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In der Höhle des Löwen

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Textdaten
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Autor: Georg Hiltl
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Titel: In der Höhle des Löwen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 88-91
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[88]
In der Höhle des Löwen.
Aus den Erinnerungen eines alten Franzosen.
Mitgetheilt von Georg Hiltl.

Herr Anatole Mesnard hatte sein fünfundsiebenzigstes Lebensjahr zurückgelegt, als man 1840 schrieb. Alte Leute mit regem Geiste, vollgepfropft mit Erinnerungen, mittheilsam und liebenswürdig, sind überhaupt sehr willkommene Erscheinungen. Besonders interessant sind aber alte Franzosen, wenn sie die genannten Eigenschaften besitzen. Sie behalten einen so frischen, jugendlichen Zug und erzählen bei der ihnen angebornen Lebendigkeit das Erlebte so fesselnd und so dramatisch, daß der Hörer unwillkürlich sich in die Zeit zurückversetzt glaubt, die sie darstellen. Ein solcher alter Franzose war Herr Mesnard, und ich hatte das Glück, aus seinem Munde die seltensten Anekdoten aus der Vergangenheit, insbesondere aus den Tagen der ersten französischen Revolution zu hören, von denen mich vor Allem die nachstehenden Mittheilungen interessirten, die ich gebe, wie sie der alte Herr erzählte.

Von all den denkwürdigen Erinnerungen – begann derselbe – welche ich mir aus den Zeiten der ungeheuren Revolution bewahrt habe, ist doch wohl die wichtigste für mich: der Besuch bei dem Haupte der Schreckensmänner, bei dem Manne, der das Leben von Tausenden in Händen hatte; der durch Blut ging und darin erstickte; dessen Leben, Wirken und Pläne bis heute noch ein ungelöstes Räthsel genannt werden müssen – mein Besuch bei Maximilian Robespierre. An sich vergißt sich ein Besuch bei Robespierre schon nicht, wie viel weniger, wenn es sich dabei um ein Unternehmen handelt, das den allergefährlichsten Abenteuern an die Seite gestellt werden darf. Ich habe mir von Robespierre ein Menschenleben erbeten, das schon der Guillotine verfallen war.

Die Familie Robespierre’s war mir nicht fremd, denn ich bin zu Frévent bei Arras geboren. Ihn selbst lernte ich bei seinen Besuchen in Arras kennen; wir waren fast von gleichem Alter. Robespierre zählte etwa zwei Jahre mehr, als ich. Viel genauer bekannt, als mit ihm, ward ich aber mit seinem Freunde und Schulgenossen Lebas, der, ebenfalls zu Frévent bei Arras geboren, zu meinen Spielcameraden gehörte. Später kamen wir auseinander; Lebas schlug die Laufbahn eines Rechtsgelehrten ein, ich widmete mich dem Kaufmannsstande.

Die Ereignisse trieben Maximilian Robespierre bald auf die Oberfläche des stürmischen Meeres der Revolution, und fast unzertrennlich von ihm blieb sein Freund Lebas, dem ich verschiedene Male wieder begegnete. Lebas war eine durchaus ehrenhafte und liebenswürdige, höchst poetische Natur, und wir konnten nicht begreifen, wie ein so lieber Mensch, als es Lebas war, in der Nähe des furchtbaren Mannes aushalten konnte. Zuletzt erfuhren wir, daß Lebas die jüngste Tochter des Tischlers Duplay, in dessen Hause Robespierre wohnte, geheirathet habe. Wie wichtig mir Lebas wurde, werden Sie bald sehen.

Am 6. April 1794 verkündeten die Ausrufer, Anschläge und Zeitungen in Arras, daß zu Paris Tages vorher Danton, Herault de Léchelles, Hebert und Camille Desmoulins ihre Häupter auf das Bret der Guillotine gelegt hatten. Danton’s Popularität war sehr groß gewesen, man kann sich daher die allgemeine Bestürzung denken; dennoch wagte noch Niemand, sich gegen das System des Schreckens zu erheben. In sehr gedrückter Stimmung saßen wir, meine Eltern, zwei Schwestern und ich, in Gesellschaft unserer beiden Comptoirgehülfen, beim Abendessen, als der alte Diener des Hauses bleich und zitternd eintrat, Madame Lepelletier anmeldend, die meinen Vater dringend zu sprechen wünsche. Madame Lepelletier war eine nahe Bekannte unsers Hauses und eine sehr achtungswerthe Dame. Ihr ältester Sohn stand bei der Nordarmee, Marion aber, seine schöne Frau, dem altadeligen Geschlechte der de Bonnaire entsprossen, lebte in Paris; ebenso der jüngste Sohn, François, welcher dort das Collège Louis le Grand besuchte. Die alte Dame trat ein, ihre Kniee schwankten und kaum konnte sie bis zu einem Sessel gelangen. Endlich, nachdem sie sich ängstlich umgeblickt hatte, ob sie auch keinen Verdächtigen gewahrte, brachte sie mühsam die Worte heraus: „Gott! Marion und François sind verhaftet! Sie wurden in das Gefängniß des Luxembourg geworfen.“

„Weshalb aber? Reden Sie doch?“ frug mein Vater in höchster Bestürzung.

„Einen Grund giebt man nicht an. Die Verhafteten erfahren meist ihr Vergehen erst in der Stunde des Todes.“

„Vielleicht ist es nur ein Gerücht,“ tröstete meine Mutter, „denn was kann François verbrochen haben?“

„Nein, ein Gerücht ist es nicht. Mein Advocat schreibt mir mit der Abendpost von Paris. Meine Angst ist unbeschreiblich. Herr Mesnard! Sie haben schon oft geholfen; können Sie keine Hülfe ausfindig machen? Kann Niemand meinen lieben, schönen, schuldlosen Jungen retten?“

Die Unruhe der Madame Lepelletier steigerte sich bis zu Krämpfen. Während die Frauen der Bejammernswerthen Beistand leisteten, ging ich mit meinem Vater im Zimmer auf und nieder. Das Geschick der Armen ging uns schwer zu Herzen. Ihr mußte Hülfe werden in ihrer furchtbaren Lage, das stand bei mir fest. Die offenbare Gefahr, die damit verknüpft war; der Gedanke, einer schönen Frau, wie Madame Lepelletier in Paris, einen solchen Ritterdienst zu leisten – das hatte einen mächtigen Reiz für einen jungen Mann, wie ich’s dazumal war. Zudem lag die Hochherzigkeit gewissermaßen in der Luft jener Zeit, und Beispiele großartigster Aufopferung erlebte man fast täglich.

„Ich werde die Verurtheilten retten!“ rief ich plötzlich aus, meinen Schritt anhaltend.

„Anatole!“ rief mein Vater. „Du bist unsinnig.“

„Um Gotteswillen, lieber Sohn!“ rief meine Mutter. „Denk’ Du nicht daran.“

Madame Lepelletier war durch meinen exaltirten Ausruf zu sich gekommen. Sie sprang auf mich zu, faßte meine Hand und drückte sie heftig. „O edler, braver junger Mann,“ rief die Aermste, „Sie wollten es versuchen? Ja, Sie sind gut, muthig, klug. Gewiß es wird Ihnen gelingen.“

„Anatole, Du mußt doch bedenken – –“ warf mein Vater zitternd ein.

„Du wagst Dein Leben!“ jammerte meine Mutter, sich an meinen Hals werfend.

Ich sah das kummervolle Gesicht der armen Mutter, aber ich gedachte auch der Angst der Gefangenen und dazu kam das Ehrgefühl. „Nein!“ rief ich. „Keine Abmahnungen, weg mit der Furcht! Ich reise morgen mit dem Frühesten nach Paris; ich spreche Robespierre, zuerst aber eile ich zu Freund Lebas. Er, Robespierre’s Pylades, er sollte nicht meinen Plan fördern können? Haben Sie also keine Furcht, meine Lieben!“

Der Name Lebas hatte meinem Vater wenigstens die Ueberzeugung beigebracht, daß ich nicht hirn- und planlos handeln wollte. So gaben mir denn nach einigem Widerstande meine guten Eltern ihren Segen, Madame Lepelletier drückte mir stumm die Hand. Ich hatte, so viel es ging, die oberflächlichste Darstellung der ganzen Sachlage aufgenommen. Besonders wichtig war es für mich, die Gefangenen sprechen zu können, was mit Hülfe des Schließers der Luxembourg-Gefängnisse möglich war; selbstverständlich gegen eine bedeutende Belohnung. Madame Lepelletier theilte mir mit, daß der Mann Lambert heiße und daß ich mich dreist an ihn wenden könne, wenn ich ihm einen Gruß und das Bild der Madame Lepelletier brächte. Ich notirte mir ferner die Wohnung des Notars der Dame, ebenso Straße und Hausnummer, wo früher Frau Marion Lepelletier gewohnt hatte, und suchte dann mein Schlafzimmer auf.

Schlafen konnte ich natürlich nicht. Erst als die Stille der Nacht mich umgab, ordneten sich meine Gedanken. Ich stellte mir jetzt vor, welchen gewagten Schritt ich unternehmen wollte. War es nicht schon gefährlich genug, nur für die Verdächtigen zu bitten? Wer sich Freund eines Geächteten nannte, war Feind der Nation; eine Bitte für die Gefährdeten brachte die höchste Gefahr. Dann fragte ich mich wieder, ob Lebas, der ein weicher und poetischer Mann im gewöhnlichen Leben war, auch ebenso mild urtheilen werde, wenn es sich um politische Gegenstände handele. Wußte man doch auch, daß Robespierre makellos in seinem Lebenswandel, ein Freund der einfachsten Vergnügungen, ein Pfleger der Blumen; daß sein höchster Genuß ein Spaziergang in stiller, ländlicher Natur sei; daß seine Augen sich mit Abscheu von der Schlachtbank [89] eines Fleischers wendeten. Er war nicht im Stande den kleinsten Wurm zu tödten, der bei einem Spaziergange über den Weg, dicht vor des Wandlers Füßen kroch – dennoch schickte er Tausende von Menschen in den Tod. Ein solcher Mann war sicher für meine Rettungsversuche am schwersten zugänglich. Dazu kam, daß ich nicht ein Mal genau wußte, wie stark oder schwach die Verhafteten sich compromittirt hatten und daß wir, meine Familie und ich, in dem Rufe standen, zwar keine Feinde der Freiheit, aber doch keinesweges begeisterte Anhänger des Convents zu sein.

Dieses Alles wirbelte bunt in meinem Gehirne durcheinander. Gegen Morgen erst schlummerte ich ein.

Mit der Beschreibung des Abschiedes, der Klagen, Wünsche und Befürchtungen will ich Sie nicht länger aufhalten; genug, um fünf Uhr rasselte die Diligence zum Thor von Arras hinaus, um Abends nach sieben Uhr erst über das Pflaster von Paris zu rollen. Ich war seit Jahr und Tag nicht in der Hauptstadt gewesen. Mit Staunen betrachtete ich daher die wunderlichen Zierrathen an den Häusern. Ueberall Fahnen mit den Farben der Republik, Freiheitsbäume, deren Spitzen die phrygische Mütze trugen, Sprüche aus Rousseau’s Schriften und dergleichen. Die geschäftigen Menschen eilten hin und her, Ausrufer mit den neuesten Nachrichten vom Kriegsschauplatze, die Beschlüsse des Convents, die Listen der Verhafteten, die Verurtheilungen, die Executionen verkündend. Hier und da an den Ecken erhob sich auf einem Tische ein Volksredner, den eine brausende Menge umgab; dort zog ein Bataillon Nationalgarde, von der Uebung kommend, über den Platz; dann wieder drängte sich ein Haufe fast grotesk gekleideter Jacobiner durch die Menge. Paris war in fieberhafter Bewegung. Man hatte heute, am achten April, wieder zahlreiche Opfer unter die Guillotine befördert; man sprach von neuen Verschwörungen der übrig gebliebenen Mitglieder der Gironde, an deren Spitze Louvet stehen sollte.

Bei einem Freunde unseres Hauses, einem Herrn Brotteau, nahm ich Quartier und begann noch an demselben Abende in der Dunkelheit einige Nachforschungen. Ueberall begegnete ich rauschenden und erregten Menschengruppen. Man hörte das Ça ira und die Marseillaise von Männern, Frauen und Kindern singen. Die rothe Mütze gewahrte ich häufig, und namentlich fiel mir eine sonderbare Mode der Damen auf: sie trugen Strickbeutel von ungeheuerer Größe, auf welchen die zerstörte Bastille abgebildet war. Ich ging zunächst zur Wohnung der Madame Marion Lepelletier in der Straße Blancs Manteaux. Hier erfuhr ich aber, daß gestern auch der Wirth, ein Schneider, verhaftet worden sei, weil er sich fälschlich für einen Volksvertreter ausgegeben. Nur die Schließerin, eine alte Frau, wohnte noch in dem Hause.

Am folgenden Morgen lenkte ich zunächst meine Schritte nach den Gefängnissen des Luxembourg, aber den Gefängnißwärter Lambert konnte ich nicht sprechen und zwar aus dem einfachen Grunde, weil man auch ihn verhaftet hatte. Es hieß, er habe Gefangene begünstigt, und er wurde auch am 13. April guillotinirt.

So niedergeschlagen mich diese beiden ersten vergeblichen Bemühungen machten, ich sammelte meine Gedanken und Kräfte dennoch wieder. Paris schien mir heute seine gewöhnliche Physiognomie wieder erhalten zu haben, und ohne die beliebten rothen Mützen, die Fahnen und Inschriften hätte man nicht geglaubt in dem ungeheuern Krater umher zu wandeln, aus dem der gewaltige Feuerstrom über Europa sich ergoß. Nur einige Zettelankleber waren von gaffenden Neugierigen umringt. Die Affichen enthielten Erlasse des Convents, Aufforderungen zu patriotischen Gaben für die freiwillige Nordarmee, Drohungen gegen schlechte Bürger, darunter die Theaterzettel, endlich Versteigerungen von Möbels verjagter Aristokraten. Eine der Affichen lautete:

„In dem Quartier de la Sorbonne haben vorgestern Abend bei einer Versammlung der fünften Section Kundgebungen zu Gunsten des verhafteten Aristokraten Conrandin stattgefunden. Die schlechten Bürger, welche ihre Stimmen erhoben haben, mögen sich hüten. Ihre Köpfe stehen nicht fester als der einer Gypsfigur, welche man aus dem vierten Stock auf das Straßenpflaster wirft. Conrandin war Rath des gestürzten Tyrannen Ludwig Capet. Wäre er auch sonst kein Verbrecher, das genügte. Ebenso schuldig aber wie er sind seine Fürbitter. Wer mit den Freunden der Tyrannen ist, wird das Bret küssen (hingerichtet werden).

Unterzeichnet: Drei wachsame Patrioten.“

Sie können sich denken, welchen Eindruck dieser Anschlag auf mich machte! Doch im schlimmsten Augenblicke pflegt der Muth am meisten und sichtlichsten zu wachsen. Ich sah ein, daß ich sofort auf das Ziel losgehen und einen Besuch bei Robespierre wagen müsse. Die Listen der Gerichteten oder Verurtheilten wiesen noch nicht die Namen unserer Freunde auf, und so lange sie noch lebten, wollte ich die Hoffnung nicht sinken lassen. Robespierre wohnte im Hause des Tischlers Duplay, in der Straße St. Honoré, da, wo heute Nummer 396 ist.

Schlag neun Uhr bog ich in die Straße St. Honoré ein. Je näher ich der Wohnung des gefürchteten Mannes kam, um so schneller fühlte ich mein Herz schlagen. Endlich war ich dicht an dem Hause des Tischlers Duplay. Ich ging auf die andere Seite der Straße und betrachtete das Gebäude. Die Hausthür war offen und aus dem Flure bemerkte ich eine Gruppe von Sansculotten. Sie hatten sich einen Tisch in die Mitte des Flures gesetzt und genossen ihr Frühstück; an der Wand lehnten ihre Piken. Alle trugen die rothe Mütze und rauchten aus kurzen Pfeifen; einige lasen Journale, andere führten lebhafte Unterhaltungen. Es war die Wache, welche der Convent täglich im Hause Robespierre’s aufziehen ließ. An den meisten Fenstern der Häuser ringsum sah ich die Vorhänge herabgelassen; man wollte nicht immer das Schauspiel der zum Schaffote abziehenden Karren mit Verurtheilten genießen, welche man durch die Straße St. Honoré führte.

Am Eingange des gefürchteten Hauses trat ein baumlanger Mann, in eine Carmagnole gekleidet, Holzschuhe an den Füßen, einen Cavaleriesäbel an der Seite, auf mich zu.

„Wen suchst Du, mein kleiner Bürger?“ fragte er eine Wolke von Tabaksrauch in die Luft blasend.

„Den Bürger Lebas,“ antwortete ich mit einer leicht zitternden Stimme.

Der Mensch betrachtete mich mit gerunzelter Stirne. „Lebas? Er ist bei Robespierre.“

„Eben deswegen will ich ihn sprechen.“

„Du hast ein Anliegen?“

„Ja.“

„Weißt Du nicht, daß Meldungen um Zutritt immer des Abends vorher abgegeben werden müssen?“

„Ich wußte es nicht, ich bin fremd und komme direct von Arras.“

„Von Arras? aus Robespierre’s Geburtsstadt?“

Dieser Ort schien eine Empfehlung für mich zu sein. Während der Unterredung traten nun die übrigen Mitglieder der Wache heran und ich sah mich von einem Kreise furchterweckenker Gestalten umgeben. Die Unsauberkeit, welche auf Allen lagerte, gab ihnen ein entsetzliches Ansehen.

„Ein guter Bürger?“ rief der Eine.

„Nicht doch. Es ist ein Muscadin.“

„Ha! ha! ha!“ lachte ein Dritter.

„Wahrhaftig! Puh! wie er nach Bisam riecht.“

Ich bemerkte zu meinem Schrecken, daß ich wirklich diesen Parfum an mir hatte.

„Bürger, für einen Patrioten ist Deine Uhrkette zu lang.“

„Dein Hut ist mit einer Schnur eingefaßt, ein Zeichen des Aristokraten.“

„Sein Hals ist gut für die Laterne.“

Die Gesellschaft wollte sich ausschütten vor Lachen über diesen Witz. Ich sah ein, daß ich nur durch die größte Entschiedenheit aus diesem Feuerkreise und zu meinem Zwecke komme könne. Rasch griff ich in die Tasche und zog meine Sicherheitskarte hervor, die mir Herr Brotteau besorgt hatte.

„Ich verbitte mir nun ernstlich diese schlechten Späße!“ rief ich. „Auch im Scherz Aristokrat genannt zu werden, ist eine Beleidigung. Willst Du, Bürger, meine Karte prüfen, dann wirst Du sehen, daß ich unverdächtig bin, und so frage ich Dich zum letzten Male, wo ist der Bürger Lebas?“

Der Riese warf einen Blick auf die Karte, deren Stempel ihm bekannt war, und ging damit in das Haus. Glücklicker Weise kam er bald zurück und brachte mir die erfreuliche Nachricht: Lebas wolle mich sogleich sprechen. Ich erhielt die Erlaubniß in das Haus zu gehen. So war ich denn innerhalb der Mauern, aus denen so viel Jammer, Angst und Verzweiflung über Millionen hervorbrach! Ich will nicht in Abrede stellen, daß ich meine Seele Gott empfahl und im Stillen den Entschluß bereute. [90] Freier athmete ich jedoch, als Lebas die Flurtreppe herab und mir entgegen kam. Sein edles Gesicht, seine Freundlichkeit zerstreuten die Besorgnisse.

„Mesnart,“ rief er, „Du hier – bei uns? Ah, das freut mich! Worin kann ich dienen? Willst Du einen Posten, etwa beim Lieferungswesen? Gut, Du sollst ihn haben; o, Du bist ehrlicher Bürger Sohn. Wir müssen solche Leute haben, Unterschleife sind den Patrioten ein Gräuel. Erst vorgestern haben wir zwei Betrüger unter die Guillotine befördert. Sie müssen Alle sterben.“

Er hielt mir seine Hand hin, ich schauderte zusammen. Immer Blut – immer das Eisen des Fallbeils! Ich mußte mich kurz fassen, zog Lebas in eine Ecke und theilte ihm schnell den Zweck meiner Anwesenheit in Paris mit.

Er schlug die Augen empor – sie blickten ernst. Bevor er zu sprechen begann, sah er mich lange scharf an. „Anatole,“ sagte er mit halber Stimme, „man merkt, daß Du lange nicht in Paris warst. Weißt Du, was es sagen will, zwei Menschen unter dem Messer der Guillotine hervorzuziehen? Du kennst ihre Vergehen gegen die Nation nicht.“

„Aber Lebas – ein Weib, ein schuldloser sechzehnjähriger Schüler des Collège!“

„Schuldlos? Die Republik ist gefährdet; wer in diesem Augenblicke nur einen Schimmer von Schuld auf sich zieht, muß vernichtet werden. Ich gebe zu, daß vielleicht Mancher unschuldig leidet, aber das kümmert uns nicht. Besser Tausend geopfert, als Millionen in’s Elend gestürzt!“

Lebas’ Aussehen veränderte sich auffallend; seine Züge nahmen einen wilden Ausdruck an, seine Gesticulationen waren heftig und drohend.

„Wenn nun aber,“ warf ich ein, „ein Unschuldiger gerettet werden kann? Wenn es sich herausstellt, daß ein Franzose, ein Bürger nur durch Umstände verdächtigt wurde? Ist es nicht Pflicht, ein Leben zu retten, nicht Pflicht, dem Staate einen Bürger zu erhalten? Lebas – gedenke Deines Weibes, Deiner Mutter – gedenke des Wechsels im Leben. Vielleicht erbarmt sich auch einst ein Mitleidiger Deines jungen Kindes, das jetzt an der Brust Deiner Gattin ruht – vielleicht bist in wenigen Tagen auch Du nicht mehr. Lebas, die Tage rauschen jetzt an uns vorüber wie Stunden, der Sturmwind der Revolution treibt sie, und Danton hat gerufen: ,Meine Feinde werden mich nicht lange überleben!‘“

Lebas senkte sein Haupt. Er drückte mir die Hand, und sein Mund verzog sich zu schmerzlichem Lächeln. „Was kommen soll – komme. Wir sind einig mit uns,“ sagte er. „Deine Schützlinge betreffend – ich will Alles versuchen; Du mußt Robespierre sprechen. Saint Just ist gerade bei ihm, sie haben die Nacht gearbeitet. Warte, bis Robespierre angekleidet ist, im Hofe da, bis ich Dich rufen lasse. Dort oben auf der Galerie sitzt er und läßt sich frisiren; ist er fertig, kommst Du vor. Ich will nur erst die Listen durchsehen, um das Vergehen der Lepelletiers zu kennen, dann spreche ich mit Robespierre.“

Lebas ging. Ich trat voll ängstlicher Erwartung in den Hof. Auf demselben waren Breter, Zimmerbalken und dergleichen Vorräthe aufgestapelt. Ein Arbeiter sägte Breter auseinander. In der Ecke des Hofes befand sich ein kleiner Brunnen, Weinreben rankten sich an den Mauern empor, Tauben flogen umher, tiefe Stille, nur das Gelächter der Wachen und das Kreischen der Säge unterbrachen die Ruhe. Ich hatte mich an die Mauer gelehnt und meine Blicke auf die Person gerichtet, welche Lebas mir gezeigt. Es war Robespierre. Rings um das Haus lief eine Galerie. Auf diese öffneten sich die Zimmer des ersten Stockes, auch das Robespierre’s. Er ließ sich stets, wenn das Wetter günstig war, in der Galerie frisiren; so auch heute.

Er hatte einen Pudermantel umgehängt, neben ihm stand ein kleiner Sessel, auf demselben ein Teller mit Früchten, einigen Brodschnitten und einem kleinen Glase Wein. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, denn während des Frisirens las er Journale. Nicht weit von ihm ruhte ein ungeheuer großer Hund, eine Dogge. Sie führte den Namen Bronet und war Robespierre’s Liebling. Der Friseur trug eine Jacobinermütze, war aber sonst sehr sauber. Die Thür zu Robespierre’s Zimmer stand offen, zuweilen blickte der Lesende auf und schien die Frühlingsluft einzufangen.

Endlich empfahl sich der Friseur, und fast zu gleicher Zeit trat Lebas auf die Galerie. Mein Hals verlängerte sich, die Augen bohrten sich fest an den Beiden, mein Blut stockte. Jetzt ward mein Anliegen verhandelt. Ich konnte jedoch nur abgerissene Worte verstehen; ich sah, wie Robespierre heftig wurde, wie Lebas ebenfalls lebhaft gesticulirte, auf Papiere wies, die er in der Hand hielt; dann wandte Robespierre den Kopf gegen die Thür des Zimmers und sprach etwas. Es schien mir, als antworte eine Stimme aus dem Zimmer. Endlich stand er auf, ging in das Zimmer und warf die Thür hinter sich zu. Wenige Minuten später war Lebas bei mir. „Deine Sachen stehen so weit gut,“ sagte er hastig, „nur glaube ich nicht, daß Du Beide retten kannst. Die Frau schwerlich. Sie ist arg compromittirt. Ihr Wirth, ein Schneider, hat sie in das Verderben gebracht, denn er hat sie verleitet, Briefe an die Coblenzer Emigrirten in ihrem Zimmer aufzubewahren; indem er sich für einen Volksvertreter ausgab, hat er viele Bürger verleitet. Der junge Mann François hat Briefe verrätherischen Inhaltes zu einem gewissen Agenten der Coblenzer getragen, doch ist seine Schuld geringer, da er ohne Vorwissen gehandelt. Stelle Dich bei Robespierre, als wüßtest Du von nichts. Komm.“

Wir stiegen die Treppe hinauf. Wie ich in Robespierre’s Zimmer gekommen bin, weiß ich nicht zu sagen. Ehe ich meine Gedanken gesammelt hatte, stand ich dem Gefürchteten gegenüber. Nichts wirkte hier erschreckend auf die Sinne. Einfach weißgetünchte Wände, ein Bett aus Nußbaumholz, darüber eine Decke von weißem Damast mit rosa Blumen durchwirkt, ein Tisch mit Wachstuch bezogen, einige Binsenstühle – dies war des kleinen Zimmers Ausstattung. Links vom Eingange stand ein Bücherrepositorium, auf dessen Bretern viele Papiere, einige Bände und Zeitschriften lagen. Das Fenster ging auf das Dach hinaus; auf dem Fenster standen schöne, blühende Blumen in Töpfen, umschwirrt von Käfern, die in der Frühjahrssonne auf- und niederflogen. Am Tische saß ein Mann und las. Robespierre stand an dem Ende seines Bettes und stützte die rechte Hand auf die Lehne der Ruhestätte.

Die Leidenschaft, der Haß, welchen seine Gewaltmaßregeln gegen ihn aufstachelten, haben es vielfach versucht, die Erscheinung des Mannes, sein Gesicht, seine Stimme mit den blutigen Befehlen, die er ertheilte, in Einklang zu bringen, d. h. der Gefürchtete mußte auch das Aussehen einer Hyäne oder eines Tigers haben, seine Stimme mußte gleich dem Gekrächze des Raben tönen etc. Dies Alles ist nicht wahr. Robespierre’s Gesicht hatte im Gegentheil einen sanftmüthigen Ausdruck; seine Stirn war hoch und trug einige Falten, seine Augen, etwas verschleiert, waren feurig, wenn er sie aufschlug, die Nase, gut geformt, zeigte große Nüstern, die sich bewegten, wenn er sprach. Er war hager im Gesicht und eine elfenbeinfarbige Blässe überzog dasselbe; die Mundwinkel umspielte, wen er wohlwollend sprach, eine gewinnende Freundlichkeit, sonst lagen sie festgekniffen aufeinander. Er hatte besonders schöne Zähne und Haare. Seine Figur war schlank und wohlgebaut, seine Brust breit und die Stimme keineswegs kreischend, sondern nur in Momenten des Affectes scharf, sonst sanft, sogar schleppend. Er gesticulirte sehr wenig während des Sprechens. Seine Kleidung war äußerst sauber: ein hechtgrauer Frack mit blanken Knöpfen, eine buntgeblümte Weste, dunkle Beinkleider und Halbstiefeln. Ein sorgfältig gekräuseltes Jabot schloß sich an die schmale, schneeweiße Halsbinde.

„Anatole Mesnard, ich erkenne Dich wieder,“ das waren Robespierre’s erste Worte zu mir.

„Ich freue mich, Bürger Repräsentant, daß Du Dich meiner erinnerst.“

„Deine Familie ist mir wohlbekannt. Ihr seid lau, aber nicht feindlich. Man kann nicht von Jedem Selbstaufopferung erwarten; um so mehr wundere ich mich, wie Du zu dem Entschlusse gekommen bist, eine Bitte für die Vertächtigen zu wagen.“

„Eben weil ich der Selbstaufopferung fähig bin, Bürger Repräsentant.“

„Was heißt das?“ fragte Robespierre lauernd.

„Ich war mir bewußt, mein Leben auf’s Spiel zu setzen, indem ich ein Wort zu Gunsten meiner compromittirren Freunde wagte. Glaubst Du nicht, Bürger Repräsentant, daß es heutzutage ebensoviel Muth erfordert, für einen Verurtheilten bei Dir Gnade zu erflehen, als eine mit Kanonen besetzte Schanze zu stürmen, hinter welche sich die Feinde der Nation versteckt haben?“

Ein Blitz fuhr aus Robespierre’s Augen. „Das ist wahr,“ [91] sagte er phlegmatisch. „Leben und Freiheit sind in den Händen des Convents. Warum bedenken die Leichtfertigen das nicht? Der Convent ist die Stimme der Nation; sie schreit laut und gewaltig. Ich kann es nicht begreifen, daß so Viele sie nicht hören wollen. Noch unbegreiflicher sind mir Menschen, wie Deine Freunde. Wie – sehen sie denn nicht unser Leben? Schau um Dich, dies einfache Zimmer ist mein ganzes Reich; mein Tisch ist der meines Wirthes, eines Handwerkers, ich besitze keine Güter, keine Schätze; was Du hier erblickst, ist Alles, was ich mein nenne; kein Makel liegt auf meinem Leben und dem meiner Freunde – nun, geht doch hin und vergleicht damit die Orgien der Emigrirten in Coblenz; hört, mit welcher Verachtung selbst die fremden Truppen der Preußen von jenen vekommenen, erbärmlichen Franzosen sprechen, die eine Plage sind für das Land, wohin sie sich geflüchtet – hört es und dann sage mir: wie ist es möglich, daß sich französische Patrioten dazu hergeben können, solche Leute gegen die Nation zu unterstützen? Dieser Erbärmlickkeit haben sich Deine Freunde schuldig gemacht.“

Er setzte mir nun weitläufiger auseinander, was Lebas nur flüchtig erwähnt. Sein Ton wurde schneidend, als er sprach; er hielt die Augen fest auf mich geheftet und ich konnte meinen Blick nicht von ihm wenden; unwillkürlich dachte ich an jene Sagen von Bezauberung, durch welche das Opfer gebannt wird.

Lebas merkte, wie ich, der Fluth von Robespierre’s Worten unterliegend, immer wirrer und befangener ward. Er kam mir zu Hülfe. „Maximilian,“ sagte er, sanft den Arm des Sprechenden berührend, „hör’ auf, Dich zu ereifern. Die Leute sind so vieler Worte nicht werth.“

„Nein, beim Heile der Nation, sie sind es nicht!“ schrie Robespierre, „und bist Du es denn werth,“ rief er mir zu, „daß ich so viele Zeit verschwende, so Vielerlei in den Wind rede? Wenn Du es nicht schon längst begriffen hast, daß sie schuldig sind, so bist Du ein schlechter Bürger, ein Verdächtiger!“

Die Sache wurde gefährlich. Lebas parirte den Stoß.

„Maximilian, gehe nicht zu weit,“ sagte er, „ich habe Dir schon auseinandergesetzt, warum unser Freund Mesnard also handelte. Du selbst hast zugegeben, daß es gefährlicher ist, eine Bitte für Compromittirte zu wagen, als sich auf die Feinde zu stürzen – nun denn, verdient dieser Muth unsers Freundes nicht eine Belohnung? Wir haben keine äußerlichen Ehrenzeichen, belohne die republikanische Aufopferung Anatole’s, die den Tod nicht scheute, durch einen Befehl zur Freilassung der Gefangenen. Anatole kehrt nach Arras zurück – soll er voll Jammer, mit Seufzen, tagtäglich an Deinem Geburtshause vorübergehen, weil Du ihm die Freilassung eines Weibes und eines armen, verleiteten, verblendeten Jungen abgeschlagen? ihm, der sein Haupt gewagt hat? François Lepelletier und seine Schwägerin sind wohl der Gnade des Convents zu empfehlen; lasse sie zurückkehren in ihre, in Deine Vaterstadt, lasse sie einziehen als freie Bürger in jene Mauern, aus denen Du zur Rettung der Nation gekommen bist.“

Robespierre dachte einen Augenblick nach; dann warf er Lebas einen ernsten Blick zu und ging an den Tisch. „Danke dem Geschicke,“ sagte er zu mir, „daß Du aus Arras kommst und Lebas zum Freunde hast.“

Er ergriff ein gestempeltes Papier und tauchte die Feder ein. Ich begann leichter zu athmen. Plötzlich erhob sich der bis zu diesem Augenblicke eifrig lesende Mann. Es war St. Just. Nie habe ich eine interessantere männliche Schönheit gesehen. So viel Sanftmuth, gepaart mit so vieler Energie, zeigten wenig Gesichter. St. Just war damals sechsundzwanzig Jahre alt. Er hatte das Aussehen eines Märtyrers; solchen Ernst, solche Schönheit hatten die alten Maler ihren Helden aufgedrückt, wenn sie deren Ende am Marterpfahl, den Tod zur Ehre des Glaubens, darstellten. Dennoch war dieser schöne Mann der Furchtbarste von Allen, und mein Haar sträubte sich, als er mit fast tonloser Stimme sagte: „Halt, keine Uebereilung! Der Knabe – ja. Es mag drum sein. Das Weib – nimmermehr.“

Marion Lepelletier war verloren.

„Wie, Du meinst, Antoine, ich dürfe es nicht?“ fragte Robespierre.

„Du darfst es nicht,“ sagte Saint Just fest. „Weiber sind die Schlimmsten. Diese hier hat mit voller Ueberlegung gehandelt. Soll es heißen, die Leute von Arras machen eine Ausnahme vor dem Gesetze? Obenein ist das Weib geborne Aristokratin, die mit ihrem patriotischen Gatten nicht zusammenleben konnte. Solch Geschmeiß wollt Ihr retten? Lebas, willst Du die Verantwortung übernehmen?“

Saint Just war schrecklich anzusehen, seine grauenhafte Schönheit imponirte so gewaltig, daß mir Bitte oder Entgegnung in der Kehle stecken blieben. Lebas zuckte die Achseln und schwieg. Robespierre schrieb einige Zeilen; während des Schreibens sagte er: „Genug der Reden. Das Weib stirbt.“

Saint Just las wieder in seinem Journale. Lebas winkte mir zu und ich schloß meinen Schmerz in meine Brust. Robespierre gab das Papier an Lebas. „Laß dies durch Simon in den Luxembourg tragen. Der junge Mensch wird frei sein. Möge er sich eine Erinnerung bewahren. Man kommt nicht zwei Mal so glücklich davon, wenn man sich an dem Vaterlande versündigt.“

Ich stammelte mit thränenden Augen meinen Dank. Robespierre reichte mir die Hand. „Grüße mir Arras, Bürger Mesnard, und Deine Eltern. Seid nicht nachlässig in Eueren Pflichten. Nun guten Morgen. Du hast mich lange genug aufgehalten.“

Lebas gab mir einen Wink. Die Thür von Robespierre’s Zimmer schloß sich bald hinter uns. Leichter, gewürziger, balsamischer kam mir die Luft vor, freier und hochgewölbter der Himmel, strahlender die Sonne. Hatte ich doch wenigstens ein Menschenleben gerettet, und die Höhle des Löwen, Robespierre’s Zimmer, lag glücklich hinter mir!

„Danke dem Himmel,“ sagte Lebas, „daß Du Einen losgebeten hast. Die Frau, ich wußte es gleich, sie war nicht zu retten.“

Noch an demselben Nachmittage verließ ich um vier Uhr mit meinem Schützlinge Paris. Am folgenden Morgen um sechs Uhr lag er in den Armen seiner Mutter. Die Freude der Mutter, der Jubel meiner Eltern, lassen sich nicht beschreiben; sie wurden nur schmerzlich getrübt durch Marion’s furchtbares Loos. Sie endete am 18. April unter der Guillotine, ebenso ihr Hauswirth, der Schneider. An demselben Tage starben noch einundzwanzig Verurtheilte durch das Fallbeil.

Drei Monate später hatten Robespierre und Saint Just aufgehört die Welt in Schrecken zu setzen. Auch diese Lieblingskinder hatte die Revolution gefressen. Mein armer Lebas erschoß sich. Seine liebenswürdige Frau aber lebt noch heute; sie wird von Vielen unterstützt, und ich habe oft mit ihr jene für mich bedeutungsvollen Stunden einer schreckensvollen Zeit besprochen.