hier bey meinem Weib, pflegt mit ihr meinen Erstgebornen, und Ihr verbindet Euch mir dankbarer, als wenn Ihr Euer Leben muthwillig den Gefahren des Kriegs bloß gebt. Ich verspreche auch auf Ritterehre und Fürstenwort den Geliebten Eures Herzens, um dessentwillen Ihr doch nur [106] mitziehen wolltet, zu stützen nach meinen Kräften, und wie mich selbst. Glück und Heil Euren Waffen, haltet Euer Fürstenwort, rief sie, ihrer Gefühle nicht mehr mächtig und stürzte aus dem Gemach. Noch einmal küßte Ludwig segnend sein holdes Knäblein und sein treues Weib und ging.

Eine Viertelstunde darauf hob sich hinter den letzten seiner Mannen die Zugbrücke rasselnd in die Höhe.

Ludwigs Bruder, Ludwig der Jüngere, war von seiner Residenz Thomasbrück zu ihm gestoßen, bey Jena hatte sich mit seinen Häuflein der Herr von Gleißberg an ihn geschlossen, und er rückte nun rasch vorwärts.

Gegen Abend kam dem Heerzug wieder ein Eilbote mit verhängtem Zügel entgegen gesprengt, welcher dem Landgrafen Haralds Gruß entbot und ihm meldete, daß der rebellische Haufen gegen ihn rücke, um seine Hülfe der Wartburg abzuschneiden. Ludwig ließ seine Schaaren Halt machen, schlug ein Lager auf, stellte [107] als es Nacht geworden war, rings um Wachen, und begab sich mit schwerem Herzen in sein Zelt, wo er in stiller Einsamkeit Gott um Schutz anflehte und um seine allmächtige Hülfe, daß er des Blutes seiner ungetreuen Unterthanen nicht zu viel vergießen müsse.

Die Kerzen waren tief herabgebrannt, Ludwig saß noch immer, den Kopf in die Hand gesenkt, auf dem Feldbette, und der wohlthätige Schlaf schien ihn zu fliehen.

Draußen rauschte der Herbstwind in den entlaubten Zweigen der Bäume, und führte das dürre Laub in die Gräben, und aus dem nahen Wald scholl von Zeit zu Zeit das dumpfe Gebrüll der Hirsche durch den pfeifenden Wind herüber. Tief in den Mantel eingehüllt, stand der wachhabende Lanzenknecht vor des Landgrafen Zelt; der Octoberwind durchrieselte fröstelnd seine Gebeine, und schloß die Augen des Ermüdeten. Auch auf Ludwigs Augenlieder senkte sich jetzt der Schlummer, aber nicht erquickend und wohlthätig, sondern unruhig und erschreckend. Verworrene Traumbilder tanzten [108] in ewigem Wechsel vor seiner Seele; bald lag er gefangen im tiefen Burgverließ, bald kämpfte er in wilder Schlacht, und wie er auch mit Riesenkräften einhieb auf seine Gegner; seine Streiche fruchteten nichts, sein Mühen war vergebens. Eben hatte ihn im Traum ein Schwerdstreich Eppo’s hart getroffen; erschrocken erwachte er und sprang unwillkührlich in die Höhe; da stand in lange Flöre gehüllt eine schwarze Gestalt, in der Hand einen blinkenden Dolch, vor ihm. Ludwig, noch halb im Traum, packte mit beyden Händen den Verhüllten, da fuhr das blanke Eisen blitzschnell nach seiner Brust, prallte aber ab an dem Eisenpanzer, den Ludwig beständig heimlich unter seinen Kleidern trug; jetzt des Verräthers Absicht durchschauend, der einen Augenblick verwirrt und unschlüssig nach verfehltem Streiche da stand, warf er ihn zu Boden, und rief laut nach seinen Dienern. Durch den Lärm ermuntert, stürzte der Lanzenknecht in das Zelt; ihm folgten mehrere, und vergebens bot der Meuchelmörder alle Kräfte auf, sich durchzuschlagen; schon lag er mit zusammengeschnürten Beinen da, und man wollte ihm die Hände auf den Rücken binden, da machte [109] er eine rasche Bewegung mit dem rechten Arm, ergriff den Dolch, der ihm entfallen war, wehrte damit die ihn haltenden ab, und drückte sich denselben tief in die Brust. Das ganze Lager kam in Bewegung; alle drängten sich um den Todten, aber keiner kannte das wildfremde[D 10] Gesicht – keiner der Krieger erinnerte sich, diesen Mann je gesehen zu haben. Schnell wurde ein Galgen errichtet, und zwei Stunden nach dem Mordversuch, als der Hahn die dritte Nachtwache verkündete, baumelte der Leichnam zwischen Himmel und Erde.

Von der Zeit an hieß der Landgraf Ludwig der Eiserne im ganzen Land, darum, daß er stets der Sicherheit halber einen eisernen Panzer trug.

Als der Morgen graute, brachten ausgesandte Späher die Nachricht, der Feind sey im Anzuge; da stellte Ludwig sein kleines Heer in Schlachtordnung, legte ein Fähnlein Reiter in den Hinterhalt, und erwartete die Rebellen. Ein unordentlicher roher Haufe, Bauern und liederliches Gesindel, deren zerlumpter Anzug [110] gegen ihrer staatsmäßig aufgeputzten Anführer Prachtkleider gar mächtig abstach, ward nur mühsam von den zusammengerafften Söldnern in Zaum gehalten, und als nun die Sonne ihre ersten Strahlen auf Ludwigs Panzer warf und der silberne Löwe im blauen Feld mit den vier rothen Querbalken seine Pratzen gegen sie auszustrecken schien, und die Waffen und Harnische der wohlgeordneten Schaar des Landgrafen im Morgenschein recht helle glänzten, da entsank den meisten der Muth, und sie bereuten bitter ihr thörigtes Unternehmen.

Jetzt gab der Fürst das Zeichen zum Angriffe. Ludwig und Recht! schrien seine Schaaren und rückten gegen die Feinde. Drauf und dran! riefen Hugo von Brandenfels und der Brandenburger, und mit wilden Geschrey stürzten sich ihre Haufen jenen entgegen.

Der Kampf war heiß und kurz; keine Stunde stritt man, da floh von den noch lebenden Bauern, was fliehen konnte. Wüthend kämpften noch die aufrührerischen Ritter mit ihren Söldnern, deren Zahl den landgräflichen [111] Streitern überlegen war. Da tönte von der Höhe von Weimar her Trompetenklang; eine grüne Fahne mit einem schwarzen Eberkopf in der Mitte, flatterte hoch in der Luft, und 200 Reiter, an ihrer Spitze Harald von Eichen, sprengten auf das Schlachtfeld zu. Und wieder schmetterten Trommeten vom Walde her, und heraus brach Ludwigs kampflustige Reiterschaar; umringt wurde der Rebellenhaufen, und was sich widersetzte, niedergehauen; da warfen die Knechte die Waffen weg, und riefen laut um Gnade. Die Ritter wurden mit Gewalt von den Rossen herabgerissen und mit Stricken gebunden; ihre Flüche verhallten unter dem lauten Jubel und Siegsgeschrey der freudigen Schaaren. Ludwig und Harald hielten neben einander, der Erstere überschaute das Schlachtfeld, und die Siegesfreude trübte ihm der Gedanke, daß so vieles Blut um nichts durch jener Ritter bösliches Anstiften hier geflossen sey, und sein Grimm entbrannte heftig gegen sie. Harald aber warf sehnsüchtig Blicke nach der Gegend der Neuenburg, wo seines Herzens süße Freude wohnte; sieh da schimmerte von weiten etwas Blendendes, und bald [112] erkannte des Jünglings Falkenblick Adelgundens weißes Rößlein, und den schimmernden Silberhelm und sie selbst, wie sie vom flüchtigen Roß getragen, flügelschnell des Wegs daher eilte. Weit, weit hinter ihr kamen zwei Diener nachgejagt. Da hielt sich der Freudige nicht länger; er gab seinem Roß die Sporen, und eilt ihr entgegen.

Harald! Adelgundis! tönte es herüber und hinüber, und zu gleicher Zeit waren sie herab von den keuchenden Rennern, und hielten einander fest umschlungen.

Jetzt führte man die gefangenen Ritter gebunden vor den Landgrafen, der ihnen der Zornworte flutenden Strom entgegendonnerte.

Nichtswürdige Rebellen, so schloß er, wollte ich Euch richten nach dem Recht und Eurem Verdienst, so würdet Ihr den von Euch gedungenen Meuchelmörder, den Ihr dort hängen seht, Gesellschaft leisten, und des Nachrichters Hand würde Euch auf dem Rad eine Ehrenstelle anweisen. Aber man könnte sagen, Ludwig [113] mordet seine Unterthanen. Ich könnte Euch sämmtlich Eurer Güter berauben, Eure Schlösser zerstören, aber ich würde weder Nutzen noch Lob davon haben, und strafe ich Euch nicht, so werdet Ihr mich so gering achten, wie zuvor, und nach Eurem Gutdünken handeln, wie zuvor. Eure Strafe erwartet Euch, eine Strafe, die Ihr unter allen am wenigsten erwarten werdet. – Der Landgraf befahl den Rückzug, und Harald und Adelgundis ritten ihm zunächst, ihnen folgten die Reiterschaaren, dann kamen die Gefangenen wohl bewacht, und den Beschluß machte das Fußvolk.

Jetzt kam der Zug auf ein großes Brachfeld; plötzlich gebot Ludwigs Ruf, halt! Er winkte etliche Hauptleute zu sich heran, und ertheilte heimliche Befehle; darauf sprang er vom Pferde, während das ganze Heer sich rund herum aufstellte. Auf dem Acker stand ein Pflug, da traten die Diener herzu, und stellten ihn auf, und im bloßen Hemde, mit auf den Rücken gebundenen Händen, führten sie die Gefangenen herbey; sie schäumten vor Wuth, als ihnen die Absicht des Landgrafen klar wurde.

[114] Vergebens war ihr Widerstreben; Ludwig ließ die vier ersten in den Pflug spannen, hielt in einer Hand die Stange, in der andern eine lange Peitsche, hüben und drüben gingen bewaffnete Lanzenknechte. Nun gings rasch vorwärts unter dem lauten Gelächter des ganzen Heeres; dazu bließen die Trompeter lustig drein, während die widerspenstigen Zugpferde vor Schaam in die Erde, die sie pflügten, hätten sinken mögen. Als er eine lange Furche gepflügt hatte, spannte er vier andre ein, und pflügte so ein ganzes Stück Acker mit ihnen, und wenn ihrer einem der gekränkte Stolz überwältigte, und er ungeduldig zerrte und riß, und die Stricke zu zerreißen strebte, da traf ihn des erbitterten Fürsten Geiselhieb, daß mancher sich bog und über die Schollen stolperte. Als er fertig war, ließ er den Acker mit hohen Steinen bezeichnen, und machte ihn zu einer Freystatt für Verbrecher, daß jeder, der einen hieher Geflüchteten, er sei wer er wolle, fangen und kränken würde, des Halses verlustig seyn sollte. Und der Acker ist bei Naumburg noch zu sehen, und heißt der Edelacker bis auf diesen Tag.

Die gedemüthigten Ritter leisteten auf der [115] Neuenburg den neuen Lehnseid; schreckliche Drohungen des Landgrafen begleiteten sie, als sie wieder ihres Wegs nach Thüringen zogen, wenn sie es wieder wagten, etwas gegen das Leben ihres Herrn als auch gegen seine Freunde und Unterthanen zu unternehmen. Sie schieden mit einstimmigem Rufe: Es lebe Landgraf Ludwig der Zweite und sein erlauchtes Haus! hoch! Manchem mochte es wohl nicht recht Ernst seyn, mit dem Rufe.

Vor der Landgräfin knieeten gegen Abend Harald und Adelgundis; er im stattlichen Ritterkleid, im silbergestickten Koller, darüber eine grüne Scherpe und den blauseidenen Matnel[Korrektur: Mantel], sie im einfachen Brautschmuck, im reichen Lockenhaar die zierliche Myrthenkrone.

Ritter Harald, sprach die schöne Frau mit unendlicher Anmuth, ich bin Euch noch den Dank schuldig für meines Gemahls Rettung; möge Euch dieß an ihn und mich erinnern, und von ihrem Halse nahm sie eine schwere goldne Kette, an welcher in einer mit Brillanten besetzten Einfassung Ludwigs Bild hing, und schlang [116] sie ihm um den Nacken, und als sich dabei das Bild herumdrehte, gewahrte der Glückliche auf der andern Seite Adelgundis im Jägerschmuck, wie sie neben ihm gestanden hatte auf des Inselberges höchster Spitze. Im Uebermaaß der Freude drückte er erst der Landgräfin Hand, dann das liebliche Bild an die Lippen.

Werdet so glücklich, wie Ihr es verdient, sprach sie dann leiser, die Gnade Gottes sey mit Euch immerdar. – Und der Landgraf stand am Fenster, und drückte in hoher Vaterfreude sein Knäblein an die Brust, und der untergehenden Sonne letzte Strahlen fielen durch die hohen Bogenfenster in das Gemach und übergossen es mit magischem Schimmer. Das Brautpaar erhob sich, und wie die Liebenden sich in die Arme sanken, einander ewige Treue gelobend, da reichte in seliger Erinnerung schwelgend, das Fürstenpaar sich lächelnd die Hände, und herein trat des Burgkaplans Meßner, und meldete, daß der Priester ihrer harre am Altar des Herrn.

Anmerkungen (D)

  1. Druckfehlerberichtung Seite 166: die st. der.
  2. Druckfehlerberichtung Seite 166: mildlächelnde statt wildlächelnde.
  3. Druckfehlerberichtung Seite 166: wilde st. milde.
  4. Druckfehlerberichtung Seite 166: Festreigen st. Festreichen.
  5. Druckfehlerberichtung Seite 166: weibischen st. weiblichen.
  6. Druckfehlerberichtung Seite 166: der st. die.
  7. Druckfehlerberichtung Seite 166: treulich st. traulich.
  8. Druckfehlerberichtung Seite 166: stand er vor mir st. stand vor mir.
  9. Druckfehlerberichtung Seite 166: Flammberg st. Flemmberg.
  10. Druckfehlerberichtung Seite 166: wildfremde st. mildfremde.