Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl/Die Wittenberger Concordie

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« Die Aufgabe Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid
Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl
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Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche »
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Erster Abschnitt.
I. Die Wittenberger Concordie.

 Ich beginne mit ihr, weil wir aus ihr erfahren, was von höchster Wichtigkeit ist, welche Tragweite Luther seiner Lehre vom Abendmahl denen gegenüber gegeben hat, welche sie nicht theilten.

 Luther hatte mit Zwingli und den Schweizern gebrochen, weil er in der Lehre vom Abendmahl sich weit von ihnen geschieden wusste.

 Hat Luther auch im weiteren Verlauf seines Lebens an seiner Abendmahlslehre in der Art festgehalten, dass er die Gemeinschaft mit denen abzulehnen fortfuhr, welche sich seine Lehre nicht aneignen konnten, mit anderen Worten: hat Luther das Bekenntniss zu seiner Abendmahlslehre zu allen Zeiten als schlechthin erforderlich zur christlichen Bekenntnissgemeinschaft erachtet, oder lässt sich ein Zeitpunkt in Luthers Leben auffinden, in welchem er eine Uebereinstimmung mit Anderen im Grundwesentlichen trotz einer Differenz, welche noch in der Lehre vom Abendmahl blieb, anerkennt?

 Die Antwort können wir den Verhandlungen, welche zwischen Luther und Bucer gepflogen wurden, und welche zum Abschluss der Wittenberger Concordie führten, und können sie dem Verhalten entnehmen, welches Luther während dieser Verhandlungen und nach denselben zu den Schweizern einnahm.

 Wir fassen der Reihe nach das Eine und das Andere ins Auge, vergegenwärtigen uns aber zuvor in gedrängtester Kürze die Lehre Luthers, wie er sie in seinen grossen Schriften aus den Jahren 1526–1528 niedergelegt hat.

|  Der Kernpunkt seiner Lehre liegt in dem Satz, dass im Abendmahl in Brod und Wein der Leib Christi gegenwärtig ist und ausgetheilt wird, der Leib, welcher, nachdem er erst für unsere Sünden am Kreuz geblutet hat, jetzt verklärt im Himmel weilt. So bekennt Luther auf Grund der Einsetzungsworte, die man schlicht und einfach nehmen müsse, wie sie lauten: „denn ein Frevel sei es, einem göttlichen Wort ohne Grund der Schrift, ohne klar ausgedrückte Schrift, eine andere als die natürliche Bedeutung zu geben. Lasse man diesen Frevel an Einem Ort zu, so könne man ihn auch anderswo nicht wehren.[1]

 Die Einsetzungsworte besagen also, dass das, was im Abendmahl gereicht wird, Leib und Blut Christi sei, freilich nicht so, dass da nur Leib und Blut, und nicht auch Brod und Wein gereicht werde, denn die Einsetzungsworte sind synekdochisch aufzufassen. „Weil alles am Leib gelegen, so redet Christus, als wäre eitel Leib da.“[2] Obwohl also Brod und Leib zwei unterschiedliche Wesen sind und bleiben, so findet doch im Abendmahl eine Einigung, freilich eine Einigung ganz einziger Art Statt, so dass im Abendmahl nicht Brod ohne Leib, und nicht Wein ohne Blut genossen werden kann.

 Erst nachdem Luther von der heil. Schrift sich hat sagen lassen, was uns im Abendmahl gereicht wird, beschäftigt er sich mit den Fragen, wie es denn möglich sei, dass Christi Leib im Abendmahl gegenwärtig und welches der Nutzen sei, den Christi Leib uns bringe. Die Möglichkeit der Gegenwart leitet er aus der Einigung ab, welche in Christi Person die Gottheit mit der Menschheit eingegangen ist. Der zufolge ist Christus völliger Gott und Mensch in Einer Person und ist es nicht möglich, dass Gott irgendwo ist, wo nicht auch der Mensch wäre, und muss also auch die Allgegenwart, die Gott zukommt, auf die Menschheit übergegangen sein. Von dieser Allgegenwart und von den verschiedenen Weisen derselben, die sich denken lassen, handelt Luther bekanntlich am eingehendsten in seinem| „grossen Bekenntniss vom Abendmahl“ (1528). Wir haben darauf um so weniger näher einzugehen Ursache, als Luther auf das nachdrücklichste erklärte, der Glaube an die Gegenwart Christi im Abendmahl gründe auf den Worten, mit denen Christus das Abendmahl eingesetzt habe und bliebe bestehen, wenn auch seine Gedanken über die Weise der Gegenwart Christi falsch wären. Als den Nutzen endlich, welchen der Leib Christi bringe, bezeichnet er die Verbürgung und Vermittlung der Sündenvergebung, die an den Einzelnen gerichtet ist, zugleich auch die segensreiche Wirkung, welche dieser gottmenschliche Leib Christi auf unseren Leib ausübt.

 Der Lehre Luthers vom Abendmahl sind also wesentlich die Sätze: 1) dass im Abendmahl eine Verbindung des Brodes mit dem Leib Christi, des Weines mit dem Blut Christi der Art Statt finde, dass mit und durch das eine (in, cum et sub pane et vino) auch das andere dargereicht werde; 2) dass also der Mund das Organ sei, durch welches das eine wie das andere empfangen werde (manducatio oralis); 3) dass Leib und Blut allen, die es empfangen, den Gläubigen wie den Ungläubigen, zu Theil werde. –


1. Luther und Bucer.

 Es ist bekannt, dass Bucer, der Strassburger Theologe, auch nach dem Augsburger Reichstag von 1530 in seinen Bemühungen, eine Einigung in der Abendmahlslehre herbeizuführen, fortfuhr.

 Da ist es für die Stellung, welche Luther nachmals zu den Vereinbarungsversuchen einnahm, bezeichnend, dass er über das Bekenntniss der vier oberländischen Städte, über die Tetrapolitana, und über ihre Verfasser und Bekenner nicht anders urtheilte, als über das Bekenntniss Zwinglis und über die Zwinglianer: er nannte die Oberländer wie die Schweizer Sacramentirer. Und doch war die Abendmahlslehre in der Tetrapolitana nicht so schroff gefasst wie in dem Zwinglischen Bekenntniss. Sie enthielt ja das Bekenntniss, dass im Abendmahl der wahre Leib und das wahre Blut Christi zum Essen und Trinken gegeben werde und verwahrte sich ausdrücklich vor dem Vorwurf, als| lehrte man, dass nur Brod und nur Wein dargereicht werde. Bucer nemlich, der Hauptverfasser der Tetrapolitana, hatte damals schon den Hauptunterschied, der zwischen der Lehre Luthers und der Zwinglis war, zu verwischen gesucht und behauptete, der Unterschied bestehe nur darin, dass Luther hartnäckig lehre, der Leib Christi sei corporaliter im Brod, was Zwingli und Oecolampad als eine lokale Einschliessung im Brod hätten deuten zu müssen geglaubt.[3] Luther hatte sich dadurch in seinem Urtheil nicht irre machen lassen, es war ihm Anstosses genug, dass die Tetrapolitana diesen Leib nur eine Speise der Seele nannte. Schon daraus hätte Bucer abnehmen können, dass er eine Vereinbarung auf solchen Grundlagen nicht erzielen könne. Und doch versuchte er es damit zuerst, damit nemlich, dass er behauptete, der Streit sei nur ein Wortstreit. Er sucht das darzuthun in einem Brief an den Kanzler Brück.[4] „In drei Punkten, schreibt er, bestehe der Streit: in dem, wie die Worte Christi, „das ist mein Leib“ zu verstehen seien, dann wie die Menschen den Leib Christi essen, und endlich, welche ihn empfangen. Was den ersten Punkt anlangt, so hielten er und die Seinigen die Worte: „das ist mein Leib“ dem Buchstaben nach für so wahr als Lutherus, ob sie wohl Einige der Seinigen so ausgelegt hätten, dass das Wort „Ist“ für das Wort „bedeutet“, und für die Figur des Leibes genommen werden müsse. „Wenn ich aber die Ursachen bedenke, fährt er fort, warum die Unsern solche Worte so ausgelegt, so sehe ich gar keine Misshelligkeit. Denn die Unsrigen haben es aus diesen Ursachen gethan, weil viele Leute der Meinung waren, dass das Brod der Leib Christi sei, und wer das Brod isst, der ässe auch Christum, ohne dabei die Gnade Gottes und den Glauben zu achten. Wider welche Meinung Lutherus mit seiner Lehre bis anhero gewesen und noch ist. Andere gibt es, die diese Redensart: „das ist mein Leib“ mit der vergleichen wollen, da es heisst: „das ist mein Sohn“ ... Und daher kommt es, dass die Unsern geleugnet, dass das Brod| Christi Leib wesentlich und leiblich wäre. Das leugnet aber Lutherus in seinem Bekenntniss und erweiset in deutlichen Worten, dass das Brod und der Leib Christi zwo verschiedene Selbstständigkeiten und Naturen wären und sacramentirlich vereinigt würden. Dass aber Lutherus der Unseren Auslegung verworfen, ist daher kommen, weil er gemeint hat, es werde dadurch die Gegenwart Christi im Abendmahl aufgehoben und umgestossen. Die Unsern aber sagen gar nicht, dass das Brod ein solch Zeichen des Leibes Christi sei, dadurch man denken solle, dass der Leib Christi abwesend wäre, oder nicht empfangen würde ... Hernach ist auch dieses klar, dass aus solcher Redensart, dass das Brod die Figur und das Zeichen des Leibes Christi sei, gar nicht folge, dass der Leib Christi darum nicht gegenwärtig sei; sonst müsste man auch von Augustino sagen, dass er geglaubet, es wäre das blosse Brod im Abendmahl, da doch die widrige Meinung in seinen Büchern allenthalben zu finden. Denn da er wider den Adamantum schreibt, hat er diese Worte gebraucht: Christus hat kein Bedenken getragen zu sagen: das ist mein Leib, da er das Zeichen seines Leibes gab. Da nun unseres Theils Lehrer nie gesinnt gewesen, durch ihre Auslegung Christi Gegenwart zu leugnen oder aufzuheben, sondern dieselbe in allen ihren Schriften und Büchern bezeuget haben, und nichts anders mit ihrer Auslegung suchen als so viel zu erhalten und darzuthun, dass das Brod nicht wesentlich der Leib Christi sei, damit der Pöbel von dem sichtbaren Brod auf den unsichtbaren Christum gezogen werde: so finde ich nicht, dass über die Sache, sondern bloss über Worte der Streit sei. Nachdem nun viel Sprüche der Schrift von alten und neuen Lehrern der Kirche anders erklärt werden und darum doch keiner den andern verdammet, wenn nur im Verstande und der Meinung der Worte selbst nicht geirret wird: so kann ich anders nicht urtheilen, als dass jetzt aus christlicher Liebe eben dergleichen geschehen könne, weil wir doch endlich gestehen müssen, dass diese Redensart, „das ist mein Leib“ nicht schlecht oder buchstäblich, sondern verblümt sei.“
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 „Der andere Streit, fährt Bucer fort, bestehet hierinnen, dass man fraget: wie der Leib und das Blut Christi zugegen| seien? Wir sagen, dass sie gegenwärtig seien und durch das Auge des Glaubens gesehen werden; welches Einige für eine so geringe Gegenwart halten, als wenn einer an einen abwesenden Freund gedächte. Aber die Unsern legen solcher Gegenwart viel mehr bei, als die durch das allergewisseste Wort und die mächtige Mitwirkung des heil. Geistes geschieht. Dass sie aber die Worte „wesentlich und leiblich“ gar nicht leiden, kommt nur daher, weil der Pöbel sich dadurch eine Gegenwart einbildet und verstehet, die durch Bewegung und räumlich geschieht, in welchem Verstande Lutherus selbst die Worte nicht nimmt. Lutherus selbst gestehet auch, dass die Unsrigen lehren, Christus sei gen Himmel gefahren und habe die Welt verlassen, und dass sie daraus schliessen, dass Christus nicht im Brod sein könne, und dass sie folglich nur von so einer Art der Gegenwart reden, die nöthig sei oder erfordert werde. Wenn ich nun die anderen Redarten, damit Lutherus diese Gegenwart beschreibet, mit einander zusammenhalte, nämlich dass er die Bewegung und Räumlichkeit eben so nimmt: ingleichen, dass er von der Redart, im Brod ist der Leib Christi, nicht streiten, sondern damit zufrieden sein will, dass der Leib Christi zugegen sei und nicht bloss Brod und Wein gereicht werde: ingleichen, dass er gestehet, dass Christus dennoch durch das Wort im Sakrament zugegen sei, ob er gleich irgend an einem gewissen Ort des Himmels wäre ... ingleichen, dass er und alle seine Mitgenossen sagen, selbige Gegenwart geschähe durch das Wort: ingleichen, dass Brentius geschrieben, der Mund des Leibes esse das Brod, der Mund des Glaubens aber den Leib Christi: und ferner, dass die Unsern alles, was Philippus zu Marburg als einen Weg zur Eintracht vorgeschlagen, für wahr halten: und dass Paulus die Redarten nicht scheuet: Christus wohnt in uns, daher auch die Unsern wohl die Redart nicht scheuen dürfen: dass Christus wahrhaftig beim Sakrament zugegen sei, weil er da wirke; und Christus kein Bedenken habe zu sagen: wir wollen kommen und Wohnung bei ihm machen ... Wenn ich, sage ich, solche Redarten genauer ansehe und erwäge: so kann ich nicht anders urtheilen, als dass Lutherus selbst und alle seine Anhänger bekennen, dass Niemand den Leib Christi anders geben| und essen könne, als in und durch das Wort und also durch die Betrachtung des Glaubens, welcher hernach das Wort ergreifet und fasset und dadurch des Leibes und Blutes Christi theilhaftig wird. Denn obwohl D. Martinus schreibet, man müsse gestehen, dass der Leib Christi mit dem Munde empfangen, gekäut etc. werde, welche Redarten auch Chrysostomus gebrauchet, so gestehet er doch auch, dass der Leib Christi an sich weder gegessen oder gekauet werde, auf die Art wie ander Fleisch sichtbarlich gegessen und gekauet wird; sondern alles, was im Brod geschehe, das könne man auch wegen der sakramentirlichen Vereinigung vom Leibe Christi sagen und verstehen ... Endlich ist auch darüber Streit: ob die Gottlosen den Leib Christi empfahen? Worinnen die Unsern darauf gesehen haben, dass Christus zu ihnen gesagt: das ist mein Leib, zu welchen er bald hernach gesaget: der für Euch gegeben wird, der für Euch und viele Andere vergossen wird, das ist, er redet die rechten Jünger an. Denn da er gesaget: es werde sein Blut für Viele und nicht für Alle vergossen werden, so ist klar, dass er nur von denen geredet, die seines Todes und Leidens recht theilhaftig geworden ... Dieser Streit aber könnte leicht geschlichtet werden, wenn wir redeten wie Bernhardus, der ein dreifaches Essen macht: erst ein sakramentirliches, das andere, da Christi Leib ohne Frucht genossen wird; das dritte, der Gläubigen, die für gewiss halten, dass diess Abendmahl von Christo eingesetzt sei und dass er selbst seinen Leib und Blut austheile. Dass ich aber sage, dass D. Luther und die seines Theils sind, im Grunde nicht uneinig mit uns seien, so habe ich dessen die Ursache, weil sie sagen, dass der Leib und das Blut Christi in und durch den Glauben empfangen werden. Lutherus aber schreibt: Wir liessen nichts im heil. Nachtmahl als Brod und Wein, ob wir wohl die Worte Christi so wohl als seine Anhänger hersagen. Denen aber, die Christi Worte verachten, wie die Gottlosen thun, und denen gleichsam alles anstinket, was Christi ist, wie kann denen solch Essen etwas nützen? Darum wenn ich alles bedenke, kann ich nicht finden, worinnen wir in der Sache selbst uneinig seien, wenn wir nur in Worten einstimmen können.“
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|  Schon Melanchthon liess sich durch diese Auseinandersetzungen Bucer’s nicht irre machen: er schrieb an ihn (d. d. 23. Juli 1530; W. XVII, 2416): „Mich dünket, es sei weder dem gemeinen Besten zuträglich, noch meinem Gewissen zu rathen, dass ich unsere Fürsten mit Eurer verhassten Lehre beladen sollte, die ich weder mir selbst noch Andern für recht und wahrhaftig darthun kann, als die wider der ganzen Kirchen Zeugniss ist.“ Der Kanzler Brück bezeichnete dann, als Bucer und die Seinen nicht abliessen, auf eine Vereinbarung zu dringen, klar und bestimmt die Differenzpunkte (W. XVII, 2423), und zwar dahin:
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 Bucer und die Seinen halten schlechterdings dafür, dass der Leib Christi im Himmel sei und nicht mit dem Brod oder im Brod wesentlich gegenwärtig sei. Sagen gleichwohl, dass der Leib Christi wahrhaftig zugegen sei, aber durch Beschauung des Glaubens, das ist in Gedanken (imaginatione) also, dass er mit Gedanken gegenwärtig gebildet werde. Das ist schlecht und einfältig ihre Meinung. Sie machen den Leuten einen blauen Dunst vor die Augen, damit dass sie sagen, Christus sei wahrhaftig zugegen. Und setzen gleichwohl dazu, durch Beschauung des Glaubens, das ist in Gedanken, damit sie wieder leugnen die wesentliche Gegenwärtigkeit. Wir lehren, dass der Leib Christi wahrhaftig und wesentlich gegenwärtig sei mit dem Brod oder im Brod; uns dünkt aber, dass Bucer hiemit hinterlistig handele, wenn er sagt: wir seien in diesem Artikel mit einander eins, nämlich dieweil wir die Transsubstantiation oder Verwandlung des Brods sämmtlich verwerfen und sagen, Brod bleibe. Wiewohl wir sagen, dass der Leib Christi wesentlich zugegen sei: so sagt doch D. Luther nicht, dass er localiter, räumlich, in einer Grösse und umschrieben da sei; sondern auf die Weise, wie die Person Christi oder der ganze Christus, bei seiner Kirchen und allen Kreaturen gegenwärtig ist. Hieraus folgert Bucerus, wenn Christi Leib auf diese Weise zugegen ist, wie der ganze Christus bei allen Kreaturen gegenwärtig ist, so folget, dass der Leib Christi nur an einem Orte räumlich sei, und dass alle andern Dinge, dieweil sie andere unterschiedene und weit abgelegene Oerter haben, nicht wesentlich dem Leib| Christi gegenwärtig sein, sondern objective. Also disputirt er, dass die Gegenwärtigkeit nur darin stehe, dass sich einer mit Gedanken den Leib Christi als gegenwärtig bildet. Aber Bucerus betrügt sich und Andere mit dieser Imagination, dass er nimmermehr die wesentliche und wahrhaftige Gegenwärtigkeit des Leibes Christi im Brod zulässt. Nun müssen wir bekennen, dass es eine wahrhaftige und wesentliche Gegenwärtigkeit sei und sollen nicht disputiren, ob es eine räumliche oder anderer Art Gegenwärtigkeit sei.“

 Auf Luther machte Bucer mit seinen Bemühungen noch weniger Eindruck. Bucer hatte auch an ihn geschrieben, aber Luther schrieb von Coburg aus an Melanchthon (d. d. 11. Sept. 1530; W. XVI, 1829): „M. Bucero antworte ich nicht. Ihr wisset, dass ich ihre Streiche und List hasse. Sie selbst gefallen mir nicht. Sie haben bisher nicht so gelehrt und wollen es doch weder erkennen noch bereuen, ja fahren fort zu sagen, es wäre unter uns kein Streit gewesen; dass wir also bekennen sollen, sie hätten recht gelehrt und wir hätten vergeblich gestritten oder wären toll gewesen. So stellet der Teufel allenthalben unserem Bekenntniss nach, da er mit Gewalt nichts vermag und durch die Wahrheit überwunden wird.“

 Bucer kam auf diesem Standpunkt auch nicht weiter mit Luther, als er zu ihm nach Coburg reiste.

 Unter welchen Bedingungen Luther und die Seinen zu einer Vereinbarung geneigt waren, das erfahren wir dann aus den weiteren Verhandlungen, die Bucer vom Jahr 1531 an veranlasste. So lange Luther einen Unterschied in der Lehre wahrzunehmen glaubte, wollte er von keiner Vereinbarung etwas wissen. So schrieb er an den Herzog Ernst von Lüneburg, an den Bucer sich gewendet hatte (d. d. 1. Febr. 1531; W. XVII, 2429): „Auf Ew. F. G. Begehren habe ich schon längst dem Bucer geantwortet auf das allerfreundlichste; aber dass ich sollte in solche seine Deutung oder Meinung willigen, habe ich ihm auch auf’s glimpflichste abgeschlagen: denn es ist nicht möglich, auf solche seine feingegebene Meinung uns zu vergleichen, wäre auch nicht gut. Es sollte wahrlich aus solchem Vergleich wohl ärger werden, als es jetzt ist... Dass aber| M. Bucer fürgibt, es stehe der Hader in Worten allein; da wollte ich gern drum sterben, wenn es so wäre. Es sollte solcher Span sich nicht lange erhalten, auch noch nie angefangen haben. Mir ist wohl so lieb zur Vereinigung, wie ich weiter mit ihm zu Coburg geredet habe. Drum achte ich, dass jetzt so viel gnug sei gehandelt, bis Gott weiter Gnade gibt, nemlich dass wir zu beider Seiten gnugsam uns untereinander vermahnet und verstanden haben. Hat Gott die Gnade gegeben, dass sie zulassen, Christi Leib sei im Sacrament leiblich den Seelen gegenwärtig, bin ich guter Hoffnung, sie werden vollend mit der Zeit auch das nachlassen, dass er gleicher Weise dem Munde oder äusserlich dem Brode gegenwärtig sei, weil ich wahrlich keinen Unterschied sehen kann, noch Beschwerung. Summa, wir wollen beten und fasten, bis es vollend ganz gut werde und nicht vor dem Hamen fischen noch bei Huj sprechen, ehe wir recht gründlich eins werden.“

 Man sieht, Luther ist nicht gegen eine Vereinbarung, vielmehr er ersehnt sie von ganzem Herzen, aber sie musste zu ihrer Voraussetzung Einigkeit in der Lehre haben. Da wollte er sich nun gern der Hoffnung hingeben, dass der Gegentheil allmälig zu besserer Ueberzeugung komme, darum zeigt er sich erfreut, wo auch nur in einem Stück eine Annäherung Statt hatte. Um dieselbe Zeit erklärte er sich also über die Vorschläge Bucer’s dahin:

 „Erstlich, dass M. Bucerus anzeigt, jenes Theil halte es mit uns im Sacrament gleich, nämlich des Stücks halben, dass sie glauben mit uns, dass der wahre Leib und Blut unsers Herrn sei gegenwärtig im Sacrament und werde mit den Worten dargereicht, den Seelen zur Speise oder zur Stärkung des Glaubens, das nehmen wir freundlich an und hören es von Herzen gern. Zum andern, weil aber allein Bucerus solches bekennet und allein sein Bedenken anzeigt, als halten’s die Andern auch also, so uns doch wohl bewusst, und die Bücher und Händel am Tage liegen, dass Zwingli und Oecolampad heftig dawider gestritten und als ob dem Hauptstück darob gehalten, dass Christus leiblich im Himmel allein an einem Orte und nicht im Sacrament gegenwärtig sein könne, will hier von Nöthen sein, dass man zuvor gewiss| sei, ob die anderen auch also halten, wie Bucerus guter Hoffnung meinet, und ob man auch solches im Volk öffentlich lehre und treibe, sonst möchte die Vereinigung einen bösen Grund gewinnen und hernach ärger werden, wie ich, D. Luther, dem Bucero zu Coburg gar fleissig fürhielt, dass man solche Vereinigung aus gutem reinen Grund anfinge oder liesse es anstehen. Zum dritten über solche leibliche Gegenwärtigkeit Christi für die Seelen, wie Bucerus hier bekennt, handelte ich auch mit ihm von der leiblichen Gegenwärtigkeit, so beide, Gottlose und Gläubige, auch mündlich den wahren Leib und Blut empfahen unter Brod und Wein. Darinn er sich ziemlich liess merken, dass mich erfreute. Nun wird in dieser Schrift nicht von diesem Stück gemeldet, und wir doch denken, wo sie so viel zugeben, dass der Leib Christi möge den Seelen leiblich dargereicht werden und gegenwärtig sein, sollte es nicht schwer sein zu glauben, dass er auch dem Mund oder dem Leib oder dem Brod gegenwärtig sei und dem Mund dargereicht werde.

 Wo nun Gott vollends Gnade gebe, dass sie solches Stücks auch mit uns eins und mit uns hielten und lehreten, so wäre die Einigkeit schlecht und ein hohes Werk und Wunder Gottes vollbracht.“ (W. XVII, 2494.)

 Wir können diese Erklärung Luther’s sein Programm nennen, eine Vereinbarung unter solcher Voraussetzung ist sein eigener Herzenswunsch. Aber erst im Jahre 1535 vermochte Luther die Hoffnung zu fassen, dass man sich auf solche Grundsätze hin werde einigen können, und um diese Zeit ist er auch voll Freudigkeit und guten Muths, dass das Concordienwerk gelingen werde. Den Augsburgischen Predigern schreibt er (5. Okt. 1535; W. XVII, 2517): „Ich danke meinem Herrn Christo, der mich durch Euer Schreiben so hoch erfreuet und mein Gemüth über Euch gestärkt hat, dass ich nun darf eine starke Hoffnung haben, unsere Concordie werde aufrichtig und beständig sein ... Gehabt Euch wohl und seid versichert, dass ich so viel an mir ist, alles treulich und fröhlich thun und leiden werde, was zur Vollendung dieser Concordie möglich ist. Denn ich verlange, wie vorgedacht, nichts sehrer, als dass ich dieses Leben in Friede, Liebe und Eintracht des heiligen Geistes mit Euch| bald schliessen möge.“ Und an die Prediger in Ulm schreibt er (5. Okt. 1535; W. XVII, 2518): „Ich nehme auch nicht nur die Einigkeit des Geistes mit Euch gerne an, sondern danke Euch auch, dass Ihr mir durch Euer Schreiben eine grosse Zuversicht gemacht habt, dass diese Concordie aufrichtig und redlich gemeinet sei. Fahret nur fort in Christo, wie Ihr angefangen habt, treulich und wachsam die Sache bei den Euren zu treiben und zu handeln, und zweifelt nicht, dass ich mit Gottes Hilfe alles, was möglich ist, thun und leiden werde, und will ich, so wahr mich mein Herr Christus liebet, an mir nichts ermangeln lassen, als der ich von Herzen gern vor meinem Tode diese Concordie nach so langem Streit und Exilio unserer Eintracht in Christo sehen möchte.“
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 Fügt man nun diesen Aeusserungen Luther’s die Instruction hinzu, die er dem Melanchthon mit nach Cassel gegeben, so sollte man meinen, es läge auf’s klarste zu Tage, wie Luther die Concordie verstanden wissen wollte. Dennoch sieht Nitzsch (in seinem Urkundenbuch der ev. Union. 1853) die Sache etwas anders an. „Hätte, meint er (p. 63), Luther nicht zu jener Zeit und schon, da Melanchthon seine Instruction für das Casseler Gespräch empfing, auch eine werdende Lehr-Union, eine Union bei noch bleibenden abweichenden Meinungen für eine irgendwie gültige und zu vollziehende geachtet, so hätte er nicht sagen können: sie sind vielleicht aus gutem Gewissen mit dem anderen Verstand gefangen, darum wollen wir sie gern dulden. Sind sie rein, so wird der Herr sie wohl erretten. Dagegen bin ich auch wahrlich mit gutem Gewissen mit dem anderen Verstand gefangen, es wäre denn, dass ich mich selbst nicht kennete, darum dulden sie mich auch, wo sie es nicht können mit mir halten.“ In diesen Worten ist allerdings ein sehr mildes Urtheil über die Anderen gefällt, ein milderes als früher, wie das bei der Aussicht auf Vereinbarung, die sich Luthern aufthat, auch natürlich war; aber wie lassen sich denn die Worte Luther’s so deuten, als sei er geneigt, eine Union bei noch bleibenden abweichenden Meinungen einzugehen? Sind diese Worte Luther’s doch der Schrift entnommen, in der Luther dem Melanchthon die Bedingungen vorzeichnet, unter denen man eine| Einigung eingehen könne, der Instruction nämlich für das Casseler Gespräch, auf die wir bald zurückkommen werden, und gibt uns doch Luther selbst den Commentar zu seinen Worten: denn ganz unmittelbar an dieselben reihen sich diese an: „Wenn sie aber bei ihrer Meinung in dem Punkt von der Gegenwart des Leibes Christi mit dem Brod bleiben wollen und bitten wieder, dass wir doch einander dulden wollten; so will ich sie gar gerne dulden in Hoffnung, dass wir künftig in eine Gemeinschaft kommen möchten. Indessen kann ich mit ihnen nicht eines Glaubens und Sinnes sein. Wo aber eine weltliche Eintracht gesucht wird, so verändert selbige die Ungleichheit des Glaubens nicht.“ Wo sagt nun Luther damit, und darauf kommt es doch an, dass er eine Union jetzt schon auf diese Grundlagen einzugehen bereit sei? Es verhält sich da wie mit jenem Brief von Luther, Jonas und Melanchthon an W. Link, von dem De Wette annimmt, dass er in den Anfang des Jahres 1531 falle. Da lesen wir (De Wette IV, 326), „weil Bucer (in dieser Schrift) sich etwas weiter deklarirt, so sie dermassen lehreten, mocht es, unser Achts, wohl zur Concordie dienen: nämlich, dass Christus wahrlich nicht allein bei der Seelen sei, sondern auch bei dem Zeichen Brods und Weins ... Demnach was die Gottlosen empfahen, dieselbige Disputation suspendire diesmal.“ Auch diese Aeusserung ist nicht anders als so gemeint, dass mit diesem Zugeständniss ein guter Anfang gemacht sei, auf dem man weiter fortbauen könne. Das Folgende wird den Beweis dafür liefern.
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 Es war so weit gekommen, dass Melanchthon zu einer Zusammenkunft mit Bucer in Cassel sich entschloss, und es ist uns die Instruction aufbewahrt (d. d. 17. Dec. 1534; W. XVII, 2486), welche Luther dem Melanchthon dahin mitgab. Aus ihr erkennen wir deutlich, wie wenig Luther in der Lehre etwas nachzugeben geneigt war. „Zum ersten, sagt er, können wir in keinem Wege zulassen, dass man von uns sollte sagen, wir hätten von beiden Theilen einander nicht verstanden... Zum andern, weil bisher diess der Zwiespalt gewesen ist, dass sie das Sacrament allein für ein Zeichen, wir aber für den wahren Leib unsers Herrn Jesu Christi gehalten haben und also gar der Sachen| uneins gewesen sind: dünkt es mich in keinem Wege thunlich sein, wenn man der Einigkeit zu gut eine neue und Mittel-Meinung wollt stellen, also dass sie sollten zulassen, es wäre der wahre Leichnam Christi dabei und wir nachgeben sollten, es würde nichts gegessen, denn das Brod. Ich will jetzund des Gewissens schweigen, wie sich das darein schicken würde. So muss man dennoch diess auch bedenken, dass die Mittel-Meinung in einem solchen Handel, der Jedermann betrifft, mancherlei Gedanken den Leuten machen und viel tausend Fragen und Opinionen daraus entstehen würden, dass es also viel sicherer ist, dass sie bei ihrem Zeichen bleiben, wie vor; denn es würden weder sie ihren, noch wir unsern Part, viel weniger wir beide zusammen die ganze Welt auf diese Meinung bringen können, sondern würden die Leute nur reizen auf mancherlei seltsame Gedanken. Darum ist mir viel lieber, dass die Uneinigkeit in diesen zweien Meinungen stecken bleibe, denn dass man Ursache gebe zu mancherlei unzähligen Fragen, dadurch die Leute zuletzt dahin kämen, dass sie gar nichts glaubten.“

 Die Zusammenkunft Melanchthon’s mit Bucer in Cassel führte zu einem befriedigenden Resultat. Bucer erklärte sich zu dem Bekenntniss, „dass der Leib Christi werde wesentlich und wahrhaftig empfangen, so wir das Sacrament empfahen. Und dass Brod und Wein Zeichen sind, signa exhibitiva, welche, so man reichet und empfängt, wird zugleich gereicht und empfangen der Leib Christi. Und halten also, dass das Brod und der Leib Christi also bei einander sind, nicht mit Vermischung ihres Wesens, sondern als Sacrament und dasjenige, so sammt dem Sacrament gegeben wird, quo posito aliud ponitur. Denn weil man auf beiden Seiten hält, dass Brod und Wein bleibe, halten sie solche sacramentalem conjunctionem.“ (Cf. Extrakt eines Schreibens Ph. Melanchthon’s an den Churfürsten von Sachsen d. d. 15. Januar 1535, bei W. XVII, 2496.)

 So wohl aber Luther mit dieser Erklärung zufrieden war, so ging er doch noch sehr vorsichtig an’s Werk. An den Churfürsten von Sachsen schrieb er (s. fin. Jan. 1535; W. XVII, 2496): „Auf des Bucer’s Meinung, so M. Philipp von Cassel| hat bracht, ist das mein Gutdünken. Erstlich, weil darin vermeldet, dass die Prädikanten wollen und sollen der Apologie oder Confession gemäss lehren, kann und weiss ich solche Concordie nicht ausschlagen für meine Person. Zum andern, weil sie deutlich bekennen, dass Christus Leib wahrhaftig und wesentlich im Abendmahl im Brod gereicht, empfangen und gegessen werde etc. Wo ihr Herz stehet, wie die Worte lauten: weiss ich auch diesmal die Worte nicht zu strafen. Zum dritten, nun aber diese Sache vom Anfang daher weit und tief eingerissen ist, dass bei den Unsern noch zur Zeit schwerlich geglaubt wird, dass es jene so lauter meinen, als die Worte dastehen und die Beisorge noch gar ist, dass ihrer etliche unserem Namen und Glauben fast feind seien, sehe ich für nutz und gut an, dass man die Concordie nicht so plötzlich schliesse, damit jene nicht übereilet, und bei den Unsern nicht eine Zwietracht sich errege etc.“ Und Melanchthon schrieb an Brenz, indem er ihm den Aufsatz Bucer’s zuschickte: „Lutherus etsi non plane damnat, tamen nondum voluit pronuntiare. Fecit (putat) ut tibi quoque visum est expedire, ut tempus in consilium adhibeamus. Jussus sum autem ad te et alios multos scribere et vestras sententias explorare: an tolerandos esse judicetis sic sentientes ac docentes.

 Es kam endlich doch zur Zusammenkunft in Wittenberg, auf der die Concordie geschlossen wurde. Wie da Lutherischer Seits der Entschluss feststand, die bisherige Lehre festzuhalten, beweist auch der Brief des Churfürsten an seinen Canzler Brück. „... Begehren auch hiemit, schreibt er, Ihr wollet Kraft dieses unsres Befehls D. Martino und den anderen Theologis anzeigen, dass er auf unserer Augsburgischen Confession und Apologie, auch dem heiligen hochwürdigen Sacrament des Leibes und Blutes unsers Herrn Jesu Christi, beständig bleiben und darob fest halten und in keinem Wege und mit nichten auch in dem wichtigsten Punkt und Artikel nicht weichen wolle etc.“ (W. XVII, 2528.)

 Ueber die Verhandlungen in Wittenberg selbst berichten wir zuerst Einiges aus der Relation des Frdr. Myconius an Veit Dietrich in Nürnberg (bei W. XVII, 2533). Da kurz zuvor Schriften Zwingli’s und Oecolampad’s in der Schweiz ausgegangen| waren, denen auch eine Vorrede Bucer’s beigefügt war, schien wenig Aussicht zu einer Vereinbarung, und als dennoch Bucer mit den Seinen in Wittenberg erschien, war Luther um so mehr darauf bedacht, alles abzulehnen, was die Concordie zu einer trüglichen hätte machen können. Bei der ersten Zusammenkunft mit Bucer und Capito erklärte er, „er begehre nicht mehr, denn dass eine wahre, standhaftige, rechte Einigkeit unter uns möchte wiederum angerichtet werden. Aber weil neulich mit Wissen und Willen Buceri die Episteln Zwingli und Oecolampadii in Druck ausgangen, dadurch viel gottlose, greuliche, falsche Lehre ausgebreitet worden, damals auch des Buceri Epistel gedruckt und über das noch andere Büchlein hervorkommen, darinnen die Lehre, die wir mit den Aposteln und mit der Kirche vertheidigen, verworfen werde, so könne er nicht sehen, wie eine beständige, rechte Einigkeit möge gestiftet werden unter denen, die so ganz widerwärtige Dinge lehren und treiben, da wir nämlich allhier gegenwärtig ein anderes müssen hören und reden und wiederum ein anders und gar ein widerwärtiges in den Büchern handeln... Er hielt es aber dafür, es wäre besser, man liesse die Sachen im vorigen Stand, darinnen sie jetzt sei, beruhen und bleiben, denn dass man durch eine gedichtete gefärbte Concordiam den Handel, der zwar arg und böse, hundertmal ärger machete.“ Luther sagte dann, dass wenn es zu einer rechten Einigkeit kommen sollte, zwei Dinge vornämlich vonnöthen seien. Zum ersten, dass sie ihre fremde Meinung, die nicht des Herrn Christi, der Apostel und der Kirchen sei, widerrufen sollten. Zum andern, dass sie die wahre Meinung hinfort mit ihnen einhelliglich lehren sollten. Er erinnerte weiter, wie sie bisher allezeit je näher und näher ihnen beigefallen und zu ihnen gemächlich wiederkehrt. „Denn erstlich hätten sie bekannt, das Brod des Abendmahls sei nicht allerdinge gleich wie ander Brod, noch der Wein wie ein gemeiner Wein, sondern es wäre eine Bedeutung und Memorial, ein Gedächtniss des abwesenden Leibes Christi etc. Darnach wären sie noch näher gekommen, indem sie bekannt, der Leib Christi und das Blut Christi sei gegenwärtig, doch geistlicher Weise, das ist, er sitze zur Rechten Gottes, aber doch mache der Geist| durch sein Speculiren und Gedanken, dass der Leib dem Brode und das Blut dem Weine gegenwärtig sei... Zuletzt kommet ihr (sagt D. Lutherus) noch näher zu uns, weil Ihr zu Coburg frei mit mir bekannt und jetzt in etlichen Büchern eben dasselbige schreibet, das Brod sei der wahre, natürliche, wesentliche Leib Christi etc. und werde empfangen mit dem Munde derer, denen es angeboten oder gegeben wird; doch also, wenn sie gläubig und Jünger Christi sind; aber wenn er den Ungläubigen gegeben werde, so sei es nicht mehr denn Brod und Wein. Und also muss bei Euch der Leib Christi sein, nicht aus Gewalt oder Kraft Christi, der es also verordnet und gesagt hat, sondern vielmehr aus Kraft unseres Glaubens und nach unsern Gedanken, welche verschaffen, dass Christus, der zur Rechten des Vaters ist, unserem Glauben gegenwärtig sei, so wir glauben; so wir aber nicht glauben, so könne er nicht gegenwärtig sein, sondern sei denen, die nicht glauben, nur ein leer bloss Zeichen. Jetzt ist nun hier vonnöthen, auf dass keines Zweifels noch Argwohns Ursache zu beiden Theilen übrig bleibe, dass Ihr und die Andern mit Euch uns erkläret, ob Ihr lehret und haltet, dass das Brod sei der Leib Christi, für uns gegeben, und der Wein sei das Blut Christi, für uns vergossen aus Kraft und Einsetzung Christi, der es also geordnet hat, es sei gleich der Diener, der es darreichet oder der es empfähet, würdig oder unwürdig etc... Ihr müsset ja auch bekennen, dass das Sacrament ohne Unterschied den Frommen und Bösen, den Gläubigen und Ungläubigen, den Heiligen und Heuchlern, oder wie Paulus redet, den Würdigen und Unwürdigen gereicht und von ihnen empfangen werde ...“ Bucer erklärte darauf am folgenden Tag: „dass er vor dieser Zeit etliche Dinge nicht genugsam klar und deutlich verstanden habe, auch nicht genugsam rein und recht gelehret; aber so bald er’s recht gelernet und gefasset, habe er seinen Irrthum verbessert, widerrufen und Unrecht bekannt, wolle auch nochmals hinfort widerrufen und mit Mund und in Schriften und auf waserlei Weise solches geschehen könne, verneinen. Darnach was anlanget die Erklärung der wahren Meinung von der wahrhaftigen Gegenwärtigkeit des Leibes Christi in oder mit dem Brod des Abendmahls etc., bekenne er für seine Person und auch an| der Schweizer und Plaureri Statt und Namen, dass das Brod im Abendmahl sei wahrhaftig der Leib Christi und der Wein sei wahrhaftig das Blut Christi und werden der Leib und das Blut gegeben durch den Diener Christi, ohne Unterschied allen, die es nehmen, es sei denn, dass die Einsetzung und Worte Christi verfälschet werden... Wenn er aber sage, dass die Gottlosen den Leib nicht empfahen, so wolle er mehr nicht, denn diess verstanden haben, dass wenn ein Türke oder Jude oder eine Maus oder ein Wurm die Hostien, so die Papisten einsperren, zernaget, dass solches allein dem Brod widerfahre, und sei nur Brod und nicht der Leib Christi und geschehe auch solches nicht am Leib Christi. Und nur dieses grobe, räumliche und natürliche Essen des Leibes Christi habe er verläugnen wollen. Aber das Essen, so nach der Einsetzung und Ordnung Christi geschieht, bekenne und lehre er und wolle sie allezeit lehren.“ Nachdem Luther diese Erklärung entgegengenommen und die gleiche Erklärung von den Gefährten Bucer’s erhalten hatte, berieth er sich mit den Seinen, die endlich gleich aus einem Munde antworteten: „wenn sie also, wie sie bekannt hätten, mit dem Herzen gläubeten, mit dem Munde bekenneten und hinfort also lehren wollten, so könnte man mit ihnen zufrieden sein. Jedoch sollten sie noch einmal rund und klar aussagen, ob sie bekennen, dass eben das Brod, das durch den Diener Christi mit den Worten Christi, der es eingesetzt hat, den Unwürdigen gegeben wird, sei wahrhaftig der Leib Christi, wie der Name des Herrn, den ein Gottloser wider das andere Gebot missbraucht, der Namen Gottes ist und wird durch den Missbrauch nicht aufgehoben.“ „Da sie nun das bekannten, fährt Myconius fort, ist Friede und Einigkeit zwischen uns, die wir beisammen waren, gemacht. Und haben Capito und Bucer angefangen zu weinen, und wir haben zu beiden Theilen mit gefalteten Händen und gottesfürchtiger Gebehrde Gott dem Herrn gedankt. Es ist ihnen auch befohlen worden, sie sollten fürsichtig und gemächlich bei ihren Kirchen die Gegenlehre, so die noch in etlichen Herzen steckte, hinwegnehmen und die gewisse wahre Meinung, die sie jetzt angehöret und bekannt hätten, vortragen. Wenn auch diese Rede (die Gottlosen empfahen den wahren Leib Christi) bei den Ihrigen| und Verständigen für unleidlich geachtet würde, sollten sie dieweil das Wort brauchen, das Paulus brauchet, nämlich die Unwürdigen, und doch die Sache an ihr selbst recht erklären oder sollten für das Wort gottlos brauchen das Wort ungläubig etc.“

 Die Concordie in Betreff des Abendmahls lautete nun dahin:

I.

 „Sie bekennen, laut der Worte Irenaei, dass in diesem heiligen Sacrament zwei Dinge sind: ein himmlisches und ein irdisches; demnach halten sie und lehren sie, dass mit dem Brod und mit dem Wein wahrhaftig und wesentlich zugegen sei und dargereicht und empfangen werde der Leib und das Blut Christi.

II.

 Und wiewohl sie keine Transsubstantiation halten, auch nicht halten, dass der Leib Christi localiter, das ist, räumlich in’s Brod eingeschlossen oder sonst (bleiblich) beharrlich, ausserhalb der Niessung des heil. Sacraments damit vereinigt werde; so bekennen sie doch und halten, dass (durch sacramentliche Einigkeit) um sacramentlicher Einigkeit willen das Brod sei der Leib Christi. Das ist, sie halten und glauben, dass mit samt dem Brode wahrhaftig zugegen sei und wahrhaftig dargereicht werde der Leib Christi etc. Denn ausserhalb dem Gebrauch und der Niessung, so man nämlich das Brod bei Seite legt, und in die Monstranzen oder Sacramentshäuslein einschleusst, oder in Procession und Kreuzgängen umträgt und zeiget, wie es im Pabstthum geschieht, halten und glauben sie, dass der Leib Christi nicht zugegen sei.

III.
 Demnach halten sie, dass die Einsetzung dieses Sacraments, durch Christum geschehen, kräftig sei in der Christenheit, und dass sie nicht stehet oder liegt an der Würdigkeit dess, der es reichet oder selber empfähet. Darum, wie St. Paulus sagt, dass auch die Unwürdigen das Sacrament niessen: also halten sie auch, dass den Unwürdigen auch wahrhaftig dargereicht werde| der Leib und das Blut Christi und dass die Unwürdigen solches wahrhaftig empfahen, wo man des Herrn Christi Wort und Einsetzung halte. Aber solche empfahen’s zum Gerichte, wie St. Paulus sagt: denn sie missbrauchen das heilige Sacrament, dieweil sie es ohne wahre Busse und Glauben empfahen. Denn das heilige Sacrament ist darum eingesetzt, dass es bezeuge, dass allen denen, so wahre Busse thun, und sich wiederum durch den Glauben an den Herrn Christum trösten, die Gnade und Wohlthat Christi zugeeignet, sie dem Herrn Christo eingeleibet und durchs Blut Christi gewaschen werden.“ (W. XVII, 2529.)




 Dass diese Concordie die Lehre Luthers, wie er sie jederzeit gelehrt hat, enthält, kann man nicht in Abrede stellen. Auch über den Genuss der Unwürdigen spricht sich dieselbe ganz der Lehre Luthers gemäss aus. Und doch müssen wir auf die Verhandlungen, welche in Wittenberg über den letzterwähnten Punkt, den Genuss der Unwürdigen, gepflogen wurden, noch einmal zurückkommen.

 Dass über diesen Punkt Bucer erst etwas anderer Meinung war als Luther, geht aus den Verhandlungen deutlich hervor; die Frage ist aber die, ob Bucer sich eines Besseren hat belehren lassen oder ob Luther in diesem Punkt einige Nachgiebigkeit geübt hat?

 Um darüber ein sicheres Urtheil zu gewinnen, müssen wir noch eine zweite Relation über die Verhandlungen in Wittenberg herbeiziehen, die des Frankfurter Predigers Bernard.[5] Diese nämlich weicht doch nicht ganz unbeträchtlich von der des Myconius ab. Freilich aber fehlen uns alle Mittel, um die Frage, welche Relation die treuere ist, zur Entscheidung zu bringen. Während nämlich nach Myconius Bucer unter den Gottlosen, welche eitel Brod und Wein im Abendmahl empfingen, Türken oder Juden zu verstehen behauptete, hat nach Bernard Bucer sich dahin erklärt, er meine unter denen, welche nur Brod und Wein empfingen,| „die gar Gottlosen, die auch den Worten des Sacraments nicht glaubten“, „solche, die dem Herrn sein Wort und Ordnung im Sacrament verkehren; die gar keinen Glauben haben, sondern allein lassen Sinn und Vernunft zum Abendmahl bringen.“ Der nicht unbedeutende Unterschied ist der, dass im einen Fall die Gottlosen Ungetaufte, im anderen Fall Getaufte sind.

 Dass in dem einen Fall Abendmahl an die Gottlosen käme, wäre nicht recht denkbar gewesen, und da liesse es sich nun leicht erklären, warum Luther auf diesen Fall nicht näher einging und sich an dem Bekenntniss genügen liess, dass auch die Unwürdigen Leib und Blut Christi geniessen. Aber nach Bernard hat Luther auch gegenüber der in jener zweiten Relation abgegebenen Erklärung über die Gottlosen, erwiedert: „Ihr streitet Euch allein der Gottlosen halben: bekennet doch, wie der heil. Paulus sagt, dass die Unwürdigen den Leib des Herrn empfangen, wo die Einsetzung und Wort des Herrn nicht verkehrt werden, darob wollen wir nicht zanken.“ Da lässt sich nun nicht leugnen, dass Bucer dieser nach Bernard abgegebenen Erklärung eine Deutung geben konnte, welche der Auffassung Luthers zuwider war, die, dass der wirkliche Empfang des Leibes doch von dem Glauben des Empfängers abhänge. Sollte man nun daraus, dass Luther sich nicht weiter dess vergewisserte, wie es Bucer gemeint habe, schliessen, dass er vor der wenigstens möglichen Differenz, welche noch vorlag, die Augen verschlossen habe, um doch eine Einigung nicht länger zu hindern?

 Man muss, um diese Frage zu beantworten, vor allem daran erinnern, dass Luther in Wittenberg ausdrücklich von Bucer als Bedingung einer Einigung forderte, er müsse von der Meinung zurückkommen, als „sei der Leib Christi nicht aus Gewalt oder Kraft Christi, vielmehr aus Kraft unseres Glaubens und nach unseren Gedanken vorhanden“, und dass er zum Zeugniss dess bekennen solle, „dass das Sacrament ohne Unterschied den Frommen und Bösen, den Gläubigen und Ungläubigen, den Heiligen und Heuchlern gereicht werde“, und dass Bucer in der Concordie dieses Bekenntniss wirklich abgelegt hat. Luther hat also auf keinen Fall den Vorbehalt, den Bucer in Betreff der Gottlosen machte, so verstanden, dass der Meinung, als sei der Leib Christi nur aus| Kraft des Glaubens vorhanden, damit Raum gegeben wäre. In der Sache selbst hat er also nichts zugestanden und nichts nachgelassen. Die einzige Nachgiebigkeit von Seite Luthers könnte man dann darin finden, dass er darauf verzichtete, in Bucer weiter noch zu dringen, dass er diesen Vorbehalt in Betreff der Gottlosen fallen lasse. Darauf konnte aber Luther unbeschadet der Sache verzichten, weil er annehmen durfte, dass Bucer aus dem Bekenntniss, das er in Betreff der Ungläubigen auf Grund dess, dass der Empfang des Leibes Christi nicht von dem Glauben abhängig sei, gemacht hatte, nothwendig über kurz oder lang die Consequenz auch in Beziehung auf „die ganz Gottlosen“ ziehen würde.

 So wird man also sagen dürfen, Luther willigte in die Einigung, weil die Oberländer sich jetzt vollständig zu seiner Lehre bekannten. Er hat also das Bekenntniss zu seiner Abendmahlslehre als schlechthin erforderlich zur christlichen Bekenntnissgemeinschaft erachtet,[6] und es lässt sich nicht sagen, „dass der Drang nach Eintracht, entspringend aus dem Gefühl einer Gemeinschaft evangelischen Grundes, in der doch auch die Abweichenden mit ihm stehen, ihn über die noch möglichen Bedenken in jenem letzten entscheidenden Augenblick der Verhandlungen vollends hinweghob.“[7]


2. Luther und die Schweizer.

 Erst nach dem Abschluss der Wittenberger Concordie beginnen die Beziehungen Luthers zu den Schweizern. Sie knüpfen sich an die Aufnahme, welche dieselbe bei den Schweizern fand.

 Welcher Art war diese?

 Die Wittenberger Artikel kamen zuerst nach Basel durch Vermittlung der Strassburger, welche bemerkten, die Artikel enthielten nichts Neues, sondern drückten nur die Lehren Zwinglis, Oekolampads, der Tetrapolitana und des letzten Basler Bekenntnisses aus; aber doch hinzufügten, auf den ersten Anblick scheine es freilich, als ob die Artikel der Schweizerischen Meinung ungünstig| seien, sie hätten jedoch „eine andere Gestalt und Auslegung, die ihr nicht zuwider laute.“ Schon in Basel sah man aber die Sache anders an und das erste Gutachten, welches darüber abgegeben wurde, zeigte den Unterschied zwischen der Lutherischen und der Schweizerischen Meinung auf.[8] Als die Strassburger davon hörten, baten sie, man möge ihnen den Grynaeus und Carlstadt senden, denen sie nähere Erläuterungen geben wollten. Diese kamen und zogen nach achttägigem Aufenthalt befriedigt ab.[9] Den Baslern aber waren ihre Bedenken, ob auch Luther mit der Auslegung, welche in Strassburg den Wittenberger Artikeln gegeben worden, übereinstimmen würde, nicht gehoben. Myconius und Grynaeus wurden jetzt nach Zürich und Bern gesandt,um die Wittenberger Artikel nebst den Erläuterungen der Strassburger zu überbringen. In Zürich beschloss man, mit anderen Städten über die Sache zu berathen und verbot vorerst den Predigern die Unterschrift. Ohngefähr die gleiche Stellung nahm Bern ein. Basel schrieb dann auf Ansuchen von Bern einen Tag nach Basel zur Berathung aus. Zu diesem Tag (d. 24. Sept.) kamen auch Bucer und Capito. Die Strassburger gaben sich da alle Mühe, zu Gunsten Luthers zu stimmen, sie konnten aber die Unterschrift der Wittenberger Concordie nicht erwirken. Man beschloss in Basel, abermals eine Zusammenkunft auszuschreiben. In der Zwischenzeit wurden Synoden in Bern, Zürich und an anderen Orten gehalten. Auf allen sprach man sich misstrauisch gegen die Wittenberger Concordie aus. Bei der dann in Basel statthabenden Zusammenkunft (d. 12. Novbr.) schlugen die Züricher vor, Luthern eine weitläufige Erklärung ihrer Meinung einzusenden und man kam überein, an ihn mit einem freundlichen Brief eine (von Bullinger früher schon entworfene) Erklärung| über das Amt und die Sacramente, so wie eine von Bucer verfasste Auslegung der Wittenberger Artikel zu schicken, um dess gewiss zu werden, ob Luther damit übereinstimme und die Einigkeit in der Lehre mit ihnen anerkenne.[10]

 Der Inhalt der ersteren Erklärung war der: nach der von Bucer ihnen gegebenen Deutung der Wittenberger Artikel dürften sie annehmen, dass dieselben dem Basler Bekenntniss (der Helvetica prior, Basileensis posterior von 1536) conform seien: denn hier wie dort halte man an der wahren Menschheit Christi und seiner leiblichen Auffahrt in den Himmel fest, und bekenne man, dass Christus im Abendmahl nur geistlich genossen werde. Weil sie aber hören, dass man sie doch noch im Verdacht habe, als lehrten sie nicht ganz recht vom Amt und Sacrament, so wollten sie bei diesem Anlass sich näher darüber erklären.

 Die Erklärung (über die Sacramente) geht nun dahin: die Sacramente seien Symbole, welche unter sichtbaren Zeichen himmlische Gaben darböten und vor Augen malten, sie seien also nicht blosse (nuda) Zeichen, sondern hätten auch bei sich die himmlische Gabe, welche durch das Zeichen angedeutet werde. Das Abendmahl verstünden sie dahin, dass Christus durch Brod und Wein sich selbst zur Speise des Lebens darreiche, der vornehmste Theil im Abendmahl sei also der Leib und das Blut Christi, für uns in den Tod gegeben. Im Abendmahl werde also Leib Christi genossen, aber nicht in so crasser und fleischlicher Weise, wie die Papisten lehrten. Demgemäss läugneten sie also mit ihren Vätern, dass der Leib Christi körperlich oder fleischlich genossen werde oder dass er mit seinem Leib körperlich und auf natürliche Weise gegenwärtig sei. Ebenso bekenneten sie mit allen Vätern, dass Christus diese Welt verlassen habe, zur Rechten Gottes sitze und von da nicht mehr in den irdischen Stand herabgezogen werden dürfe, dass also die Gegenwart Christi im Abendmahl nur eine himmlische und keine irdische oder fleischliche sei, sie läugneten also, dass das Brod in den Leib Christi verwandelt werde oder der Leib mit dem Brod auf| eine andere als sacramentale Weise eingeschlossen sei. Hätten sie also mit den Vätern gesagt, das Brod sei Zeichen oder Symbol des Leibes Christi, so wollten sie das dahin verstanden wissen, das Brod sei nicht der Leib Christi selbst, sondern sein Zeichen, damit sei aber die Gegenwart Christi im Abendmahl nicht in Abrede gestellt.

 Diese declaratio kam erst im Februar 1537 durch Bucer in Luther’s Hände, während seines Aufenthaltes auf dem Schmalkalder Convent, und erst im December antwortete er den Schweizern darauf.[11] Voran liegen aber Aeusserungen Luther’s über die declaratio, die erste in einem Privatschreiben vom 17. Februar an den Basler Bürgermeister. Darin geht Luther auf die Sache selbst gar nicht ein, bittet den Bürgermeister aber, er möge dafür sorgen, dass die ruhenden Vögel nicht wieder aufgescheucht würden. Es solle der Eintracht nachgestrebt werden mit Geduld, Sanftmuth, gutem Gespräch und sonderlich mit Gebet vor Gott.

 Die zweite Aeusserung findet sich in einem Gespräch, das Luther schwer erkrankt in Gotha mit Bucer und Lycostenes gehalten. Aus ihm sieht man deutlich, dass Luther weit entfernt ist von der Meinung, eine Concordie mit den Schweizern könne sofort vollzogen werden, er meint vielmehr nur, sie möchten es eben versuchen und ermahnt sie, aufrichtig und ehrlich zu Werk gehen. Nach der Versicherung, dass er ein aufrichtiger Mensch sei, der, wie er es im Herzen meine, mit dem Munde rede, bezeugt er ihnen, dass er für seine Person mit den Leuten wohl Geduld haben könne und glaube, weil die Kirche so tief durch sie verführt sei, könnten sie es so plötzlich nicht herausreissen, und das Verderbte nicht sobald wieder gut machen, gibt ihnen aber zu bedenken, dass er seine Leute nicht zu gleicher Geduld bewegen könne. Auch das erkennt er an, dass ihre Leute freilich| auch nicht sobald zufrieden sein würden, wenn sie flugs anders reden und lehren wollten, als sie zuvor gethan; da verwarnt er sie aber, dass sie ja nicht krumme Wege gehen möchten. Sie sollen es heraussagen, dass sie geirrt hätten, ja nicht etwa vorgeben, man hätte beiderseits einander nicht verstanden. Könnten sie das aber nicht flugs und auf einmal thun, so mögen sie es in einem viertel, halben, ganzen Jahr thun. Er bezieht sich dann noch auf den freundlichen Brief, den er an den Basler Bürgermeister geschrieben habe, und schliesst mit der Versicherung, wenn er am Leben bleibe, werde er den Leuten, die ihm so freundlich geschrieben, auf’s treulichste und freundlichste wiederum mit seiner Schrift dienen.

 Diese Erklärungen geben uns den Schlüssel zum Verständniss des Briefes, den Luther am 1. December den Schweizer Städten geschrieben hat. Die ganze Sache schien ihm noch im Werden, er will ihnen noch Zeit lassen. Er geht wohl von der Annahme aus, dass unter den Schweizern jetzt viele sind, welche guten Willen zu einer Concordie haben, er weiss aber auch, dass es nicht an solchen fehlt, welche von ihren früheren Meinungen sich noch nicht loslösen können. Darum beschränkt er sich in seinem Schreiben darauf, das wegzuräumen, was ihnen an seiner Lehre anstössig sein könnte. Er habe auch noch nie gelehrt, schreibt er, dass Christus vom Himmel oder von der rechten Hand Gottes hernieder und auffahre, noch sichtbarlich, noch unsichtbarlich. Er bleibe auch fest bei dem Artikel des Glaubens: aufgefahren gen Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, zukünftig etc. und lasse es göttlicher Allmacht befohlen sein, wie sein Leib und Blut im Abendmahl uns gegeben werde. Er denke da keiner Auffahrt noch Niederfahrt.

 Das Schreiben zielt also nicht dahin ab, die Bedingungen, unter denen eine Concordie abzuschliessen sei, zu präcisiren, für das Werk selbst verweist er auf die, denen die Sache befohlen sei. – Dass das Schreiben so aufzufassen ist, erkennt man aus dem Briefe, den Luther wie als Commentar zu seinem Schreiben an Bucer richtete, d. d. Nicolai 1537.[12] Er schreibt darin: „ich habe alles auf Euch und den Capito geschoben, da ich keine| andere Ursache gehabt, so friedlich und freundlich zu schreiben“; meint auch, er habe wenigstens deutsch und redlich herausgesagt, dass ihm das lateinische Bekenntniss der Schweizer nicht so gefalle, als das deutsche der Städte, sonderlich vom Sacrament des Altars.

 Als dann die Schweizer in der gemeinsamen Antwort, welche sie auf einer Versammlung zu Zürich (vom 29. April bis 4. Mai) beschlossen hatten, erklärten, sie könnten unter der Voraussetzung, dass Luther mit den übersendeten Bekenntnissen zufrieden sei, nicht anders finden, als dass man jetzt einig sei, lautete Luthers Antwort (9. Juni 1538) nicht dahin, dass er jetzt die Concordie als abgeschlossen betrachte. Er erwähnt nur wieder des Einen Punktes, worin er Einigkeit sehe, des, dass keine Niederfahrt und Auffahrt Statt habe und gleichwohl der wahrhaftige Leib etc. unter Brod und Wein empfangen werde, verweist aber für das Uebrige auf Bucer und Capito und fordert die Schweizer auf, das Werk der Einigung weiter zu fördern.

 Dass er noch nicht an eine zum Abschluss reife Concordie dachte, beweist endlich auch der dem Antwortschreiben an die Schweizer vorangehende Brief an Bullinger vom 14. Mai 1535. Er äussert da unverhohlen seine Missbilligung der kurz zuvor von Bullinger veranstalteten expositio ch. fidei von Zwingli, und sagt: Vos fortassis creditis, nos errare .. certe nos etiam non possumus vestra omnia probare, nisi conscientiam nollemus onerare. – So schreibt doch nicht, wer da meint, die Concordie sei bereits reif.

 Wie lässt sich Luthers Verhalten zu den Schweizern erklären?

 Schweizerischer Seits wurde und wird gesagt, Luther sei um diese Zeit zu einer Concordie geneigt gewesen, obgleich er wusste, dass sie seine Lehre nicht in vollem Umfang theilten. Ueber diesen Punkt habe er sich nicht täuschen können. Die Basler confessio, wie auch die declaratio habe zu deutlich ausgesagt, dass man in der Schweiz keine leibliche Gegenwart von Christi Leib und Blut im Sinne Luthers annehme. Einen Fortschritt in diesen Bekenntnissen habe Luther nur darin finden können, dass sie Brod und Wein nicht wie Zwingli (oder wie wenigstens Luther den Zwingli deutete) für leere Zeichen hielten. Daran aber habe er sich damals genügen lassen.

|  Auch Köstlin, der übrigens sehr vorsichtig zu Werke geht, meint, Luther sei doch gegen die Schweizer nachsichtiger gewesen, als vor Abschluss der Concordie gegen die Oberländer. Ihnen, den Schweizern, habe Luther die Hand der Versöhnung und des Friedens reichen wollen, während sie noch abwichen, in der Lehre von der leiblichen Gegenwart sowohl als in Betreff des Genusses der Unwürdigen, eine Eintracht sei ihm also trotz dieses Unterschiedes als nicht unmöglich erschienen. Und Köstlin weiss sich das nicht anders zu erklären als entweder aus einer Anwandlung gutmüthiger Schwäche, welche den sonst so scharfen Blick Luthers gelähmt und seinen sonst so festen Willen gebrochen habe, oder aus dem Gefühl und Bewusstsein, dass jetzt doch die Uebereinstimmung im Grundwesentlichen den Unterschied in demjenigen Lehrpunkt, worin jene noch nicht der vollen Wahrheit Recht geben, überwiege. Köstlin entscheidet sich für das Letztere.[13]

 Wir können ihm nicht beipflichten.

 Luther mag immerhin einen Werth darauf gelegt haben, dass die Schweizer, indem sie eine objektive himmlische Gabe zum Wesen des Sacraments machten, über Zwingli hinausgegangen seien, aber warum sollte er bei den Schweizern sich daran haben genügen lassen, während es ihm bei den Oberländern nicht genügt hatte; warum sollte er, der ganz kurz vorher sich bei den Oberländern so genau zu versichern gesucht hatte, ob sie doch nicht etwa nur in Worten sondern auch in der Sache mit ihm übereinstimmten, und der den Oberländern nichts nachgelassen und die Concordie mit ihnen erst abgeschlossen hatte, nachdem sie auch den Genuss der Unwürdigen zugestanden hatten, warum sollte er, der unmittelbar vorher in die Schmalkalder Artikel das Bekenntniss von dem Empfang des Leibes auch von Seite der bösen Christen aufgenommen und damit dargethan hatte, wie eng ihm diess mit dem Bekenntniss von dem wahrhaftigen Leib Christi zusammenhänge; warum sollte er, im geraden Widerspruch mit dem allem, es mit den Schweizern so leicht genommen haben? Mochte er auch annehmen, dass die Annahme einer objektiven| himmlischen Gabe den Grundunterschied gegenüber dem Zwinglianismus bilde, so musste er doch erst gewiss werden, ob die Schweizer diese himmlische Gabe auch in seinem Sinn verstanden, und er hatte obendrein, wenn er ihre Erklärungen darauf hin ansah, Grund genug daran zu zweifeln.

 Wir glauben darum, Luthers Verhalten anders erklären zu müssen. So. Luther glaubte nur, dass die Schweizer auf dem Weg seien, zu der rechten Lehre zu gelangen. Das hat er sich von Bucer einreden lassen und dem Bucer überlässt er es, die Schweizer zu diesem Ziel zu führen. Man darf da nicht übersehen, Luther führt nicht selbst die Verhandlungen mit den Schweizern. Freilich wenden sich diese an ihn, und man kann nicht leugnen, dass seine Antwort an sie in ihnen den Glauben erwecken konnte, er sei zu einer Concordie auf Grund der von ihnen gegebenen Erklärungen bereit. Da lief aber ein Missverständniss mit unter, an dem Bucer und nicht Luther Schuld ist, Bucer, weil er weder Luthern offen von dem wirklichen Stand der Dinge in der Schweiz unterrichtete, noch den Schweizern offen sagte, welches die Stellung Luthers zur Sache sei. Luther antwortete so, wie er antwortete, in dem Gedanken, Bucern sein Werk, die Schweizer zur Annahme seiner Lehre zu bewegen, zu erleichtern. Dass das möglich wäre, konnte Luther damals glauben. Die Sache stand ja so. Erst war Luthern die Lehre Zwinglis entgegengetreten, dass Brod und Wein nuda signa seien. Jetzt betheuerten alle Schweizer, sie glaubten an eine reale Gegenwart Christi beim Abendmahl. Sie behaupteten freilich, das sei von jeher auch Zwinglis Lehre gewesen, aber Thatsache war doch zum wenigsten, dass die Schweizer die reale Gegenwart mehr hervorhoben, und Luther konnte das als ein Werk Bucers betrachten. Hatte Bucer sie so weit gebracht, so konnte er sie auch noch weiter bringen. Diesen Gang der Dinge wollte Luther nicht stören, darum bestätigt er ihnen nur, dass sie mit Recht bei ihm nicht die Vorstellung suchten, dass er einen descensus und adscensus Christi beim Abendmahl lehre. Bucer hatte ihm ja immer gesagt, die Schweizer hätten falsche Vorstellungen von seiner Lehre von der Gegenwart Christi, und machten sich nur schwer von denselben los.

|  Gewiss würde Luther sich anders zur Sache gestellt haben, wenn er eine klare Einsicht in den Stand der Dinge in der Schweiz gehabt hätte. Woher hätte er diese aber haben sollen? Bucer allein hätte ihm klaren Wein einschenken können, der aber that es nicht.

 Es wird hier der Ort sein, einen Blick auf die Verhandlungen Bucers mit den Schweizern zu werfen.

 In der Schweiz trug man doch schwer an dem Zerwürfniss mit der deutschen Kirche, am schwersten trugen daran die Politiker, welche es gern gesehen hätten, dass die Schweiz sich an den Schmalkalder Bund angeschlossen hätte. So lange aber Zwingli lebte, war auf eine Ausgleichung nicht zu hoffen. Das wurde Bucer bald inne, und gab seine Bemühungen bald auf. Anders wurde es nach dem Tod Zwinglis und Oekolampads. Die unsichere Lage, in welche die protestantischen Cantone durch den Tag bei Cappel gekommen waren, hatte das Verlangen, in den Schmalkalder Bund aufgenommen zu werden, verschärft, und damit auch eine Geneigtheit erzeugt, eine Ausgleichung in der Lehre vom Abendmahl zu versuchen: denn ohne diese war ja an ein Eintreten in den Schmalkalder Bund nicht zu denken. In der Schweiz richtete man nun sein Augenmerk auf die Strassburger, als auf diejenigen, welche am geeignetsten waren, eine solche Ausgleichung anzubahnen, und gab ihnen seinen Wunsch zu erkennen. Natürlich dass Bucer sich nicht zweimal auffordern liess.

 Jetzt also begannen seine Versuche einer Vermittlung.

 Da ist zuvörderst zweierlei zu constatiren. Einmal, dass die Schweizer von der Voraussetzung ausgingen, Bucer sei in der Lehre ganz mit ihnen conform, und dass sie durch die Versicherung Bucers dazu berechtigt waren. Er hat, auch nachdem seine Verhandlungen mit Luther längst im Gange waren, es ihnen gegenüber nie Wort gehabt, dass eine Wandelung in seiner Ueberzeugung vorgegangen sei, war vielmehr stets bemüht, den oft in ihnen auftauchenden Verdacht abzuwehren.

 Dann, dass wenigstens die Schweizer, in deren Händen die Entscheidung lag, festestens entschlossen waren, eine Concordie nie mit Preisgebung ihrer Lehre einzugehen; dass es ihnen um eine aufrichtige und ehrliche Verständigung mit Luther zu thun| war; und dass sie eine Concordie verschmähten, welche etwa nur auf Grund von mehrfach deutbaren Ausdrücken hätte zu Stande kommen können. Mit Letzterem war ihnen schon Zwingli vorangegangen. Dieser hatte wohl wahrgenommen, dass schon die Tetrapolitana eigentlich nur den Gegensatz zu verdecken suchte, und sich über diese in folgender Weise geäussert:[14] „Wir verwerfen und tadeln in keiner Weise dieses Bekenntniss, sondern achten und halten dasselbe für christlich recht und gut; – dass wir aber von dem wesentlichen und klaren Verstand der Worte: „das ist mein Leib“ etc., wie er bei uns erhalten und bisher gelehrt und gepredigt worden ist, abstehen und uns zu einer dunklen und zweideutigen Formel verleiten lassen sollen, könnt Ihr nicht von uns verlangen, indem wir uns dadurch dem Schein aussetzten, als wären wir bisher im Irrthum gewesen und als hätten wir etwas Unwahres behauptet... Wenn Ihr uns berichtet, dass Ihr die Worte des Strassburger Bekenntnisses, dass Christus uns im Abendmahl seinen wahren Leib und sein wahres Blut zu einer Speise der Seele wahrhaft zu essen und zu trinken gebe, nicht so verstehen könnt, als würde dadurch das Papstthum und das Lutherthum wieder aufgerichtet, so können wir doch nichts anderes finden, als dass man unter dem „zu essen geben“ das „Darreichen“ verstehe und so die Seligkeit wieder von dem darreichenden Priester, wenn auch nicht jetzt, doch in der Folge abhängig machen wird. Wir leben aber nicht allein der Gegenwart und uns selbst, sondern auch den folgenden Zeiten und Menschen, und so wir jetzt nicht die Wahrheit bekennen wollen, was für eine Verwirrung würden wir für die nachkommenden Geschlechter bereiten?“

 An diesem Grundsatz hielten die Führer nun wirklich als an einem Vermächtniss ihres Reformators fest.

 Noch im Jahr 1533, nachdem Bucer (im Mai) in Zürich gewesen war, um sich von dem Verdacht, als wäre er in das lutherische Lager übergegangen, zu reinigen, und da geltend gemacht hatte, dass nach seiner Ueberzeugung Luther und Zwingli mehr in Worten als in der Sache auseinandergingen, bezeugten| ihm die Züricher, dass sie von Luthers Lehre anders hielten, wiesen ihm auch aus dessen Schriften nach, dass sie Grund dazu hätten, und schrieben ihm: „wir sind fest entschlossen, dabei (bei ihrer Lehre) zu beharren, bis wir aus heil. Schrift eines Besseren belehrt werden. Wir bitten Dich dringend, dass Du nicht weiter versuchst, jemand davon abzubringen und zu einer dunkleren unserer Kirche nicht durchgehends zusagenden Ausdrucksweise zu verleiten. Zu Allem, was zum Frieden dient ohne Nachtheil der Wahrheit, wollen wir doch gar gerne die Hand bieten.“[15] Den Versuch, die Schweizer glauben zu machen, dass Luther nur in Worten, nicht in der Sache anderer Meinung sei als Zwingli und dass beide Reformatoren einander nur missverstanden hätten, musste er daher bald aufgeben.[16] Er griff dann zu dem anderen Mittel, dass er den Schweizern einredete, Luther käme von dem Verdacht nicht los, dass sie gar keine Gegenwart Christi im Abendmahl annähmen und die Sacramente ihnen nur nuda signa seien. Er drang in sie, in ihren Bekenntnissen die Gegenwart Christi stärker hervorzuheben und darauf ging man in der Schweiz auch ein und konnte darauf eingehen, ohne die bisherige Lehre zu verläugnen: denn man behauptete ja immer, Zwingli habe stets eine Gegenwart Christi beim Abendmahl gelehrt und man habe ihn missverstanden, wenn man seine Lehre dahin gedeutet habe, dass die Sacramente nur leere Zeichen seien. Freilich aber sprachen sie von dieser Gegenwart nie anders als von einer geistigen.
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 Das Letzte, was Bucer erreichte, war, dass man in der Schweiz ein neues Glaubensbekenntniss abfasste, die Helvetica prior sive Basileensis posterior confessio fidei[17] und sie ihm mit| nach Eisenach gab, wo die Unterredung mit Luther statthaben sollte, um sie Luthern zu ernstlicher Erwägung zu übergeben. Auf die Fassung der Abendmahlslehre hatte Bucer mit eingewirkt und auf sein Andringen hatte man mehrere Ausdrücke in das Bekenntniss eingerückt, auf welche Luther einen Werth legte.[18] Diese confessio betonte allerdings die Gegenwart Christi im Abendmahl viel stärker, als es früher geschehen war. Dasselbe wird eine mystische Speise genannt, „in welcher der Herr seinen Leib und sein Blut, d. h. sich selbst den Seinen wahrlich darbietet, dass er je mehr und mehr in ihnen und sie in ihm leben.“ Aber es ist darin doch nichts gesagt, was nicht dem Schweizerischen Bekenntniss gemäss gewesen wäre. Es wird darin eine naturalis unio und eine localis inclusio abgewehrt, das Abendmahl wird ein spirituale pabulum genannt.
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 Und dennoch war Bucer mit diesem Bekenntniss sehr wohl zufrieden und reiste damit voll froher Hoffnungen nach Eisenach. Man beachte nun wohl, dass der Abfassung und Empfangnahme dieser Confession die Zusammenkunft Bucers mit Melanchthon in Cassel vorangegangen war, und rufe sich die von uns mitgetheilte Instruction ins Gedächtniss, welche Luther dem Melanchthon mitgegeben hatte; man nehme hinzu, dass, noch bevor die Schweizer Theologen zur Entwerfung dieser Confession zusammengetreten waren, Bullinger dem Bucer zum voraus erklärt hatte, „er solle sich nicht schmeicheln, die Schweizerische Kirche je zur lutherischen Lehre hinüberzuziehen, nie und nimmer würden sie eine solche Vereinigung eingehen, und ebensowenig eine Vereinigung durch doppelsinnige Redensarten erkaufen“;[19] und man nehme endlich hinzu, dass die Schweizer sich standhaft weigerten, dem Bucer, wie er es wünschte, Gesandte mit nach Eisenach zu geben, weil sie sich nicht überreden konnten, Luthern nahe genug gekommen zu sein, um auf eine Einigung mit ihm| hoffen zu können. Beachtet man dies alles, so wird man sich der Ueberzeugung nicht verschliessen können, dass Bucer weder gegen Luther noch gegen die Schweizer wahr war. Er muss geglaubt und gehofft haben, Luthern durch Ausdrücke, welche denen, die er (Luther) selbst brauchte, möglichst conform waren, befriedigen, d. h. täuschen zu können, denn das war die Taktik, von der er nie abgelassen hat.[20] Und er hat ihn getäuscht, nach unserer Ueberzeugung nicht zwar so, dass Luther das Schweizerische Bekenntniss als dem seinigen conform ansah, wohl aber so, dass Luther in dem Bekenntniss gleichsam ein Angeld sah, das ihn hoffen liess, die Schweizer würden sich auch noch eines weiteren belehren lassen. Hätte aber Bucer Luthern offen und ehrlich gesagt, wie entschlossen die Schweizer wären, bei ihrer Lehre zu verbleiben und wie genau sie die Differenz zwischen ihrer Lehre und der Luthers kannten, hätte er ihm nur allein jene zuletzt von uns angeführte briefliche Aeusserung Bullingers an ihn mitgetheilt, so hätte Luther gewusst, dass er von den Schweizern so weit wie je entfernt war. Und wiederum: hätte Bucer den Schweizern auch nur aufrichtige Mittheilung von den Verhandlungen in Cassel gemacht und von der Instruktion, welche Luther dem Melanchthon dahin mitgegeben hatte, sie hätten die confessio Helvetica weder abgefasst noch an Luther eingesendet.
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 In dem Bestreben, beide Theile zu täuschen, fuhr aber Bucer auch nach dem Abschluss der Concordie fort. Luthern liess er bei seinem Scheiden aus Wittenberg in der Meinung, ganz seiner Lehre zugefallen zu sein, und die Verzögerung der Annahme der Concordie legt er nur dem Schweizer Charakter zur Last, der nicht gern nachgebe.[21] Dass man in der Schweiz die Wittenberger Artikel auf wiederholten Conventen darauf hin geprüft hatte, ob sie wirklich mit der Lehre stimmten, welche man in der Schweiz jederzeit festgehalten habe, davon schreibt| er Luthern kein Wort. Gleich den Baslern aber, denen er die Wittenberger Artikel zuerst schickte, versicherte er, dass diese Artikel nichts Neues enthielten und nur die Lehren Zwinglis, Oekolampads, die Confession der 4 Städte und des letzten Basler Bekenntnisses ausdrückten; nur fügte er noch hinzu, dass es zwar auf den ersten Anblick scheine, als ob die Artikel der Schweizerischen Meinung ungünstig seien, allein „sie hätten doch eine andre Gestalt und Auslegung“, die ihr nicht zuwider laute.[22] Das sucht er nun in dem Schreiben an die Basler[23] des Näheren darzulegen, und da unternimmt er es sogar, sein an Luther gethanes Bekenntniss von dem Genuss der Unwürdigen der Lehre der Schweizer anzupassen. Man müsse so lehren den Wiedertäufern gegenüber, unter den Unwürdigen seien aber nicht die ganz Gottlosen zu verstehen, sondern nur die, welche den Worten des Herrn glaubten, aber diese Gabe Gottes nicht recht betrachteten. Diese empfingen zwar beides, Brod und Leib, weil sie aber nicht recht geniessen, werden sie der lebenmachenden Speise nicht vollkommen theilhaftig.
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 Das blieb Bucers Haltung in allen Verhandlungen, welche er noch mit den Schweizern pflog.[24] Von diesen haben wir| schon anerkannt, dass sie sich alle Mühe gegeben haben, dess gewiss zu werden, ob die Wittenberger Concordie von Luther in ihrem Sinn verstanden werde. Darum hatten sie ihre letzte Basler Confession Luthern zugeschickt, und hatten sie im Mai 1538 sich mit Umgehung Bucers unmittelbar an Luther gewendet, um von ihm zu hören, ob er die Concordie wirklich in ihrem Sinn auslege: denn gegen Bucer waren sie stets aufs neue misstrauisch geworden.[25]
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 Erwägt man das alles,so wird man nicht anstehen können,die Schuld an dem Missverständniss zwischen Luther und den Schweizern dem Bucer zuzuschreiben. Dieser hat weder den Schweizern noch Luthern den wahren Stand der Dinge bekannt. Man mag| es für ein Unglück erachten, dass Luther nicht, wie es die Schweizer zuletzt wünschten, auf unmittelbare Verhandlungen mit ihnen eingegangen ist, aber auch daran war Bucer Schuld, der, während er die Schweizer in dem Glauben zu erhalten suchte, Luther sei mit ihrem Bekenntniss zufrieden, Luthern in der Meinung erhielt, es werde ihm, wenn man ihm nur Zeit lasse, noch gelingen, die Schweizer zu seiner (Luthers) Lehre herumzubringen.

 Ein Apologet Bucers könnte nun aber etwa sagen, Bucer habe eben Unglück gehabt. Bevor er sein Ziel erreicht, sei Luther losgebrochen und daran sei nun alles gescheitert. Zum Beleg dieser Behauptung könnte man sich dann darauf berufen, dass in der That lutherische Ansicht vom Abendmahl in der Schweiz um sich gegriffen hatte und dass, wenn Luther länger an sich gehalten hätte, Bucer das hätte ausbeuten können.

 So war es vor allem in Bern. Dort waren seit 1535 und 1536 zwei Geistliche, Peter Kunz und Sebastian Meyer, der lutherischen Richtung ergeben, und Bucer konnte darum schon 1537 an Luther schreiben[26]: „Ich versichere Dich bei meiner Ehre, es gibt in Bern sowohl als in anderen Schweizerischen Städten nicht Wenige, die das schriftmässige Dogma von der Eucharistie und von dem Dienst des Worts theils selbst von Grund aus inne haben, theils andern nach bestem Wissen und Gewissen predigen. Der kleinen Anzahl derjenigen, die entweder noch im Irrthum stecken oder denen die leidige Disputir- und Zanksucht noch in ihrer Natur zu liegen scheint, sind bereits durch so viele vorgreifende Confessionen die Hände so gebunden, dass man gar nichts mehr von ihnen zu befahren hat.“ Natürlich aber musste die lutheranisirende Parthei in Bern behutsam auftreten: denn, schrieb Bucer ein andermal (19. Jan. 1537) an Luther[27]: „es versichern uns die Kirchenvorsteher von Zürich und Bern, dass sie ihre Kirchen nie zum Consens in unsere Artikel und zur Annahme der ganzen Concordie würden haben bringen können, wenn sie nicht dieselben durch diese wortreiche Zergliederung des ganzen| kirchlichen Lehrsystems, die sie Euch beikommend übersenden[28], hätten zu beruhigen gewusst. Es gibt nämlich daselbst störrische Köpfe, die schon bei einem Bagatell Lärm anfangen, die Prediger verfallen in papistischen Unsinn, besonders wenn sie merken, es sei um Kirchendisciplin zu thun; und diess ist auch der Grund, warum sie nie gewagt haben, an Dich Privatbriefe zu schreiben, und dass sie sich gezwungen sahen, so oft zu wiederholen, die Lehrmeinungen, die sie jetzt annehmen, streiten keineswegs mit den früheren, ungeachtet sie selbst wohl merken, dass sie die Lehre von dem Handel des Sacraments anfangs nicht verständlich und richtig behandelt haben. Diese Prediger dürfen dann auch in ihrer Stadt nichts unternehmen ohne den grossen Rath, der aus zweihundert besteht, auf dem Lande nichts ohne das Volk. Zu Basel hingegen, zu Mühlhausen und St. Gallen, wo mehr Aristokratie ist, da gings viel geschwinder. Wir haben ihre Unterschriften ohne eine so ängstliche Erklärung.“ Doch kam es in Bern bald dahin, dass die lutheranisirende Parthei ihre bisherige Zurückhaltung nicht länger glaubte beobachten zu müssen. Meyer lehrte jetzt öffentlich, „dass im Abendmahl Leib und Blut Christi wahrhaft genossen würden“, ohne sich des rectificirenden Zusatzes „durch den Glauben“ zu bedienen“ [29], und Kunz stimmte ihm bei. Es gelang ihnen dann auch, den Mann zu entfernen, der in Bern dem Zwinglianismus am meisten das Wort redete, den Megander. Dieser hatte einen Catechismus verfasst, mit dem Bucer in Betreff der Lehre vom Abendmahl nicht ganz zufrieden war, und Bucer hatte selbst die Catechismusverbesserung übernommen. Er wurde nach Bucers Umarbeitung gedruckt und seine Einführung im December 1537 befohlen. Diess Verfahren war für Megander kränkend, aber Kunz und Meyer billigten es, und Megander wurde, weil er den Catechismus nicht annehmen wollte, seines Amtes entsetzt. Jetzt wurde die lutheranisirende Parthei in Bern die überwiegende und erhielt noch eine Verstärkung an Simon Sulzer, der bald der Führer der Parthei wurde. Diese drei Männer, Kunz, Meyer und Sulzer, waren nicht etwa nur in dem| einen Punkt über das Abendmahl auf Seite Luthers, sondern auch in Betreff der kirchlichen Einrichtungen, der Verfassung und der Cultusformen theilten sie die Anschauungsweise Luthers. Vorerst jedoch richteten sie ihr Hauptaugenmerk auf die Abendmahlslehre und ihre Absicht ging dahin, mit den Worten auch die Vorstellung Luthers vom Abendmahl allmälig zur herrschenden zu machen.[30]

 In Bern also hatte Bucer gute Aussichten. Um dieselbe Zeit konnte Bucer Luthern auch von Basel Gutes melden. In letzterer Stadt hatte er von Anfang an an Myconius einen treuen Helfer. Dieser war zwar eigentlich nie lutherisch gesinnt, aber ging doch so in die Bestrebungen Bucers ein, dass er den Schweizern oft als Lutheraner verdächtig wurde. Bucer also schrieb am 9. Septbr. 1544 an Luther: „Die von Bern und Basel halten ihre Confession und Bekenntniss, welche sie Euch überschickt haben,[31] dermassen lauter und rein, dass sie gar gleich mit uns stimmen, ausserhalb eines oder zweier Widerwärtiger zu Bern: denn bei denen in Basel ist die Einigkeit der Kirchen rein und rechtschaffen.“ Späterhin, freilich nachdem Luther schon mit den Schweizern gebrochen hatte, kam nach dem Tod des Myconius sogar ein offener Lutheraner nach Basel, jener obengenannte Simon Sulzer, der dem Lutherthum dort starke Bahn brach.

 Hätte Bucer nun wirklich aus den Erfolgen in Bern und Basel auf einen Sieg des Lutherthums in der ganzen Schweiz zu schliessen gewagt, so könnte man etwa milder über seine Windungen urtheilen, um so übler müsste man dann aber über seinen Scharfsinn urtheilen. Denn er musste sehr verblendet sein, wenn er nicht sah, dass es ein Ding der Unmöglichkeit sei, die Schweiz lutherisch zu machen. Mochten auch Einzelne zur lutherischen Lehre hinneigen, so war doch die Masse entschlossen, an der Zwinglischen Lehre festzuhalten; und konnte es denn dem Bucer entgehen, dass auf allen Conventen, zumeist unter der Führung der Züricher, die Zwinglische Parthei stets die Oberhand behielt, ja da, wo mehrere Cantone zu einer Berathung versammelt waren, die Lutherischgesinnten ganz schüchtern zurücktraten?

|  Wie ist es aber zu erklären, so kann man endlich noch fragen, dass der sonst so scharfsichtige Luther sich so lange von Bucer täuschen liess, es auch den Bekenntnissen und Erklärungen der Schweizer nicht ansah, dass er sich nie mit ihnen werde verständigen können? Diese Frage lässt sich kurz dahin beantworten: die Schweizer standen Luthern von Anfang an in der Abendmahlslehre der Sache nach nicht ferner, als ihm die Oberländer gestanden waren. Mit den Oberländern war aber doch eine Concordie erreicht worden. War sie von ihnen nicht ehrlich gemeint, so spielten sie Luthern einen Betrug, den er nicht ahnen konnte. Er hatte alle Ursache zu der Annahme, man habe sich wirklich vereinigt, d. h. die Oberländer hätten sich seine Lehre angeeignet. Konnte es mit den Schweizern nicht eben so gut gelingen? Und war es nicht wohlgethan von ihm, dass er, ohne sich in die Sache einzumischen, dem mit den Schweizer Verhältnissen so vertrauten Bucer die Führung dieser allerdings sehr schwierigen Angelegenheit überliess? Ob Luther viele Hoffnung hatte, wer weiss das? Als gewiss darf man, wie ich glaube, annehmen, dass Luther von Natur mehr Neigung gehabt hat, von der ganzen Sache fern zu bleiben, wie er denn auch schwer daran gegangen war, sich mit Bucer einzulassen.[32] Luther aber mag sich vergegenwärtigt haben, welchen Anklagen und Verdächtigungen er sich aussetzen würde, wenn zu einer Zeit, in welcher die Fürsten aus politischen Gründen, an welche die Mehrzahl der Theologen sich anschloss (nur Amsdorf und Osiander werden als die genannt, welche keine Hoffnungen der Art hatten), eine Vereinigung wünschten, sich abwehrend verhielte. Man hätte ihn der Halsstarrigkeit und des Eigensinns angeklagt. Wir könnten uns denken, dass Luther sich gesagt hat: nun wohl, so mag es versucht sein, ich will meine Bedenken und meinen Unglauben daran schweigen.
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 Warum kam es nun aber zum Bruch, gerade nachdem die Schweizer meinten, Luther sei mit ihnen einig geworden? Aus sehr erklärlichen Gründen. Beide Theile hatten sich missverstanden. Die Schweizer glaubten, die Concordie sei schon vollzogen| und Luther glaubte, sie sei erst im Werden. Luther wurde ungeduldig, als die Sache nicht vorwärts gehen wollte, und die Schweizer nahmen es Luthern übel, dass er die alte Sprache wider Zwingli führe, was von seinem Standpunkt aus ganz natürlich war.

 Die erste missliebige Aeusserung über Zwingli, welche Luther gethan, fällt schon in das Jahr 1539. Da beschuldigt er in der Schrift „von den Conciliis und Kirchen“ den Zwingli des Nestorianismus. Sogleich reclamirt Bullinger im Namen der Züricher Geistlichen, Zwingli habe nichts mit dem Nestorianismus gemein. Sie hätten ihm in ihrer Zuschrift vom 4. Mai 1538 versprochen, was ihnen an seinem Benehmen auffalle, ihm anzuzeigen, damit der Friede zwischen ihnen festen Bestand habe. Auf dieses Schreiben antwortete Luther nicht. Aber im Jahr 1541 äusserte er sich in dem Schriftchen „vom Gebet wider die Türken“ wieder unfreundlich über Zwingli. Und im Jahr 1543 sieht er mit einemmal klar. Da schreibt er den berühmten Brief an die Venetianer (13. Juni[33]). Er berichtet ihnen darin, dass nur mit einem Theil der Sacramentirer eine Einigung erzielt sei, mit den Baslern, Strassburgern und Ulmern, obgleich auch an diesen Orten der alte Sauerteig noch nicht ganz aus dem Volk ausgefegt sei. Ein Beweis der Einigkeit mit den Genannten sei, dass Melanchthon den Bucer als Gefährten bei der Cölner Reformation habe. In demselben Briefe werden aber die Züricher und ihre Nachbarn als hostes sacramenti bezeichnet, welche profanes Brod mit Ausschluss des Leibes brauchten. Endlich setzt Luther seine Lehre auseinander, und erzählt, dass die, mit denen er jetzt versöhnt sei, erst auch List gebraucht und zwar gelehrt hätten, monstrari in sacramento corpus et s. Christi, aber in dem Verstand, dass der Mund nur Brod und Wein empfange, Leib und Blut aber der Glaube oder der Geist des Glaubenden. Darum eben habe er sie genöthigt, zu bekennen, dass auch der Mund des Gottlosen mit Brod und Wein Leib und Blut empfange, wäre ja auch das Sacrament gar nicht nöthig, wenn es sich nur um eine geistliche Empfangnahme von Leib und Blut handle, da diese auch vom Brod gereicht werde nach Joh. 6. –

|  Was war in dieser Zeit vorgefallen und was hatte Luthern die Augen geöffnet? Darüber fehlen uns freilich die Nachrichten. Möglich aber auch, und nicht unwahrscheinlich, dass überhaupt nichts besonderes vorgefallen ist, und dass Luther nur, nachdem er bis dahin immer noch erwartet hatte, es werde die Concordiensache in der Schweiz ihren Fortgang nehmen, jetzt einsieht, es lasse sich nichts mehr hoffen. Es mögen ihm ab und zu Nachrichten zugekommen sein, welche diese Ueberzeugung in ihm hervorriefen.

 Luthers Unmuth brach nun los. Als ihm der Züricher Buchhändler Froschauer die von Leo Judae ins Latein übersetzte Bibel zuschickte, verbittet er sich weitere Sendungen. Er will keine Arbeit von Leuten, mit welchen weder er noch die Kirche Gottes eine Gemeinschaft haben könne. Er will sich ihrer lästerlichen Lehre nicht theilhaftig wissen. Der armen Kirche wünscht er, dass sie die falschen verführerischen Prediger einmal los werde. Das Gericht Zwinglis, dem sie folgen, werde sie dereinst finden.

 Zur Herausgabe des nun im September 1544 erscheinenden kurzen Bekenntnisses mag er dann noch durch die Vorfallenheiten bei der Cöllner Reformation bewogen worden sein. Den Entwurf derselben hatten Bucer und Melanchthon zusammen verfasst. Von dem darin enthaltenen, von Bucer herrührenden Abendmahlsbekenntniss sagt Köstlin mit Recht, es rede ganz in der alten oberdeutschen Sprache vom Abendmahl. Luther wurde erst durch das Gutachten, welches Amsdorf im Auftrag des Kurfürsten von Sachsen entworfen hatte, auf dasselbe aufmerksam. Er hatte erst sich an der Versicherung Melanchthons, es sei so, ut verbi et sacramentorum legitimus et intellectus et usus in ecclesiis omnibus doceatur, genügen lassen. Jetzt las er den Entwurf („aus den Artikeln bewogen ist er flugs ins Buch gefallen"), – und jetzt lautete sein Urtheil dahin: es gefalle ihm nichts überall. Es treibe viel Geschwätz von Nutz, Frucht, und Ehre des Sacraments, aber von der Substanz mummle es, dass man nicht solle vernehmen, was er davon halte in aller Masse.. Nirgends wills heraus ob da sei rechter Leib und Blut mündlich empfangen etc.[34]

|  Es konnte kaum anders sein, es musste jetzt auch gegen Melanchthon ein Verdacht in ihm aufsteigen. Es wird hier zum erstenmal geschehen sein, denn kurz zuvor hatte er die Antwort an die Venetianer mit der Warnung wider die Sacramentirer, die er dann selbst gegeben (13. Juni 1543) dem Melanchthon aufgetragen, der nur durch seine Abreise nach Cölln daran verhindert worden war. Und wieder den Venetianern hatte er noch am 12. Novbr. 1542 geschrieben, sie sollten sich durch die Züricher, Bullinger, Pellican und auch Bucer nicht irre an ihm machen lassen. Ja wenn sie hörten, dass Melanchthon oder er dem Wahnsinn jener (illorum furori consensisse) zugestimmt hätten, sollten sie es nicht glauben. Er höre freilich, dass solche Gerüchte verbreitet seien.

 Dass Luthern dieser gegen Melanchthon aufsteigende Verdacht tief getroffen und mit ein Anlass war, sich nochmals über die Abendmahlslehre zu erklären, ist sehr glaublich.

 Wie nahmen die Schweizer die voran stehenden Aeusserungen Luthers auf?

 Ueber Luthers Brief an Froschauer äussert sich Bullinger tief betrübt. „Gott verzeihe ihm seine grosse Sünde,“ schreibt er an Bucer.[35] Er lässt sich aber von Bucer gern bestimmen, nicht öffentlich auf diesen Brief Luthers zu antworten. Als dann Anfang des Jahres 1544 der erste Theil von Luthers Genesis erschienen war, worin Zwingli aufs neue ein Schwärmer gescholten wurde, beschloss man in der Schweiz sogleich zur Ehrenrettung Zwinglis dessen Werke in einer Gesammtausgabe erscheinen zu lassen, und über das Unternehmen (das 1545 vollendet wurde) äussert sich Bullinger in einem Brief an Blaurer (d. d. 5. Sept. 1544), Zwinglis Lehre sei bis anhin noch nicht des Irrthums überführt worden, dass man sie deswegen verbieten, oder sie sich seiner Schriften schämen müssten.[36]

 Luther also liess jetzt sein kurzes Bekenntniss ausgehen, in dem er auch auf Schwenckfeld Rücksicht nimmt, der 1543 mit Brief und Buch sich an ihn gewendet hatte, und von dem er gehört, dass er die Oberländer berücke.

|  Es ist merkwürdig, dass Luther in dieser seiner letzten Schrift der Bemühungen um die Concordie gar nicht gedenkt, nur gegen Zwingli und die anderen früheren Sacramentirer erklärt er sich und über das Marburger Gespräch. Es lässt sich das nur so erklären, dass es Luthern jetzt eine ausgemachte Sache ist, dass jene Schweizer einfach auf dem Zwinglischen Standpunkt stehen. Darum gibt er sich mit ihnen gar nicht weiter ab und setzt sich nur mit Zwingli auseinander.

 Die Schweizer hielten es für eine Ehrensache, diese Schrift Luthers nicht stillschweigend hinzunehmen. Es erschien im März 1545 deutsch und lateinisch das „wahrhafte Bekenntniss der Diener der Kirche zu Zürich, was sie aus Gottes Wort mit der heil. allgemeinen christlichen Kirche glauben und lehren etc.“ Sie rechtfertigen darin den Zwingli gegen die Vorwürfe Luthers, und ihre eigene Lehre vom Abendmahl, betonend, dass diese Handlung von Christo eingesetzt sei, wohl damit sie zur Stärkung und Belebung des Glaubens diene, nicht aber, dass sie ohne Glauben Frucht schaffe. Gerade die reformirte Kirche verbleibe bei dem rechten einfachen Sinn der Einsetzungsworte, während Luther mit seiner künstlichen Lehre von unräumlicher aber doch leiblicher Gegenwart des Leibes Christi im Brod wohl zusehen möge, ob er nicht einer verworfenen Irrlehre, der des Eutyches, verfalle.

 Jetzt war der Bruch zwischen beiden Theilen besiegelt.

 Nach unserer Auffassung und Darstellung hat die Sache also den Verlauf genommen, dass Luther, der nie eine Einigung anders als auf Grund der Einheit im Bekenntniss eingehen wollte, mit den Schweizern brach, sobald er inne geworden, dass keine Einheit erzielt sei und auch keine Aussicht sei, zu einer solchen zu gelangen. Die Ansicht, dass Luther eine Zeitlang geneigt war, eine Uebereinstimmung im Grundwesentlichen anzuerkennen und darüber den noch fortbestehenden Unterschied in dem einen Lehrpunkt zu übersehen, finden wir durch nichts bestätigt.

 Doch wird dafür noch ein Beweis angeführt, dessen wir noch nicht gedacht haben. Man führt nemlich an, dass Luther sich zu einer gewissen Zeit günstig über Calvin und| dessen Abendmahlslehre geäussert habe. Hat er das gethan, so muss er zu Calvin eine ähnliche Stellung eingenommen haben, wie er eine Zeitlang nach Annahme jener zu der Lehre der anderen Schweizer eingenommen hat, denn ganz einig mit Calvin kann er sich in der Abendmahlslehre nie gewusst haben. Hat Luther aber wirklich bei Calvin die noch bestehende Differenz übersehen in der Ueberzeugung, dass er im Grundwesentlichen mit ihm einverstanden sei, so läge darin ein indirecter Beweis dafür, dass er die gleiche Stellung auch eine Zeitlang zu den anderen Schweizern eingenommen hat. Indessen die dafür beigebrachten Beweise sind zu schwach. Es sind nemlich die, dass Luther einmal (am 14. Oct. 1539) an Bucer geschrieben hat: Salutatis Sturmium et J. Calvinum reverenter, quorum libellos cum singulari voluptate legi; dann dass Luther (1545) günstige Aeusserungen über Calvins Schrift de Coena gethan habe. Hospinian (II, 178) erzählt, Luther habe, als der Buchhändler Moritz Golschius ihm eine lateinische Uebersetzung der Schrift de Coena gegeben habe, das darin enthaltene Urtheil über Zwinglis, Oekolampads und seine Lehre gelesen und sei in die Worte ausgebrochen: „non inepte judicat iste scriptor. Atque ego quidem, quae mea sunt agnosco. Helvetii si idem facerent, et sua quoque scrio agnoscerent et retractarent, jam pax esset in hac controversia.“

 Was nun die erste Aeusserung anlangt, welche sich nur auf die institutio Calvins beziehen kann, so folgt aus ihr doch gar zu wenig. Luther las sie in der Zeit, in welcher er die Concordie noch im Gang glaubte, las sie also mit denselben Augen, mit denen er das Schweizer Bekenntniss und die declaratio gelesen hatte. Und nicht viel anders verhält es sich mit der anderen Aeusserung. Wer sind da die homines fide dignissimi, auf deren Zeugniss sich Hospinian beruft? Hospinian hat die Erzählung Pezels ausführlicher Erzählung vom Sacramentsstreit (Bremen 1600) entlehnt, einem Gewährsmann,[37] dem man doch nicht so unbedingt glauben kann.

|  Aber auch den Beweis sucht man zu führen, dass Luther in der ganz letzten Zeit seines Lebens wieder zu milderer Gesinnung zurückgekehrt sei und sein Bedauern über die herbe Stellung, welche er zuletzt eingenommen, ausgesprochen habe.

 Hospinian (II, 201) erzählt: Der Leipziger Theologe Alesius habe versichert, aus dem Munde Melanchthons folgendes gehört zu haben. Luther habe kurz vor seiner Abreise nach Eisleben, wo er dann starb, freiwillig die Aeusserung gegen Melanchthon in Gegenwart anderer Theologen gethan: „Lieber Philippe, ich bekenne, dass der Sach vom Sacrament zu viel gethan ist.“ Und als Melanchthon ihm erwiedert: so wollen wir eine Schrift ausgehen lassen, in der wir unsere Meinung klar darlegen, habe Luther geantwortet: „Aber also machte ich die ganze Lehre verdächtig. So will ich das dem lieben Gott befohlen haben, thut Ihr auch etwas nach meinem Tode.“

 Hospinian fährt dann fort: Als die Nachricht von diesen Aeusserungen nach Bremen kam, schickte Erhard von Lingen den M. Schlangrab zu Melanchthon, um ihn zu fragen, ob die Sache wahr sei, und Melanchthon bestätigte das und fügte hinzu, er würde sie schon bekannt gemacht haben, wenn er nicht neue Stürme hätte verhüten wollen, er wolle es aber in seinem Testament erzählen. Diess alles hatte Alesius schon in Leipzig drucken lassen, da kam Pfeffinger dahinter und unterdrückte die Herausgabe, aber ein Zuhörer des Alesius brachte sie in Umlauf. Als sie darauf auch dem Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz zu Ohren kam, schrieb dieser an den Bremer Bürgermeister von Büren und bat um Auskunft, und um das Zeugniss von Lingen und Schlangrab. Das wurde ihm geschickt. Büren erzählte so: Melanchthon habe, als er sich mit Luthern über den Sacramentsstreit unterhielt, unter anderem geäussert: videri sibi patrum purioris vetustatis scripta stare magis a parte adversariorum quam a sua, worauf Luther geantwortet habe: „was soll ich viel sagen, der Sachen ist zu viel geschehen.“ Auf die Entgegnung Melanchthons aber, das lasse sich durch eine linde Schrift gut machen, habe Luther erwiedert: „dess habe ich ein Bedenken. Ich habe das Meine gethan, Ihr anderen müsset auch etwas thun.“

|  Ein dritter Zeuge wird noch angeführt, Hardenberg. Dieser schrieb an Schlangrab, Melanchthon habe auch ihm die ganze Geschichte erzählt und bat ihn, er möge sie dem Erastus mittheilen. – Gegen diese Erzählung haben lutherische Theologen bald nachdem sie in Umlauf gekommen war, sich erklärt. Mörlin hat eine eigene Schrift dagegen geschrieben (Historie des Sacramentsstreits p. 716). Auch Planck hatte die Erzählung als unmöglich wahr darzuthun gesucht (IV, 27). In jüngster Zeit hat aber die reformirte Kirchenzeitung (Nr. 40. Jahrg. 1853) mitgetheilt, es sei eine Handschrift von Hardenberg aufgefunden worden, in welcher dieser seine Erlebnisse in Bremen von 1547–1550 erzählt, und dabei von einem Verhör berichtet, welches er wegen seiner Lehre vor dem Rath zu bestehen hatte. In diesem Verhör, in dem man ihm stark zusetzte, erzählt er, er habe nebst Herbert von Langen von Melanchthon zu Wittenberg eben das gehört, was oben erzählt worden. –
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 Wird die Geschichte dadurch glaublicher oder ist sie dadurch erwiesen? Die Gründe, welche früher gegen ihre Echtheit sind angeführt worden, bestehen noch in Kraft. Am 22. Januar soll jene Unterredung Statt gefunden haben. Am 17. Januar aber hatte Luther an Jacob Probst in Bremen geschrieben, er freue sich, dass die Schweizer so heftig wider ihn schrieben, das habe er mit seiner letzten Schrift bezwecken wollen, dass sie bezeugten, sie seien seine Feinde. Er wendet die Seligsprechung des Psalms auf sich an und übersetzt so: beatus vir, qui non abiit in concilio sacramentariorum.. – Am selben Tag hielt er seine letzte Predigt in Wittenberg und spricht sich darin sehr heftig wider die Sacramentsschwärmer aus. „Sie sind so klug, dass sie niemand zu Narren machen kann. Wenn sie einer in einem Mörser hätte, und mit dem Stempel zuschlüge, so wiche doch die Thorheit nicht von ihnen etc.“ Sind Luthern nun plötzlich vom 17. bis 22. Januar so andere Gedanken gekommen? Es wäre schwer denkbar. Aber noch schwerer liesse sich das nun folgende begreifen. Auf der Reise nach Eisleben predigt er am 26. Januar in Halle, ermahnt beim reinen Wort zu bleiben und sagt: „es sind dennoch, Gott erbarms, sonst allzuviel, die das Evangelium anfeinden, verfolgen und lästern, wie die Sacramentsschwärmer| in der Schweiz und Wiedertäufer in Niederlanden thun.“ In Eisleben aber hält er seine letzte Predigt am 15. Febr. und spricht da von verdriesslichen Leuten, denen beide Gott und Menschen billig gram sind, die in der heil. christlichen Kirche klug sein wollen und sinds nicht, „denn diese hindern das Predigtamt, dass die Leute nicht zu Gott kommen können, als da ist gewesen zu unsrer Zeit Münzer, die Wiedertäufer und Sacramentirer, die dem Evangelio seinen Lauf hindern und wehren, verführen die Leute etc.“

 Endlich wird erzählt, dass Luther in Eisleben wenige Tage vor seinem Ende über Tisch gesagt habe, er wolle vor seinem Ende noch drei Dinge ausrichten, dann sich in sein Ruhebettlein legen und in Christo entschlafen: er wolle wider die Universität zu Löwen schreiben, wider die silbernen Juristen und zum valete noch einmal wider die Sacramentschwärmer.

 Diese Argumente, schon von den Verfassern der Historie des Sacramentsstreits vorgebracht, bleiben auch jetzt noch in Kraft. Man braucht darum nicht zu sagen, dass Melanchthon und Hardenberg dann Lügner gewesen, es kann etwas an der Sache sein, etwa, wie schon Seckendorf vermuthet, dass Luther bekannt, „er sei in Worten zu heftig gewesen.“ In keinem Fall kann man aus Respect vor den angeführten Zeugen annehmen, dass Luther im Widerspruch mit dem vor und nach dem 22. Januar Gesagten am 22. jene Aeusserungen so gethan habe, wie behauptet wird. Sie sind in keinem Fall ein Beweis dafür, dass Luther von seiner früheren Meinung abgewichen sei, und wir dürfen bei unsrer Behauptung bleiben und sie als erwiesen ansehen, dass Luther seiner Lehre nie untreu geworden und dass er nie eine Concordie einzugehen gedachte unter anderen Bedingungen als denen der Uebereinstimmung mit seiner Lehre.

 Bucers Bestrebungen waren ganz vergebliche geblieben.

 Hätten sie doch wenigstens die Früchte getragen, dass man sich ein für allemal von Unionsversuchen auf solchen Grundlagen hätte abschrecken lassen, welche nie eine andere Folge haben, als dass sie Verwirrung erzeugen und den Gegensatz verschärfen.



  1. Luther, Vom Anbeten des Sacraments des heil. Leichnams Christi. 1523. ed. Walch t. XIX.
  2. Luther, Wider die himmlischen Propheten von den Bildern und Sacrament. 1525. ed. Walch t. XX.
  3. Hospinian, hist. sacr. II, 78.
  4. Luthers Werke ed. Walch. XVII, 2406. Das Folgende ist einem von mir geschriebenen Aufsatz (Zeitschrift für Protestantism. u. Kirche. Juli 1857) entnommen.
  5. Bei Walch XVII, 2543.
  6. Gegen Nitzsch, Urkundenbuch der ev. Union. Bonn 1853. p. 70.
  7. Gegen Jul. Köstlin, Luthers Theologie. II. Bd. p. 205.
  8. Oswald Myconius von Melchior Kirchhofer. Zürich 1815. p. 266. „Sie wollen, es sei der wahrhaftige Leib Christi mit seiner Substanz nicht allein im gläubigen Herzen, sondern auch mit dem Brode verfeinert. Wir aber, dass der Leib mit seinem wahren Wesen nicht allein im Brod, sondern auch im gläubigen Herzen nicht sei, sondern die Frucht und der Brauch des Weins allein wahrhaftig genossen, begriffen und empfangen werde von den Gläubigen. Der Brauch ist aber, wahrlich erlöst sein vom ewigen Tod durch das Blut Christi, welches der Gläubigen einige Speis ist bis ins ewige Leben.“
  9. Ibid. p. 267.
  10. Die Erklärung Bullingers, declaratio confessionis Helveticae a Tigurinis conscripta de ministerio et sacramentis, bei Hospinian historia sacramentaria II, 150.
  11. Die früheste Aeusserung von Seiten lutherischer Theologen möchte die von Osiander und Veit sein, enthalten in einem Brief an die Nürnberger Prediger, d. d. 17. Febr. 1537. Sie schreiben: Bucerum sinceriter nostrum esse credo. Blaurerum minime. Nam Philippus ait, eum dixisse, non posse se consentire nobiscum. Praeterea Basileensis Senatus ejusmodi literas ea de re ad Lutherum scripserunt, ut spes non sit, eos nostram sententiam suscepturos. Itaque dividuntur: pars obstinata manet. Corp. Ref. III, 268.
  12. Bei Walch XVII, 2598.
  13. Luthers Theologie II, 212 ff.
  14. H. Zwingli von R. Christoffel. Abth. I, 329.
  15. Hosp. II, 128.a. H. Bullinger von Carl Pestalozzi 1858. p. 173.
  16. Er hatte es so dargestellt: Zwingli habe Luthern so verstanden, als ob dieser eine localis inclusio corporis Christi in pane lehre, und habe im Eifer gegen diese Lehre so gesprochen, dass ihn Luther dahin verstanden habe, als läugne er überhaupt die Gegenwart Christi im Abendmahl. Dem sei aber nicht so gewesen. Zwingli habe so gut wie Luther eine Gegenwart Christi geglaubt, nur über das Wie? derselben seien beide verschiedener Meinung gewesen, die Frage darnach aber könne man auf sich beruhen lassen.
  17. Sie wurde im Januar 1536 entworfen und im März d. J. ratificirt. Ihre [40] Geschichte in Niemeyer collectio confessionum in ecclesiis reformatis publicarum. Praefat. XXXIII.
  18. Quas formas Lutherus requirit, eas ut in nostram confessionem – expresse insereremus, Bucerus et Capito obtinuerunt. Sperant posse his Lutherum placare. Gryn. ad A. Blaar. 7. Febr. bei Kirchhofer, Oswald Myconius p. 242.
  19. Bullinger von Pestalozzi p. 184.
  20. Schreibt doch Bucer schon am 12. Dec. 1531 an Blaurer: Illi victoriae avidi palam in ecclesiis suis usque ad mare Balticum ebuccinarunt, me in viam rediisse, errorem recantasse, solemnesque ab ecclesiis gratias agi Deo instituerunt. Lutherus ipse persuasit sibi nos erroris poenitere, sed per plebes nostras non audere apertam palinodiam canere. cf. Kirchhofer, O. Myconius. p. 175. Anm.
  21. Kirchhofer, l. c. p. 274.
  22. Kirchhofer l. c. p. 264.
  23. Hospin. II, 149.
  24. Hundeshagen (die Conflicte des Zwinglianismus, Lutherthums und Calvinismus in der Bernischen Landeskirche v. 1532–1558. 1842. p. 60) fasst die Aufgabe, welche Bucer sich stellte, so zusammen: „Er musste sich angelegen sein lassen: erstlich zu verhüten, dass Luther nicht die Pietät der Schweizer und ihr Nationalgefühl durch grobe Ausfälle gegen den als Märtyrer für die Sache des Protestantismus auf dem Feld der Ehre gefallenen Zwingli ferner verletze; zweitens die Schweizer zu vermögen, ihre Terminologie in der Abendmahlslehre so zu modificiren, dass sie nicht mehr jegliche Interpretation nach Luthers Meinung hin absolut ausschloss; drittens dieselben in Beziehung auf manche zu Wittenberg aus dem Papstthum beibehaltene äussere Gebräuche duldsam zu stimmen; viertens die Magistrate in der Ansicht zu befestigen, dass es sich überall nur um Worte, nicht um Sachen handle... Das Zweite war auch nichts weniger als leicht, aber doch nach dem Zeugniss der Erfahrung eher erreichbar und damit auch die übrigen Punkte im Zusammenhang; das Ganze aber für alle Fälle eine höchst delikate Sache. Das Grösste wurde hier von scheinbar Kleinem, Persönlichem in seinem Erfolg durchaus abhängig; wirklich vorhandene grundverschiedene Anschauungsweisen sollten durch doppelsinnige Formeln verkleidet werden, durch deren [43] Umhüllung die Differenzen doch immer wieder hervorzubrechen suchten; ein wahrhaft vermittelndes Element war noch nicht aufgefunden; auf beiden Seiten haftete die Reflexion bei der überwiegenden Mehrzahl noch an den Extremen, – eine Sachlage, in welcher für einen eifrigen Vermittler mit unverschränkter Ehrlichkeit offenbar nur schwer durchzukommen war. Bekanntlich lag denn auch hier die Klippe, an welcher am Ende alle bereits von Bucer errungenen Erfolge wieder zu scheitern Gefahr liefen. Sein gewiss wohlgemeinter irenischer Eifer verstrickte ihn in ein Gewebe von Täuschungen nach beiden Seiten hin, welche der leichteste Zufall aufzudecken vermochte und zuletzt wirklich aufdeckte, und wodurch nicht nur die von ihm verfochtene Sache, sondern auch sein persönlicher Credit einen schweren Schaden erlitt.“
  25. Dafür nur einzelne Beispiele: Pellican schrieb, als er von Strassburg, wo so eben Bucer und Capito aus Wittenberg angekommen waren, an einen Freund in Wittenberg: „Wir danken Euch dafür, dass Ihr so redlich und aufrichtig und doch einmal die Wahrheit klar geschrieben und wie es um das Werk der Concordie bewandt angezeigt habt, welches Bucerus viel anders nun längst und zum öfteren uns und unserer Obrigkeit und den Städten in der Schweiz hat fürgelegt und uns überreden wollen, Lutherus halte es nun mit uns. Wir haben ihm aber hergegen das Widerspiel aus Lutheri Büchern weisen müssen, welches unsre Obrigkeit selbst angehört. Und weil Bucerus uns antwortet, es urtheilte sich jetzt anders und D. Luther wäre linder worden und mit uns und unserer Lehre wohl zufrieden, haben wir ihm bisher noch nicht können Glauben geben.“ (Historie d. Sacramentsstreits etc. 1591 p. 394.) Und Bullinger schreibt, nachdem ein am 19. Januar 1537 von Bucer an Luther geschriebener Brief, worin er sich ganz mit Luthers Lehre einverstanden erklärte und über die Schweizer Lehre geringschätzig sich äusserte, in Umlauf gekommen war: „Du hast aus Bucers Schreiben nun ersehen, was er für Streiche macht und wie er uns an der Nase herumführt. Leider erfuhr ich zu spät, was ich schon lange bang besorgte...“ (Bullinger von Pestalozzi p. 200.)
  26. Hundeshagen, l. c. p. 71 und Hess, Leben Bullingers I, p. 282.
  27. Hundeshagen, l. c. p. 72 und Hess, Leben Bullingers p. 294.
  28. Es ist die von Bucer verfasste Auslegung der Wittenbergischen Artikel gemeint.
  29. Hundeshagen, l. c. 72.
  30. Ibid. 105. 108.
  31. Es ist die declaratio und Bucers Auslegung der Wittenberger Artikel gemeint.
  32. Hundeshagen, l. c. p. 60: „Luther verhielt sich ziemlich passiv und liess die Sachen an sich herankommen.“
  33. Bei de Wette V, 564.
  34. Der Brief bei De Wette V, 709. Nach Köstlin (II, 217) ist der Brief (gegen D. W.) erst nach dem 23. Juni geschrieben.
  35. H. Bullinger von Pestalozzi p. 217.
  36. Ibid. p. 222.
  37. So behauptet wenigstens Gieseler III, 2, 171. Anm. 43, wo er auch den Irrthum Ebrards (II,476) berichtigt, als ob Calvin selbst die Aeusserung Luthers erzählt habe. cf. Henry, das Leben J. Calvins II, 199.


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