Jagd-Romantik in Nordafrika

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Autor: Heinrich Freiherr von Maltzan
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Titel: Jagd-Romantik in Nordafrika
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 10 und 11, S. 156–160 und 175–177
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
s. auch „Der Panther-Jäger Bombonnel“ (1858)
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[156]
Jagd-Romantik in Nordafrika.
Von Heinrich Freiherrn von Maltzan.
Haarsträubende Jagdlügen. – Ungefährlichkeit der Schakals und Hyänen. – Löwenjagd-Schwindel. – Löwenjagd der Araberstämme. – Jagd im Silo. – Gérard. – Charakteristik des algierischen Panthers. – Das Schinden seiner Schlachtopfer. – Sein Einbrechen in die Dörfer. – Bonbonnel. – Humoristischer Ausgang einer sogenannten Pantherjagd.


„Erzählen Sie uns etwas von Ihren Jagden in Afrika!“ Wie oft erging nicht diese Aufforderung an mich! Nun liebe ich allerdings auch das edle Waidwerk und habe ihm oft obgelegen. Aber ich merkte gleich, daß meine Zuhörer etwas ganz Anderes von mir verlangten, als ich ihnen auftischen konnte. Sie wollten haarsträubende Mordgeschichten hören, Schilderungen von blutigen Kämpfen mit den Riesen der Thierwelt, von Kämpfen, in denen mein Leben wo möglich immer nur an einem Faden, und noch dazu an einem sehr dünnen Faden, gehangen hätte. Da ich ihnen dergleichen pikante Gerichte nicht zu bieten vermochte, so rettete ich mich gewöhnlich in’s Stillschweigen; aber wenn sie mir gar zu arg zusetzten und ich durchaus erzählen sollte, so mußte ich damit anfangen, ihre nun auf’s Gräßliche gerichteten überspannten Erwartungen vorerst durch einen kleinen geographischen Excurs zu ernüchtern, indem ich ihnen auseinandersetzte, daß „Afrika“ ein sehr weiter Begriff sei, daß der Erdtheil sehr verschiedenartige Jagdgebiete aufweise und daß es ungerecht sei, von einem Reisenden, der in Algerien, Marokko, Tunesien und der Sahara gereist, zu verlangen, daß er in diesen Ländern Elephanten umgebracht haben solle. Zu Strabo’s Zeit war das vielleicht noch möglich. Damals soll es in Marokko noch Elephanten gegeben haben und zwar sehr kluge Elephanten, die sogar die Sonne anbeteten und deren Aufgang mit ausdrucksvollen Pantomimen begrüßten. Aber diese Elephanten waren wahrscheinlich „zu klug, um lange zu leben“, und zu philosophisch, um daran zu denken, Nachkommenschaft zu hinterlassen. Heut zu Tage sind sie ganz ausgestorben und nördlich von der Sahara giebt es keinen einzigen, ebensowenig wie Rhinocerosse, Giraffen und andere kolossale Bestien, deren massenhafte Tödtung man Jedem zumuthet, der im Geruch steht, in „Afrika“ gewesen zu sein.

In der Sahara und den Ländern nördlich von ihr giebt es von solcherlei „Hochwild“, wie es die Aufregung liebende Phantasie verlangt, nur Löwen und Panther; Hyänen und Schakals sind nicht der Rede werth. Sehr oft freilich begegnete ich der Anschauung, als ob auch diese Thiere höchst gefährliche Bestien seien. Aber diese Anschauung entstammt aus den Menagerien, wo die Thiere, den Tag über ausgehungert, am Abend ihr Fressen unter Schlägen und Stößen mit eisernen Stangen bekommen, wobei sie denn allerdings eine gewisse Wildheit entwickeln und haarsträubende Töne von sich geben, die manchen Menageriebesucher die angenehme Aufregung unschädlicher Schauderscenen empfinden lassen. Aber in der Freiheit sind beide Thiergattungen höchst unschuldig. Die Menge der Schakals in Nordafrika spottet aller Zahlen. Trotz dieser Unzahl habe ich jedoch nie vernommen, daß eines dieser Thiere einem Menschen etwas zu Leide gethan hätte. Selbst der angeschossene Schakal wendet sich nicht gegen seine Verwunder, sondern entflieht feige in die Steppe. Wer das Todtschießen massenhaft zusammengetriebener Thiere aus sicherem Hinterhalte Jagd nennt, der kann sich dieses Vergnügen in den Abdeckereien jeder algierischen Stadt allabendlich verschaffen. Der Geruch der Abdeckerei genügt dort, um die Thiere zusammenzutreiben; einer andern Triebfeder bedarf es nicht.

Aehnlich ist’s mit der „Entweiherin der Grüfte“, der Hyäne. In Friedhöfen kann man ihr ohne alle Gefahr auflauern und sie todtschießen, wenn man sein Schießgewehr entehren will. Der Araber hält es nämlich für Schändung einer edlen Waffe, wie Flinte oder Säbel, wenn damit einer Hyäne der Garaus gemacht wird. Die Hyäne ist nur des Knüttels würdig. Die Araber, die diesen häßlichen Thieren auf ihren Jagdzügen begegnen, schlagen sie mit ihren Knotenstöcken todt. Keiner aber denkt daran, auf eine „Hyänenjagd“ eigens auszugehen. Auch die Europäer, die nach Algerien kommen, verlieren bald ihre anfängliche Lust, Schakals und Hyänen zu jagen, wenn sie sehen, wie feige diese Thiere sind und daß es weder Jagdruhm, noch einen eßbaren Braten einträgt, sie zu erlegen.

Anders ist es mit den zwei zuerst genannten Thieren. Löwen und Panther, das sind die einzigen größeren Raubthiere, die es noch in Nordafrika giebt. Diese Jagd ist also die einzige, die dem dortigen Reisenden lebhafte, oft freilich allzu lebhafte Aufregungen bereiten kann. In Europa indessen macht man sich recht seltsame Begriffe über diese Jagd. Namentlich scheint man der [157] Meinung zu sein, als seien in Algerien die Löwen so gemein wie bei uns die Hasen. Wurde ich doch einmal gefragt: „Wie viel Löwen haben Sie per Tag geschossen?“ Und wenn ich ihnen dann der Wahrheit gemäß antwortete: „Keinen einzigen,“ so folgte unabänderlich der Satz: „Ach, Sie sind also kein Jäger!“

Ich hätte freilich es machen können wie so Viele, die den Löwen nur in ihren Jagdgeschichten erlegen und glauben, dessen blutigen Tod erfinden zu müssen, um ihre Ehre Denjenigen gegenüber zu retten, welche wußten, daß sie in der Absicht nach Afrika gekommen waren, um daselbst „Löwen zu jagen“, oder welche vielleicht gehört haben, daß sie wirklich an einer sogenannten „Löwenjagd“ theilgenommen.

„Die Löwenjagd“, das ist das große Wort unter den europäischen Touristen und Bummlern in Nordafrika. Diese Herren kommen gewöhnlich mit den kriegerischsten Plänen nach Algier. Sie scheinen von Wuth entbrannt gegen den Löwen zu sein und ruhen nicht, bis sie eine sogenannte „Löwenjagd“ veranstaltet haben. Auch finden sie gewöhnlich einige geldgierige Araber oder Franzosen untersten Standes, die für baare Bezahlung eine solche Jagd in Scene setzen. Sind die Fremden hohe Personen, mit guten officiellen Empfehlungen versehen, so kommt es wohl auch vor, daß irgend ein Gouverneur oder Präfect ihnen zum Spaß eine solche Jagd improvisirt. Bei dieser Art von ostentativer Jagd ist der Löwe ganz Nebensache. Man erkundigt sich nicht einmal, ob einer in der Nähe.

Löwen giebt es bekanntlich, selbst in Algerien, das von ganz Nordafrika doch noch am reichsten damit bedacht ist, nicht viele. Gérard, der erste berühmte Löwenjäger, schlug ihre Zahl auf etwa hundertzwanzig an. Das war vor zwanzig Jahren. Seitdem sind sie noch seltener geworden. Ein Löwe ist also nicht alle Tage und nicht so leicht zu finden. Aber das stört die nach Löwenblut lechzenden Sonntagsjäger gar nicht. Ihre Lohnbedienten haben ihnen einmal eine „Löwenjagd“ versprochen, und auf die Löwenjagd gehen sie.

Diese Paradejagd wird meist bei Tage und zu Pferde in’s Werk gesetzt. Daß der Löwe bei Tage schläft und daß ihn die Nähe vieler Pferde und Reiter wegscheucht, das kümmert die Herren auch nicht. Hoch zu Roß, in malerischem Reitercostüm, mit Büchsen und Revolvern bewaffnet, nicht selten auch den blanken Säbel in der Rechten schwingend, ziehen sie unter Lärm und belebten Gesprächen im Triumph aus Algier oder Oran aus, oder wie sonst die Stadt heißt, die sie zur Zeugin ihres Ruhmes ersehen haben. Dann reiten sie einen ganzen Vormittag über Feld, Steppe und Wald und „suchen den Löwen“. Gewöhnlich haben die Lohnbedienten am Eingange eines Gehölzes einen Araber aufgestellt, der auf Anfrage die Mittheilung macht, „der Löwe sei dort“. Die tollkühne Schaar dringt dann in’s Gehölz ein. Aber leider ist der Löwe soeben aufgebrochen. Man findet zwar seine Ruhestätte, die oft, wie die Lohnbedienten versichern, „noch warm ist“; man entdeckt einige Knöllchen von seiner „Losung“, die der Tourist nicht selten aufhebt und als kostbare Reliquie mit nach Hause bringt, d. h. wenn er nicht erkennt, daß die fragliche „Losung“ aus dem Darm eines ganz andern Thieres stammt; man reitet wild und unstät in allen Richtungen umher und „sucht“ immer noch nach „dem Löwen“. Endlich bricht die Nacht herein, man kehrt nach Hause zurück und feiert ein Siegesmahl. Denn nicht selten kommt es vor, daß ein Reiter in der Lebhaftigkeit seiner Einbildungskraft den Löwen von fern zu sehen glaubt, auf ihn feuert und sich später einbildet, ihn angeschossen zu haben. Ohne Zweifel ist der angeschossene in einen Abgrund gestürzt und dort verendet. Ein Löwe ist also doch getödtet worden! Ueber die Abwesenheit seiner Haut tröstet man sich. Hier und da treibt man auch die Selbsttäuschung oder den Schwindel so weit, daß man einen Araber die ganze Nacht lang den Busch durchstöbern läßt, um nach dem Körper zu suchen. Aber noch nie ist ein solcher Körper gefunden worden.

Dies die ostentative „Löwenjagd“, wie sie der gewöhnliche Schlag jagdlustiger Touristen mitmacht und dann zu Hause als eine Heldenthat schildert. Einer solchen wohnte ich selbst einmal des Scherzes halber bei, einer „Löwenjagd“, die vom alten Marschall Pelissier zu Ehren eines Sohnes des englischen Gesandten in Paris arrangirt worden war.

Aber es giebt noch andere, weniger marktschreierische und etwas ergiebigere Arten der Löwenjagd. Die gefährlichste ist vielleicht die, wenn ein ganzer Araberstamm, zu Fuß und schlechtbewaffnet (denn alle Araber sind nach unseren Begriffen schlecht bewaffnet), es unternimmt gegen einen Löwen auszuziehen, der sein Vieh zerfleischt und der, wenn man ihn sein Handwerk lange ungestört treiben ließe, die Anwohner an den Bettelstab bringen würde. Nur in äußerster Noth, ja in Verzweiflung entschließt sich ein Stamm hierzu, aber der Entschluß ist nöthig, denn der Löwe, der in der Nähe eines Stammes haust, richtet einen Schaden an, der auf zehn Procent des Eigenthums monatlich angeschlagen wird. Da den Arabern die Zuversicht fehlt, welche der Besitz einer guten Waffe gewährt, so suchen sie in der großen Ueberzahl der Jäger ein Aequivalent, als Schutzmittel für den einzelnen, ein trügliches Schutzmittel freilich, denn der angeschossene Löwe fürchtet eine selbst noch so große Menschenmenge nicht. Eins nur erreichen sie durch ihre Massenbetheiligung an der Jagd, das nämlich, daß sie den Löwen unfehlbar aus seinem Versteck treiben und daß er sich ihnen, selbst bei Tage, stellen muß; denn die arabischen Treiber kennen alle Schlupfwinkel des Löwen und verstehen es, ihn zum Verlassen derselben zu zwingen. Ist der Löwe nun hervorgetrieben, so feuern die Araber in blinder Ungeduld ihre schlechten Feuersteingewehre auf ihn ab. Viele dieser Gewehre versagen; die, welche losgehen, richten gewöhnlich nur noch größeres Unheil an, denn die Araber zielen schlecht. Ein vierfüßiges Thier im Lauf, einen Vogel in der Luft zu schießen, gilt vielen von ihnen fast wie ein Hexenstück. Selbst wenn sie daher dem Löwen auch ganz nahe sind, verfehlen sie doch fast immer diejenigen Stellen seines Körpers, an denen allein die Wunden tödtlich sind. Ohnehin vermögen ihre Kugeln (die nicht Explosionskugeln sind, wie die, welche die französischen Löwenjäger haben) selbst im günstigsten Falle nicht, den Löwen, auf der Stelle zu tödten. Sie schießen ihn nur an und machen ihn wüthend; dann fällt das wuthschäumende Raubthier über die nächsten besten Araber her, zerfleischt die Einen, verwundet die Anderen, kurz, richtet eine solche Verwüstung an, daß man oft zwanzig menschliche Opfer einer einzigen Löwenjagd gezählt hat. Allerdings gelingt gewöhnlich die Tödtung des Löwen, indem die einen Araber das Raubthier, während es beschäftigt ist, die anderen zu zerfleischen, von rückwärts überfallen, es massenhaft beschießen, mit ihren Säbeln und Jatagans verwunden, bis es zuletzt, wenn auch keine einzige Wunde unmittelbar tödtlich war, doch von Blutverlust entkräftet darniedersinkt. Aber bis zum Augenblick seines Todes schlachtet es noch menschliche Opfer.

Das Resultat ist dann erzielt, der Löwe ist todt und der Stamm kann sich wieder des Besitzes seiner Herden freuen. Aber mit welchen Opfern ward dieser Zweck erreicht! Man kann sich denken, daß die Araber sich nur im äußersten Fall hierzu entschlossen. Sie hatten zwar noch eine andere ungefährlichere Art, den Löwen zu jagen; das war die sogenannte „Jagd im Silo“. Der „Silo“ ist eine halb unterirdische, halb oberirdische Erdhütte, in niedriger Kuppelform erbaut, nur durch eine sehr enge Thür zugänglich und mit Schießscharten versehen. Diese Jagd findet stets, wie überhaupt jede von verständigen Menschen unternommene Löwenjagd, bei Nacht statt. Vor der Hütte wird eine Ziege angebunden, in der Hütte verstecken sich die Schützen; einer derselben hat ein Zicklein, das er durch Mißhandlung zum Schreien bringt. Auf das Geschrei des Zickleins antwortet die Mutter, und ihre Stimme lockt in den meisten Fällen den bei Nacht auf Beute ausgehenden Löwen herbei. Ist dieser mit dem Verzehren der Ziege beschäftigt, dann erfolgen gewöhnlich einige Schüsse der Araber, von denen ihn im besten Falle einer tödtlich verwunden, aber nie auf der Stelle tödten kann, da hierzu eine Explosionskugel gehört; in den meisten Fällen jedoch wird das Raubthier nur verwundet, oft sehr oberflächlich, nicht selten wird es ganz gefehlt. Bei den schlechten Waffen der Araber hat also diese Art der Jagd meist so geringe Resultate, daß sie sich genöthigt sehen, dennoch von Zeit zu Zeit noch zu der anderen gefährlicheren ihre Zuflucht zu nehmen.

So traurig sah es in Algerien mit dem Erfolg der Löwenjagd bis noch vor etwa vierundzwanzig Jahren aus, als zuerst der kühne Jäger Gérard eine ganz neue und tollkühne Verfahrungsweise einschlug und zwar mit überraschendem Erfolg. Gérard’s Art hatte einige Aehnlichkeit mit der eben beschriebenen „Jagd im Silo“. Nur verschmähte der tollkühne Nimrod die Sicherheit, welche ihm die Erdhütte bieten konnte, und zwar wegen [158] jenes großen Nachtheils dieser Jagdweise, der darin besteht, daß er den Jäger fast zur Unbeweglichkeit zwingt und es ihm unmöglich macht, die verschiedenen Bewegungen des Raubthiers zu verfolgen. Auch giebt es alte Löwen, die schon so gewitzigt sind, und nicht mehr in die Nähe eines Silo kommen. Gérard nahm also seinen Standpunkt im Freien, dort erwartete er den durch den Ziegenschrei herbeigelockten Löwen. Seine gute Waffe und große Schützenfertigkeit verlieh ihm eine ganz andere Zuversicht, als sie die Araber je haben konnten. Nicht nur war er seines Schusses gewiß, wenn er nur den Löwen recht zu Gesicht bekam, sondern er konnte auch hoffen, ihn augenblicklich zu tödten. Er war nämlich im Besitz der sogenannten „Balle Decisme“, einer Explosionskugel, die eigens für solche Fälle von dem Pariser Büchsenmacher, dessen Namen sie führt, erfunden worden war. Diese Erfindung war nothwendig geworden, da man beobachtet hatte, daß selbst der tödtlich getroffene, aber durch eine gewöhnliche Kugel verwundete Löwe nicht auf der Stelle stirbt, sondern in den meisten Fällen noch eine halbe, oft eine ganze Minute lebt und die Kraft behält, um auf seinen Verwunder loszuspringen, auf dessen Körper er dann freilich bald verendet, aber nicht ohne ihn fürchterlich zerfleischt oder selbst getödtet zu haben. Die Bewegungen des Löwen sind nämlich sehr rasch; seine Sprünge namentlich, die er oft auf sechszig Fuß Entfernung macht, erfolgen mit Blitzesschnelle. Der Jäger darf ihn aber nicht aus größerer Entfernung schießen, denn die Jagd findet bei Nacht und oft bei schlechter Mondbeleuchtung statt. Aus so großer Nähe hat Gérard fast alle die von ihm erlegten Löwen geschossen. Der tollkühne Nimrod dachte dabei, wie er selbst erzählt: „Der Löwe oder ich!“ Jedesmal wagte er sein eignes Leben, denn ein Fehlschuß, und hier war selbst ein Schuß, der ein anderes Thier tödten konnte, oft ein Fehlschuß, kann selbst dem erprobtesten Schützen vorkommen.

Auf diese lebenverachtende Weise jagte Gérard und erlegte während seiner langen Jägerlaufbahn etliche zwanzig Löwen, die größte Zahl, die bis jetzt überhaupt ein Löwenjäger in Nordafrika geschossen, eine Zahl freilich, die den überspannten Begriffen der Liebhaber haarsträubender Jagdgeschichten sehr erbärmlich vorkommen mag. Aber den Arabern kam sie nicht erbärmlich vor. Zwanzig Löwen weniger waren ein solcher Gewinn, daß sie Gérard nicht genug danken konnten dafür, daß er sie von dem Verwüster ihrer Herden befreit hatte. Sie verehrten ihn fast wie ein übernatürliches Wesen, einmal seines Muthes, den sie nur einer göttlichen Inspiration zuschrieben, dann seiner nie ihr Ziel verfehlenden Waffen wegen, deren überraschende Eigenschaften sie natürlich mit ihm selbst in Verbindung brachten und für einen wunderwirkenden Kraftausfluß dieses außerordentlichen Mannes hielten.

Diese Art der Löwenjagd, wie sie Gérard betrieb, fand freilich unter den Jagdrenommisten keine Nachahmer, am allerwenigsten unter den die Jagd nur so nebenbei und zwar lediglich der interessanten Reiseeindrücke halber betreibenden Touristen. Wenn diese Herren auch noch so sehr nach Löwenblut dürsten und gewaltsame Aufregungen erstreben, so halten sie es doch für sicherer, das Bestehen von Lebensgefahren lediglich in ihren Erzählungen abzumachen. Den anderen Sterblichen, die nicht aus dem Renommiren und Erzählen von nie erlebten Jagdabenteuern ein Geschäft machen, wollen wir es freilich nicht verübeln, wenn sie Anstand nehmen, ihre Haut à la Gérard zu Markte zu tragen. Gérard hat in Wirklichkeit bis jetzt nur zwei Nachahmer gefunden, welche dieses Namens werth waren. Der Eine war Chassaing, ein Löwenjäger, der noch lebt und alljährlich die arabischen Stämme von einigen jener unangenehmen Gäste befreit; den Anderen, den vielleicht noch muthigeren und alle Löwenjäger an Todesverachtung überragenden Sohn der Alpen des Dauphiné, Bonbonnel, können wir freilich nur insofern einen Nachfolger Gérard’s nennen, als er dessen Jagdmethode befolgt, wiewohl er ein anderes Raubthier zu seiner Beute ersehen hat.

Dieses Raubthier ist der Panther, ein in Wirklichkeit nicht minder gefährliches Thier als der Löwe, dessen Jagd ganz dieselben „Aufregungen“ bereiten kann, wie jene, obwohl es in Europa lange nicht so viel Effect macht, wenn man sich „Pantherjäger“ nennt, als wenn man vorgiebt, „Löwentödter“ zu sein. Der Panther steht bei dem europäischen Publicum offenbar in Ungnade. Man stellt sich darunter ein kleines unscheinbares Thier vor, nicht viel besser, als eine wilde Katze, und man denkt deshalb von der Pantherjagd mit entsprechender Geringschätzung. Wie oft ist mir nicht geschehen, daß, wenn die Leute mich fragten: „haben Sie Löwen gejagt?“ und ich ihnen antwortete: „nein, aber Panther,“ sie sich mit einer geringschätzigen Pantomime von mir wendeten, als wollten sie sagen: „Wenn’s weiter nichts ist!“

Daß ein Panther ein ebenso kräftiges, oft selbst ebenso großes Thier sein kann, wie mancher Löwe, ahnen unsere Hasenjäger freilich nicht. Was sie von dem Thierreich wissen, stammt aus veralteten Schulbüchern, von Leuten geschrieben, die nie ein Raubthier, außer allenfalls in Menagerien, gesehen haben. Die Panther in den Menagerien sind allerdings manchmal recht klägliche Exemplare. Zudem hat gerade der Panther viele Abarten und Spielarten, sehr verschieden an Kraft und Größe, von denen nur die kleineren und schwächeren in unseren Menagerien zu figuriren pflegen.

Einen algierischen ausgewachsenen Panther hat man noch nie lebendig gefangen, und doch ist gerade der algierische Panther sehenswerth. Er ist der König dieser Thiergattung, die weit mehr Mannigfaltigkeit aufweist, als die Löwen- und Tigerarten. Er ist größer, kräftiger, schöner und, wie man sagt, auch listiger, als der asiatische und südamerikanische Panther. Ein algierischer Panther wiegt oft zwischen zwei- und dreihundert Pfund, zuweilen noch mehr, und dennoch bewegt er sich mit einer Leichtigkeit, die kaum glaublich ist. Trotz dieses großen Körpergewichts macht er Sprünge von dreißig bis vierzig Fuß mit einer Elasticität der Sprungkraft, wie sie kein gleich großes anderes Thier besitzt. Bonbonnel, der einmal das Unglück hatte, von einem angeschossenen Panther niedergeworfen zu werden, vergleicht das auf den Jäger springende Raubthier mit einer Locomotive, die, aus dem Geleise gebracht, auf einen Menschen fallen würde. Dabei ist der Panther ganz ebenso blutdürstig wie der Löwe. Seine Instincte sind sogar noch ein gut Theil grausamer, denn der Löwe zerfleischt gewöhnlich nur das eine Thier, das er fressen will. Der Panther dagegen findet im Morden selbst seine Lust und, wenn auch nur ein einziges Thier seinen Fraß bildet, so fallen doch immer viele in jeder von ihm überrumpelten Heerde seinen mörderischen Klauen zum Opfer. Es ist, als sei er zum Henkeramte wie abgerichtet. Ein Griff seiner Tatzen an den Hals des Thieres und dieses ist todt. Oft gehen die Thiere nur mit einer einzigen Wunde aus den Klauen des Panthers hervor, aber diese Wunde ist tödtlich. Wie ein rothes Halsband umgiebt die tödtliche Wunde den Hals des erwürgten Thieres. Dieses Halsband ist das sicherste Zeichen, daß ein Panther und nicht etwa ein anderes Thier der Erwürger war; denn der Panther weiß seine Sprünge, oft aus großer Entfernung, stets so einzurichten, daß seine Tatzen beim Ueberfall sich zuerst um den Hals des Opfers legen. Namentlich im Schinden anderer Thiere besitzt er eine Fertigkeit, die den Neid eines erfahrenen Schlächters erregen könnte. Einmal zeigte man mir den Leichnam einer Ziege, die eine Stunde vorher von einem Panther überfallen worden war. Man hatte das Raubthier gestört, noch ehe es Zeit gehabt, die Ziege zu verzehren. Kaum eine Minute hatte es die Ziege in seiner Gewalt gehabt, aber diese Minute hatte ihm genügt, um der armen Meckerin das Fell vollkommen vom Körper zu ziehen und zwar so geschickt, daß das Fell unzerrissen und der hautlose Körper unverletzt war. Ein Schlächter, der das Fell verkaufen wollte, hätte es nicht geschickter machen können.

Da der Panther eine größere Zahl ist, als der Löwen, und da dieses Thier nicht nur einen ebenso starken Appetit entwickelt, wie der König der Thiere, sondern auch noch im zwecklosen Zerreißen vieler Opfer seine Lust findet, so ist der Schaden, den es den Arabern an ihrem Viehstand anrichtet, ein ganz ungeheurer. Dennoch wagen sich die Araber nur in den allerseltensten Ausnahmefällen an die Pantherjagd. Das Thier ist dem Löwen an List überlegen. Er merkt die Nähe des Menschen viel eher und weiß ihr zu entgehen. Eine Massenbetheiligung an der Pantherjagd ist deshalb ganz unmöglich. Der Panther, den man auf die oben beschriebene Art bei Tage jagen, aus seinem Versteck aufstören und „treiben“ wollte, macht alle List und Berechnung des Aufspürens zu Schanden. Er ist nur bei Nacht und nur vom einzelnen Jäger zu jagen.

Nur wenn der Panther sehr hungrig ist, wagt er sich in die Nähe der Menschen. Dann fällt er selbst in Dörfer ein, sogar in europäische Colonistendörfer, was für ihn ganz andere Gefahren [159] im Gefolge hat, als sein Einbruch in die Umfriedigung einer arabischen Zeltgenossenschaft. In solchen Umfriedigungen bleibt das Vieh im Freien. Der Panther springt mit einem Satz über die Scheidewand hinweg, erwürgt alle Thiere, die ihm in den Weg kommen und macht oft unzählige Opfer, ehe er sich in das Verzehren eines Thieres vertieft. In diesem Verzehren wagen ihn die Araber nicht zu stören. Wohl sind sie von seiner Nähe unterrichtet. Niemand kann sich darüber täuschen, denn plötzlich verstummen alle anderen Thiere. Der wachsame schakalartige Hund, der treue Wächter arabischer Zeltlager, der sonst die ganze Nacht hindurch sein heiseres Gebell ertönen läßt und bei dem geringsten Geräusch verdoppelt, zieht den Schwanz ein, verkriecht sich feige in eine Ecke und giebt keinen Laut mehr von sich. Kein Stoß, keine Schläge seines Herrn können ihn dazu bringen, sein Schweigen zu brechen, so lange der Panther in der Nähe weilt. Ebenso ist’s mit allen anderen Hausthieren. Schafe, Ziegen, Kameele, Hornvieh, Alle verstummen: ein banges Zittern überfällt sie am Anfang, dann aber stehen sie wie versteinert da, sie rühren kein Glied mehr. Ein düsteres Schweigen lagert über dem Beduinendorfe, selbst die Menschen wagen nicht es zu brechen; der Panther ist da. Stille umfängt die ganze Natur, nur zuweilen ertönt das fürchterliche Brüllen oder das helle katzenartige Miauen des vom Genuß befriedigten Raubthiers durch die Stille der Nacht. Der Panther ist Herr in dem arabischen Dorfe, kein Beduine wagt ihm die Herrschaft streitig zu machen. Wozu auch? Mit seinem schlechten Schießgewehr würde er ihn doch nur verwunden und wüthend machen. Seine Wuth würde sich dann menschliche Opfer statt der thierischen suchen, denn eine arabische Zeltwand ist für ihn ebenso leicht zerreißbar, wie etwa ein Stück Papier.

Etwas Anderes ist es, wenn der Panther in ein europäisches Colonistendorf einfällt. Nur die äußerste Pein lange ausgestandenen Hungers kann ihn hierzu bringen. Deshalb kommt es auch nur sehr selten vor, aber es kommt doch vor. Das Vieh der europäischen Colonisten übernachtet gewöhnlich zwar auch unter freiem Himmel, wenn auch durch eine festere Umfriedigung geschützt. Dennoch setzt der Panther auch über diese Umfriedigung hinweg; aber an diese Umfriedigung stoßen nicht leicht zerreißbare Beduinenzelte, sondern gemauerte Häuser und in diesen Häusern sind gute Schießgewehre. Ich kenne einen Fall, in welchem ein Panther in das Colonistendorf Mondovi und zwar in den Stall des dortigen Pfarrers einfiel. Aber der geistliche Herr war ein guter Schütze; der Vollmond gestattete ihm richtig zu zielen und ein wunderschöner Panther ward seine Beute; indeß solche Fälle sind selten, große Ausnahmen. Gewöhnlich muß der Jäger den Panther selbst aufsuchen.

Da der Panther noch mehr Schaden anrichtet, als der Löwe, und noch schwerer zu erlegen ist, so kann man sich denken, mit welcher Freude die Araber das Erscheinen eines tollkühnen Mannes begrüßten, der aus der Pantherjagd sein Geschäft machte und dieselbe mit ungeahntem Erfolg betrieb. Dieser Mann war Bonbonnel, ein alter erfahrener Jäger, der schon in den amerikanischen Steppen dem edlen Waidwerk obgelegen hatte; aber seine dortige Jagd war Kinderspiel gegen die gewesen, welche er sich hier erwählte. „Wenn Gérard den Löwen im Freien erwartet, ihn auf dreißig bis vierzig Schritt herankommen läßt und dann den Kampf auf Leben und Tod mit ihm aufnimmt, warum sollte ich ein Gleiches nicht mit dem Panther versuchen?“ so dachte Bonbonnel und diesen Gedanken setzte er in’s Werk. Nur war eine Vorsicht nothwendig. Der Panther ist listiger als der Löwe, er merkt die Nähe des Menschen leichter als jener, er merkt sie durch den Geruch wie durch sein die Nacht durchdringendes Auge. Seinen Geruch kann der Jäger täuschen, indem er sich immer so aufstellt, daß der Wind von ihm in der entgegengesetzten Richtung von derjenigen weht, in welcher er den Panther erwartet; aber das Auge des Panthers ist schwerer zu täuschen, das Dunkel eines schattigen Dickichts genügt nicht, wie beim Löwen. Bonbonnel sah sich deshalb genöthigt, sich stets eine kleine Hütte von Reisern, mit Laubwerk überdeckt, zu improvisiren, dort hielt er sich mit seinem Zicklein versteckt und außerhalb war die Mutterziege angebunden. Kam nun der Panther, durch das Geschrei der Ziege angelockt, und überfiel er diese, dann konnte wohl oft Bonbonnel einen glücklichen Schuß thun, aber wie oft auch machte das listige Thier alle seine Berechnung zu schanden! Kaum hatte es die Ziege erwürgt, so entdeckte es auch schon die Nähe des Menschen, mit einem Satz war es dann verschwunden und kam nie wieder in dieselbe Gegend. Bonbonnel hat viele Jahre auf dieser Jagd zugebracht und unzählige Mal sein Standquartier wechseln müssen, denn der listige Panther hatte dasselbe jedesmal entdeckt und mußte wieder durch Erwählung eines neuen getäuscht werden. Alte Panther, so behauptet er, gehen schon gar nicht in die Nähe einer solchen angebundenen Ziege, sie kennen die Schliche der Jäger, sie sind zu klug für die Menschen; auch ist es nur äußerst selten, daß ein bejahrter Panther die Beute des Jägers wird.

Durch Bonbonnel wurde die Pantherjagd zu Ehren gebracht, ja, man kann fast sagen, sie wurde eigentlich erst durch ihn entdeckt. Den jagdlustigen Touristen ging auf einmal ein neues Licht auf. Die „Löwenjagd“ war schon zu abgedroschen. Die Bewunderer jener vermeintlichen Nimrode wurden es allmählich satt, die alte, auswendig gelernte Geschichte von der geschickt erfundenen und mit Hinzuziehung wunderbarer Einzelheiten pathetisch und ergreifend geschilderten Löwentödtung ferner noch mit anzuhören. Sie verlangten neues Futter für ihre Neugier. Da kam die Pantherjagd ganz gelegen. Die Sonntagsjäger hatten ein neues Thema und sie beuteten es nach Herzenslust aus; die meisten freilich begnügten sich auch hier, ihre Einbildungskraft zu Rathe zu ziehen und höchst lebensgefährliche Abenteuer auszuhecken, die sie muthig bestanden, das heißt – in ihren Erzählungen.

Aber einige Wenige empfanden denn doch den lobenswerthen Ehrgeiz, selbst etwas erleben zu wollen. Immer die Phantasie anstrengen, das nutzt sie ab. Zuletzt kann man gar nichts mehr erfinden. Alles, worauf die Einbildungskraft verfällt, ist schon dagewesen. Wenn man dagegen selbst etwas erlebt, und sei es auch nur ein Minimum, so läßt sich um diesen Kern von Wahrheit leicht eine höchst schmackhafte Fülle lieblicher Dichtungen bauen und das bischen Wahrheit, das zu Grunde liegt, erhöht die Süßigkeit der ganzen Frucht.

So dachten unter Andern auch drei kühne Touristen, die es sich zur Aufgabe stellten, mit Bonbonnel in der Pantherjagd zu wetteifern. Warum sollte auch Bonbonnel allein den Ruhm genießen, Pantherjäger zu sein? Hatte er ihn etwa gepachtet? So fragten sich die kühnen Touristen und beschlossen, den ersten besten Panther, den die Araber ankündigen würden, zu „schießen“. Wirklich dauerte es nicht lange, so wurde ihnen angezeigt, daß ein Panther sich in einem Walde, etwa vier Stunden von Algier, aufhielte. Die Touristen hatten nichts Eiligeres zu thun, als ein Cabriolet zu miethen und damit auf den Wald zuzukutschiren. Jeder von ihnen hatte sich mit einer Lockspeise, in Gestalt eines lebenden Thieres, für den Panther versehen. Der eine hatte ein Ferkel, der andere ein Lamm, der dritte ein Zicklein. Sie ließen sich von einem Araber den Platz zeigen, fuhren hinein, banden ihr Pferd (die klugen Leute!) an einen Baum, improvisirten sich eine Laubhütte und erwarteten die Nacht und den Panther. Als es dunkel geworden, fingen sie ihr ritterliches Gewerbe an. Sie zwickten und kniffen das thierische Kleeblatt dergestalt in Nase und Ohren, daß bald ein dreitöniges Concert die Stille des Waldes unterbrach. Das Ferkel grunzte, das Lamm blökte, das Zicklein meckerte. Der Panther hätte taub sein müssen, wenn ihn dies Concert nicht angelockt hätte.

Wirklich ließ der Panther auch gar nicht lange auf sich warten. Die kühnen Nimrode sahen ihn zwar nicht, aber sie merkten seine Nähe an dem plötzlichen Zittern und Verstummen ihrer Thiere. Sie mochten Ferkel, Lamm und Zicklein noch so sehr kneifen und zwicken, sie gaben keinen Laut mehr von sich. Nicht das geringste Grunzen, Blöken und Meckern konnte dem Kleeblatt entlockt werden. Der Panther war nahe. Jeden Augenblick mußte er erscheinen. Die Jäger hielten ihre Hinterlader in hoffnungsvoller Erwartung bereit. Aber leider hielten sie dieselben ganz fruchtlos bereit. Der Panther war zwar nahe, er blieb sogar lange in nächster Nähe, das verrieth die fortdauernde Todesangst der Thiere, aber er kam nicht in Schußweite.

So verging etwa eine halbe Stunde. Eine halbe Stunde höchster Aufregung für die Jäger, banger tödtlicher Erwartung für die Thiere. Endlich schienen letztere sich ein wenig zu erholen. Das Zittern hörte auf. Die Gefahr schien also für sie vorbei zu sein. Die Jäger schritten von Neuem an’s Werk [160] des Zwickens und Kneifens. Die Thiere hatten zwar ihre schönen Stimmen verloren, indessen hier und da ließen sie dennoch einen Schmerzensschrei ertönen, wenn sie recht energisch gezwickt worden waren. Aber das Alles half nichts, Der Panther kam nicht mehr. Wahrscheinlich hatte er sich schon satt gegessen und verschmähte Ferkel, Lamm und Zicklein. So verging die ganze Nacht, ohne daß unsere Jäger einen Schuß thun konnten.

Als der Morgen graute, hielten sie Kriegsrath und beschlossen, einstweilen nach Algier zurückzukehren. Sie gingen nach dem Cabriolet, um ihr Pferd daran zu spannen. Aber o Schrecken! Von letzterem waren nur noch die Knochen vorhanden! Das war die Speise, an welcher sich der Panther satt gegessen und die er den allzuzarten Thierlein vorgezogen hatte. Die kühnen, aber allzu naiven Jäger hatten sie ihm selbst gleichsam auf dem Präsentirteller dargeboten. Nun blieb noch für sie die Blamage, nicht nur unverrichteter Sache nach Algier zurückkehren, sondern auch noch den Verlust des Pferdes eingestehen, ja dieses gemiethete Thier bezahlen zu müssen! Es war eine theure Jagd! Die Touristen fanden auf einmal tiefes Mißfallen am algierischen Klima und kehrten in ihre Heimath zurück. Ich habe nie davon gehört, daß sie Nachahmer gefunden hätten.

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aus: Die Gartenlaube 1872, Heft 11, S. 175–177
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Bei dem Stamm der schönen Mädchen. – Aufforderung zur Jagd. – Die Wette. – Der Panther kommt. – Der Einsturz des Silos. – Unter dem Panther begraben. – Der Ausgang des Kampfes.


Das in der vorigen Nummer beschriebene Abenteuer hatte wenigstens die heilsame Folge, daß in Zukunft kein Renommist es mehr wagte, sich als „Pantherjäger“ anzukündigen. Versuchte er es, so traf ihn der Fluch der Lächerlichkeit. Bonbonnel blieb unbestritten im Besitz seines wohlverdienten Ruhmes. Man gewöhnte sich mit der Zeit daran, die Pantherjagd als eine ihm eigenthümlich zugehörige Sache anzusehen. Für die Andern hatte sie aufgehört, Modesache zu sein.

Einige Jahre waren seit dem Bekanntwerden von Bonbonnel’s Jagdabenteuern verflossen, die Pantherjagd hatte längst aufgehört die Gemüther zu beschäftigen, als sich mir durch einen Zufall die Gelegenheit bot, mich selbst in ihr zu versuchen. Ich befand mich in einer sonst fast nie von Reisenden besuchten Gegend, in der Nähe von Bu-Sada, am südlichen Abhang des Atlasgebirges, zwischen El Aghuat und Biskara, jedoch nördlicher als beide Orte und noch nicht in der Wüste. Der dort hausende Araberstamm, die Ulad Nayl, berühmt durch seine schönen Mädchen, die Tänzerinnen, Sängerinnen und Courtisanen der Wüste, bewohnt abwechselnd die niederen Gegenden am Fuße des Gebirges (oft sogar dringt er tief in[WS 1] die Wüste ein) und die Ausläufer des Atlas, im Winter die ersteren, im Sommer die letzteren. Es war Spätsommer und der Stamm lagerte noch auf den Hügeln, den letzten Sprossen der Atlaskette. Die Ulad Nayl hatten mich freundlich aufgenommen. Ich nahm Theil an ihren Falkenjagden, an ihren Gazellenhetzen. Meine europäischen Waffen und die größere Sicherheit des Schusses, die den geübten europäischen Jäger immer dem Araber gegenüber auszeichnet, erweckten ihr Vertrauen. So kam es denn, daß sie mir eines Abends beim Kußkussu ihr Leid klagten und mich aufforderten, ihnen mit meiner Büchse einen Freundschaftsdienst zu erweisen. Den Gegenstand ihrer Klagen bildeten die Verheerungen, welche ein Panther allnächtlich in einigen ihrer Herden und zwar denjenigen, die am meisten „landeinwärts“ weideten, anrichtete. Sie sagten „landeinwärts“, denn die Wüste gilt ihnen als ein „Meer“. Ihrer Aufforderung, mein Glück in der Pantherjagd zu versuchen, war ich zwar gern bereit zu folgen. Nur gestand ich ihnen, daß ich kein „Bonbonnel“ sei und daß ich eines andern Schutzes, als der Laubhütte, bedürfe. Ich hatte mich niemals in dieser Jagd versucht, konnte somit kein unbedingtes Vertrauen dazu haben, daß ich den Panther auf den ersten Schuß tödten würde. Zudem besaß ich gar keine Explosionskugeln. Es wäre also Wahnsinn gewesen, mich in einer einfachen Laubhütte der Wuth des angeschossenen Raubthieres auszusetzen. Aber da wußten die Araber Rath. Sie erboten sich, mir ein „Silo“ (Erdhütte mit Schießscharten) zu bauen.

Als das Silo fertig war, schlug ich mein nächtliches Standquartier in demselben auf. Jede Nacht wurde die Mutterziege, deren Junges mit mir im Silo war, an einen Baum festgebunden, um durch ihre Antwort auf das Schreien des von mir gezwickten Zickleins den Panther anzulocken. Die Araber ließen mich [176] jedesmal bei hereinbrechender Dunkelheit allein. Die Nähe vieler Menschen verscheucht unfehlbar das Raubthier, es müßte denn durch Hunger auf’s Aeußerste getrieben sein.

Indessen, es vergingen acht Tage, ohne daß sich ein Panther zeigte. Jeden Morgen kamen die Ulad Nayl zu mir und klagten, daß der Panther wieder in der letzten Nacht Schafe und Ziegen erwürgt habe. Ich machte ihnen begreiflich, daß ihr Verfahren eigentlich recht unsinnig sei. Wie konnten sie erwarten, daß der Panther sich an meine einzige Ziege machen werde, wenn sie eine ganze Herde in seiner Nähe ließen? Nur mit Mühe gingen sie auf meinen Vorschlag ein, ihre Herden, wenigstens für die Dauer meiner Jagd, von den fruchtbaren Gegenden weg und in die Wüste zu treiben. Es war freilich sehr schwer, sie dort zu ernähren, denn das Futter mußte ihnen dahin gebracht werden.

Nun ist eine Fütterung des Viehes bei den Arabern etwas Unerhörtes. Daher der Widerstand, auf den mein Vorschlag stieß, und die Schwierigkeit, die sich, als er endlich angenommen worden war, seiner Ausführung entgegensetzte; denn „Heu“ giebt es nicht in diesen Gegenden. Das Gras, immer abgeweidet, erlangt keine Länge. Die kurzen Halme abzumähen und deren genug zu sammeln, um die Herde zu ernähren, war nahezu unmöglich. Dazu gehört eine so mühevolle Arbeit, wie sie der Araber nie unternimmt. Es blieb also nichts übrig, als das Vieh mit dem Laub kleiner Sträucher zu füttern, an denen die Abhänge des Atlas Ueberfluß haben. Eigentlich litt die Herde Hunger und die Araber warteten mit Ungeduld das Ende meiner Pantherjagd ab, um ihr Vieh wieder durch die gewohnten Weidegründe treiben zu können.

Indessen ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn noch weitere acht Tage vergingen, ohne daß irgend ein Erfolg erzielt wurde. Der Panther zeigte sich zwar jede Nacht; denn jetzt hatte er keine Herde mehr in der Nähe, die er überfallen konnte, und weit in die Wüste dringt er nicht gern; aber ich konnte nicht zum Schusse kommen. Ich durfte nämlich nur dann schießen, wenn ich meines Schusses vollkommen gewiß sein konnte. Jeder andere Schuß hätte den Panther auf ewig aus der Nähe meines Silos verscheucht. Dieses Thier ist viel zu klug, um ein zweites Mal einem Silo nahe zu kommen, aus dem er einen Schuß gehört hat. Verfehlte ich den Panther, so war die Folge, daß das erste Silo verlassen und ein zweites in einer größeren Entfernung von jenem gebaut werden mußte. Daraus wäre neue Verzögerung entstanden, die die Araber schwerlich ertragen hätten.

Für mich war es gleichfalls eine nicht geringe Geduldprobe, den Panther so nahe zu wissen, ja ihn zu sehen, ohne auf ihn schießen zu können. Aber jedesmal bot er sich so ungünstig für den Schuß dar, daß es Leichtsinn gewesen wäre, abzufeuern. In der ersten Nacht wartete ich bis etwa elf Uhr. Mein Zicklein, von mir von Zeit zu Zeit in’s Ohr gezwickt, gab die schönsten Signaltöne und die Mutterziege antwortete ihr mit heller Stimme. Plötzlich verstummte es, ein krampfhaftes Zittern überkam alle seine Glieder und dann stand es wie gelähmt da; ich mochte es noch so energisch zwicken, es gab keinen Laut mehr von sich. Ebenso war es mit der Mutterziege. Alles dies verkündete die Nähe des Panthers, aber noch verrieth kein Rauschen der Zweige, kein Schrei, kein Ton seine Annäherung. Ich hatte mein Auge auf die Mutterziege, es war die vierte Nacht im zweiten Mondsviertel, also um elf Uhr ziemlich hell, da auf einmal hörte ich ein Getöse, wie wenn ein schwerer Baumstamm gefallen wäre. In demselben Augenblick sah ich eine dunkle Masse auf die arme Ziege stürzen; es war der Panther, der aus großer Entfernung sie mit einem einzigen Satz erreicht hatte. Das arme Thier gab keinen Laut von sich.

Ich hielt meine Büchse in der Schießscharte, bereit loszufeuern, sowie ich die Augen des Raubthiers sehen würde, denn ich wußte, daß nur ein Schuß in der Nähe der Augen ihn schnell tödten konnte. Aber noch ehe ich Gelegenheit bekommen, seine Augen zu sehen, war der Panther auch schon fort und mit ihm die Ziege; er hatte sie fortgeschleppt und verzehrte sie im benachbarten Gehölz. Lange blieb er mir nahe, das merkte ich am Zittern meines Zickleins; endlich erholte sich dieses. Der übrige Theil der Nacht verging ruhig.

Als am Morgen die Araber kamen, waren sie sehr unangenehm enttäuscht, meine Jagd von keinem Erfolg gekrönt zu sehen. Aber diese Enttäuschung sollte ihnen noch öfter werden.

Jeden Abend brachten sie mir ein neues Zicklein und seine Mutter, drei Mal noch schleppte mir der Panther die Ziege fort. Endlich fiel ich auf den Plan, sie sowohl am Fuß, als am Hals anzubinden und zwar sehr fest. Jetzt entführte sie das Raubthier zwar nicht mehr, aber es bot sich stets in so ungünstiger Stellung dar, daß ich nicht wagen durfte, zu schießen.

Schon wollten die Araber an der Jagd verzweifeln, besonders da bereits die Nächte nach dem Vollmond vergangen waren, ohne einen Erfolg zu bieten, die gute Jagdzeit war fast vorbei. Nur bei Mondschein konnte ich Aussicht haben, mein Ziel zu sehen. Die ungeduldigen Araber baten mich sehr, die Sache bis zum nächsten Vollmond aufzugeben, und ihnen zu gestatten, ihre Herden wieder an die alten Weideplätze einzutreiben, aber auch mein Eifer war erwacht; ich bestand darauf, noch eine Nacht mein Glück zu versuchen. Ungläubig zwar, aber doch ohne großes Widerstreben gaben die Araber nach.

Sie ließen mich also noch diese achte Nacht mit meinem Zicklein im Silo allein. Einer von ihnen sagte mir beim Gutenachtsagen: „Wenn’s auch heute nichts wird, dann glaube ich nicht, daß Du ein Schütze bist!“ Obgleich selbst nicht sehr hoffnungsvoll, so reizten mich doch diese Worte, ihm eine Wette zu bieten. „Was wettest Du?“ „Mein ganzes Haus,“ antwortete er, „gegen Dein Haus.“ „Das will ich nicht,“ entgegnete ich, „aber ich will Dir etwas sagen. Wir wetten meinen Hengst gegen Deine Stute!“ Er hatte nämlich eine prächtige Stute und wäre deshalb auch nie hierauf eingegangen, wenn er geglaubt hätte, ich würde den Panther erlegen. Aber er dachte, umsonst zu einem schönen Hengste, denn ich besaß ein herrliches Thier, zu kommen und nahm die Wette an.

Diesmal kam der Panther erst gegen zwei Uhr Morgens. Mit gleicher niederschmetternder Wucht fiel er auf die arme Ziege, ich verlor ihn aus meiner Schießscharte nicht aus dem Auge. Ich sah seine Krallen, die die Ziege zerfleischten; plötzlich sah ich auch seinen Kopf. Zwei feurige Kohlen leuchteten in der Richtung auf das Silo, gerade auf meine Schießscharte zu; es waren die Augen des Panthers. Kaum hatte ich sie gesehen, so zielte ich mitten zwischen die Augen.

Was nun erfolgte, war das Werk eines blitzschnellen Augenblicks. Ich schoß und sah, daß der Panther getroffen war, aber unglücklicher Weise hatte auch er meinen Schuß gesehen; er war nicht todt. Nur eine Explosionskugel vermag ihn augenblicklich zu tödten. Eine solche hatte ich nicht, meine Kugel konnte ihn zwar tödtlich verwunden, aber noch blieb ihm die Kraft, auf mich zuzuspringen. Mich hatte er zwar nicht sehen können, wohl aber den Schuß aus dem Silo. Ich hatte seine feurigen Augen im Moment gesehen, wie sie gerade in der Richtung auf das Silo zu die Nacht durchglühten. Im Silo war also sein Feind. Auf dieses sprang er nun zu und zwar in zwei Sätzen, jeder von dreißig Fuß wenigstens.

Es war mir plötzlich, wie wenn ein Haus über meinem Haupte einstürzte. Ich hörte ein Getöse gleich dem einer umstürzenden Locomotive. Ich fühlte das Krachen und Brechen der Erdhütte. Sie brach zusammen und im Nu lag ich unter einem Schutt von Erdmassen wie begraben; begraben, jedoch glücklicher Weise nicht ganz, denn ich lag an der Scharte und diese war, wenigstens zum Theil, offen geblieben, durch sie konnte ich Luft schöpfen. Ueber mir, nur durch eine nicht allzu dicke Erdschicht von mir getrennt, lag der sterbende Panther. Sein Todeskampf dauerte noch etwa zwei Minuten. Aber diese zwei Minuten waren für mich eine Ewigkeit banger Erwartung und tödtlicher Angst, denn seine kräftigen Tatzen wühlten im Erdreich so tief, daß ich jeden Augenblick fürchtete, sie die dünne Schicht durchdringen zu sehen und von ihnen erreicht zu werden. Er wand und wälzte sich auf der Erdschicht, warf rechts und links große Erdmassen herunter und drohte fast durch das Gewicht seines Körpers die Schicht ganz einzudrücken. Dabei stieß er entsetzliche Töne aus, anfangs tiefe, wie ein zorniges Gebrüll, dann hellere katzenähnliche, endlich ein dumpfes Todesröcheln. Jetzt noch eine letzte krampfhafte Bewegung, die die ganze Erdschicht erzittern machte. Ich fühlte den Boden erbeben; ich hörte einen unbeschreiblichen Tumult über mir, wie wenn ein wüthender Kampf ob meinem Haupte stattfände. Dann folgte ein gellender Schrei wie der eines Raubvogels. Darauf noch ein letzter heiserer Sterbeton und es war vorbei. Todtenstille herrschte über mir, der Panther war todt.

[177] Aber ich war wie lebendig begraben. Wäre die Schießscharte nicht unverletzt geblieben, an die ich zufällig mit dem Kopfe zu liegen kam, so hätte ich ohne Zweifel das Schicksal meines armen Zickleins getheilt, das die einstürzenden Erdmassen erstickt hatten.

So blieb ich bis zum Morgen liegen. Ich schlief sogar, unglaublich, aber wahr, einen Augenblick ein und zwar kurz vor Sonnenaufgang. Plötzlich weckte mich das Geschrei jubelnder Stimmen. Es waren die Araber, die den Tod des Panthers mit Jubeltönen begrüßten. Aber wo war der Jäger? Sie sahen das eingestürzte Silo und mußten glauben, ich hätte dort mein Grab gefunden. Aber mein Geschrei belehrte sie vom Gegentheil. Sie entdeckten die Schießscharte und reichten mir etwas zu essen. Mich befreien, das konnten sie erst, nachdem sie Schaufeln aus ihren Zelten geholt hatten. Endlich brachten sie dieselben und ich feierte meine Auferstehung.

Nun ging’s daran, den Panther zu besichtigen. Es war ein schönes, großes Thier von etwa dreihundert Pfund Gewicht, ein vollkommen, aber eben erst ausgewachsener männlicher Panther, sehr wohlgenährt und von riesiger Körperkraft. Der Schuß hatte ihn links am rechten Auge getroffen, den Knochen zerschmettert und war in’s Gehirn eingedrungen. Er hätte bei jedem kleineren Thier augenblicklich tödten müssen. Aber, wie gesagt, nur eine Explosionskugel vermag dies bei solch kräftigen Körpern. Es mag vielleicht Manchem unbegreiflich scheinen, wie ein so tödtlich getroffenes Thier noch Kraft behielt, einen Sprung zu machen. Aber die Erfahrung hat diese Möglichkeit alle afrikanischen Jäger gelehrt. Darum und aus keinem andern Grunde mußte die „Balle Decisme“ erfunden werden.

Im Triumph wurde nun Jäger und Wild in’s Zeltlager der Ulad Nayl zurückgebracht. Die Beschreibung der Festlichkeiten, die jetzt erfolgten, übergehe ich. Die Araber glaubten allgemein, ich müsse einen Talisman besitzen, um so richtig getroffen zu haben. Es war unmöglich, sie von der Wahrheit zu überzeugen. Sie selbst sind gewohnt, so viel Pulver unnütz zu verschießen, daß sie gar nicht begreifen können, wie ein Jäger so an sich zu halten vermag, daß er nur dann schießt, wenn er seines Schusses, in so weit dies überhaupt möglich, vollkommen gewiß sein kann. Geduld, Berechnung, Ruhe und Sicherheit im entscheidenden Augenblick, diese Dinge bildeten den Talisman, dem ich den Glücksschuß verdankte. Aber es wäre leichter gewesen, die Araber von einer Eisenbahn im Monde zu überzeugen, als davon, daß so einfache Dinge ein solches Resultat erzielt hätten.

Nur Ein Mann freute sich nicht über den glücklichen Ausgang meiner Jagd. Das war Ammen, der Araber, welcher seine Stute gegen meinen Hengst gewettet hatte, daß ich den Panther nicht schießen würde. Ammen hätte zwar nun, wie dergleichen schon öfter vorgekommen, sich der Erfüllung seiner Pflicht durch schleunige Flucht auf seiner Stute entziehen können, um erst nach meiner Abreise zu seinem Stamm zurückzukehren. Die Araber glaubten allgemein, daß er dies thun werde; einige behaupteten sogar, er habe es schon gethan. Aber Ammen war eine ehrliche Haut. Das, was die Araber für seine Flucht gehalten hatten, war nur ein letzter Ritt gewesen, den er auf seiner geliebten Stute machen und mit welchem er gleichsam von ihr Abschied nehmen wollte, ehe er sie mir auslieferte. Dies letztere that er wirklich.

Ich sah ihn mit tiefbetrübtem Gesicht, die Stute am Halfter, vor mich treten. „Allah,“ so sprach er, „hat es so gewollt, daß dieses Thier, mein ganzes Hab und Gut, nun Dir gehören soll. Nimm es und Gott gebe Dir Glück dazu, mehr Glück, als mir fortan beschieden ist. Denn mein Leben ist gebrochen!“

So schwer empfindet ein Araber den Verlust eines Lieblingspferdes, namentlich wenn es von so edler Race ist, wie Ammen’s Stute, denn edle Pferde sind in Nordafrika sehr selten. Jedoch, wie sehr mich auch der Besitz der Stute unter anderen Umständen gefreut hätte, ich konnte es nicht über’s Herz gewinnen, sie Ammen zu rauben. So viel sie mir auch gelten mochte, ihm galt sie unendlich viel mehr. Sie war sein Leben, seine Ehre, denn ein edles Pferd verschafft dem Besitzer oft hohes Ansehen. Ich wußte, daß er, hätte ich auf den Wettpreis bestanden, von nun an sein Haupt nicht mehr unter seinen Stammesgenossen hätte erheben können. Spott und Verachtung wäre sein Loos gewesen. Ich gab ihm seine Stute zurück. Der ehrliche Mann traute seinen Ohren kaum. Endlich begriff er es, und nun war des Jubels und des Preisens meiner Großmuth kein Ende. Ich besaß fortan in Ammen einen treuen erprobten Freund, der schwur, sein Leben für mich zu lassen. Ich glaube, er hätte seinen Schwur im Nothfalle gehalten.

Ich mußte noch acht Tage bei den Ulad Nayl bleiben, um den Festlichkeiten beizuwohnen, die sie mir zu Ehren veranstalteten. Dann verließ ich diesen Stamm. – Seitdem habe ich nie wieder Gelegenheit zu einer Pantherjagd gehabt.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: in in