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Jefferson City in Missouri

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
DCCVI. Liegnitz Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band (1852) von Joseph Meyer
DCCVII. Jefferson City in Missouri
DCCVIII. Broadway in New-York
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JEFFERSON CITY
(MISSOURI-RIVER)

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DCCVII. Jefferson City in Missouri.




Seit Jahrhunderten quälen sich die Völker im alten Europa mit Experimenten ab, ihre gesellschaftlichen Zustände zu verbessern und ein Staatssystem zu finden, welches auf Einfachheit, Weisheit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit dauernd ruht. Sie sitzen in Schmerzen und Ungeduld und schmachten und dulden und sehen den Schneckengang des gesellschaftlichen Fortschritts mit an; jedem Versuch, ihn zu beschleunigen, folgt ein Rückgang [197] und an der Völker eignen Thorheit, an ihrem Aberglauben, ihrer Unbeständigkeit, ihrer Selbstsucht und ihrer Feigheit erkaltet allmählig auch das glühendste Hoffen auf eine befriedigende Lösung der großen Frage.

Jene Sehnsucht und diese Hoffnungslosigkeit sind die Quellen des Menschenstromes, welcher sich, mit jedem Jahre breiter und tiefer werdend, aus Europa den Ländern des Westens zuwälzt. Die Amerikawanderer sind keine Abenteurer mehr, oder Auswürflinge ihrer Heimath; es sind keine Revolutionsmacher, keine Demagogen, keine Journalisten, keine Freiheitstheoretiker, keine schwärmerischen Jünglinge; zum größten Theil sind es Gutsbesitzer, schlichte Handwerker und arbeitskräftige Landleute. Oft feilen sie Jahre lang beharrlich an der Kette, welche sie an die alte Galeere fesselt, und wenn sie gehen, so gehen sie ohne Fluch und ohne Klage, wenn auch mit gebrochenem Herzen.

An den Einschiffungshäfen theilt sich der Strom der Auswanderung; der eine richtet sich nach New-Orleans, der andere nach New-York oder Baltimore und unsere Landsleute vertrauen sich zum größten Theile diesem letztern an. In Amerika spaltet sich nochmals der Zug in vier Hauptarme, deren Ziele die Namen Minnesota, Illinois, Iowa und Missouri, – junge, rasch aufblühende Staaten des fernen Westens, – bezeichnen. Missouri besonders nahm mehre Jahre lang einen großen Theil der deutschen Auswanderer auf. Jetzt richtet sich die deutsche Colonisation nicht minder häufig nach Minnesota und Illinois.

In jenen jungen Staaten ist das Colonisationsleben in beständiger Erregung, und mit unbegreiflicher Schnelligkeit breiten sich Kultur und Ansiedelung aus. Ununterbrochen schallen die Urwälder von den deutschen Axtschlägen und die Riesen der Forste neigen ihre Häupter vor unsern arbeitsamen Landsleuten. Was heute undurchdringliche Waldöde war, ist morgen schon Saatfeld, und wo der Wolf den Bison durch das Dickicht jagte, klettert die edle Rebe, gepflanzt und gepflegt von dem fleißigen Pfälzer oder dem Franken. Deutsche Farms bedecken oft ausschließlich in Strecken von vielen Quadratmeilen das gerodete Land, die Gehöfte wachsen schnell zu Dörfern zusammen, Flecken entstehen, Städte richten sich empor von deutschen Händen, und ehe wir noch ihre Namen auf unsere Karten eintragen, oder sie in unsere Lehrbücher einregistriren, haben sie sich öfters schon durch eiserne Pfade verbunden.

Wer hat von Jefferson City am Missouri gehört? Gewiß die wenigsten meiner Leser. Und doch ist’s die junge Hauptstadt des Staats Missouri und schon über tausend Deutsche haben sich dort herum Wohnsitze gebaut. Jefferson City, die Capitale einer Republik, deren Umfang größer ist, als England und Wales zusammen genommen, ist zwar noch ein Kind; aber in 20 Jahren wird es seine Bewohner nach Zehntausenden zählen. Vor fünfzehn Jahren campirten noch Indianerhorden auf der Stätte, – und im vorigen Herbste fuhr mein Sohn ununterbrochen auf der Eisenstraße von New-York, eine Entfernung von 1200 engl. Meilen, in vier Tagen dahin. –

[198] Die deutschen Niederlassungen in diesen Gegenden und ihr schnelles Aufblühen beweisen, wie leicht sich der Deutsche, dessen politische Unfähigkeit in seinem alten Vaterlande so verschrien ist, in den freien Formen des Staats- und Gemeindelebens zurecht finden kann und wie diese vom Geiste der Freiheit durchdrungenen Verhältnisse die Kraft haben, in kurzer Zeit eine gänzliche Verwandlung des politischen Menschen hervorzubringen.

Bekanntlich wurzelt in Amerika die bürgerliche Freiheit vorzugsweise in den Gemeinden. Wo die Gemeinde nicht frei ist, da kann überhaupt nicht von einem freien Staate die Rede seyn. Freie Gemeinde-Verfassung ist für die bürgerliche Freiheit, was die Volksschule für die Wissenschaft ist; sie bringt die Freiheit dem Volke näher und sie gewöhnt es an den friedlichen Gebrauch derselben. Ohne freie Gemeinde-Verfassung kann eine Nation sich nie eine freie Regierung geben; noch wird sie je durchdrungen werden vom Geiste der Freiheit, kurz, sie wird nie frei seyn. Vorübergehende Aufwallungen, gewaltig erregte Gefühle, leidenschaftliche Freiheitsliebe, die Noth des Drucks und die Qual der Knechtschaft können wohl die Alleinherrschaft stürzen und dem Staate die äußerliche Form der Republik und des freien Bürgerthums verschaffen; aber fehlt das freie Gemeindeleben, so wird auch die freieste Staatsverfassung ein todtes Wort bleiben und nicht verhindern, daß die besiegte und verdrängte Einzelherrschaft früher oder später wieder in den Besitz der Gewalt komme und sich von Neuem befestige. Die Geschichte hat dies zu allen Zeiten bewiesen. Sieben Revolutionen haben Frankreich alle möglichen freien Regierungsformen gegeben; aber keine gab ihm freie Gemeinden; und sechzig Jahre aufopferungsvollen Strebens nach bürgerlicher Freiheit haben jetzt in einem Despotismus ihr Ziel gefunden, der kein Recht achtet und dem kein Gesetz Schranken steckt. In der Schweiz hingegen wurde die freie Gemeinde das Fundament der Unabhängigkeit und diese besteht, segnend und beglückend, seit einem halben Jahrtausend. Die freie Gemeinde macht England wirklich frei trotz der Krone, die es trägt, und die Republik Polen hat niemals ein freies Volk erzogen, weil sie keine freie Gemeinde gekannt hat.

Das Volk ist in Nordamerika die Quelle aller gesellschaftlichen Gewalt, und nirgends übt das Volk seine Macht unmittelbarer aus als in der Gemeinde. Die Gemeinde-Verfassung der Vereinigten Staaten sollte von jeder Nation, die nach bürgerlicher Freiheit strebt, zum Muster genommen und nachgeahmt werden und ihre Einführung sollte allemal die erste Frucht einer Aenderung seyn, die den freien Staat zum Zweck hat. Durch Vertretung wirkt in Nordamerika die Majorität der Bürger nur dann, wenn es sich um allgemeine Angelegenheiten des Staats handelt; in der Gemeinde hingegen, wo die gesetzgebende und verwaltende Thätigkeit den Regierten viel näher liegt, ist auch ihre Theilnahme an der Regierung unmittelbar. Es gibt dort keine regierenden Bürgermeister, Stadträthe oder Magistrate in deutschem Sinne. Die Magistratspersonen der Gemeinden sind mehr Ehren- oder Titularposten; die Gemeinde regiert sich selbst, und sie hat beständig Anlaß, ihre Regierungsgewalt zu üben. Die [199] Amtsbefugnisse der Magistrate sind immer sehr beschränkt und die Wahrnehmung der Gemeindeinteressen ist unter eine sehr große Menge von Bürgern, die auf kurze Zeit gewählt werden, vertheilt; ihre Aemter sind meist Ehrenämter ohne Lohn und stehen unter beständiger Controle der Gemeindeversammlungen. Die das meiste Vertrauen bei ihren Mitbürgern genießenden Gemeindeglieder bilden überall einen permanenten Ausschuß, um die Verwaltung der Gemeindebeamten in allen Zweigen zu überwachen. Dieser durch jährliche Wahlen erneuerte Ausschuß beruft die Gemeinde, wenn es gilt, Mißbräuche abzustellen, Uebelstände zu entfernen etc. Das Veto der Gemeinde entscheidet endgültig. Der Ausschuß kann so wenig, wie die übrigen Gemeindebeamten, eine Wahl ablehnen, oder sich der Ausübung der Pflichten entziehen, welche ihm das Vertrauen der Mitbürger auflegt; er ist für die rechte Erfüllung seiner Funktionen stets persönlich verantwortlich. Dem Ausschuß (select man) liegt es ob, in jeder Gemeinde die Steuerlisten anzufertigen, und das Vermögen und den Erwerb eines Jeden einzuschätzen: ein schwieriges und undankbares Geschäft, das große Gewissenhaftigkeit und ein scharfes Urtheil erfordert. Läßt sich der Ausschuß dabei eine Nachlässigkeit oder Ungerechtigkeit zu Schulden kommen, so ist er schweren Strafen verfallen. Sehr häufig übt der Ausschuß, wenn er sich des vollen Vertrauens seiner Mitbürger bewußt ist, eine diskretionäre Gewalt aus. Er kann sich dadurch den Dank seiner Mitbürger erwerben; aber immer ruht die volle persönliche Verantwortlichkeit auf allen seinen Handlungen und jeder Bürger hat zu jeder Zeit das Recht, ihn vor der Gemeinde oder durch die Presse zur Rechenschaft zu ziehen. Will er aber die mindeste Aenderung in der Organisation der Gemeinde einführen oder etwas unternehmen, was den Gemeindesäckel, die gewerblichen oder Eigenthums-Interessen der Mitbürger berührt, so muß er allemal auf die Quelle seiner Gewalt zurückgehen und die Sache der Berathung und dem Beschluß der ganzen Gemeinde unterwerfen. Er beruft die Gemeinde, setzt in öffentlicher Versammlung das Bedürfniß auseinander, das sich im Gemeindeleben fühlbar gemacht hat, trägt die Mittel vor, ihm abzuhelfen, hört die Entwürfe, sucht irrige Ansichten zu berichtigen, und nachdem der Gegenstand besprochen und geprüft ist von allen Seiten, fordert er die Gemeinde zur Abstimmung über jeden Punkt und über alle Verbesserungsanträge auf. Die Versammlung beschließt und legt die Ausführung ihrer Beschlüsse in die Hände ihrer Beamten.

Der Ausschuß wird jedes Jahr neu gewählt, gewöhnlich im April oder Mai. Gleichzeitig besetzt die Gemeinde die während des abgelaufenen Jahres durch den Tod erledigten Gemeindeämter, oder solche, welche nur Jahresdauer haben. Die kleinste Gemeinde hat etwa 20 verschiedene Gemeindewürden; große haben oft viel mehr. Fällt die Wahl auf Bürger, die nicht ohne großen Nachtheil ihre Zeit den Amtsfunktionen widmen können, so werden sie, nach Maßgabe Dessen, was sie geleistet haben, durch Gemeindebeschluß wohl aus der Gemeindekasse belohnt. Feste unveränderliche Besoldungen sind fast niemals ausgeworfen.

[200] Das Verhältniß der Gemeinde zum Staat weicht von dem, was wir uns in Deutschland darunter vorstellen, gänzlich ab. Der Amerikaner gehorcht nur deswegen der Gesellschaft, weil die Vereinigung mit seines Gleichen ihm nützlich scheint. Er gibt von seiner persönlichen Freiheit an die Gesellschaft gerade nur so viel ab, als dieselbe nöthig hat, um ihre auch ihm zum Nutzen gereichenden Zwecke zu erfüllen. In diesem Sinne und in keinem andern, nennt sich der Amerikaner Staatsangehöriger und ist dem Staatsgesetz unterthan. In Allem, was ihn selbst angeht, ist und bleibt er eigner Herr; sein Handeln, sein Thun und Lassen hängt von seiner Selbstbestimmung ab; er ist frei und für seine Handlungen nur Gott verantwortlich. Daher der Grundsatz, daß das Individuum der beste und einzige Richter über sein Privatinteresse sey, und die Gesellschaft nur in sofern ein Recht habe, seine Handlungen zu bestimmen, als sie sich durch dieselben verletzt fühle, oder wenn sie seinen Beistand bedürfe.

Die Gemeinde ist die ursprüngliche Gesellschaft. Sie war früher da, als der Staat, und dem Staate, als einer Gesammtheit von Gemeinden gegenüber, ist sie gleichsam ein Individuum, wie es der einzelne Bürger gegenüber der Gemeinde ist. Dies Verhältniß ist in der gesellschaftlichen Entwickelung naturgemäß begründet. Jeder Amerikaner ist darüber klar, denn diese Entwickelung geschieht noch täglich vor seinen Augen. Alles politische Leben in Amerika ist im Schooße der Gemeinden entstanden; denn jede stellt ursprünglich einen selbstständigen, sich selbst regierenden Verein vor. Selbst in den frühesten Zeiten der Colonisation war es nicht anders. Am Delaware und am Potomak lebten die ersten Gemeinden in voller Freiheit, und als später die Könige von England ihre Souveränitätsrechte geltend machten, nahmen diese nur die Centralgewalt in Anspruch. Sie ließen den Gemeinden ihre freien Verfassungen; ihr selbstständiges Leben blieb unbeeinträchtigt. So sind die Gemeinden in Nordamerika allezeit unabhängige Gesellschaften geblieben, und kein Angehöriger der Union wird je dem Staate das Recht zugestehen, sich in die Leitung von Gemeindeangelegenheiten zu mischen. Man sieht daher in der ganzen Union die Gemeinden ihre Einnahmen und Ausgaben selbst reguliren, Unternehmungen machen, kaufen und verkaufen, Schulen, Kirchen, Brücken, Straßen bauen, polizeiliche Einrichtungen treffen etc., ohne daß es einer Staatsbehörde jemals einfiele, sich darum zu bekümmern, oder sie zu bevormunden.

Den gesellschaftlichen Pflichten gegen den Staat nachzukommen, kann keine Gemeinde sich weigern. Diese Pflichten sind einfach und klar: ihre Grenze ist durch die Verfassung bestimmt gezogen. Will der Staat eine Eisenbahn, einen Kanal, eine Poststraße anlegen, so darf die Gemeinde ihr Gebiet ihnen nicht verschließen. Will er höhere Unterrichtsanstalten, Gerichtshöfe etc. errichten, so hat die Gemeinde keinen Einspruch zu thun. Die Gemeinde muß ausführen helfen, was das Volk zum Nutzen und zur Erhaltung des Staats gesetzlich votirt und vollzogen haben will. Aber der Vollzug geschieht nie durch die Regierungsbehörden selbst und unmittelbar; er ist der Gemeinde überlassen. In Deutschland erheben die Staatseinnehmer die Abgaben und Staatsgefälle, in Nordamerika ist der Gemeinde-Einnehmer [201] allein dazu berechtigt. Dort leiht die Regierung ihre Beamten den Gemeinden; hier leiht die Gemeinde ihre Würdenträger der Regierung. Sie duldet keinen Eingriff in das Gemeindeleben von außen; sie verwaltet sich selbst, auch in ihren Beziehungen zum Staate.

Dieses freie Gemeindeleben, das eifersüchtig seine Selbstständigkeit wahrt, das mit Argusaugen jeden Versuch des Staats, die Schranken seiner Macht zu erweitern, erspäht und mit Selbstbewußtseyn zurückweist – ist die Mutter jenes Gemeingeistes, der in Amerika so Vieles schafft, was wir bewundern, aber nachzuahmen zu schwach sind. Jede Gemeinde ist eine kleine Republik und jeder Staat ist nur eine Föderation solcher Republiken. Jede Gemeinde ist unabhängig in ihrem Kreise und machtvollkommen. Alle ihre Bewegungen sind frei. Wo aber Macht, Freiheit und Unabhängigkeit sich vereinigen, da hängt der Mensch mit Liebe an den gesellschaftlichen Einrichtungen und die Liebe allein ist’s, die willig Opfer bringt. Jeder Gemeindeangehörige fühlt sich geehrt, wenn ihn die Wahl und das Vertrauen seiner Mitbürger zu einem unbezahlten Gemeindeamte ruft. Für die Gemeinde zu wirken, hält er seines Ehrgeizes allezeit werth.

Wie ganz anders ist dies im monarchischen Europa, wo man ein freies Gemeindeleben niemals aufkommen läßt, wo das Princip der Centralisation aller Macht und Regierungsgewalt beständig darauf hinwirkt, die immer neu aufsprießenden Keime der Freiheit und der Selbstständigkeit in der Gemeinde zu zertreten und zu zerstören und das Gemeindeleben beständig am Gängelbande der Herrschaft zu halten. Ist es unter solchem Verhältniß nicht seltsam, Klagen der Regierungsorgane über Mangel an Gemeingeist zu vernehmen? – Die Klagen beweisen, daß die Regierungen wissen, welch ein großes Element der Ordnung der Gemeingeist ist: aber sie wagen es nicht, ihn zu erzeugen. Sie fürchten, wenn sie die Gemeinde stark und selbstständig machen, die Staatsgewalt zu theilen und den Staat der Anarchie auszusetzen. Sie möchten die Wirkung wohl, aber sie scheuen die Ursache. Und doch sind beide nicht zu trennen. Eine Gemeinde ohne Macht und Kraft, ohne Freiheit und Unabhängigkeit, wird allezeit nur Verwaltete erzeugen, niemals Bürger.

Geht, – möchte ich Allen zurufen, die eine Stimme haben im Regieren und Organisiren der Staaten – geht hinüber in die jungen Republiken Nordamerika’s und beobachtet dieses rührige und glückliche Gemeindeleben, das den Staatsregierungen ihre Arbeit so leicht und gedeihlich macht. Die kleinste Gemeinde in Amerika ist wie ein Bienenschwarm, so thätig und voll Ordnung. – Jeder Tag bringt dem Gemeindeangehörigen die Erfüllung einer Pflicht oder die Ausübung eines Rechts. Dieses regsame, politische Leben des Gemeindebürgers gibt der Gesellschaft eine beständige Bewegung: aber sie ist eine friedliche, eine Bewegung der Ordnung. Sie belebt, ohne zu verwirren; sie macht frei und schafft den Allgemeinsinn für Gesetzlichkeit. Sie zerstört nicht; sie erhält und baut auf. Zufriedenheit Aller ist ihr Ziel, und im Gemeindeglück findet das Glück jedes Einzelnen eine Stütze. Bei dem [202] tiefen Frieden im Innern und der großen materiellen Wohlfahrt Amerika’s sind Stürme im Gemeindeleben nur selten. Wenn solche ausbrechen, sind sie allemal von kurzer Dauer und wenn auch heftig, doch niemals verheerend. Sie haben keine Nahrung in dem Ständeunterschied, in der Herrschsucht der Familien, im Nepotismus. Solche Dinge bestehen in Amerika nicht einmal dem Namen nach. – Kein Theil der Gemeinde kann in eine Versuchung kommen, den andern zu unterdrücken, oder durch Ungerechtigkeit zu kränken. Die öffentliche Meinung, durch die freie Presse unterstützt, ist so allgewaltig, daß selbst der Verwegenste so etwas gar nicht wagen könnte. Verwaltungsfehler aber, welche Gemeindebehörden machen, sind bei der Durchsichtigkeit des ganzen Haushalts und der Vielseitigkeit der Controle immer sogleich bemerklich und werden korrigirt, ehe sie dem Gemeindeleben beträchtlichen Schaden bringen können. In dieser Beziehung steht Amerika einzig da und ist ein Muster für die ganze übrige Welt.

Wie schnell der ächte Gemeingeist unter einer angemessenen Verfassung gedeiht und gedeihen kann, ist an den jungen Gemeinden recht deutlich zu erkennen, die, aus den heterogensten Elementen der Kolonisation und öfters aus den ungleichartigsten Nationalitäten gebildet, täglich im fernen Westen entstehen. Wenig Monate reichen hin, sie zu vereinigen und sie in der Gemeinde den Mittelpunkt ihres friedlichen Zusammenwirkens erkennen zu lassen, und oft ehe ein Jahr um ist, ist aus dem störrigen Iren und dem dummen deutschen Bauer ein Gemeindebürger geworden, der seine Pflichten klar erkennt und freudig erfüllt. Er wird ein eifriges Glied der Gesellschaft und ist stolz darauf, wenn er berufen wird, an ihrer Leitung mitzuwirken. Er liebt sie, weil sie ihn hebt und veredelt, weil sie sein Loos verbessert; er setzt in ihr Wohl seinen Ehrgeiz und seine Zukunft; er betheiligt sich an jeder Erscheinung des Gemeindelebens, er versucht in dem beschränkten Kreise, der ihm erreichbar ist, seine polnischen Fähigkeiten und diese gelangen durch die Uebung zur Kraft und Bildung; er gewöhnt sich an die Regeln des Gesetzlebens , ohne welche die Freiheit nur zu leicht ausartet; er durchdringt sich mit ihrem Geiste, begreift ihre Formen und gelangt zu klaren und praktischen Begriffen sowohl über die Natur seiner Pflichten, wie über die Ausdehnung und Grenzen seiner Rechte.