Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. Nr. 4

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Titel: Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. Nr. 4. Ein Kampf mit grauen Bären
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 301–303
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Jagd- und Lebensbilder aus Amerika.
Nr. 4. Ein Kampf mit grauen Bären.

Der graue Bär (Ursus ferox) ist das furchtbarste von allen wilden Thieren, welche den Kontinent von Amerika bewohnen, selbst den Jaguar und den Trugar nicht ausgenommen. Besäße er die Schnelligkeit des Löwen oder Tigers der alten Welt, so würde er auch diese noch übertreffen, denn er ist so stark, wie der erstere und so grausam wie der letztere. Glücklicher Weise überholt ihn jedoch das Pferd, sonst würden ihm noch weit mehr Menschen zum Opfer fallen, als es geschieht. Auch die Büffel, Elenns und das Wild entrinnen ihm leicht, gelingt es ihm aber, sie zu überraschen, so sind sie unfehlbar seine Beute, denn er ist so stark, daß er den stärksten Büffel zur Erde zieht. Er ist so groß wie der Polarbär, dem er auch im Gliederbau am Meisten gleicht, nur hat er längere Ohren, seine Pfoten sind stärker und sein Aussehn ist wilder. Die meiste Kraft besitzt er in den Vorderklauen, die so groß sind, daß ihre Spur häufig 12″ lang und 8″ breit ist. Sein Gewicht beträgt durchschnittlich 500 Pfund. Sein Fell ist meistentheils bräunlich mit weißen Haaren vermischt, zuweilen aber auch ganz weiß oder gelblich-roth.

Man findet ihn in den Rocky Mountains an den Küsten des nördlichen Eismeeres entlang, durch den ganzen Kontinent bis dahin, wo der Rio Grande die Krümmung nach dem Golf von Mexico macht. In den vereinigten Staaten und Canada hat man ihn nie wild gesehen. Das ist indessen sehr natürlich. Sie sind durchweg bewaldet und der graue Bär liebt den Wald nicht, sondern hält sich lieber in öderen Gegenden unter niedrigem Gesträuch in der Nähe von Strömen aus, wo ihm das Wild zuläuft. Er klettert auch nicht, dazu sind seine kolossalen Klauen zu ungeschickt.

Er ist außerordentlich gefräßig und verschlingt Fisch, Fleisch und Geflügel mit gleicher Begier, und läßt sich nebenbei auch noch Frösche, Eidechsen und anderes Gewürm sowie Larven von Insekten gefallen. Ferner liebt er süße Beeren und ist im Stande, nach Rüben ganze Prärieäcker umzuwühlen. Häufig jagt er den Panther oder ein Rudel Wölfe von ihrer Beute, um sie sich anzueignen.

Die Jagd auf ihn bildet den Höhepunkt alter Jagdthaten in Amerika, und man hört daher natürlich auch allerlei Jagdgeschichten darüber. Für die Indianer ist das Erlegen eines grauen Bären eben so ruhmvoll, wie die Erbeutung eines menschlichen Scalps und sie ziehen zu einer solchen Jagd auch zu ganzen Stämmen aus.

Einer meiner Jagdfreunde wußte eine sehr lustige Geschichte zu erzählen, die ihm auf der Jagd mit einem grauen Bären begegnet war.

Er ging in der Prairie auf die Antilopenjagd und war eben im Begriff, ihnen schußgerecht nahe zu kommen, indem er eine rothe Wolldecke, die er mit sich führte, vor sich ausspreizte und dadurch die Aufmerksamkeit dieser ungemein neugierigen Thiere erregte, als er mit einem Male ein paar Schritt von sich entfernt einen grauen Bären erblickte. Diese Versuchung war zu stark für ihn und er sandte diesem eine Kugel aus der Büchse zu, welche er durch die Decke gesteckt hatte, in der er auch eine Oeffnung für sein Gesicht hatte. Der Bär war nicht hinreichend getroffen und brüllte daher nun wüthend auf und kam auf den frechen Schützen zugelaufen. Schon hielt sich dieser für verloren, als ihm einfiel, daß er einmal gesehen, wie die Spanier die wüthendsten Stiere durch Ueberwerfen eines rothen Tuches zum Stehen bringen. Er beschloß daher, das Gleiche zu thun und warf dem Bären, als er nahe genug war, die Decke solcher Gestalt über den Kopf, daß dieser durch die Oeffnung kam, und drückte sich dann schnell unter ihm weg, um nach einem Baum zu entfliehen, den er vorher in’s Auge gefaßt hatte. Erst nachdem er ein paar hundert Schritte gelaufen war, wagte er es, sich umzusehen. Da bot sich ihm ein urkomisches Schauspiel dar. Der Bär wollte ihm fortwährend folgen, konnte aber der Decke wegen nicht, und zerrte und zauste an dieser voller Wuth, ohne sie loswerden zu können. Als mein Freund dies sah, änderte er seinen Entschluß, lief rasch in das Lager zu seinen Gefährten und warf sich auf sein Pferd, um zu dem Bären zurückzueilen und ihm eine bessere Ladung zu ertheilen. Er fand ihn auch noch ziemlich auf derselben Stelle, aber jetzt hatte er die Wolldecke schon zu lauter Fetzen zerrissen, die ihm nachschleppten, wenn er sich bewegte. Er überholte ihn leicht und sandte ihm eine Kugel in’s Gehirn, die ihm den Garaus machte.

„So lustig ist die Geschichte nicht, die ich auf der Jagd mit grauen Bären erlebte,“ begann darauf ein Kapitain, der zu unserer Gesellschaft gehörte, „aber vielleicht ist sie nicht minder lebendig und interessant. Ihr wißt, ich habe einmal nebst einigen Gefährten eine Zeit lang mit Indianern gejagt. Auf dieser Parthie, in den Bergen von Santa Fé war es, wo mir mein Abenteuer aufstieß. In einem tiefen Thale, wo wir über Nacht unser Lager aufgeschlagen hatten, wurden wir vom Schnee überfallen und als wir des Morgens ausziehen wollten, sahen wir nichts als eine ungeheure Schneefläche vor uns. Auch die steilen, wohl 200 Fuß hohen Berge, welche das Thal einschlossen, waren ganz mit Schnee und Eis bedeckt. An ein Vorwärtsgehen war unter diesen Umständen nicht zu denken, wir mußten im Lager bleiben. Dieses war auf einem kleinen Plateau errichtet, das durch einige Fichten vor dem Winde geschützt war, die uns zugleich Brennmaterial lieferten. So weit befanden wir uns ganz wohl, aber bald gingen unsere Vorräthe aus und wir waren zwei, drei Tage lang ohne Nahrung. Männer und Frauen saßen in düsterer Verzweiflung um die Feuer und kauten an den Stückchen Leder, die sie noch auftreiben konnten, bis sie zuletzt die Sohlen ihrer Mocassins dazu nahmen. Es war ein trauriger Anblick. Wir Andern streiften ab und zu in der Nähe des Lagers umher, irgend etwas Eßbares zu entdecken, aber immer vergebens. Endlich sahen wir einen Indianer auf seine Kniee fallen, und hastig den Boden mit der Axt aufwühlen. „Was ist das?“ riefen fast Alle zugleich in seiner Nähe. „Yam-Yam! Yam-Yam!“ rief er freudig aus, indem er rastlos weiter hieb.

„Wahrhaftig, der Indianer hat Recht, es ist die Manna Wurzel,“ sagte der deutsche Doctor, der uns als Naturalist begleitete, indem er einige Blätter in die Höhe hob. – Auch ich erkannte diese als zu dem wunderbaren Conrolrulus, Iponea lentophylla gehörig, dessen Wurzel Manna-Wurzel heißt, weil sie ungefähr die Gestalt eines solchen hat.

Nach ein paar Minuten waren ein halbes Dutzend Leute damit beschäftigt, zu hacken.

„He,“ rief ihnen darauf der Doctor zu, „seid keine Narren! Das heißt blos Zeit verschwenden. Macht ein tüchtiges Feuer über der Stelle, dann bekommen wir die Wurzel gleich getrocknet. Das leuchtete Allen ein und es wurde ein mächtiges Feuer angezündet, um das sich Alle herumsetzten, um darüber zu kalkuliren, ob die Wurzel ausgewachsen und ein „fettes altes Thier“ sein werde

Da krachte es mit einem Male über unsern Köpfen, als wäre ein hohler Baum umgestürzt. Wir sahen auf und erblickten einen großen Gegenstand – ein Thier, das sich einen Weg bahnte und dann geradewegs auf die Klippe zulief und sich dann kopflings von dieser hinabstürzte. Es gab einen lauten Fall, aber schnell sprang das Thier auch wieder auf und stand auf allen Vieren. Es war ein Büffel und sämmtliche Jäger brachen in ein lautes Hurrah aus. Für einen Moment waren beide Parteien – die Jäger und der Büffel, gleich überrascht, und der letztere blickte uns ganz verwundert an, aber dies dauerte auch nur einen Augenblick, dann rannte er mit dem Horn gegen die Erde, wüthend vorwärts, um durch unsre Plattform zu brechen. Wir hatten aber auch schon unsre Büchsen ergriffen und sowie er durchbrach, krachten mehrere Schüsse und noch andere folgten ihm. Ein Blutstrom [302] bezeichnete seinen Lauf, nichts desto weniger stürmte er aber fort der Thalebene zu. Ein Theil von uns folgte ihm natürlich wie hungrige Wölfe und nach ungefähr fünfzig Schritten fanden wir ihn verendet am Boden liegen.

Jauchzend gaben wir dies unsern Kameraden kund und fin­gen an, ihn triumphirend nach dem Lager zu ziehen, da traf uns plötzlich ein gellender Ruf und wilder Schrei von der Plattform aus, und wir hörten die Weiber kreischen. Schnell rannten wir zurück, um zu sehen, was es gäbe.

Da bot sich uns ein Anblick dar, der auch den Muthigsten erbeben machen konnte. Unsere Jäger, die Indianer und die Wei­ber rannten wild durcheinander, stießen halb wahnsinnige Schreie aus und zeigten nach oben, denn da standen am Rand der Klippe – entsetzlich – die furchtbaren Ungeheuer des Gebirges – die grauen Bären!

Es waren ihrer fünf, die wir sehen konnten, wie viele mochten noch dahinter sein. Fünf genügten, unsere ganze Gesellschaft zu zerreißen, eingeengt und matt vor Hunger wie wir waren.

Sie hatten den Büffel bis an die Klippe verfolgt, und auch sie hatte offenbar der Hunger getrieben. Zwei von ihnen krochen schon an dem Rande umher und suchten offenbar nah einer Stelle, wo sie hinabsteigen konnten. Die andern drei standen auf ihren Hinterbeinen aufrecht da und manövrirten mit ihren Vorderpfoten in furchtbar komischer menschenähnlicher Pantomime.

Uns war indessen gar nicht lächerlich zu Muthe, Jeder hatte zu seiner Waffe gegriffen, und wer vorher seine Büchse abgeschossen hatte, beeilte sich, sie zu laden.

„Um des Himmels willen, schießt noch nicht,“ rief Einer der Unseren, ein alter Trapper, aus, indem er die Büchse eines der Indianer zurückhielt.

Die Vorsicht kam aber schon zu spät. Ein halbes Dutzend Kugeln sausten schon in die Höhe. Diese brachten ganz die Wir­kung hervor, welche der Trapper fürchtete. Die Bären wurden durch die Kugeln in Wuth gesetzt, die sie zwar nicht gefährlich verletzten, aber doch durch ihr Fell drangen. Mit finsterem Ge­heul kletterten sie jetzt an den Klippen hinab. Jetzt stieg die Scene der Verwirrung zu ihrem Gipfelpunkt. Ein paar Feiglinge lie­fen davon, sich in dem Schnee zu verbergen. Andere kletterten auf die Fichten.

„Sorgt für die Frauen!“ rief der alte Trapper aus. „Ihr feigen spanischen Hunde, wenn Ihr nicht den Muth habt, als Männer zu kämpfen, so steht wenigstens den Weibern bei, zu de­nen Ihr gehört, Ihr Schufte!“

„Seht Ihr danach, Doctor,“ rief ich darauf dem Deutschen zu, da auch diesem wohl der Kampf erspart werden konnte, und er that es auch auf’s Beste, indem er mit ein paar Spaniern die Weiber zusammentrieb und nach der Stelle geleitete, wo wir den Büffel gelassen hatten.

Die erfahrenen Jäger unter uns wußten, daß Verstecken un­ter diesen Umständen das schlechteste Mittel gewesen wäre. Die wilden Thiere würden uns einzeln aufgesucht und zerrissen haben. Wir mußten ihnen entgegentreten und mit ihnen kämpfen, das war es, was sich Jeder sagte, und wir beschlossen, dies auch aus­zuführen.

Wir waren ungefähr zwölf mit den Delawaren und Sha­wanos. Wir fingen unser Feuer an, während die Bären hinab­stiegen, aber unsere Büchsen waren nicht alle in Ordnung, die Kälte hatte unsere Finger erstarrt und der Hunger uns in fiebe­rische Aufregung versetzt. So mochte es wohl kommen, daß kein Schuß eine tödtliche Wirkung übte, sondern die Thiere nur zu größerer Wuth stachelte. Es war ein furchtbarer Augenblick, als der letzte Schuß abgefeuert und die Zahl unserer Feinde noch die­selbe war.

Wir schleuderten unsere Büchsen von uns und griffen zu den Beilen, Tomahawks und Jagdmessern, und erwarteten schweigend unsere gräulichen Feinde.

Wir standen dicht an dem Felsen, und es war unsere Absicht, den ersten Schlag zu thun, sowie die Thiere rücklings die Klippe hinabkämen. Darin täuschten wir uns indessen. Als die Bären noch etwa zehn Schritt von der Plattform waren, stand der erste Bär still und schwankte, ob er hinab sollte als er unsere Stellung sah. Im nächsten Augenblick kamen aber seine Genossen wüthend vor Schmerz auf denselben Felsvorsprung hinabgetaumelt, und mit furchtbarem Geheul stürzten sie sich plötzlich in unsere Mitte.

Jetzt folgte der entsetzlichste Kampf, dem ich je beigewohnt habe. Das Rufen der Jäger, die noch wilder tönenden gellenden Schreie der Indianer, das heisere Brüllen der Bären, das Ab­prallen der Tomahawks von den Hirnschalen wie von Gestein, das dumpfe Bohren der Jagdmesser und ab und zu das Stöhnen, wenn die furchtbaren Klauen in die Muskeln der mit ihnen Rin­genden drangen – Gott, es war eine furchtbare Scene!

Baren und Menschen wälzten sich über die Plattform in wil­dem Kampf um Leben und Tod, und durch den Schnee rieselten kleine Ströme von Blut. Hier kämpften zwei oder drei gegen einen Feind, dort stand ein tapferer Jäger allein gegen ihn. Meh­rere lagen auf dem Boden umher, und jeden Augenblick verrin­gerten die Bären die Zahl ihrer Angreifer.

Ich wurde gleich im Beginn des Kampfes niedergeworfen. Als ich mich wieder aufraffte, sah ich die Bestie auf dem dahin­gestreckten Körper eines Menschen liegen. Es war Freund Godé, ein Franzose, ich nahte daher dem Bären und bohrte mein Messer in seine Rippen. Ich stieß, so gut ich konnte, fühlte aber dabei mein Schwäche. Da ließ der Bär den Franzmann los, kehrte sich um und stürzte auf mich los. Ich suchte seinem Anlauf zu ent­gehen, trat zurück und hielt ihm mein Messer entgegen. Mit einem Male lag ich aber im Schnee, fühlte den schweren Körper über mir, seine Klauen drangen in meine Schulter, der feuchte Athem des Thieres berührte mich, ich wehrte mich mit dem rechten Arm und wir rollten in dem Schnee umher.

Dieser blendete mich, ich fühlte, wie ich durch den Blutver­lust immer schwächer wurde, ich rief, aber wer konnte hier zehn Schritt weit hören, dann vernahm ich ein sonderbares Zischen, eine helle Flamme huschte vor meinen Augen vorbei, ich sah etwas wie eine Fackel und es roch wie nach gesengtem Haar. Dann hörte ich Stimmen zugleich mit dem Brüllen des Thieres, die Klauen wurden aus meinem Fleisch gezogen, das Gewicht von mir ge­nommen, ich konnte wieder athmen. Ich stand auf, rieb mir die Augen und sah umher. Ich erblickte Niemand. Ich war in einer tiefen Hohle, die durch unser Umherwälzen entstanden war, aber ich stand allein. Der Schnee war ringsum mit Blut gefärbt. Aber wo war mein furchtbarer Feind? Und wer hatte mich aus seiner tödtlichen Umarmung gerettet? Ich trat vor. Da sah ich eine neue wunderbare Scene. Ein fremd aussehender Mann rann über die Plattform mit einem großen Feuerbrand in der Hand, den er in der Luft schwenkte. Damit jagte er einen Bären, der vor Wuth und Schmerz brüllte und die Klippen zu erreichen suchte. Zwei waren schon halbweges hinauf, denen das Blut aus den Seiten troff. Der verfolgte Bär klomm ihnen nach, um seinem Verfolger zu entgehen, der ihm das Fell zu verbrennen suchte. Darauf machte sich dieser an einen vierten Bären, der mit zwei bis drei schwachen Gegnern stritt. Auch er wurde in einem Nu geblendet und folgte heulend seinen Genossen nach den Klippen.

Der fremde Mann sah sich nach dem fünften um. Er war verschwunden, Niedergestreckte, verwundete Männer lagen überall umher, aber der Bär war nirgend zu sehen. Er war offenbar durch den Schnee entflohen. Verwundert blickte ich den fremd aus­sehenden Mann an. Er sah Einem von uns gleich und doch war er es nicht. Er war ganz kahlköpfig, kein Härchen war auf sei­nem Kopf, der wie ein Spiegel glänzte. Man kann sich denken, wie erstaunt ich war, als plötzlich der alte Trapper aufsprang und ausrief:

„Herr Gott, Ihr seid das, Doctor! Drei Cheers für den Doctor.“

Jetzt erkannte auch ich ihn. Wahrhaftig, es war unser deut­scher Freund, den wir bis dahin alle nur mit braunem Haar ge­kannt hatten,

„Hier, Doctor, ist Euer Scalp,“ rief der Trapper aus, in­ dem er ihm seine Perrücke reichte, „aber Himmel Donnerwetter, Ihr habt uns alle gerettet. Kommt, ich muß Euch umarmen!“

Damit ergriff er den braven Deutschen und tanzte mit ihm in wilder Freude umher. Nach und nach erhoben sich nun auch die Anderen und fingen an aufzuthauen. Aber wo war der fünfte Bär? Diese Frage kehrte zunächst immer wieder.

„Da unten läuft er,“ rief eine Stimme, und gleich darauf sahen wir auch in der Ferne ein Thier sich heftig im Schnee bewegen.

Mehrere luden ihre Büchsen, um ihm zu folgen und ihn wo­ möglich zu erlegen; der Doctor bewaffnete sich mit einem frischen [303] Kienbrand, aber noch ehe diese Vorbereitungen zu Ende waren, tönte ein eigenthümlicher Schrei zu uns, der unser Blut erstarren machte. Die Indianer sprangen sogleich auf, ergriffen ihre Tomahawks und rannten nach dem Thal. Sie kannten die Bedeutung dieses Schreies – es war der Todesruf eines ihrer Stammgenossen.

Sie liefen denselben Weg entlang, den wir am Morgen gebahnt hatten, und die, welche ihre Büchsen geladen hatten, folgten ihnen. Mit ängstlicher Spannung beobachteten wir sie von der Plattform aus, aber noch ehe sie die Stelle erreichten, sahen wir, daß Alles vorbei war, und wir folgten ihnen schweigend mit den Augen. Endlich kamen sie an. Auch sie standen schweigend still, denn das Loos des Tapferen, der mit dem Bären gerungen hatte, war entschieden. Es war ein Shawano-Krieger, der sein Leben eingebüßt hatte, indem er sein Scalpirmesser dem Bären in’s Herz stieß.

Die Mahlzeit war theuer erkauft, die uns des Bären Fleisch darbot, vielleicht hatte dieses eine Opfer aber viele Leben gerettet. Wir hatten jetzt den Bären, den Büffel und zuletzt noch die Manna-Wurzel. Damit reichten wir nun glücklich aus, denn nach ein paar Tagen trat Frost ein und der Schnee wurde so hart, daß wir ihn überschreiten und die wärmern Regionen aufsuchen konnten, wo es uns nicht an Wild fehlte.