Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl/Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche

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Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl
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Melanchthon und die Augustana »
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II. Hat die Lehre Luthers vom Abendmahl ihren Ausdruck in den Bekenntnissschriften der lutherischen Kirche gefunden?

 Wir sehen uns darauf dieselben an, die Catechismen Luthers, die Augustana und die Schmalcalder Artikel.

 Da die Catechismen von Luther selbst verfasst sind, so sollte man meinen, es sei eine selbstverständliche Sache, dass sie auch die Lehre Luthers enthielten.

 Schon der kleine Catechismus sagt aus, dass das Sacrament des Altars sei „der wahre Leib und das wahre Blut unseres Herrn Jesu Christi unter dem Brod und Wein uns Christen zu essen und zu trinken von Christo eingesetzt.“ Der grössere Catechismus aber handelt ausführlicher erst vom Wesen, dann von der Kraft und dem Nutzen des Sacraments. Er führt im ersten Theil aus, wie das Wort Gottes, in welches Brod und Wein gefasst sind, bewirkt, dass es „nicht lauter Brod und Wein, sondern Christi Leib und Blut ist und heisst;“ wie also, aus Kraft dieses Wortes, „so zu dem Brod und Wein kommt“ man seinen Leib und sein Blut hat, sei man würdig oder unwürdig.

 Dennoch meint Heppe,[1] Luther habe es nicht gewagt, seine Sacramentslehre auf den angegebenen Grundlagen, die auch Heppe als vorhanden anerkennt, consequent aufzubauen, auch habe Luther noch durchaus nicht die in der Concordienformel vorliegende Lehrentwicklung ausgesprochen. Die Lehre von der Ubiquität nemlich sei im Catechismus mit keiner Silbe angedeutet und von den subtilen Bestimmungen der Concordienformel, die manducatio oralis und supranaturalis betreffend, finde sich hier noch gar nichts vor.

 Der Ubiquitätslehre, um damit zu beginnen, gedenkt Luther in seinen Catechismen allerdings nicht. Aber warum nicht? Der Grund wird derselbe gewesen sein, der ihn bei Erklärung des zweiten Artikels hinderte, auf die Auferstehung des Herrn, sein| Aufgefahrensein in den Himmel und sein Sitzen zur Rechten des Vaters des Näheren einzugehen. „Diese einzelnen Stücke, sagt er, alle sonderlich auszustreichen, gehört nicht in die kurze Kinderpredigt, sondern in die grossen Predigten über das ganze Jahr, sonderlich auf die Zeiten, so dazu geordnet sind ein jeglichen Artikel in die Länge zu handeln, von der Geburt, Leiden, Auferstehung, Himmelfahrt Christi“ etc. So gehört auch die Lehre von der Ubiquität nicht in die Kinderpredigt.

 Aus demselben Grund würde Luther an diesem Ort auch die in der Concordienformel vorliegende Lehrentwicklung mit ihren subtilen Bestimmungen nicht ausgesprochen haben – auch wenn er die Ubiquitäts- und Sacramentslehre schon in der abgerundeten Form gehabt hätte, wie sie in der Concordienformel vorlag. Das ist aber auch nie behauptet worden, und spricht doch nicht gegen die Concordienformel und ihre Fassung der Lehre.

 Verwunderlich ist die erste Ausstellung, welche Heppe macht, die, dass Luther es nicht gewagt habe, seine Sacramentslehre auf den angegebenen Grundlagen consequent aufzubauen! Verwunderlich, weil sich darin eine Schüchternheit zu erkennen gibt, welche wir sonst bei Luther nicht wahrnehmen, und die sich auch schwer erklären liesse, denn warum sollte Luther an diesem Ort nicht gewagt haben, was er zuvor gewagt hatte und nachher wagte?

 Heppe nemlich gibt zwar zu, dass Luther in dem grossen Catechismus die Präsenz des Leibes und Blutes Christi gelehrt, in der weiteren Entwicklung seiner Abendmahlslehre aber, behauptet er, habe er von ihr ganz abgesehen. Hätte nämlich Luther, meint Heppe, seine Sacramentslehre consequent construiren wollen, so hätte er nachweisen müssen, dass Christi Fleisch und Blut im Abendmahl darum substantiell und räumlich (?) vorhanden ist, weil durch den Genuss desselben der Empfang des Verdienstes Christi vermittelt werde. Aber daran denke Luther nicht. Nach seiner Meinung sei Leib und Blut Christi nicht das eigentliche Heilsgut des Sacraments, vielmehr unterscheide Luther das letztere ganz scharf von jenen beiden. Sehen wir uns aber die betreffenden Aeusserungen Luthers an, so geben diese einen ganz anderen Sinn, als Heppe ihnen unterlegt. Luther handelt von| der Kraft und dem Nutzen des Sacraments und bezeichnet als diesen die Vergebung der Sünden. Mit Beziehung auf die Einsetzungsworte sagt er: der Sinn derselben ist der: ideo ad sacramentum accedimus, ut ejusmodi thesaurum ibi accipiamus, per quem et in quo peccatorum remissionem consequamur. Was ist da unter thesaurus anders zu verstehen als Leib und Blut Christi in und unter Brod und Wein? Man kann die Worte gar nicht anders auslegen. Zum Ueberfluss sagt Luther das unten (von 28 an) wenn möglich noch deutlicher. Auf die Frage der nasuti spiritus: qui vero panis et vinum peccata possunt remittere aut fidem corroborare? antwortet er: „sie hören und wissen doch, dass wir solches nicht von Brod und Wein sagen, als an ihm selbst Brod Brod ist, sondern von solchem Brod und Wein, das Christi Leib und Blut ist und die Worte bei sich hat. Dasselbige sagen wir (hic, inquam, panis) ist ja der Schatz und kein anderer, dadurch solche Vergebung erworben ist.“ Also sind Leib und Blut in und unter dem Brod und Wein wirklich das Heilsgut und vermitteln sie uns die Vergebung. Dem entgegen sagt Heppe: „also nicht der Genuss des substantiellen Fleisches und Blutes Christi selbst vermittelt den Genuss des Verdienstes Christi, sondern es hat jener Genuss des Fleisches und Blutes Christi nur die Bedeutung eines Zeichen, einer unterpfändlichen Versicherung, ganz eben so, wie Melanchthon dasselbe von dem Genuss der signa eucharistiae lehrt.“ Und woraus entsteht ihm dieses „also“? Weil Luther, nachdem er von dem Schatz gesprochen, durch den und in dem wir Vergebung der Sünde überkommen, hinzufügt: „Warum das? Darum, dass die Worte dastehen und uns solches geben, denn darum heisst er mich essen und trinken, dass es mein sei und mir nütze, als ein gewiss Pfand und Zeichen.“ Gerade aus diesen Worten folgern wir im geraden Gegensatz zu Heppe: also vermittelt der Genuss des substantiellen Leibes und Blutes Christi den Genuss des Verdienstes Christi, d. i. die Vergebung der Sünden. Christus will ja, dass wir seinen Leib essen und sein Blut trinken, damit er diesen Nutzen, nemlich die Vergebung, uns dadurch schaffe. Der Leib aber, den wir essen, ist eben ein gewisses Pfand und Zeichen dafür, dass uns dieser Nutzen zukommt. Darum auch noch zu| pignus et arrabo die Worte: imo potius res ipsa, quam pro peccatis meis morte et omnibus malis ille opposuit et oppignoravit

 So deutlich als möglich also sagt Luther, dass Leib und Blut Christi in und unter Brod und Wein uns die Vergebung der Sünden vermitteln, und wenn Heppe dagegen sagt: „das, was den eigentlichen Gnadeninhalt im Sacrament vermittelt, ist nicht das Brod und der Wein, sondern das Wort,“ so beruht das auf einer völligen Verkennung dessen, was Luther von dem Wort sagt. Nicht Vergebung der Sünden vermittelt das Wort, sondern es bewirkt, dass das Sacrament „nicht lauter Brod und Wein, sondern Christi Leib und Blut ist und heisst,“ und dann, wenn geschehen ist nach den Worten Augustins: (10.) „accedit verbum ad elementum et fit sacramentum“ vermittelt, freilich nicht einfach Brod und Wein, sondern Leib und Blut in und unter Brod und Wein die Vergebung.

 Man kann also nicht sagen, dass Luther in der weiteren Entwicklung seiner Abendmahlslehre von der Präsenz des Leibes und Blutes Christi durchaus absehe, vielmehr der Glaube an die Präsenz des Leibes und Blutes Christi ist die Voraussetzung, unter der allein es im Abendmahl zur Vergebung der Sünden kommt.

 Hätte nun aber Heppe mit dem, was er noch weiter beibringt, Recht, so hätte er mit der Behauptung, Luther habe in der weiteren Entwicklung seiner Abendmahlslehre von der Präsenz des Leibes und Blutes Christi durchaus abgesehen, zu wenig gesagt. Er hätte sagen müssen, Luther habe seine früheren Aussagen zurück genommen und sei mit sich selbst in Widerspruch gerathen. Erst hatte Luther gesagt, „man habe aus Kraft des Wortes seinen Leib, sei man würdig oder unwürdig.“ Jetzt soll er sagen, wer nicht Glauben habe, der habe und empfange im Sacrament gar nichts.

 Schon die Annahme, dass Luther mit sich selbst in Widerspruch getreten, ist so unwahrscheinlich, dass man Bedenken tragen sollte, die Aeusserungen Luthers (es sind die in 35 und 36 des grossen Catechismus gemeint) so auszulegen. Es ist das aber um so weniger zu verantworten, als man über den Sinn der Worte gar nicht in Zweifel sein kann. Ihnen gehen die voraus:| „Also haben wir nu das ganze Sacrament, beide was es an ihm selbs ist und was es bringt und nützt. Nu muss man auch sehen, wer die Person sei, die solche Kraft und Nutz empfahe.“ Für die Person fordert er Glauben und sagt (34): „Wer nu ihm solchs lässet gesagt sein und gläubt, dass es wahr sei, der hat es; wer aber nicht gläubt, der hat nichts, als der’s ihm lässt umsonst fürtragen und nicht will solchs heilsamen Guts geniessen. Der Schatz ist wohl aufgethan, und jedermann für die Thür, ja auf den Tisch gelegt; es gehört aber dazu, dass Du Dich auch sein annehmest und gewisslich dafür haltest, wie Dir die Worte geben.“ Was hat also der, der glaubt? Den Nutzen des Sacraments hat er, also die Vergebung der Sünden, und der es nicht glaubt, hat nichts, d. h. er hat keinen Nutzen davon. Nicht sagt Luther, dass ein solcher nicht Leib und Blut Christi habe, nur sagt er, er habe keinen Nutzen davon. Ist Lutherischerseits je anders gelehrt worden? Immer hat man zwar gesagt: Würdige wie Unwürdige empfangen Leib und Blut Christi, nie aber hat man gesagt: Würdige und Unwürdige haben den gleichen Nutzen davon.

 Aber Luther nennt doch das Abendmahl (23) „eine Speise der Seelen, die den neuen Menschen stärkt und nährt“ und sagt doch (36), „dass man diesen Schatz nicht anders ergreifen und zu sich nehmen könne denn mit dem Herzen.“ Damit soll die Sacramentslehre geradezu im Lichte des reformirten Dogmas vorgeführt sein.

 So ist es, wenn das reformirte Dogma dahin lautet, dass Leib und Blut, d. i. Leib und Blut in, mit und unter Brod und Wein, eine Speise der Seele sei, aber auch nur dann, und dann hätten die Reformirten aufgehört Reformirte zu sein. So aber lehrt Luther und lehren nicht die Reformirten. Er nämlich schliesst unmittelbar an die Worte: „darum heisst er mich essen und trinken (nämlich seinen Leib und sein Blut), damit es mein sei und mir nütze“ die Worte an: „darum heisst es wohl eine Speise der Seelen.“ Dass aber Christi Leib keine Bauchspeise sei, wie oft hat Luther das gesagt; und wem anders soll der Genuss zu gut kommen als der Seele, wenn doch der Nutzen davon die Vergebung ist; und womit anders soll man denn glauben als mit dem| Herzen? Darin sind dann freilich Lutheraner und Reformirte einig, dass das Sacrament nur da Nutzen bringt, wo es genossen ist, aber nicht einig sind sie in der Frage nach dem, was im Abendmahl genossen wird und wodurch, wenn es würdig genossen wird, die Vergebung vermittelt wird.

 Wir müssen sonach alle Ausstellungen, welche Heppe an der in den Catechismen enthaltenen Abendmahlslehre gemacht hat, zurückweisen.

 Wir schreiten weiter zur Augsburgischen Confession.

 Aber wird uns der Beweis, dass in ihr die lutherische Lehre vom Abendmahl enthalten ist, gelingen, nachdem Rückert (in seinem Schriftchen: Luthers Verhältniss zum Augsburgischen Bekenntniss, Jena 1854) darzuthun gesucht hat, dass dieses Bekenntniss nicht ohne Unwahrheit als Luthers Werk bezeichnet werden könne; und nachdem Heppe in seiner schon angeführten Schrift ausführlich nachzuweisen sucht, dass dasselbe ganz den Melanchthonischen Typus an sich trägt und nicht Luthers Lehre enthält?

 Es ist hier nicht unseres Berufs, die ganze in der Augustana niedergelegte Lehre Luthern als seine Lehre zu vindiciren. Nur den Beweis haben wir zu führen, dass die in der Augustana enthaltene Abendmahlslehre die Luthers ist[2]

 Da bekanntlich der A. C. die Schwabacher und Torgauer Artikel zu Grunde liegen, an der Abfassung der ersteren aber, welche allein für uns in Betracht kommen, vorzugsweise Luther betheiligt war, sie also sein Bekenntniss enthalten,[3] so ist es angezeigt,| diese Schwabacher Artikel mit den entsprechenden in der Augustana zu vergleichen.[4] Stimmen sie im Wesentlichen unter einander überein, so sollte man meinen, der Beweis sei damit geliefert, dass die Augustana Luthers Lehre vom Abendmahl enthalte. Nach Rückert stimmen sie aber nicht unter einander überein. In den Schwabacher Artikeln findet er allerdings ganz Luthers Art und Geist. Er findet aber auch, dass die Schwabacher Artikel in Augsburg mit so grosser Freiheit behandelt worden sind, dass es schwer sein möchte, den leitenden Gedanken bei der Umarbeitung zu entdecken. Ja er kommt zu dem Urtheil, die Umarbeitung habe das Ansehen, grundsatzlos erfolgt zu sein. Heppe dagegen findet schon in den Schwabacher Artikeln mehr Melanchthonischen als Lutherischen Geist.

 Wir beginnen damit, dass wir zusehen, ob es sich mit diesen so verhält, wie Heppe behauptet. Wir thun es aber mit Widerstreben: denn man sollte meinen, Luthern sei es von vornherein nicht zuzutrauen, dass er, der wenige Tage nach dem Marburger Colloquium die Schwabacher Artikel fertigte, dem Melanchthonischen Geist, ohne es zu wissen, so viel Raum gegeben, dass er nicht sowohl seine Lehre, als vielmehr die Melanchthons niederschrieb, und das noch dazu da, wo er sich, wie Heppe selbst annimmt, „die Aufgabe gestellt hatte, aus den Marburger Artikeln Alles, was den Schweizern concedirt war, auszumerzen, und nur das, was ihm selbst als reine evangelische Wahrheit erschien, zur Geltung zu bringen.“ Indessen so behauptet nun einmal Heppe. „Die Wahrheit der Melanchthonischen Gedanken übte, sagt er, doch noch immer auf Luther eine so eminente Gewalt aus, dass sich Luther nur theilweise von denselben frei machen konnte und daher unwillkührlich Melanchthonische und rein Antimelanchthonische Sätze in bunter Abwechslung neben einander stellt.“[5]

 Welches sind nun in den Schwabacher Artikeln die Melanchthonischen und welches sind die Antimelanchthonischen Sätze?

|  Ganz Melanchthonisch soll die in den Schwabacher Artikeln ausgesprochene Auffassung des Sacraments im Allgemeinen sein, die nämlich, dass das Sacrament nur sichtbare Besiegelung der im Wort verheissenen Gnade, und dass der reale Inhalt des Sacraments somit nicht in dem äusseren Element, sondern in dem mit demselben verbundenen Verheissungswort zu finden sei. Wo findet Heppe diese Sätze? In den Art. VII u. VIII. Im ersten heisst es: „Solchen Glauben zu erlangen oder uns Menschen zu geben, hat Gott eingesetzt das Predigtamt oder mündliche Wort, nämlich das Evangelium ... und gibt auch durch dasselbige als durch ein Mittel den Glauben mit seinem heiligen Geist, wie und wo er will. Sonst ist kein ander Mittel noch Weise, weder Weg noch Steg, den Glauben zu bekommen; denn Gedanken ausser oder vor dem mündlichen Wort, wie heilig und gut sie scheinen, sind sie doch eitel Lügen und Irrthum.“ Im anderen heisst es: „Bei und neben solchem mündlichen Wort hat Gott auch eingesetzt äusserliche Zeichen, nämlich die Taufe und Eucharistie, durch welche neben dem Wort Gott auch den Glauben und seinen Geist anbeut, und gibt und stärkt Alle, die seiner begehren.“ Wie kann aber Heppe aus diesen zwei Artikeln herauslesen, dass die Sacramente nur sichtbare Besiegelung der im Wort verheissenen Gnade seien, da er doch selbst unmittelbar darauf anerkennt, dass nach Art. VIII die Sacramente „den Glauben ebenfalls vermitteln“? Mit dem Sacrament verhält es sich also wie mit dem Wort, das eine wie das andere vermittelt den Glauben.
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 Heppe liest aber auch das andere aus diesen Artikeln heraus, dass Luther „den realen Inhalt des Sacraments nicht in dem äussern Element, sondern in dem mit demselben verbundenen Verheissungswort findet.“ Weil nämlich in diesen Artikeln den Sacramenten nur die Vermittlung des Glaubens zugeschrieben wird, folgert er daraus, dass darnach die Sacramente keinen anderen realen Inhalt haben als den des Verheissungsworts. Darum findet er auch, dass, was Luther in Art. X sage, in auffallendem Widerspruch mit diesen obigen Sätzen stehe, „weil darin gar nicht mehr von dem Heilsgut, welches in dem mündlichen Wort dargeboten und daneben in dem äusserlichen Zeichen versiegelt| wird, sondern blos von dem Heilsgut die Rede sei, welches in den Elementen des Sacraments stecke.“

 Ein Widerspruch liegt nicht vor, aber zuzugeben ist, dass sich aus dem oben in Art. VIII angegebenen Begriff von Sacrament die in Art. X enthaltene Abendmahlslehre nicht ableiten lässt. Da nämlich, wo die Schwabacher Artikel von den Sacramenten überhaupt handeln, sprechen sie nur von der Wirkung derselben und nennen als solche den Glauben, Art. X aber handelt noch von dem besonderen Heilsgut (dem thesaurus, wie Luther in dem grossen Catechismus sagt), dessen man im Abendmahl theilhaftig wird, und nennt als solches Leib und Blut Christi; dass aber dieses im Abendmahl enthalten sei, lässt sich allerdings aus der Definition von Sacrament im allgemeinen nicht ableiten.

 Folgt nun daraus, dass dem Abendmahl nicht mehr Inhalt gegeben werden dürfe, als aus dem Begriff von Sacrament überhaupt abgeleitet werden kann, und folgt daraus, dass Luthern, weil er einmal in den vorliegenden Artikeln den Begriff von Sacrament überhaupt sich angeignet hat, seine Abendmahlslehre eigentlich abgeschnitten ist?

 So kommt in der That die Sache bei Heppe nahezu zu stehen.

 Wir stehen hier vor einem Strategem Heppe’s, das er da, wo er von den Schwabacher Artikeln handelt, nur erst andeutet, und das er erst in dem Artikel über die Augsburgische Confession und Apologie des breiteren ausführt. Wir können aber auf den vorliegenden Einwurf nicht antworten, ohne gleich hier dieses Strategem näher ins Auge zu fassen. Das möge zur Entschuldigung dafür dienen, dass wir gleich hier einen Punkt zur Sprache bringen, den Heppe der Erörterung über die Augustana vorbehalten hat. Indessen vereinfachen wir uns dadurch unser Geschäft an der Augustana. Das Strategem Heppe’s ist dieses: die Lehre von dem einzelnen Sacrament, der Taufe, dem Abendmahl, sagt er, muss conform sein der Lehre vom Sacrament überhaupt und muss sich aus dem allgemeinen Sacramentsbegriff ergeben. Von diesem Satz macht er aber, aus uns unbekannten Gründen, eine verschiedene Anwendung in dem Abschnitt von| den Schwabacher Artikeln und in dem von der Augsburgischen Confession und Apologie. In dem ersteren constatirt er, wie wir gesehen haben, einen Widerspruch, im anderen behauptet er, die Artikel, welche von der Taufe und dem Abendmahl handeln, müssten nach dem Artikel, der von den Sacramenten überhaupt handelt, ausgelegt werden, und da nun nach ihm die Sacramentslehre überhaupt die Melanchthonische ist, so folgt ihm daraus, dass auch die Abendmahlslehre der Augustana die Melanchthonische ist.

 Was ist von dem Princip, das Heppe da aufstellt, zuhalten? Es klingt ganz gut, wenn er fragt: „durch welche Logik ist es wohl verboten, von dem Allgemeinen auf das Specielle, vom Genus auf die Species zu schliessen und von dem Begriff auf die Verwirklichung des Begriffs so überzugehen, dass man in der Betrachtung der letzteren vor allem den Begriff festhält? Kein vernünftiger Mensch hat ein solches Verfahren jemals als unberechtigt, sondern jeder hat vielmehr dasselbe unter allen Umständen als allein berechtigt und vernünftig angesehen.“[6] So scheinbar dieses Recht der Logik ist, so bestreiten wir es doch in dem vorliegenden Fall, und haben dazu guten Grund. Wir fragen nemlich: wie gelangt man zu dem allgemeinen Begriff von Sacrament? Bekanntlich nicht auf Grund einer bestimmten Aussage der heil. Schrift darüber, sondern so, dass man den allgemeinen Begriff von den Aussagen der heil. Schrift über Taufe und Abendmahl abstrahirt. Darnach ist also die Lehre vom einzelnen Sacrament das frühere, die Lehre vom Sacrament überhaupt das spätere. Stimmt dann die Lehre vom einzelnen Sacrament nicht mit der Lehre vom Sacrament überhaupt, so ist erstere Lehre nach der anderen zu corrigiren und nicht umgekehrt. Das Verfahren also, das Heppe einschlägt, ist ein falsches, trotz seiner Berufung auf die Logik, der zufolge man von dem Allgemeinen auf das Speciellere schliessen darf.

 Freilich aber, das geben wir bereitwillig zu, drängt sich die Frage auf und will beantwortet sein, woher es denn kommt,| dass weder die Schwabacher Artikel noch die Augsburgische Confession und Apologie eine Lehre vom Sacrament aufstellen, welche nicht alle Elemente enthält, die in der Lehre von den einzelnen Sacramenten liegen? Sie wird dahin zu beantworten sein, dass man da, wo man eine allgemeine Definition vom Sacrament gab, nur den Gegensatz gegen Zwingli ins Auge fasste. Das erhellt am deutlichsten aus der Augustana. Da wird vor allem abgewehrt, dass die Sacramente nur notae professionis seien, und für diesen Zweck genügte die Definition Augustins, die man sich aneignete. Es kam weiter darauf an, dem Sacrament die Bedeutung eines eigentlichen Gnadenmittels zu vindiciren, welche Zwingli ihm absprach, und auch dazu reichte die Definition aus, denn es wird (in den Schwabacher Artikeln wie in der Augustana) von dem Sacrament ausgesagt, wie von dem Worte, dass es den Glauben wirke, und keineswegs wird dasselbe, wie Heppe behauptet p. 260, nur als unterpfändliches Zeichen und Siegel der im Wort gespendeten Gnade bezeichnet. Der Hauptsache war damit ein Genüge gethan, freilich nicht in gleichem Masse der Forderung der Dogmatik, denn darnach hätte die Definition so gefasst werden müssen, dass in sie sogleich die besonderen Heilsgüter, welche in dem einzelnen Sacrament enthalten sind, mit aufgenommen worden wären. Aber um Herstellung einer Dogmatik handelte es sich hier nicht und diese dogmatische Mangelhaftigkeit ist leicht zu ertragen, da die Definition von Sacrament eben nicht eine in sich falsche ist, sondern nur eine dogmatisch mangelhafte. Sie ist keine in sich falsche, denn die darauf folgende Lehre von Taufe und Sacrament stösst den Satz, dass das Sacrament wirkliches Gnadenmittel ist, nicht um, und die Lehre von Taufe und Abendmahl tritt nicht in Widerspruch mit der zuvor gegebenen Definition von Sacrament, sondern ergänzt dieselbe nur.

 Eine Betrachtung der in den Schwabacher Artikeln, zu denen wir jetzt zurückkehren, enthaltenen Aeusserungen wird das darthun.

 Da begann der VII. Artikel damit, dass er von dem Mittel handelte, durch welches wir den Glauben erlangen. Als solches nannte er Wort (Predigtamt) und Sacrament. An die Worte nemlich:| „Solchen Glauben zu erlangen, hat Gott eingesetzt das Predigtamt oder mündliche Wort, nemlich das Evangelium“ reihen sich die anderen an: „sonst ist kein ander Mittel noch Weise, weder Weg und Steg, den Glauben zu bekommen“. Und diese Worte wollen nicht, wie wohl behauptet worden ist, den Sacramenten oder wie Luther sich ausdrückt den äusserlichen Zeichen, nemlich der Taufe und Eucharistie, die Bedeutung von Gnadenmitteln absprechen, sonst könnte Luther nicht sagen: „bei und neben solchem Wort hat Gott eingesetzt äusserliche Zeichen, durch welche Gott neben dem Wort auch den Glauben und seinen Geist anbeut und gibt“, sondern der Gegensatz wendet sich, wie Engelhardt richtig sagt,[7] nur gegen jeden eigenerdachten menschlichen Weg. Vielmehr sagt Luther eben damit, dass er die Sacramente neben das Wort stellt und die gleiche Wirkung ihnen zuschreibt, aus, dass er der Gnadenmittel zwei annehme, das Wort und die Sacramente. Wort und Sacrament verhalten sich aber so zu einander, dass, was das einemal das Wort vermittelt, das vermittelt das anderemal das äusserliche Zeichen, Wasser, Brod und Wein. Da angelangt, handelt Luther dann (in art. IX u. X) des Näheren von den beiden Sacramenten und sagt, aus welchen Stücken sie bestehen. Die Taufe, sagt er, bestehe aus den zwei Stücken, dem Wasser und dem Wort Gottes und das Wasser sei da ein heilig, lebendig, kräftig Ding, und darum ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heil. Geistes, weil Gottes Wort dabei sei. Die Eucharistie aber stehe auch in zwei Stücken, nemlich dass sei wahrhaftiglich gegenwärtig im Brod und Wein der wahre Leib und Blut Christi, laut der Worte Christi: Das ist mein Leib etc. Beide Sacramente verhalten sich so zu einander, dass im einen Fall zu dem einen äusseren Zeichen, dem Wasser, das Wort hinzugetreten ist, wodurch das Wasser ein lebendig kräftig Ding geworden, in dem anderen Fall aber durch das Wort zu dem äusseren Zeichen, dem Brot und Wein, Leib und Blut Christi hinzugetreten ist. Da, in diesem Fall, handelt dann allerdings Luther, wie Heppe sich ausdrückt, von dem Heilsgut, welches in den Elementen des Sacraments| steckt, dessen er da, wo er von den Sacramenten in genere sprach, nicht erwähnt hatte. Aber darin liegt nur eine Ergänzung, eine nähere Ausführung und hebt er nur hervor, welche besondere Bewandniss es mit der Eucharistie auch im Vergleich mit der Taufe habe, aber es liegt darin kein Widerspruch mit dem zuvor Gesagten, denn es bleibt ja stehen, was er zuvor gesagt hatte, dass in den Sacramenten das äusserliche Zeichen die gleiche Wirkung habe wie das Wort. Der Zusatz nemlich, mit welchem Luther die Lehre abschliesst: „diese Worte (das ist mein Leib etc.) fordern und bringen zu den Glauben etc.“ ist kein fremdartiger, zu dem unmittelbar Vorhergehenden gar nicht gehöriger Nachtrag, sondern bestätigt eben, dass die endliche Wirkung des Sacraments die gleiche ist, wie die des Worts. Es stimmt das ganz mit dem überein, was Luther in den Catechismen vom Abendmahl gesagt hat.

 Dieses Bekenntniss ist also Lutherisch und nicht Melanchthonisch. Melanchthonisch in dem Sinne, wie Heppe es fasst, kann es aber schon darum nicht sein, weil, wie Calinich und Frank nachgewiesen haben[8] und worauf wir noch zurückkommen werden, Melanchthon um diese Zeit noch Luthers Lehre in allen wesentlichen Punkten theilte.

 Wenden wir uns nun zur Augustana!

 Für uns, denen es jetzt ausgemacht ist, dass die Schwabacher Artikel Luthers Lehre enthalten, liegt die Sache sehr einfach. Wir vergleichen die betreffenden Schwabacher und Augsburger Artikel mit einander. Stimmen sie unter sich überein, so liegt für uns der Beweis vor, dass die Augustana die Lehre Luthers enthalte. Dann wird das Gleiche auch von der Apologie zu sagen sein, denn diese will, wie das Wort besagt, eine Rechtfertigung der Augustana sein. Da wird man nicht annehmen wollen, dass Melanchthon darin einer anderen Auffassung der Lehre das Wort geredet hat.

 Nur Art. X u. XIII der Augustana haben wir mit Art. X u. VIII der Schwabacher Artikel zu vergleichen.

|  Vergleichen wir zunächst den deutschen Text der Augustana, so finden wir die Aussage des Schwabacher Artikels, dass die Sacramente den Glauben wirken, nicht aufgenommen (auch nicht in den lateinischen Text). Das erklärt sich aber einfach daraus, dass die Augustana schon in Art. V vom Predigtamt gehandelt, und da schon ausgesagt hatte, dass die Sacramente die gleiche Wirkung hätten wie das Wort.
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 Was aber das Bekenntniss vom Abendmahl anlangt, so ist die Fassung in dem deutschen Text eine andere. Sagt nemlich der Schwabacher Artikel aus, „dass im Brot und Wein der wahre Leib und Blut Christi wahrhaftig gegenwärtig sei“, so sagt die Augustana, „dass wahrer Leib und Blut Christi wahrhaftig unter der Gestalt des Brods und Weins im Abendmahl gegenwärtig sei und da ausgetheilt und genommen wird.“ Worin liegt der Grund dieser Aenderung? Frank meint,[9] in den Schwabacher Artikeln habe wesentlich die Beziehung auf die Zwinglianer vorgewaltet und zur Abwehr der Zwingli’schen Lehre sei der Ausdruck „in Brod und Wein“ der passendste gewesen, dem Melanchthon aber sei daran gelegen gewesen, den Gegensatz zwischen der evangelischen und der Römischen Auffassung so weit zu mildern, als immer die Wahrhaftigkeit vertrug, daher habe er den bisher üblichen Ausdruck „unter der Gestalt“ gesetzt. Frank ist nemlich der Meinung, dass auf jenen Gegensatz gegen die römische Auffassung in der Augustana kein Gewicht gelegt wurde. Mag das aber der Grund der Aenderung gewesen sein oder nicht, so viel ist gewiss, der Ausdruck „unter der Gestalt des Brods und Weins“ ist nicht gleichbedeutend mit dem „unter beiderlei Gestalt“, so dass der Grund, warum das „in Brod und Wein“ mit dem „unter der Gestalt des Brods und Weins“ vertauscht ist, nur der gewesen wäre, der katholischen Kelchentziehung entgegen zu treten,[10] denn dieser Gedanke liegt durchaus nicht in den Worten „unter der Gestalt“; und ausserdem hätte Melanchthon, wenn ihm dieser Gedanke so wichtig gewesen wäre, demselben auch in dem lateinischen Text einen| Ausdruck gegeben, was nicht geschehen ist. Welches nun auch der Grund der Aenderung war, das steht fest, dass der Ausdruck „unter der Gestalt“ auf eine Beziehung von Brod und Leib, Wein und Blut hindeutet, und damit ist wenigstens die Zwinglische und auch die Melanchthonische Lehre, wie Heppe sie fasst, ausgeschlossen, denn mag auch Zwingli von einer Gegenwart Christi sprechen, in dem Sinn, dass er gegenwärtig sei ex contemplatione fidei, und mag auch Melanchthon unter dem Leib den lebendigen persönlichen Christus verstehen, von einer Gegenwart desselben unter der Gestalt des Brods und Weins kann weder bei dem einen noch dem anderen die Rede sein, noch weniger aber von einem Ausgetheilt- und Genommenwerden.

 Einer anderen Fassung begegnen wir dann auch im lateinischen Text. Da lautet das Bekenntniss einfacher dahin: „quod c. et s. Ch. vere adsint et distribuantur vescentibus in c. D.“ Warum Melanchthon diese Aenderung vorgenommen hat, weiss ich nicht. Welchen Grund zur Aenderung er aber gehabt haben mag, jedenfalls war es ein unverfänglicher, der nicht die Absicht hatte, der Abendmahlslehre einen anderen Sinn zu geben: denn Melanchthon konnte doch im lateinischen Exemplar der Lehre, die er im deutschen Exemplar niedergelegt hatte, nicht widersprechen wollen. Zudem beweist die von Calinich aus einem Brief Melanchthons an Bucer vom Jahr 1530 beigebrachte Stelle, wo Melanchthon schreibt: nos docemus, quod corpus Christi vere et realiter adsit cum pane vel in pane“,[11] dass er auf den Unterschied von „in coena“ und „cum pane“ keinen Werth legt.

 Wenden wir uns von da zum Art. XIII der Augustana. Er unterscheidet sich von Art. VIII der Schwabacher Artikel durch einige Zusätze, welche die lutherische Lehre nur genauer präcisiren. Er tritt der Zwinglischen Lehre entgegen, als wenn die Sacramente nur „Zeichen seien, dabei man äusserlich die Christen kennen möge“; er wehrt einer magischen Vorstellung von der Wirkung der Sacramente, als ob sie von Wirkung auch da wären, wo man sie ohne Glauben empfängt, und wendet das, wenn der Zusatz, der allein im lateinischen Exemplar steht, wirklich in dem dem Kaiser| übergebenen Original steht, auf die Römische Lehre von der Wirkung der Sacramente ex opere operato an. Das positive Bekenntniss von den Sacramenten ist aber in der Augustana das gleiche wie in den Schwabacher Artikeln. In ihnen werden die Sacramente „äusserliche Zeichen genannt, durch welche neben dem Wort Gott auch den Glauben und seinen Geist anbeut und gibt, und stärkt alle, die sein begehren;“ in der Augustana werden sie „Zeichen und Zeugniss göttlichen Willens gegen uns, unseren Glauben dadurch zu erwecken“ etc. genannt. Ist nun die in den Schwabacher Artikeln gegebene Definition von Sacrament eine lutherische, so ist es auch die in der Augustana enthaltene, und dass sie wenigstens nicht in Zwinglischem Sinn gedeutet werden kann, hat die confutatio Pontificia anerkannt, welche sagt: tredecimus articulus nihil offendit, sed acceptatur.

 Wie verhält sich nun zu diesem Bekenntniss die Apologie? Bis in die neueste Zeit hat man von dem das Abendmahl betreffenden Artikel nur die Deutung abwehren zu müssen geglaubt, als rede Melanchthon darin der mutatio substantiae das Wort, weil er sich darin auch auf einen Griechen beruft, der sagt: „panem non tantum figuram esse sed vere in carnem mutari.“ Dagegen ist nun von den Commentatoren der Apologie geltend gemacht worden, dass Melanchthon die römische und griechische Kirche nur zum Zeugen dafür anführe, dass in beiden Kirchen von jeher die corporalis praesentia gelehrt worden sei, und dass die Transsubstantiationslehre durch die vorangehenden Worte ausgeschlossen sei: denn heisse es da: „quod in c. D. vere et substantialiter adsint corpus et sanguis Christi et vere exhibeantur cum illis rebus, quae videntur, pane et vino“, so sei ja damit constatirt, dass die Elemente bleiben, sei also die mutatio substantiae ausgeschlossen.

 Wie kann man nun auch nur in Versuchung kommen, in der Apologie eine Lehre zu finden, welche zu Gunsten der Zwinglischen gedeutet werden könnte? Vielmehr sie ergänzt auf das Schönste die Augustana, und ist ausdrücklich und recht deutlich gegen die Zwinglische Auffassung gerichtet. Die Berufung auf 1 Cor. 10, 16 zeigt nemlich, dass der Nachdruck auf dem Dasein des Leibes und Blutes Christi liegt. Wäre, so argumentirt Melanchthon,| im Abendmahl nicht Leib Christi zugegen, so müssten ja die Worte Pauli: „panem esse participationem corporis Christi,“ ganz gegen ihren Wortlaut nur besagen, dass der Geist Christi mitgetheilt werde. Man sieht daraus zugleich, mit welcher Unbefangenheit in dem lateinischen Bekenntniss der Augustana die Erwähnung des Brodes ausgelassen war. Sie wäre auch hier ausgelassen worden, wenn sie nicht nothwendig erschienen wäre, um den Uebergang zu jener Stelle im Corinther-Brief zu vermitteln.

 Werfen wir noch einen Blick auf den Artikel „von den Sacramenten und ihrem rechten Brauch“. Dieser Artikel ist ganz conform mit dem entsprechenden in der Augustana, und hat wiederum nur den Gegensatz gegen die Zwinglische Lehre im Auge; eine Bestätigung der Auslegung, welche wir dem Artikel in der Augustana gegeben haben, liegt aber darin, dass hier noch genauer gesagt wird, wie Wort und Sacrament sich zu einander verhalten. Das Wort geht in die Ohren, das äusserliche Zeichen ist für die Augen gestellt, das Wort und äusserliche Zeichen wirken einerlei im Herzen, denn das Sacrament ist, wie Augustin sagt, ein sichtlich Wort.

 Wir sind sonach bei Vergleichung der Augustana und Apologie mit den Schwabacher Artikeln zu einem ganz anderen Resultat gelangt, als Rückert und Heppe.

 Findet der Erstere, dass die Schwabacher Artikel in Augsburg mit grosser Freiheit behandelt worden sind, so hat sich uns, wenigstens was die Lehre vom Abendmahl und den Sacramenten überhaupt anlangt, ergeben, dass die Schwabacher Artikel unter der Behandlung, welche sie in Augsburg erfahren haben, nicht gelitten haben, und dass die darin enthaltene Lehre in der Augustana zu ihrem vollen Ausdruck gekommen ist.[12]

 Findet der Andere, dass schon die Schwabacher Artikel| mehr Melanchthonisch als Lutherisch sind, vollends dann die Augustana und Apologie, so hat sich uns ergeben, dass alle drei gut lutherisch sind.

 Es erübrigt nur noch gegen Heppe’s Gang der Beweisführung in dem Abschnitt von der Augsburgischen Confession in Kürze Protest einzulegen.

 Der Behauptung Heppe’s, dass die Erklärungen, welche in beiden Bekenntnissschriften in Betreff der einzelnen Sacramente gegeben sind, in Gemässheit der Lehre vom Sacrament überhaupt aufgefasst werden müssten, sind wir schon entgegengetreten. Wir müssen aber auch der anderen Behauptung entgegentreten, dass der Sacramentsbegriff der Augsburgischen Confession und Apologie der specifisch reformirte sei, so dass also für die Lehre von Taufe und Abendmahl nicht einmal die Folgerungen aus dem Sacramentsbegriff gezogen werden könnten, welche Heppe daraus zieht, wenn man auch dem Princip, dass von dem Allgemeinen auf das Specielle zu schliessen sei, hier Anwendung zugestehen wollte.

 Die allgemeine Sacramentslehre ist nicht die specifisch reformirte, welche nach Heppe mit der Melanchthonischen Lehre zusammenfällt, denn nach dieser sind die Sacramente nur Zeichen und Zeugnisse göttlicher Gnade und Willens, mit Unrecht aber liest das Heppe aus der Augustana und Apologie heraus. Den Sacramenten wird darin, wie wir das schon geltend gemacht haben, das exhibere zugeschrieben, das allein schon hindert, das Sacrament „als ein von Gott geordnetes Zeichen zu bezeichnen, womit Gott seine im Wort gegebene Verheissung der Sündenvergebung versiegelt, um den Glauben an das Verheissungswort zu erwecken und zu kräftigen.“ Der Artikel der Apologie besagt eben darum auch nicht, dass die Eine Gnade, welche im neutestamentlichen Verheissungswort dargeboten wird, im Sacrament nur äusserlich dargestellt wird. Davon ist in der Stelle, welche Heppe dafür anführt, auch gar nichts zu lesen. In den Worten nemlich, welche Heppe dafür anführt (es sind die Worte der Apologie: „et quia in sacramento duo sunt, signum et verbum: verbum in novo testamento est promissio| gratiae addita. – Verbum igitur offert remissionem peccatorum, et ceremonia est quasi pictura verbi seu sigillum), ist ja gar keine Vergleichung zwischen Wort (Predigtamt) und Sacrament enthalten, sondern nur im Sacrament selbst wird unterschieden „äusserlich Zeichen und Wort“, und natürlich ist es dem Wort zuzuschreiben, dass das Sacrament eine Wirkung hat, gemäss dem Augustinischen Satz: accedit verbum ad elementum et fit sacramentum. Natürlich wird also vom Wort gesagt: offert promissionem peccatorum und von der ceremonia, womit aber nur das von dem Wort unterschiedene äussere Zeichen gemeint ist, dass sie sei pictura verbi seu sigillum.
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 Wenn dann endlich Heppe der Apologie noch den Satz entnimmt: „Die Heilsverheissung des Sacraments beziehe sich lediglich auf den Gläubigen, der wirklich zur Kirche gehört. Der Ungläubige dagegen nehme nicht an dem inneren Gnadenschatz, sondern nur an dem äusseren Zeichen Theil, das für ihn ganz unnütz und bedeutungslos sei“, und wenn er also damit die reformirte Lehre, dass Sacrament nur den Gläubigen zu Theil werde, auch in der Apologie findet, so geschieht auch das nur auf Grund einer falschen Auslegung der betreffenden Stellen: denn in diesen Stellen ist nur von dem Segen die Rede, welchen die Sacramente bringen, das ist aber eine alte und echt lutherische Lehre, dass der Segen des Sacraments nur dem gläubigen Empfänger zu Theil wird. Dass das besondere Heilsgut, welches dem einzelnen Sacrament inhärirt, auch an den Ungläubigen gelangt, nur aber ihm nicht zum Segen, sondern zum Gericht wird, das hebt Melanchthon allerdings in diesen Stellen nicht hervor, daran hindert ihn seine Definition von Sacrament, von der wir schon zugegeben haben, dass sie mangelhaft ist, weil sie des besonderen Heilsguts, welches mit dem einzelnen Sacrament gesetzt ist, nicht erwähnt, aber schon in dem Art. der Augustana, der von dem einzelnen Sacrament, hier von dem Abendmahl handelt, hätte Heppe finden können, dass Melanchthon den Empfang des besonderen Heilsguts nicht auf die Gläubigen beschränkt, denn dieser Artikel lautet dahin: „quod corpus et sanguis Christi vere adsint et distribuantur vescentibus in coena Domini.“ Das vescentibus ist ganz allgemein gesetzt, ohne dass| zwischen Gläubigen und Ungläubigen unterschieden wird, dass aber diese Worte nicht den Sinn haben können: „mögen sie nun gläubig oder ungläubig sein“, weil es dann heissen müsste: omnibus vescentibus, davon wird Heppe nicht leicht jemanden überreden. Diese Auslegung richtet sich schon dadurch, dass Heppe in Folge dess gezwungen ist, als den Endzweck des ganzen X. Artikels den anzugeben, dass damit der Vorstellung gewehrt werde, als ob „auch ausserhalb der Abendmahlsfeier eine Beziehung der Elemente zu Leib und Blut Christi Statt habe.“ Der Artikel also, welcher schon durch seine Ueberschrift: de coena Domini ankündigt, dass darin ein Bekenntniss vom Abendmahl abgelegt wird, der einzige Artikel, der davon handelt, soll darnach keinen anderen Inhalt und Endzweck haben, als den von Heppe angegebenen! –

 Das letzte in Betracht kommende Bekenntniss sind die Schmalcalder Artikel.[13]

 Die Entstehung derselben ist folgende:

 Die Schmalcalder Verbündeten wollten auf einem nach Schmalcalden ausgeschriebenen Convent in Berathung treten, ob sie das auf den Mai 1537 vom Papst ausgeschriebene Concil beschicken wollten. Für diesen Fall lag es nahe, dem Concil ein Bekenntniss vorzulegen und Sache des Kurfürsten von Sachsen, der die Verbündeten berief, war es, Sorge dafür zu tragen, dass dem Convent ein solches vorgelegt werden könne. Er erliess daher, es ist nicht ganz gewiss, ob an Luthern allein oder ob an die Wittenberger Theologen überhaupt, den Befehl, „Artikel unserer Lehre zu stellen, ob’s zur Handlung käme, was und wieferne wir wollten oder könnten den Papisten weichen, und auf welchen wir gedächten endlich zu beharren und zu bleiben.“ Solche Artikel brachte nun Luther mit nach Schmalcalden. Er hatte sie selbst entworfen, und dann den Wittenberger Theologen, mit Zuziehung von Amsdorf, Agricola und Spalatin[14], vorgelegt. Der Kurfürst war mit denselben höchlich| zufrieden, und billigte es ganz, dass Luther darin dem Papst „aufs heftigste widerstehe.“

 Der Gang der Dinge auf dem Convent scheint nun der gewesen zu sein: zuerst wurde den Theologen aufgetragen, aufs neue die Augustana und Apologie in ihrer Wahrheit zu bestätigen, dann über den Primat des Papstes sich deutlich zu erklären, so weit das in der Augustana unterlassen worden war. Denn so schreiben Osiander und Veit am 17. Februar: Primum autem negotium, quod nobis a principibus fuit iniunctum, duo complectebatur: unum ut confessionem et apologiam omni genere argumentorum ex sacris libris, patribus, conciliis et pontificum decretis muniremus; alterum ut de primatu, quae, quod odiosa essent, in confessione omissa fuerunt, diligenter explicaremus.“[15]

 Was die erste Forderung anlangt, so ziemte es einem Convent von Fürsten in dem Augenblick, wo sie eine politisch höchst entscheidende Stellung zum Kaiser und Papst einzunehmen hatten, die Theologen zu erneuter Prüfung und Bewahrheitung der Grundbekenntnisse aufzufordern, ihre Meinung konnte aber nicht die sein, dass die Theologen dieses Geschäft jetzt auf dem Convent vornehmen sollten, denn wie hätte dazu die Zeit gereicht! So verstanden es auch Osiander und Veit, denn sie schrieben: „Illud (die Prüfung) in aliud tempus et locum reiiciemus, quia et longiusculum tempus et bibliothecas, quibus hic caremus, requirit.[16]

 Der anderen Aufgabe unterzogen sie sich aber sofort, und lösten sie auch gleich am 17. Februar, denn sie schrieben: quorum hoc postremum hodie ita perfecimus, ut exscriptum statim principibus simus exhibituri.[17]

 Weiter berichten dieselben Männer aber: scripsit praeterea Lutherus Vitebergae articulos breves quidem illos, sed illustres et argutos, in quibus omnia ea, de quibus in concilio sine grandi sacrilegio nihil concedere possumus, germanice complexus est. Hoc cras in congregatione nostra publice legemus, ut, si quis quid addere velit, in commune proponat.

|  Sieht man also von der Bewahrheitung der Grundbekenntnisse, als einer Sache, für welche schon die Zeit in Schmalcalden nicht ausreichte, ab, so scheint für die Theologen in erster Linie die Aufgabe gestanden zu sein, sich über den Primat auszusprechen; in zweiter Linie erst die, ein Bekenntniss zu präcisiren, wie es für die damalige Lage der Dinge nothwendig war. Eben zu letzterem Behuf sollten Luthers Artikel dienen. Diese hatten aber doch noch eine andere Bestimmung, denn Melanchthon schreibt am 1. März an Camerarius[18]: duae causae fuerunt instituti congressus theologici: altera, ut de doctrina fieret collatio non futilis sed accurata, ut tollerentur dissidia et consentiens doctrina et explicata in nostris ecclesiis extaret. Altera, ut deliberaretur, qui articuli ad extremum defendendi sint ac retinendi, et anteponendi communi tranquillitati et omnibus rebus humanis, qui concedendi Pontifici, καὶ τῷ ἐκκλησιαστικῷ πολιτεύματι propter pacem et ad communem ecclesiae concordiam restituendam, si res ad moderationem aliquam deduceretur. Man wollte also von der Besprechung dieser Artikel auch Anlass nehmen, sich zu vergewissern, ob man auch unter sich einig sei. Und das bezog sich, wie aus dem Bericht Melanchthons und aus dem Brief der oben genannten Männer hervorgeht, vorzugsweise auf die Abendmahlsfrage.[19]
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 Aus den weiteren Berichten Melanchthons ersieht man nun, dass die Dinge nicht nach seinem Gefallen gingen. Schon darüber klagt er, dass man sich zu gar keiner Nachgiebigkeit gegen den Papst habe verstehen wollen. Aber auch zu einer eingehenden Erörterung über die Lehre kam es nicht, und als Grund gibt er[20] den an: ne doctrina accurate conferretur, nominatim petitum est, ne certamen aliquod augeret discordias et foederis distractionem afferret. Er berichtet weiter[21]: aus diesem Grund sei auch nur παρέργως von der Lehre gehandelt worden, um zu erfahren, ob die Anwesenden alle übereinstimmten, und da habe| Osiander und Blaurer aliquantisper gestritten περὶ τῶν μυστηρίων; er (Melanchthon) aber habe, ne incrudesceret certamen, und weil Luther, der krank darniederlag, fehlte, also kein βραβευτής da war, sie unterbrochen.[22] Genaueres aber sagt uns Veit Theodor in einem Brief an Forster d. d. 16. Mai über dieses certamen. Er berichtet, dass, weil man munkelte, Blaurer billige die Wittenberger Concordie nicht, Bugenhagen und Amsdorf gegen Melanchthons Willen die Theologen wieder berufen hätten, und da sei über das Abendmahl disputirt worden. Bucer habe allen genügt, Blaurer aber habe, cum reliqua diceret obscurius, offen den Satz bestritten: impios sumere corpus Christi.[23]

 Andern Tags wurde dann von Bugenhagen proponirt, wer wolle, solle die Artikel Luthers unterschreiben. Da erklärte Bucer, er habe kein Mandat dazu. Weil er aber zugleich erklärte, er wisse an den Artikeln nichts zu tadeln, so vermuthet Veit, er habe die Unterschrift nur verweigert, weil er gewusst, Blaurer und andere würden, weil sie die darin ausgesprochene Lehre vom Abendmahl nicht billigten, nicht unterschreiben, und es wäre dann ein dissensus an den Tag gekommen, den der Kurfürst u. A. an den Verbündeten nicht geduldet haben würden.[24]

 Das, dass Bugenhagen die Unterschrift der Lutherschen Artikel jedem freigestellt hat, erklärt sich aus den Beschlüssen, welche mittlerweile die Fürsten in Betreff des Concils gefasst hatten, denn diese gingen dahin, das Concil nicht zu beschicken, und am 24. Februar ward diess dem Gesandten des Kaisers mitgetheilt. So weit also die Artikel Luthers dazu hatten dienen| sollen, die Lehren genau zu bezeichnen, an denen man auf einem Concil unter allen Umständen festzuhalten entschlossen war, fiel allerdings für die Fürsten der Grund weg, sich für dieselben zu entscheiden. Sollten die Artikel aber zugleich den andern Endzweck haben, den Melanchthon angibt, den, sich zu vergewissern, ob man auch unter sich einig sei, so sieht man doch nicht recht ein, warum die Fürsten von diesen Artikeln Umgang genommen haben. Vielleicht haben sie es gethan, weil sie die Constatirung eines dissensus mit den Oberdeutschen vermeiden wollten, vielleicht aber auch hat nur Melanchthon den Artikeln zugleich diesen andern Endzweck beigelegt, und haben die Fürsten, und hat insbesondere der Kurfürst von Sachsen den Endzweck der Artikel nur darin gesehen, dass sie zur Vorlage auf dem Concil, falls man dieses beschicke, dienen sollten. In diesem Fall erklärt sich, warum man jetzt von den Artikeln absah. Nur das Eine hielt man jetzt noch für nothwendig, um die Ablehnung des Concils zu rechtfertigen, in einer besonderen Schrift sich über die päpstliche und bischöfliche Gewalt auszusprechen. Das geschah in dem tractatus de potestate et primatii papae, zu dessen Abfassung Melanchthon von dem Kurfürsten, während Luther krank darniederlag, ist aufgefordert worden. Indem man bei dieser Gelegenheit ausdrücklich anerkannte, dass die Augustana sich über diesen Punkt nicht deutlich genug ausspreche, diente der Tractat als eine Ergänzung der Augustana, und war es darum natürlich, dass man mit Ausgebung dieses Tractats die Erklärung verband, dass man an Augustana und Apologie festhalte, und dass die Stände von den Theologen die Unterschrift dafür verlangten. Daher die Form der Unterschrift, welche sich dem Tractat angehängt findet.[25]

 Man muss es also als Thatsache anerkennen, dass der Convent als solcher sich nur zu Augustana, Apologia und dem Tractat Melanchthons bekannt hat, nicht aber zu den Artikeln Luthers, deren auch im Recess nicht gedacht ist.

 Ob aber darum die Artikel nur „eine Privatschrift Luthers| waren und blieben,“ ist eine andere Frage, welche wir hier nicht auszumachen brauchen. Für unseren Zweck genügt es, zu constatiren, dass der Kurfürst, der sie höchlich billigte, die Unterschrift der Theologen wünschte[26], und dass ausser den Wittenberger Theologen noch 36 Theologen, theils schon vor der Uebergabe in Schmalcalden, theils in Schmalcalden selbst, manche vielleicht nachher, sie unterschrieben haben. Nur die Oberdeutschgesinnten Bucer, Fagius, Wolffhardt, Fontanus und Blaurer haben sich der Unterschrift enthalten. Die Unterschrift so vieler Theologen ist doch ein gewaltiges Zeugniss dafür, dass man die darin enthaltene Lehre als die der lutherischen Kirche anerkannte.

 In Betreff dieser Schmalcalder Artikel brauchen wir nun nicht den Beweis zu führen, dass sie Luthers Lehre enthalten, denn das erkennt auch Heppe an, und da wir auch in den vorangegangenen Bekenntnissen die Lehre Luthers gefunden haben, so wäre für uns die Sache abgethan, wenn nicht Heppe behauptete, dass die in den Schmalcalder Artikeln enthaltene Lehre eine andere sei als die in den voranstehenden Bekenntnissen. Und freilich hat Heppe ein grosses Interesse an dieser Behauptung: denn da er nicht läugnen kann, dass die Schmalcalder Artikel die Lehre Luthers enthalten, musste er, wenn er seine Behauptung nicht beweisen konnte, zugestehen, was er ja läugnet, dass Augustana und Apologie die Lehre Luthers enthalten. Heppe behauptet also (p. 87): Die Lehre von den Sacramenten in genere sei eine andere, und so sei auch die von Taufe und Abendmahl eine andere.

 Wenn da, was den ersten Punkt anlangt, Heppe behauptet, in der Apologie werde angelegentlich hervorgehoben, dass die Gnadenmittheilung im Wort und Sacrament specifisch eine und dieselbe, nemlich Vermittlung der Sündenvergebung, sei, in den Schmalcalder Artikeln aber werde gerade die Verschiedenheit der Heilsvermittlung in Wort und Sacrament betont, so versteht er die Worte, aus denen er das herausliest, die Worte nemlich: „wir wollen nun wieder zum Evangelio kommen, welches gibt nicht einerlei Weise,| Rath und Hülfe wider die Sünde, denn Gott ist überschwenglich reich in seiner Gnade. Erstlich durchs mündliche Wort, darin gepredigt wird Vergebung der Sünde in aller Welt.. Zum andern durch die Taufe. Zum dritten durchs heilige Sacrament des Altars. Zum vierten durch die Kraft der Schlüssel..“ (ed. Müller p. 319) – diese Worte, sage ich, versteht Heppe ganz falsch: denn sie sagen ja eben nicht eine Verschiedenheit der Heilsvermittlung aus. Von allen, vom Wort wie von den Sacramenten, wird vielmehr gesagt, dass sie Rath und Hülfe wider die Sünde bringen, nur, und darin zeigt sich eben der Reichthum der göttlichen Gnade, nicht in einerlei Weise wird die Hülfe gebracht (im lateinischen Text: non uno modo consulit et auxiliatur nobis contra peccatum), denn sie wird gebracht nicht allein durch das Wort, sondern auch durch die Sacramente u. s. w.

 Was dann das Abendmahl anlangt, so soll Luther im Concept ganz Melanchthonisch gelehrt haben, nemlich so: der Leib und das Blut Jesu Christi werden mit dem Brod und mit dem Wein dargereicht (als ob das Melanchthonisch und nicht gut Lutherisch wäre!), Amsdorf aber soll Luthern bestimmt haben, die Lehre so zu fassen, wie wir sie jetzt in den Schmalcalder Artikeln finden.[27] Das liesse sich auch wohl erklären. Kurz vorher erst war die Wittenberger Concordie abgefasst, und da hatte es bekanntlich die meiste Mühe gekostet, den Bucer zur Annahme des Bekenntnisses zu bringen, dass auch die Unwürdigen Leib und Blut Christi geniessen. Noch hatte man Ursache, die ehemaligen Gegner darauf anzusehen, ob sie dieses Bekenntniss auch theilten. Luther hatte also ganz Recht, gerade diesen Punkt hervorzuheben, es ist das aber keine Lehre, welche nicht aus der in der Augustana und Apologie enthaltenen Lehre flösse, noch weniger besagt er das Gegentheil von dem, was sich in der Apologie vorfindet: denn dass weder Augustana noch Apologie so auszulegen seien, haben wir schon nachgewiesen.

 Was soll man aber endlich zu der Behauptung Heppe’s sagen, dass die in den Schmalcalder Artikeln enthaltene Verwerfung| der Lehre, „dass unter einer Gestalt so viel sei als unter beiden“ in unleugbarem Widerspruch stehe mit der Apologie? Der Sinn dieser Erklärung, meint nemlich Heppe, sei offenbar der: „da im Brod das Fleisch und im Wein das Blut Christi enthalten sei, so sei unter einer Gestalt nur ein Theil der Menschheit Christi und nicht so viel vorhanden als unter beiden Gestalten. Dagegen liege es im Sinne der Apologie, dass unter jeder Gestalt der ganze gottmenschliche persönliche Christus vorhanden ist.“ Sagen denn aber die Worte im VI. Art.: „Wir bedürfen der hohen Kunst nicht, die uns lehre, dass unter einer Gestalt so viel sei als unter beiden, wie uns die Schriften und das Concilium zu Constanz lehren. Denn obs gleich wahr wäre, dass unter einer so viel sei als unter beiden, so ist doch die einige Gestalt nicht die ganze Ordnung und Einsetzung, durch Christum gestiftet und befohlen,“ sagen denn diese Worte nicht deutlich genug, dass die Artikel sich für die Verwerfung des Satzes, dass unter einer Gestalt so viel sei als unter beiden, nicht auf dogmatische Gründe einlassen, sondern die Sache entschieden sein lassen wollen durch Berufung auf Christi Einsetzung und Befehl?

 Der Beweis also, dass die Schmalcalder Artikel anderes bekennen, als Augustana und Apologie, ist nicht geliefert, es herrscht vielmehr volle Uebereinstimmung zwischen diesen und den anderen Bekenntnissen, was wir als einen Beweis für unsere Behauptung ansehen dürfen, dass Augustana und Apologie Luthers Lehre enthalten.





  1. Heppe, Die confessionelle Entwicklung der altprotestantischen Kirche Deutschlands. Marburg 1854; von p. 36 an.
  2. Eine Widerlegung der Annahme beider Männer haben unternommen: Calinich, Luther und die Augsburgische Confession. Leipzig 1861. Knaake, Luthers Antheil an der A. C. Berlin 1863. Eduard Engelhardt, „Die innere Genesis und der Zusammenhang der Marburger, Schwabacher und Torgauer Artikel, so wie der A. C.“ in der Zeitschrift für historische Theologie. Jahrgang 1865. H. 4.
  3. Die Schwabacher Artikel, so genannt, weil sie in Schwabach am 16. Oct. 1529 vorgelegt wurden, eine Umarbeitung der in Marburg verglichenen Artikel, sind in Schleiz gefertigt. Zu diesem Endzweck hatte der Kurfürst Luthern, Melanchthon und Jonas dahin berufen. Luther sagt von ihnen: „Wahr ist’s, dass ich solche Artikel hab stellen helfen, denn sie sind nicht [62] von mir allein gestellt.“ Ueber sie cf. Plitt, Geschichte der evang. Kirche bis zum Augsburger Reichstag. Erlangen 1867.
  4. Die Schwab. Artikel in Luthers Werken ed. Walch. B. XVI, 681.
  5. Heppe, Die confessionelle Entwicklung p. 47.
  6. Heppe, die Entstehung und Fortbildung des Lutherthums und die kirchlichen Bekenntnissschriften desselben von 1548–1576. p. 260.
  7. l. c. p. 542.
  8. Ersterer in der angeführten Schrift von p. 69 an. Frank in seiner Theologie der Concordienformel. III, 1863 von p. 6 an.
  9. Frank, die Theologie der Concordienformel. III, p. 19.
  10. Gegen Heppe, die confessionelle Entwicklung etc. p. 65.
  11. Calinich p. 98.[WS 1]
  12. Für die Behauptung Rückerts, dass die Ueberarbeitung der Schwabacher Artikel das Ansehen habe, grundsatzlos erfolgt zu sein, verweisen wir auf den oben angezeigten Aufsatz von Engelhardt, welcher den Endzweck hat, durch die Auffindung der inneren genetischen Gestaltung dieser Artikel, sowie durch die Darlegung ihres Zusammenhanges und die Begründung der Nothwendigkeit der wesentlichen Abänderungen den Gegenbeweis zu liefern.
  13. Ueber sie: Plitt, de autoritate articulorum Smalcaldicorum symbolica. Dissertatio. 1862.
  14. Spalatin, annales reform. p. 307. Die Wittenberger Theologen waren: Jonas, Cruciger, Bugenhagen, Melanchthon.
  15. Corpus Ref. III, 267.
  16. Ibid.
  17. Ibid.
  18. C. Ref. III, 292.
  19. Osiander u. Veit (C. R. III, 268): agetur etiam, ut spero, ut concordia super negotio de coena Domini.
  20. Ep. ad Camerar. (C. R. III. 292).
  21. In einem Brief an J. Jonas (C. Ref. III, 298).
  22. In einem Brief an Camerarius vom 1. März (C. R. III, 295): „Venimus huc, ut de doctrina colloqueremur. Sed id impediit partim Lutheri valetudo .. partim certorum hominum timiditas, qui accuratam disputationem prohibebant, ne discordiae inflammarentur.
  23. Wie dankbar man ihm Schweizerischer Seits dafür war, bezeugt der Brief von Jo. Zuiccius an Vadianus d. d. 6. Juni 1537 (bei Pressel, Ambrosius Blaurers Leben u. Schriften p. 431. Anm.). Er schreibt: Quotiescunque Schmalcaldici conventus mentio incidit, merito gratiae sunt Domino agendae, qui bono suo spiritu compescuit ardentissimos quorundam affectus. Usus est Dominus Philippo, quem Ambrosius mihi nuper non potuit satis commendare, et parum abfuit, quin melius cum illo tibi quam Bucero conveniret etc.
  24. Veit Theodor an Forster. 16. Mai, C. R. III, 371 f.
  25. „De mandato illustrissimorum principum et Ordinum ac civitatum, evangelii doctrinam profitentium etc.“
  26. cf. Köllner, Symbolik der luth. Kirche. p. 447. Anm. 4.
  27. cf. Heppe, die confessionelle Entwicklung etc. p. 86.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Fußnote hat in der Vorlage keine Textverankerung. Sie verweist auf MDZ München


« Die Wittenberger Concordie Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid
Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl
Melanchthon und die Augustana »
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