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Idylle (Fliegende Blätter Nr. 38)

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Textdaten
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Titel: Idylle
Untertitel:
aus: Fliegende Blätter, Band 2, Nr. 38, S. 110–111.
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Heidelberg, Commons
Kurzbeschreibung:
Frei nach Geßner
Eintrag in der GND: [1]
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Idylle.
Frei nach Geßner.


Kommt, schöne Schäferinnen, sprach der alte Schäfer Menalkas; die Herde ruht im Schatten der breiten Ulme; kommt, setzt euch mit mir zu diesen Fliederbüschen und hört die Geschichte von dem unglücklichen Mirtill. Und die Schäferinnen kamen herbei, setzten sich im Kreise nieder und Menalkas hub an:



Mirtill war wohl der schönste Schäfer auf den Triften des reichen Müros. Blondgelockt war die Fülle seines Haares, blau, wie der Himmel, sein Auge, schmelzend seine Stimme und ein Meister war er auf der Doppelflöte. Wenn er sie spielte, nahten alle Schäferinnen des Thales und konnten sich nicht satt hören!



So auch die liebliche Phillis. Gern verließ sie ihre Herde, um Mirtill’n von Ferne zu belauschen und an dem Anblick seiner schönen Gestalt sich zu weiden! Er aber wußte es nicht, daß Phillis ihm gewogen sei, sondern glaubte, daß der schwarzgelockte Mopfus, der die mit kebrigtem Wachse zusammengefügte Panflöte so schön spielte, ihrer Liebe sich erfreue. Davon tief betrübt – denn Mirtill liebte ja Phillis – trieb

[111]


er eines Abends in wehmüthiger Stimmung seine Herde heimwärts, gefolgt von seinem treuen Spitz, und sang ein Schäferlied an Phillis.



Sieh, da trat sie eben aus ihrer Hütte, schön und reizend, wie die Abendsonne, die ihre Gestalt röthete! Mirtill zog schweigend vorüber, und Thränen fielen auf seinen Pfad. Des andern Tags aber fand er eine Rose vor seiner Thüre liegen! Er hob sie vom Boden auf, küßte sie und sprach zu sich: „Vielleicht kömmt sie von Phillis!“ –



Phillis aber hatte ihn belauscht. Als er Abends spät heimkehrend an ihrer Hütte wieder vorüber ging, trat sie ihm entgegen, süßlächelnd wie der Mond, der eben aus den Wolken zog. Mirtill aber vermochte es länger nicht, sein Herz zu bezähmen; er fiel ihr zu Füßen und sprach mit bewegter Stimme: „Phillis!” Und sie darauf: ,,Mirtill! ” und er bedeckte ihre Hände mit heißen Küssen. Der tückische Mopfus aber, der beider Liebe ahnte, hatte von Ferne hinter einem Baume lauschend sie beobachtet.



Von Eifersucht und Wuth entbrannt – denn auch er liebte Phillis – schwur er Rache zu nehmen an dem Beglückten. Als nun eines Tages Mirtill, seine Herde hütend, auf neue Lieder sann, schlich sich Mopfus auf den Zehen herbei, und schnitt – o welche Tücke! – Mirtills schönen Zopf ab.



Da war es um Mirtill geschehen! Denn nimmer durfte er beim Tanz der Schäferinnen erscheinen, und wagte es nicht, Phillis vor Augen zu treten! So verkümmerte er! Einsam klagte er in den Felsenklüften und seine Herde zerstreute sich. Eines Tages fand man ihn erblaßt liegend am Ufer des weidenbegränzten Baches. Gram und Kummer hatten ihn getödtet.

Dieß ist die Geschichte des schönen Mirtill – endigte Menalkas – und die Schäferinnen, die um ihn saßen, weinten.