Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon (Der Nürnberger Trichter Nr. 21)

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Titel: Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon
Untertitel: Fortsetzung
aus: Der Nürnberger Trichter, Nr. 21, S. 81–82
Herausgeber: Eduard Kauffer
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Erscheinungsdatum: 1848
Verlag: Friedrich Campe
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: MDZ München, Commons
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Humoristisch-satyrisches Zeitungslexikon.

Maul, derjenige Theil des menschlichen Körpers, für welchen Kaffeeschwestern, Kannegießer und Weinreisende der ewigen Vorsehung nicht genug danken können. Das Maul muß streng vom Munde unterschieden werden; denn man kann ein böses Maul haben, wenn man auch keinen bösen Mund hat. Viele, die vor dem März 1848 das große Maul hatten, hängen jetzt das Maul, weil sie tüchtig darauf geschlagen worden sind. Das gefährlichste unter allen Mäulern ist das Lästermaul, weil es uns in die Mäuler der Leute bringt; aber am unschuldigsten ist das Leckermaul, welches die Poesie des Lebens auf der Zunge, im Magen und in einer guten Verdauung sucht.

Narr, unterscheidet sich von andern Sterblichen dadurch, daß er keinen Hut, sondern eine Kappe trägt und sich außerordentlich stark vermehrt; denn ein Narr macht zehn Narren. Der Ausdruck: Jemanden zum Narren haben, ist nach dem März außer Gebrauch gekommen: man sagt jetzt dafür: Jemanden potsdamisiren! Du versprichst z. B. einem Freunde Wein und giebst ihm Essig, so hast du ihn potsdamisirt. Freilich wird er dann auch keinen Narren an dir fressen; aber dies kann dir, nachdem du ihn potsdamisirt, gleichgültig sein. – Von den Hofnarren pflegte ein witziger Kopf zu sagen: Jeder Fürst muß deren zwei haben, Einen, den er vexirt, und einen Andern, der ihn vexirt.

Nase, eine gefährliche Nebenbuhlerin des preußischen Helmes; denn sie hat wie dieser eine Spitze. In staatlicher Hinsicht hält sie mit rührender Ausdauer am Zweikammersystem fest, obschon sie keinen Nutzen davon hat. Sie stellt Niemandem ein Bein, obgleich sie ein Bein hat. Daß sie zu den Bäumen gehört, weil sie eine Wurzel hat, ist unbegründet. Was es heißt: eine Nase bekommen, wissen am besten die Subaltern-Beamten, besonders, wenn sie die Sünden ihrer Obern tragen müssen. Den Ausdruck: mit langer Nase abziehn, lasse man sich von Louis Philipp oder vom Exminister Herrn Metternich in London erklären. Das Volk an der Nase herumführen, ist leider auch nach dem März nicht aus der Mode gekommen, wobei jedoch keineswegs an die hohe National-Versammlung zu Frankfurt zu denken ist. Der Unterschied zwischen der Nase und dem deutschen Volke besteht [82] darin, daß jene nur zuweilen, aber dieses immerwährend blutet. Auch hierbei darf nicht an die hohe National-Versammlung in Frankfurt gedacht werden.

Ohnmacht ist eine Unterbrechung der animalischen Lebensäußerungen, wobei die vegetativen nur in vermindertem Maßstabe fortdauern. Die Mittel, das Erwachen zu befördern, sind verschieden. Die eingefleischten Mathematiker kommen zu sich, wenn man eine Zahl nennt und aus ihr eine falsche Quadratwurzel zieht; einem Poeten aber liest man einige Verse aus seinen Werken vor. Bei Geizhälsen wendet man das Klingeln mit einer vollen Geldbörse an, bei alten Jungfern einige zärtliche Liebesseufzer, bei der Frau einen neuen Kaschemirshawl, bei Mönchen eine Einladung zu Austern und Champagner, bei Ministern einen Orden und bei regierenden Häuptern eine unterthänigste Loyalitäts-Addresse.

Parasit oder Schmarotzer, umkreist die Thüren der Reichen und Vornehmen. Dem Hausherrn hat er politische Neuigkeiten, der Haussrau Klatschereien zu überbringen. Geht er mit ihnen an einen öffentlichen Ort, so zündet er dem ersten den Fidibus an, der letzten bringt er einen Fußschemel. Kennzeichen: Er trägt Glacéhandschuhe und lächelt immer. Bist du reich, so darfst du ihn getrost schlagen, stoßen, zum Narren haben, ins Gesicht spucken… er trägt seine Glacéhandschuhe und lächelt. Du darfst ihn einen Affen, einen Strohkopf, ein Rhinozeros nennen… er trägt seine Glacéhandschuhe und lächelt. Fundort: bei Banquiers, Rittergutsbesitzern und besonders an den Höfen der Fürsten. Zweck: heute die Dienstmagd, morgen den Hausknecht, hier den Räthselaufgeber, dort den Gesichterschneider bei denjenigen zu spielen, bei denen er sich gerade befindet.

Philosoph gedeiht besonders in Deutschland. Kennzeichen: Sein Herz ist in Aristoteles und seine Seele in Plato gewickelt, er frißt Begriffe und Lehrsätze und betet: „Lieber Gott, wenn du bist, erbarme dich meiner armen Seele, wenn ich eine habe!“ Fundort: Universitäten, Bibliotheken und Dachstuben. Zweck: sich eine eigene Weltanschauung zu schaffen und jeden Andern, der nicht dieser Anschauung ist, einen Dummkopf zu nennen.