Herbstmorgen im Hochgebirge

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Titel: Herbstmorgen im Hochgebirge
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aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 781, 787
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[781]

Herbstmorgen im Hochgebirge.
Nach dem Oelgemälde von A. Fink.

[787] Herbstmorgen im Hochgebirge. (Mit Illustration S. 781.) Wenn in den Niederungen der Wind bereits sein Spiel mit den fallenden Blättern der Eichen und Buchen treibt, wenn das Laub in den rauschenden Wäldern unten gilbt und Wiesen wie Felder weiter nichts als öde, kahle Flächen zu sein scheinen, ist oben auf den Bergen noch nichts vom Niedergang der Dinge in der Natur zu bemerken. Wald und Wiesen zeigen die Farbe des vollen Lebens, und man darf behaupten, daß es in den Tagen des beginnenden Herbstes auf den Alpengründen am schönsten ist. Wohl kühlt sich die Luft rascher als früher, wenn das Sonnenlicht verlosch; ein scharfer Wind fegt dann über Felsen und durch Klüfte, so daß die hier hausenden Geschöpfe gezwungen werden, ein schützendes Obdach zu suchen; dichte Nebel quellen aus der Erde und legen sich wie ein Leichentuch auf Wälder und Triften; tiefe Stille herrscht ringsum, denn man vernimmt nicht mehr das leise Klingen der Herdenglocken und das unermüdliche Zirpen der Heimchen. Erst wenn der letzte Stern am Himmel verschwunden ist und goldige Lichtwellen die Spitzen der Berge umsäumen, dann ballen sich die dichten Nebelschleier zu langgezogenen Wolken zusammen, die sich bald an den Felswänden, bald am Waldessaum anhängen, bis sie, vom Feuer des Tagesgestirns aufgelöst, im blauen Aether verdunsten oder in den dunkeln Schluchten verschwinden. So wie die ersten Sonnenstrahlen über die Zinnen der Berge gleiten, regt sich’s allenthalben zum vollen Leben. Der Räuber der Lüfte verläßt seinen Horst und zieht scharf auslugend seine Kreise hoch über Wäldern und Wiesen; ein fröhliches Zwitschern in den Zweigen der Tannen zeigt an, daß noch nicht alle Vöglein dem schönen Aufenthalt hier oben Valet gesagt haben. Die Thiere des Waldes lassen sich’s noch wohl sein bei der fetten Aesung, und nun ist auch die Zeit gekommen, in welcher der König unserer Bergreviere, der Edelhirsch, aus dem Dickicht auf die thaufrische Trift tritt und sich an dem üppigen Futter letzt. In einiger Entfernung von ihm stehen die Thiere, welchen er seinen Schutz angedeihen läßt; trotzig hebt er sein mächtiges Haupt und späht umher, ob nicht ein Nebenbuhler es wage, sein Revier zu betreten; erblickt er Verdächtiges in dieser Beziehung, dann legt er den Kopf zurück, stößt ein Gebrüll des Zornes aus und eilt mit gewaltigen Sätzen dem Feinde entgegen. Dann schallt vielleicht bald durch die Stille des Herbstmorgens das Getöse eines erbitterten Zweikampfes, und weithin vernimmt man das Schlagen der Thiere mit den gezackten Stangen, das dumpfe Brüllen und Stöhnen, bis der Sieger seinen Gegner zwingt, den Kampfespreis und den Platz aufzugeben. Solche Vorgänge erhöhen den Reiz der unvergleichlichen Scenerie noch um ein Bedeutendes, und wer Gelegenheit hatte, einen Herbstmorgen im Hochgebirge, wie ihn der Künstler in seinem Bilde mit seinem Verständniß und außerordentlich stimmungsvoll schildert, zu genießen, hat seine Erinnerungen an die herrliche Alpenwelt um einen gewiß unvergeßlichen Moment bereichert.