Hartford in Connecticut
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Der Freiheit Maßstab ist allein – der Geist,
Der Geist, wie er vollbracht sein ächtes Sollen.
Das freie Germanien hat Rom bezwungen und die Welt des Alterthums erlöst; die Herrschaft über die neue Welt ist den freien Germanen Amerika’s verheißen. Freiheitsliebe ist die Mitgift des deutschen Lebens, und Der darf nicht sagen, daß er den landgebornen Gotte Teut entstamme, dem die Knechtschaft erträglich ist. Mit dem Namen „Mann“ war in den alten Zeiten der Begriff des Freien unzertrennlich verbunden – Mann hieß der Sohn des Teut, Wehr-Mannen (Germanen), das Volk der freien Männer.
In ihrem Sinn für Freiheit und in ihrem Gefühl der Kraft war der Germanen Wandertrieb begründet. Sie zogen fort in andere Länder und Welttheile, kolonisirend, erobernd, Reiche umstürzend, Staaten gründend und aufbauend, und ihr Blut erfrischte die Säfte fremder, alterschwacher, kraftloser Völker zu neuer Thätigkeit. So thaten die Sachsen in Britannien, so die Franken in Gallien, die Gothen und Sueven in Spanien, die Vandalen in Afrika, andere Stämme in Italien, in Pannonien, in Thracien. Manche verloren auf diesen Zügen ihre Namen; aber der deutsche Geist offenbart sich dem Forscher überall, wo deutsches Blut sich mit dem Blute anderer Völker gemischt hat. We dies Statt fand, da ist auch Streben nach Freiheit des Gedankens, des Glaubens, der Wissenschaft, in Kunst und in Staat; es ist ein unverwüstliches, unaustilgbares; es verräth sich unter tausend Fesseln; es ist unsterblich.
Dieser gewaltige Geist der Unabhängigkeit, Selbstständigkeit und Sonderung in die Mutter unserer Geschichte, unserer Heldenthaten, unseres wissenschaftlichen Ruhms; freilich auch unserer Uneinigkeit und unserer Zersplitterung in so viel Stämme und Zweige und der politischen Schwäche, die damit verknüpft sind. Dabei bleibt sie jedoch stets die Quelle unberechenbarer Vortheile und Schätze und das Schild unseres eigenthümlichsten Wesens, und Diejenigen, welche der Volkseinheit die Sonderheit der Stämme geopfert wissen wollen, verkennen die deutsche Volksnatur gänzlich und wollen ihr Gewalt anthun. – Eben darum wird ihr Streben beständig scheitern. Wenn die Einheitsideen, welche in manchen Köpfen spuken, jemals Wirklichkeit gewinnen sollten, so wäre die Geschichte des deutschen Volks in Deutschland bald geschlossen. Von den Moment der Austilgung unseres Stammlebens würde nicht nur ein anderer Zeitraum, sondern auch eine andere Geschichte beginnen müssen. Wir hätten aufgehört, Deutsche zu seyn.
In Folge des im deutschen Volksthum tief begründeten Wandertriebs sind die Länder deutscher Herkunft seit langer Zeit die Ausgangspunkte einer beständigen Völkerwanderung geworden, deren Strom sich [28] befruchtend über die Erde ergießt und germanisches Leben und germanische Gesittung in allen Zonen ausbreitet. Sie macht Propaganda im größten Maßstab und ist in der Geschichte ohne Beispiel. Als ihre glänzendste Erscheinung tritt der Freistaatenbund von Nordamerika auf. Die alte Welt staunt sie an, kaum fähig, der raschen Entwickelung der dortigen Dinge mit dem Auge zu folgen. Diese ruht ganz auf germanischem Volksboden; sie ist das Werk des deutschen Geistes, der in dem angelsächsischen (dem britisch-germanischen) Stamm seinen stolzesten Ausdruck gefunden hat, und wenn heute Teut die Söhne des „Mann“ zusammenriefe, so würden die Hügel und Thäler Britanniens, so würden die Wälder und Berge und Prairien Amerika’s antworten, müßte auch das alte Vaterland verstummen.
Hartford theilt mit New-Haven die Ehre, die Kapitale des Staats Connecticut zu seyn, der unter den Republiken der Union zwar ein sehr kleiner, aber sehr glücklicher ist. Hartford liegt anmuthig im Thale des schiffbaren Connecticut-River, welcher 50 Meilen unterhalb in’s atlantische Meer mündet. Der hübsch gebaute Ort von etwa 15,000 Einwohnern ist sehr wohlhabend; er erfreut sich eines blühenden Handels und reger Fabrikthätigkeit. Kunst und Wissenschaft sind gepflegt und geachtet, und Hartford zeichnet sich in dieser Beziehung vor mancher viel größern Stadt rühmlich aus. Seit einigen Jahren hat es sich durch eine Eisenbahn mit New-Haven und New-York in Verbindung gesetzt, wodurch ihm das ganze Bahnnetz der Union zugänglich wurde, welches westlich bis nach New-Buffalo am Michigansee, südlich bis Florida reicht und im nächsten Jahre bis New-Orleans fortgesetzt werden soll.
Hartford besitzt mehre Anstalten für Zwecke des Unterrichts und der Wohlthätigkeit, die einen berühmten Namen nicht nur haben, sondern ihn wirklich verdienen. Das in ganz Amerika als das erste seiner Art geltende Asyl für Taubstumme, unter der Leitung Welds, wird aus allen Theilen der Union beschickt und zählte im vorigen Jahre 204 Zöglinge, die Wohnung und Unterricht erhielten. Eben so musterhaft ist die Irrenanstalt, deren Bestand 1851 durchschnittlich 142 Kranke war. Das Gebäude derselben, das größte und schönste der Stadt, ist umgeben mit einem Park, der dem ausschließlichen Gebrauch der Irren dient, und die innern Einrichtungen sind ein ehrenvolles Zeugniß von der Humanität des kleinen Bürgerstaats, welcher die Fürsorge für die Unglücklichsten seiner Angehörigen als eine heilige Pflicht erkennt und – erfüllt.