Zum Inhalt springen

Herzog Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Robert Grunwald
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Herzog Friedrich
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 175–176
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[175] Herzog Friedrich. Von Herrn Robert Grunwald, derzeitigem Obersten in kaiserlich türkischen Diensten, geht uns soeben direct aus Constantinopel eine interessante Mittheilung über den Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein zu, die wir mit besonderem Vergnügen in nachstehendem wörtlichem Abdruck zur Veröffentlichung bringen.

Zu dem Charakterbilde des Herzogs Friedrich, wie es in Nr. 50, 1863 der Gartenlaube mit wenig Worten gar nicht richtiger gezeichnet werden konnte, noch einige ergänzende Züge hinzuzufügen, ist der Zweck dieser Zeilen.

Der Einsender dieses, früher preußischer Artillerieofficier, kam im Februar 1850 in die Herzogthümer und war von da ab bis zu seinem Austritte, im April 1851, im Generalstabe der schleswig-holstein’schen Armee als Hauptmann angestellt. Während dieser ganzen Zeit war ich nicht nur in täglicher geschäftlicher Berührung mit dem damaligen Erbprinzen Friedrich von Augustenburg, sondern hatte noch das besondere Glück, in nähere Beziehung zu ihm, wie zu den anderen Gliedern der herzoglich Augustenburg’schen Familie, zu treten. Die Erinnerung daran wird stets zu den freundlichsten gehören, denn in meinem vielbewegten Leben habe ich selten so viele gute Elemente des menschlichen Wesens in so liebenswürdiger Gestalt gefunden, wie in dieser herzoglichen Familie. Herzog Friedrich vereinigt, wie dies ja häufig zu sein pflegte, in sich die hervorstechenden Eigenschaften seiner beiden Eitern. Ihm ward ebenso der scharfe Verstand, der feste männliche Sinn des Vaters, wie das sanfte und bescheidene, dabei aber tiefe Gemüth seiner Mutter zu Theil. Er war human, in hohem Grade anspruchslos und in einer Weise arbeitsam und in Ausführung seiner Dienstpflichten gewissenhaft, wie dies bei Prinzen nicht eben allzuhäufig gefunden werden dürfte. Der Beginn der Dienststunde fand ihn, und bereits meist vor den übrigen Officieren, hinter seinem Stehpulte eifrig arbeitend, um gegen 11 Uhr Vormittags, wie es vorgeschrieben, dem commandirenden General zusammen mit den übrigen Kollegen des Generalstabes Vortrag zu halten. Sehr oft habe ich mich damals über die für die Jugend des Prinzen (er war 21 Jahr) seltene geschäftmäßige Ruhe und Klarheit gewundert, mit welcher er seine Ansichten zur Aussprache brachte, und wo es sich um persönliche Angelegenheiten handelte, sprach aus seinem Urtheile, ohne Rücksicht auf Stand und Geburt, stets seine strenge Sittlichkeit und Gewissenhaftigkeit. Schon zu der Zeit wurden hin und wieder Stimmen laut, die dem damaligen Prinzen Friedrich schroffes Wesen und Anmaßlichkeit bei Wahrnehmung seines Berufes vorwerfen wollten, doch waren solche Stimmen nur sehr vereinzelt und gingen meist von Anstellungssuchenden aus, die wegen ihrer Antecedentien oder aus anderen Gründen – der Prinz hatte schließlich auch nur wie jeder Andere die Befehle seiner Vorgesetzten auszuführen – keine Aufnahme in das Officiercorps der damaligen schleswig-holstein’schen Armee finden konnten. Ich für meine Person, selbst bürgerlicher Herkunft und gerade ausnehmend empfindlich gegen junkerliche Anmaßungen, habe den Herzog stets nur so gefunden, wie ich ihn oben geschildert, und derselbe wurde, gerade weil ihm jedes junkerliche Wesen vollständig abging, auch von allen seinen Cameraden geliebt und geachtet.

Manchmal in den dienstfreien Stunden besuchte ich den Prinzen in seiner dicht am Kieler Hafen in einem Privathause gemietheten sehr einfachen und eigentlich gar nicht hübschen Wohnung. Ich traf ihn dann meist sinnend am Fenster, den Blick auf den Hafen gerichtet. Als ich mir einmal die Bemerkung erlaubte, warum er sich denn keine freundlichere Wohnung aufsuche, erwiderte er, daß er ohne den Anblick des blauen Meeres kaum leben könne, da er von der frühesten Kindheit an so sehr daran gewöhnt wäre. Der arme Prinz! er liebte sein meerumschlungenes Schleswig-Holstein über Alles, und wie oft in seiner Verbannung mag er beim Anblick der niederschlesischen und märkischen Kieferwälder sich nach den, von Buchen umkränzten Meeresbuchten seiner Heimathinsel Alsen zurückgesehnt haben! –

Als der Ausbruch des Krieges im Jahre 1850 nahe bevorstand, wurde das Generalcommando der Armee von Kiel nach Rendsburg verlegt. Einen Tag vor unserem Aufbruch wurde ich ersucht, mich zur Herzogin von Augustenburg nach Brandt’s Hotel zu begeben, da mich dieselbe zu sprechen wünsche. Ich verfügte mich dahin und sah damals zum ersten Mal die noch so schöne und liebenswürdige und gütige Fürstin. Das Mutterherz war es, welches in Voraussicht der ihrem Sohne bevorstehenden Gefahren zu mir sprach: „Ich will nicht, daß mein Sohn geschont werde. Er soll wie Jeder seine Schuldigkeit thun, aber es wäre mir doch eine Beruhigung, wenn das Auge eines älteren und gereifteren Cameraden über ihn wachte und, wenn ihm Etwas zustoßen sollte, liebend für ihn gesorgt würde.“

Diese so einfachen, wahrgefühlten Worte der liebenswürdigen Frau sind mir unvergeßlich, und eine Feldflasche, welche sie mich als Angedenken anzunehmen bat, ist treu gehegt in meinem Besitz geblieben. Wie wenig war ich indeß, selbst beim besten Willen, im Stande, den Wünschen der hohen Frau zu entsprechen, und wie wenig überhaupt bedurfte gerade dieser Prinz irgend eines Mentors! An Jahren war ich ihm allerdings weit voraus, nicht aber an Kriegserfahrung. Es war mein erster Feldzug, den zu eröffnen ich im Begriff stand, während der junge Prinz schon 1848 und 1849 dem Feinde gegenübergestanden hatte, und, wie Jedermann weiß, zählen Kriegsjahre bei Berechnung der militärischen Dienstzeit zwar nur doppelt, was aber kriegerische Ausbildung angeht, wohl zehnfach.

Die Stunden der Gefahr nahten schnell. Schon am 24. Juli Abends, nachdem am Nachmittage bereits heftige Gefechte auf der Front und in unserer linken Flanke bei Sollbro an der Treene stattgefunden hatten, war es gewiß, daß am nächstfolgenden Tage die Entscheidungsschlacht geschlagen werden würde. Der commandirende General und mehrere Officiere des Stabes ritten nach ausgegebener Disposition vom Idstedter Krug nach dem eine halbe Meile hinter der Stellung der Armee gelegenen Schloß Falkenberg, um noch wenige Stunden der Ruhe zu pflegen. Der Prinz und ich zogen es indeß vor, in Mitte der lagernden Truppen zu bleiben, und so fanden wir auf einem Bündel Stroh im Schenkzimmer des Idstedter Kruges ein Plätzchen, zwar nicht zum Schlafe, doch wenigstens zum Ausruhen der durch vieles Reiten klamm gewordenen Glieder. Früh um halb vier Uhr des 25. Juli rollte die erste dänische Kanonenkugel die Chaussee entlang. Schnell hatten wir den Fuß im Bügel und empfingen von dem kurz darauf im Galopp herbeieilenden commandirenden General Jeder unsere speciellen Weisungen: ich flog nach dem linken Flügel gegen Gammellund und nach dem Büchmoor, der Prinz nach Wedelspang zu der dort kämpfenden zweiten Brigade, und so waren wir denn eine gute deutsche Meile auseinander. Ich sah den Prinzen erst wieder, als die Katastrophe des Rückzuges unserer Armee bereits eingebrochen und die in ziemlicher Auflösung befindlichen Bataillone des Centrums auf der Chaussee nach Schleswig zurückgingen.

Hinter dem Westergehege fand ich den Prinzen vom Pferde abgesessen, bemüht, mit vorgehaltenem Säbel einen Haufen debandirter Soldaten zum Stehen und wieder in Reih und Glied zu bringen. Vergebliche Mühe! Kaum war eine Linie nothdürftig formirt, so machten die Leute von selbst linksum, um ihre Flucht fortzusetzen. Dergleichen ist auch schon anderwärts und bei älteren Armeen, als die damalige schleswig-holsteinische war, vorgekommen; wir aber machten hier zum ersten Male die Erfahrung, daß, wenn die Dinge bis zu einem gewissen äußersten Punkt gelangt sind, es häufig gut ist, sich alles Zuthuens zu enthalten und sie sich selbst entwickeln, d. h. die ganz aus der Fassung gekommenen Soldaten ruhig laufen zu lassen. Erst nachdem die häufig nur in Folge von Uebermüdung und Hunger appelllos gewordenen Soldaten tüchtig ausgeschlafen und den leeren Magen gefüllt haben, mag man das Geschäft des Ralliirens wiederaufnehmen und wird finden, daß die noch vor Kurzem so muthlosen Menschen wieder Appell zeigen und ein fügsames Werkzeug in den Händen der Leiter geworden sind! – Daß wir in der Schlacht von Idstedt keine Reserven hatten, um der stellenweise eingerissenen Verwirrung (Wie sie aber in allen Schlachten vorkommt) durch das Vorführen frischer Truppen zu begegnen, war unser Hauptunglück.

Nach der Schlacht trat eine lange Ruhepause ein, und es begannen die Geschäfte der Reorganisation und Augmentation der Armee, wobei der Prinz wie früher seine ihn charakterisirende stille und gewissenhafte Thätigkeit entfaltete. Es kam der 12. September 1850, an welchem Tage ein Theil der schleswig-holsteinischen Armee im raschen Vordringen über die von den Dänen nur unvollkommen angestauten Flüßchen, die Osterbeck und Kosel-Au, die dänische Brigade Schepeler aus ihren Stellungen bei Kochendorf und Eckernförde auf Missunde zurückwarf, den Uebergang aber nicht bewerkstelligte, weil dies wohl von vornherein nicht in der Absicht des commandirenden Generals lag. Bei der sich entspinnenden Kanonade mit der auf dem nördlichen Ufer der Schley postirten feindlichen Artillerie sah ich den Prinzen längere Zeit mit voller Ruhe im heftigsten Feuer verweilen, [176] und erst als der Abend dunkelte und genug demonstrirt war, gingen wir zurück, uns durch den erstickenden Rauch des angezündeten und noch brennenden dänischen Lagers bei Kochendorf den Weg bahnend, um in einem Kuhstalle bei Damendorf, todtmüde, unser Haupt- und Nachtquartier aufzuschlagen.

Das ist nun eben nichts Besonderes, aber doch für den damals noch so jungen Prinzen insofern bezeichnend, als er nicht im nahen Rendsburg oder in dem comfortabeln Hause eines schleswigschen Gutsbesitzers ein weiches Federbett aufsuchte, sondern theilte, was seinen Cameraden geboten wurde. Uns Officieren des damaligen schleswig-holsteinschen Generalstabes war es während des ganzen Feldzuges überhaupt nicht geglückt, uns besonders hervorzuthun; treue Pflichterfüllung, nach Maßgabe unserer Fähigkeiten und Stellung, war allein unser zubeschiedenes Theil. Mögen aber die Schleswig-Holsteiner, deren noch Tausende im Lande leben, welche diese Kämpfe mit durchgefochten haben, erfahren, daß ihr jetziger Herzog nicht blos zum Schein mit dabei war, sondern gleich allen Uebrigen die Gefahren und Fatiguen des Krieges getragen hat.

So vielen Strapazen war indeß der zarte und damals noch in der Entwickelung begriffene Körper des jungen Prinzen nicht auf die Dauer gewachsen, und der Kummer über die Hoffnungslosigkeit der Landessache that das Uebrige. Der Prinz erkrankte bedenklich an einem Brustleiden, und eine Zeit lang war wirkliche Gefahr vorhanden. Als ich einer mir gewordenen Einladung und auch meinem eigenen Wunsche entsprechend, ehe ich Schleswig-Holstein verließ, die nur so liebe herzogliche Familie noch einmal in ihrem damaligen Aufenthaltsorte Nienstädten besuchte, fand ich den Prinzen Friedrich zwar schon in der Genesung, aber körperlich wie geistig noch so niedergedrückt, daß ich nicht ohne Besorgniß Abschied nahm.

Gott sei Dank, das Portrait, welches die Gartenlaube gebracht hat, stellt ja den Herzog körperlich in kräftiger Männlichkeit dar.

Der Himmel segne ihn und sein schönes Land!