Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856)/Literatur

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Zeugnisse Kinder- und Haus-Märchen. Band 3 (1856) von Brüder Grimm
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Literatur.


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Die Nächte des Straparola.

Im Jahr 1550 kam in Venedig der erste Theil (der zweite 1554) einer hernach oft wieder abgedruckten Sammlung von Erzählungen, Schwänken und Räthseln, auf ähnliche Art wie im Boccacio verbunden, unter dem Titel Dreizehn ergötzliche Nächte (Tredeci piacevoli notti) heraus. Sie enthält im Ganzen 74, in dreizehn Nächte vertheilte Stücke, unter welchen sich auch 21 Märchen befinden. Der Verfasser Giovan Francesco Straparola, aus Caravaggio im Mailändischen, muß von dem Ausgang des 15ten bis in die Mitte des 16ten Jahrh. gelebt haben, da schon im Jahr 1508 zu Venedig eine Ausgabe seiner Gedichte erschien; näheres läßt sich nicht sagen, indem weder sein Geburts- noch Sterbejahr bekannt ist, noch sonst über sein Leben irgend etwas angemerkt worden. Den Stoff zu den Nächten hat er an verschiedenen Orten geholt, worüber man Nachweisungen bei Dunlop (Liebrecht 283. 284. 494–497) findet, doch gilt das nicht von den Märchen, die aus mündlicher Überlieferung gesammelt sind. Eins (12, 3) jedoch ist aus Morlini genommen und unverändert beibehalten, ein anderes (5, 7) zeigt Verwandtschaft damit. In den oft unsaubern, eben (Novellae, fabulae, comoedia. Paris 1855) neu herausgegebenen, lateinisch abgefaßten Erzählungen desselben findet sich sonst nichts märchenhaftes; vergl. Liebrecht zu Dunlop 494–498. Die Einkleidung und Darstellung bei Straparola ist zwar weder gleichartig, noch in den besten Stücken von ungewöhnlicher Trefflichkeit: doch manches ist angenehm, natürlich und nicht ohne Zierlichkeit erzählt, anderes dagegen nicht bloß unanständig sondern bis zum schamlosen unzüchtig, so daß es sich mit den natürlichen und freien Sitten Italiens und jener Zeit überhaupt nicht entschuldigen [286] läßt. Das Buch kam deshalb zu Rom 1605 in das Verzeichnis der verbotenen Schriften, und anderwärts ward eine abgekürzte und gereinigte Ausgabe veranstaltet. Von jenem Schmutz sind indessen die Märchen ziemlich frei, wie sie ohnehin den besten Theil des ganzen Werks ausmachen. Straparola hat sie, wie es in der Vorrede zu dem zweiten Bande (vor der 6ten Nacht) heißt „aus dem Munde zehn junger Fräulein aufgenommen“ und ausdrücklich erklärt daß sie nicht sein Eigenthum seien. Die besten literarischen Nachweisungen liefert eine deutsche Übersetzung (Die Nächte des Straparola von Caravaggio Wien 1791. 8. zwei Theile), in deren Vorrede nemlich eine Abhandlung über Straparola aus dem handschriftlichen Nachlasse des gelehrten Mazzuchelli zur Fortsetzung seines großen Werks ist abgedruckt worden; zugleich findet man daselbst, was Quadrio in seiner Geschichte der Poesie und andere über ihn sagen. Wegen der Ausgaben und Übersetzungen ist nachzusehen Bartol. Gamba delle novelle italiane in prosa bibliografia (Florenz 1835) S. 160 folg. und Eberts bibliogr. Lexikon. 2, 847. Wahrscheinlich gab es im 16. Jahrh. von Straparola eine deutsche Übersetzung, da Fischart im Gargantua S. 7 „des Straparola Histoiren“ anführt. Einer solchen von 1679. 8 gedenkt Bretschneider in der Ankündigung einer neuen Ausgabe des Gargantua. Einen Auszug von den Märchen zu geben, ist unnöthig, da sie durch eine gute, jene, ohnehin nur die sechs ersten Nächte enthaltende Wiener weit hinter sich lassende Übersetzung mit fleißigen und schätzbaren Anmerkungen von Friedr. Wilh. Val. Schmidt (Märchen-Saal. Erster Band. Berlin 1817) sind zugänglich gemacht worden. Schade, daß er eine castrierte Ausgabe (Venedig 1608), ohne dies zu wissen, gebraucht hat. Wir begnügen uns also damit, die Märchen in der Ordnung des Originals, die Schmidt nicht beachtet, anzuführen und blos die bei ihm fehlenden im Auszuge mitzutheilen. Wir haben die vollständige Ausgabe (Venedig 1573) vor uns und eine franz. Übersetzung (Lion 1611, von Mazzuchelli nicht gekannt), die damit übereinstimmt und insoweit noch vollständiger ist als bei ihr die kurze Vorrede zu dem zweiten Bande nicht fehlt.

I, 1. Die drei Verbote des Vaters. Schmidt S. 70.
2. Der Gauner. Er löst drei Aufgaben. Zuerst stiehlt er dem Probst das Bett, auf dem er liegt. Dann führt er das Pferd weg, auf dem der Stallknecht sitzt, ohne daß es dieser merkt. [287] Endlich bringt er einen andern geistlichen Herrn in einem Sack. In der Wiener Übers. S. 32, doch unvollständig. Bei Schmidt mit Unrecht übergangen, denn es steht auch in der castrierten Ausgabe, obgleich abgekürzt. Vergl. das deutsche Märchen vom Meisterdieb Nr. 192.
3. Meister Scarpacifico (Schmidt S. 133) wird betrogen und betrügt wieder. Mit dem deutschen Märchen vom Bürle Nr. 61 verwandt.
4. Das Mädchen im Schrein (Schmidt S. 115). Ein eigenes schönes Märchen, dem nur in Einzelnheiten andere ital. und deutsche entsprechen. Doch vergl. Hagens Gesamtabenteuer 3, CLVI.
II, 1. König Schwein (Schmidt S. 249). Deutsch Hans mein Igel Nr. 108.
III, 1. Der dumme Peter (Schmidt. 231). Märchenhafter ist Pervonto im Pentamerone Nr. 1, 3.
2. Das Zauberpferd (Schmidt 1). Im deutschen ist die weiße Schlange Nr. 17 verwandt.
3. Die Schlange (Schmidt 24).
4. Das Geschenk der drei Thiere (Schmidt 158).
5. Der Wahrhafte (Schmidt 147).
IV, 1. Prinzessin als Ritter (Schmidt 195).
3. Die drei Königskinder (Schmidt 44). Deutsch de drei Vügelkens Nr. 96.
V, 1. Der Waldmann (Schmidt 92). Deutsch der Eisenhans Nr. 136.
2. Die Puppe (poavola). Fehlt bei Schmidt. In der Wiener Übers. 2, 97–105, wo aber aus der Puppe eine Elster gemacht ist, die sich auf die Schulter des Königs setzt und mit dem Schnabel sich so festhackt daß sie niemand als die jüngste Schwester wegnehmen kann. Im Pentamerone Nr. 41 ist es statt der Puppe eine Gans, sonst im Ganzen übereinstimmend.
VII, 5. Die drei Brüder (Schmidt S. 262). Bei Morlini Nr. 79. Vollständiger und besser im Pentamerone die fünf Söhne (5, 7). Im deutschen die vier Brüder Nr. 129.
VIII, 5. Der Zaubelehrling. Im Deutschen der Gaudeif Nr. 68. [288] Fehlt in der castrierten Ausg. des Straparola, mithin auch bei Schmidt (wo gleich der Schwank von den beiden Ärzten folgt), in der vollständigen Ausgabe die 6te Fabel.

Lactantius, ein heimlicher Zauberer, treibt äußerlich das Schneiderhandwerk, sein Lehrling behorcht ihn und hat nun keine Lust mehr an der Schneiderei, weshalb der Vater ihn wieder zu sich nimmt. Der Zauberer gestattet ihm abermals Zutritt, aber nun muß er gemeine Dienste thun, so daß der Vater selbst ihn wieder wegholt. Da sie arm sind, sagt der Jüngling „Vater ich will mich in ein schönes Pferd verwandeln, verkauft mich, aber haltet euch den Zaum aus und gebt mich nicht damit weg, sonst kann ich nicht wieder kommen“. Lactantius erkennt das Pferd, kauft es dem Vater ab und beschwätzt ihn daß er ihm auch den Zaum läßt. Nun bindet er es an, schlägt und mishandelt es. Aber die Töchter des Zauberers führen es eines Tags zum Wasser, da verwandelt es sich gleich in einen kleinen Fisch und taucht unter. Der Zauberer eilt nach, verwandelt sich in einen Raubfisch und macht Jagd auf den Kleinen. Dieser springt aber als ein in einen goldnen Ring gefaßter Rubin in den Korb der Königstochter, die da Steinchen aufliest. Sie nimmt ihn mit, er zeigt sich ihr in seiner wahren Gestalt als schöner Jüngling, den sie lieb gewinnt und als Ring bei sich bewahrt. Der alte König wird krank, Lactantius als Arzt heilt ihn und fordert zur Belohnung nur einen Rubinring, den seine Tochter haben müsse; denn er weiß wohl wer es ist. Sie will ihn nicht herausgeben; als sie endlich gezwungen wird, sagt ihr der Jüngling sie solle den Ring vor dem Zauberer an die Wand werfen. Sobald der Ring auf die Erde fällt, verwandelt er sich in einen Granatapfel der zerspringt und seine Körner überall hinrollen läßt. Der Meister verwandelt sich in einen Hahn, um die Körner aufzupicken; eins aber verbirgt sich und wird von ihm nicht bemerkt. Dies eine Körnchen verwandelt sich in einen Fuchs, der den Hahn beim Hals packt und todt beißt. Der König gibt ihm darauf seine Tochter zur Gemahlin.

X, 3. die treuen Thiere (Schmidt 215). Vollständiger im Deutschen, die beiden Brüder Nr. 60. Einige Ähnlichkeit hat im Pentamerone Nr. 7.
XI, 1. Der Kater (Schmidt 180). In den Bruchstücken oben Nr. 4. [289] Gagliuso im Pentamerone 2, 4. Der gestiefelte Kater bei Perrault.
2. Der Dummling. Fehlt in der castrierten Ausg. und bei Schmidt.

Bertuccio ein Dummling, soll sein väterliches Vermögen erst im dreißigsten Jahre erhalten, doch soll ihm seine Mutter dreihundert Ducaten auszahlen, wenn er sie verlangt. Er läßt sich hundert geben, geht damit fort und findet einen Menschen, der auf einen von ihm ermordeten im Tode noch schlägt. Mitleidig gibt ihm der Dummling achtzig Goldstücke und kauft damit die Leiche los, die übrigen zwanzig wendet er an, damit sie ehrlich begraben wird. Seine Mutter ärgert sich über die Dummheit, er aber fordert die andern zweihundert Ducaten, geht aus und befreiet mit dem Geld die Königstochter aus den Händen von Räubern. Als sie hernach an ihres Vaters Hof wieder abgeholt wird, so sagt sie zu ihm sie wolle keinen andern heirathen als ihn: wenn er komme, möge er die rechte Hand auf den Kopf halten, daran wolle sie ihn erkennen. Er reitet auf einem elenden Thier fort, unterwegs begegnet ihm ein Ritter, der ihm sein schönes Pferd und seine prächtige Kleidung gibt, wofür der Dummling ihm versprechen muß bei der Rückkehr alles was er erworben habe, mit ihm zu theilen. Der schöne Ritter gefällt dem König und Bertuccio erhält demnach seine Geliebte. Auf dem Heimweg begegnet ihm jener Ritter und verlangt nun die Hälfte von allem. Der Dummling theilt sogleich alles was er zur Verheirathung bekommen hat. Jetzt fordert der fremde Ritter auch die Hälfte der Frau. „Wie soll das gehen?“ fragt Bertuccio. „Wir müssen sie zerschneiden“. „So nimm sie lieber ganz“, sagt der Dummling, „ich habe sie viel zu lieb als daß ich dazu einwilligen könnte“. Da sagt der fremde Ritter „behalte alles und nimm alles wieder zurück, ich bin der Geist jenes Ermordeten und habe dir vergelten wollen was du an mir gethan hast“.

XII, 3. Guter Rath (Schmidt 188). Ein Hahn empfiehlt Schläge, um eine widerspenstige Frau von ihrem Eigensinn zu heilen. Das Märchen ist aus Morlini Nr. 71 entlehnt. Mit einer andern Einleitung wird es auch in der 1001 Nacht (1, 36 folg.) erzählt. Besser noch ist die eigenthümliche serbische Auffassung bei Wuk Nr. 3, am einfachsten aber eine afrikanische bei Kölle S. 143; s. unten.
[290] XIII, 6. Die guten Tage (Schmidt 246). Verwandt mit den deutschen Märchen vom Doctor Allwissend Nr. 98.


Der Pentamerone des Basile.

In dem folgenden 17ten Jahrhundert erschien zu Neapel in neapolitanischer Mundart eine Sammlung von lauter Märchen, in Nachahmung des Decamerone il Pentamerone genannt, durch Giambattista Basile, ein im Auslande fast ganz unbekanntes Buch, dessen Fernow zuerst unter uns gedacht hat[1]. Der Verfasser (mit Versetzung der Buchstaben auch Gian Alesio Abbatutis genannt), lebte im Anfang des 17ten Jahrhunderts. Nachdem er seine erste Jugend auf der Insel Creta zugebracht, wurde er mit den Venetianern bekannt und in die academia degli stravaganti aufgenommen. Er folgte seiner Schwester Adriana, einer berühmten Sängerin, nach Mantua und trat in die Dienste des Herzogs, dessen Gunst er sich erfreute. Er zog viel in Italien herum, kam auch wieder nach Neapel, wo er um das Jahr 1637 muß gestorben sein[2]. Der ersten Ausgabe des Pentamerone, die man kennt, mag, da sie von eben dem Jahr 1637 ist, eine frühere, ganz vergriffene vorausgegangen sein. Die Reihe von Auflagen, die das Buch seitdem erlebt hat[3], würde schon im Voraus einen gewissen Werth verbürgen, allein diese Märchensammlung [291] war lange Zeit unter allen, die bei irgend einem Volk veranstaltet wurden, die beste und reichhaltigste. Nicht nur war damals die Überlieferung an sich noch vollständiger, sondern der Verfasser besaß auch, neben der genauen Kenntnis der Mundart, eine eigene Geschicklichkeit im Auffassen derselben. Der Inhalt ist fast ohne Lücke, und der Ton, wenigstens für die Neapolitaner, vollkommen getroffen, worin gleichfalls ein Vorzug vor Straparola liegt, der nach der gewöhnlichen, ausgebildeten Erzählungsart strebte und eine neue Saite anzuschlagen nicht verstand. Man kann demnach diese Sammlung von 50 Märchen (die Einleitung und den Schluß mitgerechnet) bei ihrem reichen Inhalt als eine Grundlage betrachten; denn ob sie es gleich in der That nicht war, im Gegentheil außer dem Lande nicht bekannt, nicht einmal in das französische übersetzt ward, so hat es doch bei dem Zusammenhang der Überlieferung das Ansehen davon. Zwei Drittel finden sich den Grundzügen nach im Deutschen und noch zu jetziger Zeit lebendig. Basile hat sich keine Veränderung, schwerlich einen bedeutenden Zusatz erlaubt, und das gibt auch von dieser Seite seinem Werk einen besondern Werth. Den frühern Straparola hat er nicht benutzt, wahrscheinlich nicht einmal gekannt; beide haben nur vier Stücke gemeinschaftlich (Nr. 3. 14. 41. 45 bei Straparola 3, 1. 10, 1. 5, 2. 7, 5) und aus der Vergleichung ergibt sich klar daß er unabhängig davon schrieb. Merkwürdig ist in dieser Hinsicht das Märchen von der Puppe (5, 1, bei Straparola 5, 2), Basile erzählt es, sonst ziemlich übereinstimmend, von einer Gans, was in der That weniger paßt, und offenbar hat Straparola das richtigere, wie auch sonst ein paar Züge mehr; die seltsame Abweichung erklärt sich aber aus der Ähnlichkeit welche die beiden, von der mündlichen Überlieferung verwechselten Wörter, papara Gans und pipata Puppe, im Klang mit einander haben[4] Basile hat ganz im Geiste [292] eines lebhaften, witzigen und scherzhaften Volks erzählt, mit beständigen Anspielungen auf Sitten und Gebräuche, selbst auf alte Geschichte und Mythologie, deren Kenntnis bei den Italienern überhaupt ziemlich verbreitet ist. Darin erscheint der Gegensatz zu dem ruhigen und einfachen Stil deutscher Märchen. Er ist überreich an bildlichen und sprichwörtlichen Redensarten und witzigen Wendungen, die ihm jeden Augenblick zur Hand sind und meist den Nagel auf den Kopf treffen; nicht selten ist auch der Ausdruck nach des Landes Art, keck, frei und unverhüllt und in so weit für unser Gefühl anstößig, wie z. B. eben jenes Märchen von der Puppe nicht gut in seiner Ausführlichkeit bei uns zu erzählen wäre, doch kann man ihn nicht eigentlich, wie den Straparola, unzüchtig nennen. Natürlich ist ihm auch ein gewisser Überfluß und das Ausströmen der Rede, wie z. B. in dem 23ten Märchen die Klage der Renza durch zwei Seiten hindurch geht, doch ist es bloß jene, den südlichen Völkern eigene Lust an dem immer neuen Ausdruck und an dem Verweilen bei dem Gegenstand, nicht aber Armuth in der Sache selbst, die sich zu bedecken sucht. Nach Liebrechts Ansicht (zu Dunlop 517. 518) hat Basile darin Rabelais nachgeahmt. Da die Überfülle an Gleichnissen meist von Scherz und Witz hervorgetrieben wird, so können die seltsamsten und lächerlichsten hier, ohne abgeschmackt zu sein, gebraucht werden; so ruft z. B. in dem 23ten Märchen der Liebhaber seiner Geliebten zu „Lebewohl, Protocoll aller Privilegien der Natur, Archiv aller Gnadenbewilligungen des Himmels, Tafel mit allen Titeln der Schönheit beschrieben.“ Einige Ausbildung erscheint in dem 38sten; das 32ste ist nicht recht märchenhaft, sondern sieht eher einem Lehrgedicht ähnlich; das 20ste ist ein Schwank, und das 26ste Inhalt und Ausführung nach das schwächste.

Eine besondere Bemerkung verdient die Ähnlichkeit, die das Märchen lo Dragone (4, 5) mit der Sage vom Siegfried hat. Die heimliche Geburt des Knaben wie der geringe Dienst bei dem Koch erinnern an Siegfrieds Kindheit. Dann sehen wir ihn von einem hilfreichen Vogel unterstützt, der an jene Vögel erinnert, deren Sprache der nordische Sigurd versteht und von welchen er Rath erhält und annimmt. Die zornige Königin trift dann mit Brünhild zusammen, und ist zugleich der zum Kampfe mit dem Drachen anreizende Reigen; der Drache ist auch hier der Bruder der Königin und ihr Leben mit dem seinigen verbunden. Sie will geradeso mit [293] seinem Blut bestrichen werden, wie Reigen nach dem Herzblut Fafners strebt.

Da eine schätzbare, mit gelehrten Anmerkungen und einer Abhandlung ausgestattete Übersetzung von Felix Lieberecht (Breslau 1846 in zwei Bänden) erschienen ist, auch bald hernach eine englische von John Edward Taylor (London 1848), so ist ein Auszug daraus hier nicht nöthig, es folgt nur eine Übersicht der Märchen die im Pentamerone und in der deutschen Sammlung im Ganzen übereinstimmen.

(1, 1) 1 Der wilde Mann Nr. 36 Tischchen deck dich.
(1, 2) 2 Der Heidelbeerstrauch 76 Die Nelke.
(1, 4) 4 Vardiello 59 Frieder und Catherlieschen.
(1, 5) 5 Der Floh 71 Sechse durch die Welt.
Bruchstück 2 von der Laus.
(1, 6) 6 Aschenkätzchen 21 Aschenputtel.
(1, 7) 7 Der Kaufmann 60 Die zwei Brüder.
(1, 8) 8 Das Ziegengesicht 3 Marienkind.
(1, 9) 9 Die Hirschkuh 60 Die zwei Brüder.
(2, 1) 11 Petrosinella 12 Rapunzel.
(2, 5) 15 Die Schlange 108 Hans mein Igel.
(2, 6) 16 Die Bärin 65 Allerlei-Rauh.
(2, 7) 17 Die Traube 56 Der Liebste Roland.
(2, 8) 18 Die Küchenmagd 83 Sneewitchen.
(2, 9) 19 Das Zauberkästchen 88 Löweneckerchen.
(2, 10) 20 Der Gevatter 61 Das Bürle.
(3, 2) 22 Mädchen ohne Hände 31 Mädchen ohne Hände.
(3, 6) 26 Dienstmagd 67 Die zwölf Jäger.
(3, 7) 27 Corvetto 126 Ferenand getrü.
(3, 8) 28 Der Dummling 71 Sechse durch die Welt.
(3, 9) 29 Rosella 56 Der Liebste Roland.
(3, 10) 30 Die drei Feen 13 Die drei Männlein.
(4, 1) 31 Der Hahnenstein 104 Die treuen Thiere.
(4, 3) 33 Die drei Thierbrüder 197 Die Krystallkugel.
(4, 4) 34 Die sieben Speckschwarten 14 Die drei Spinnerinnen.
(4, 7) 37 Die zwei Kuchen 24 Frau Holle und 135 Die
weiße u. schwarze Braut.
[294] (4, 8) 38 Die sieben Tauben Nr. 25 Die sieben Raben.
(4, 9) 39 Der Rabe 6 Der treue Johannes.
(4, 10) 40 Der bestrafte Hochmuth 52 König Drosselbart.
(5, 3) 43 Pintosmauto 88 Löweneckerchen.
(5, 4) 44 Die goldne Wurzel
(5, 5) 45 Sonne, Mond und Tahia 50 Dornröschen.
(5, 7) 47 Die fünf Söhne 129 Vier Brüder.
(5, 8) 48 Nennillo und Nennella 15 Hänsel und Gretel.

Noch ist zu bemerken daß Rosella (3, 9) auch zum Theil Übereinstimmung mit den Märchen von den drei Gürteln in der Braunschweig. Sammlung (s. unten) hat, und die drei Thierbrüder (4, 3) auch einem Märchen bei Musäus entsprechen.


Gesta Romanorum.

Diesen Titel hat eine lateinisch abgefaßte Sammlung älterer, aus verschiedenen Quellen geholter Erzählungen, die sich meist auf Handlungen römischer Kaiser beziehen. Sie ist wahrscheinlich in der Mitte des 14ten Jahrhunderts geschrieben, man kann nicht mit Sicherheit sagen von wem. Es kann ein Engländer oder Franzose gewesen sein, am wahrscheinlichsten ist es, da deutsche Namen von Hunden vorkommen, ein Deutscher. Eine Abhandlung über den Verfasser findet man in der deutschen Übersetzung von Gräße (Dresden und Leipzig 1842 zwei Bände), wo auch sämtliche Ausgaben und Übersetzungen sorgfältig verzeichnet sind. Wir berücksichtigen nur die Erzählungen welche zugleich märchenhaft sind und aus mündlicher Überlieferung ursprünglich herrühren mögen, aber der geistlichen Anwendung wegen, die Hauptzweck des Buchs ist, leicht Veränderungen erfahren haben.

1. Ein Kaiser nimmt einen armen und geringen Mann an seinen Hof, der ihm sechs Dienste zu leisten verspricht. Der erste ist, ihn ein Jahr lang wohl zu bedienen. Er bereitet dem Herrn das Bett, liegt alle Nacht bewaffnet vor seiner Thüre und hat ein [295] Hündlein bei sich, das ihn mit Bellen aufweckt, so oft ihn etwa der Schlaf überwältigt. Der zweite Dienst ist, daß er ein Jahr lang wacht, wenn andere schlafen, und schläft, wenn andere wachen. Der dritte daß er einen Trank zu beurtheilen versteht. Der Kaiser läßt Essig, Wein und Most in einen Becher mischen und ihm darreichen, er kostet und spricht „er war gut, ist gut und wird gut.“ Nämlich der Most wird gut, der Wein ist gut und der Essig war gut. Zum vierten soll er durch alle Reiche gehen und die Freunde seines Herrn einladen. Er lädt aber alle Feinde ein und sagt „es ist so besser, denn sie sollen auch seine Freunde werden“; und ehe das Fest anhebt, hat er ihre Herzen umgekehrt. Der fünfte Dienst ist, er soll Feuer ohne Rauch machen. Er legt ausgetrocknetes Holz in die Sonne, das von der Hitze sich entzündet ohne Rauch. Der sechste Dienst besteht darin, daß er denen welche nach dem gelobten Lande wollen, einen guten Weg zeigt, auf dem sie glücklich hin- und herreisen. Er führt sie alle an das Meer und sagt „dort sitzt ein Vogel auf einem Felsen und bebrütet sieben Eier mit großer Sorgfalt. So lange er sitzt, ist das Meer ruhig, fliegt er aber weg, so stürmt es so gewaltig daß niemand es befahren kann. Er verläßt aber niemals das Nest, wenn nicht ein anderer Vogel der sein Feind ist, kommt, das Nest besudelt und die Eier verletzt, wonach jener beständig trachtet. Er kann aber abgehalten werden, wenn man das Nest außen und innen mit dem Blute eines Lammes bestreicht“. Die Pilger erfüllen diese Bedingung und reisen sicher hin und her. Der Kaiser belohnt nun den treuen Diener. Lat. Ausg. von 1489 Fol. Cap. 17. Deutsche Ausgabe gleichfalls von 1489 Fol. Cap. 48. (wo er aber nur fünf Dienste leistet, dagegen in der lat. Ausg. Venedig 1516 in 8 wieder sechs).
2. Ein Märchen das mit dem Eingang von dem Teufel mit den drei goldenen Haaren (Nr. 29) übereinstimmt, aber auch als Sage vom Kaiser Heinrich vorkommt (Deutsche Sagen 2, Nr. 480). Lat. Ausg. Cap. 20. Deutsche Ausg. Cap. 44.
3. Ein Missethäter wird ergriffen und soll begnadigt werden, wenn er drei Wahrheiten sagt, die niemand bestreiten kann. Er sagt hierauf erstens „ich bin mein Lebtag ein böser Mensch gewesen“. Zweitens, „es gefällt mir nicht daß ich auf diesem Weg hierher [296] gekommen bin“. Drittens, „wenn ich mich diesmal losmache, so werde ich freiwillig nicht wiederkommen“. Worauf er Gnade erhält. Lat. Ausg. Cap. 58. Deutsche Cap. 45. In Roberts Alterthümern aus Cambridge wird eine ähnliche Volkssage erzählt. Artus verirrt sich auf der Jagd und geräth in eine Höhle, in der ein altes Riesenweib mit Sohn und Tochter haust. Mutter und Sohn wollen ihn tödten, aber die Tochter bewirkt so viel daß die Alte einwilligt ihm das Leben zu schenken, wenn er im Stand sein werde den nächsten Morgen drei Wahrheiten zu sagen. Artus wird wohl unterhalten, der Riesenjüngling spielt ihm auf der Harfe. Als er sich zur Ruhe begeben hat, legt dieser eine so schwere Ochsenhaut über ihn daß er sich nicht bewegen kann. Am folgenden Morgen sagt Artus die drei Wahrheiten. Erstlich zum Sohn „ihr seid der beste Harfenspieler den ich je gehört habe.“ „Das ist wahr“ sagt die Alte. Zu ihr selbst „ihr seid die abscheulichste Hexe die ich je gesehen.“ „Ist wieder wahr“. Zum dritten, „wenn ich einmal weg wäre, so würde ich nie wiederkommen“. Das wird auch anerkannt und Artus frei gelassen.
4. Der König will seine Tochter dem zur Gemahlin geben, der sie im Wettlauf besiegt; wer aber unter liegt, dem wird der Kopf abgeschlagen. Ein armer Jüngling unternimmt das Wagestück. Er wirft ihr zuerst einen Kranz von Rosen auf die Bahn, sie hebt ihn auf und während sie ihn auf den Kopf setzt, kommt er vor sie. Da schleudert sie den Kranz weg und überläuft ihren Gegner. Zum zweitenmal wirft er einen goldenen Gürtel hin, sie nimmt ihn auf und gürtet sich damit, als sie aber sieht daß sie zurückbleibt, reißt sie ihn in drei Stücke, lauft dem Jüngling wieder vor, schlägt ihm ins Gesicht und spricht „du armseliger, sollst mich nimmermehr zur Gemahlin haben.“ Da wirft er zum drittenmal einen Beutel hin, in welchem ein vergoldeter Apfel steckt, worauf geschrieben steht „wer mit mir spielt, der wird des Spiels niemals müde“. Sie fängt darauf an mit dem Apfel zu spielen, der Jüngling erreicht vor ihr das Ziel, und sie wird ihm vermählt. Lat. Ausg. Cap. 60. Deutsche Cap. 63. Man erinnert sich gleich an die Sage von der Atalanta.
5. Die beiden Ärzte. Lat. Ausg. Cap. 76. Deutsche Cap. 37. S. die Anmerkung zu dem deutschen Märchen Nr. 118.

[297] 6.

Wer der Faulste ist, soll das Reich haben. Lat. Ausg. Cap. 91. Deutsche Ausg. Cap. 3. S. Anmerk. zu dem deutschen Märchen Nr. 151.
7. Zwei Schlangen, eine männliche und weibliche, an welche das Leben des Königs und der Königin gebunden ist. Lat. Ausg. 92.
8. Schwank von den drei hungrigen, die nur ein Brot finden und ausmachen daß es derjenige erhalten solle, der den besten Traum haben würde. Während die beiden andern schlafen, ißt der dritte das Brot und macht nachher einen Traum dazu. Lat. Ausg. 106.
9. Ein stolzer und übermüthiger Ritter fällt mit seinem Pferd in eine Thiergrube, nach und nach fällt noch ein Löwe, ein Affe und eine Schlange hinein. Ein armer Holzhacker kommt vorbei und zieht erst die Thiere nach einander heraus, zuletzt auch den Mann mit dem Pferd. Dieser verspricht große Belohnungen, wie aber hernach der Arme kommt, mißhandelt er ihn und schlägt ihn. Nach einiger Zeit arbeitet dieser wieder im Wald, da treibt ihm der Löwe reich beladene Esel ins Haus. Der Arme aber läßt bekannt machen ob jemand diese Schätze verloren habe, es meldet sich einer und nimmt sie zu sich. Ein andermal will er Holz hauen, da er aber keine Axt hat, so nagt und reißt ihm der Affe eine ganze Ladung ab. Zum dritten reicht ihm die Schlange aus ihrem Mund einen dreifarbigen Stein, schwarz, weiß und roth, und das ist ein Glücksstein. Der König will ihn kaufen, muß aber so viel dafür geben als er werth ist, sonst kommt er von selbst wieder zu dem Verkäufer zurück. Bei der Gelegenheit erzählt der Arme, wie der übermüthige Ritter, der ein Diener des Königs ist, ihn für den geleisteten Beistand belohnt hat; zur Strafe wird dieser an den Galgen gehängt, und der Arme erhält seine Stelle. Lat. Ausg. Cap. 119. Deutsche Cap. 76. Vergl. das schwäbische Märchen bei Meier Nr. 14 und im Pentamerone 3, 5.
10. Das Märchen vom Fortunat. Lat. Cap. 120. Deutsche Ausg. 8. Vergl. das deutsche Märchen Nr. 122.
11. Eine Schlange bringt Glück, aber als sie aus Habsucht getödtet wird, verschwindet es wieder. Lat. Cap. 141. Deutsch Cap. 88. S. Anmerkung zum Märchen von der Unke Nr. 105.

[298] 12.

Einer kommt halb geritten, halb gegangen, bringt seinen ärgsten Feind, seinen größten Freund und Spielmann mit. Lat. Ausg. Cap. 124. Deutsche Cap. 24. Vergl. die Anmerkung zu dem deutschen Märchen von der klugen Bauerntochter Nr. 94.
13. Ein König strebt nach dem Landgut eines Ritters. Er sagt zu ihm „bringst du mir nicht ein schwarzes Pferd, einen schwarzen Hund, einen schwarzen Falken und ein schwarzes Horn innerhalb acht Tagen, so verlierst du dein Land“. Traurig geht der Ritter in einen Wald, da sitzt ein Greis mit einem Stab in der Hand, den er ihm darreicht mit den Worten „gehe damit gerad aus, so wirst du zu einem schwarzen Schloß kommen, dort verlange im Namen dessen dem dieser Stab gehört, ein schwarzes Pferd, einen schwarzen Hund, einen schwarzen Falken und ein schwarzes Horn. Wenn du alles hast, so hüte dich das Pferd zu besteigen, das Horn zu blasen, laß auch nicht den Hund jagen oder den Falken steigen, ob sie dich gleich dazu aufmuntern werden. Bringe dann alles deinem Herrn, mir aber den Stab zurück“. Nach drei Tagen erblickt der Ritter das Schloß; alles trift ein. Der König freut sich als er das verlangte hat, indem hört er die Hunde anschlagen. Die Diener sagen ihm ein Hirsch zeige sich. Da besteigt der König das schwarze Pferd, ruft den schwarzen Hund, nimmt den schwarzen Falken auf die Hand und hängt das schwarze Horn um den Hals. Sobald er den Hirsch erblickt, bläst er auf dem Horn und treibt mit dem Pferd auf ihn zu. Der Hirsch aber jagt gerade in den Abgrund hinein, der König ihm nach, und ist niemals wieder gesehen worden. Aus einer lat. Wiener Handschr. der Gesta R. Cod. univ. Nro. 172. Bl. 248. und in der deutschen Ausgabe Cap. 34. Auch kommt es in den Erzählungen des Nicolaus im Grunde von 1470 vor, aber die Gesta Romanorum sind seine Quelle, mitgetheilt von Hagen in Büschings Erzählungen und Schwänken S. 124–126. Bei Gräße 2, 208. Vergl. die Sage vom Tode Dieterichs von Bern.
14. Ein König hat eine schöne Tochter, die will nur den heirathen, der drei Aufgaben lösen kann. Viele melden sich, aber sie vermögen es nicht. Da kommt auch ein Ritter nur mit einem Diener und einem kranken Pferd. Zuerst soll er sagen wie viel Fuß in die Länge, Breite und Tiefe die vier Elemente haben. [299] Der Ritter heißt seinen Diener sich niederlegen, mißt ihn von Kopf bis zu Fuß und antwortet dann „sieben Fuß in die Länge, einen halben Fuß in die Breite haben die vier Elemente, die sämmtlich im Menschen vereinigt sind“. Zum zweiten was den Wind von Norden her verändere. Er streut seinem wüthenden Pferd ein Pulver in die Nüstern, wovon es gesund wird, richtet ihm dann seinen schnaubenden Kopf nach Osten und sagt „die Luft ist verändert nach Osten, denn das Leben des Thiers besteht im Athem“. Zum dritten soll er glühende Kohlen, ohne sich zu brennen, in seiner Brust auf dem Fleisch tragen. Dies vollbringt er und kann es, weil er einen Stein bei sich trägt, der die Kraft hat gegen jede Einwirkung des Wassers und Feuers zu schützen. Worauf er die Königstochter erhält. Cap. 70. hier nach der Wiener Handschrift Bl. 249.

Eine andere, zwar verschiedene, aber auf ähnlicher Grundlage beruhende Erzählung gewähren die in England überarbeiteten und mit neuen Stücken ausgestatteten Gesta Romanorum, die in Gräßes Übersetzung S. 230. 231 mitgetheilt wird. Der Kaiser Andronicus legt einem unschuldig angeklagten Ritter drei verfängliche Fragen vor, die er bei Todesstrafe genau beantworten soll. 1. „Wie weit ist es vom Himmel bis zur Hölle?“ „So weit wie von einem Seufzer bis zum Herzen zurück“. „Wie tief die See?“ „Einen Steinwurf“. 3. „Wie viele Flaschen Salzwasser sind in der See?“ „Gib erst die Zahl der Flaschen mit Süßwasser an, so will ich jene sagen“. Der Ritter soll noch Erläuterungen seiner Antworten geben. Er sagt 1. „ein Seufzer kommt aus dem Herzen mit der Geschwindigkeit des Blitzes“. 2. „Der Stein, weil er schwer ist, fällt mit einem Mal auf den Grund der See“. 3. „Es wird Zeit sein die Flaschen mit Salzwasser zu schätzen, wenn Ihr angefangen habt die Flaschen mit Süßwasser zu berechnen“. Damit vergleiche man das deutsche Märchen Nr. 152.


Carl Perrault.

Die eigentlichen Märchensammlungen beginnen in Frankreich erst am Ende des 17ten Jahrhunderts, also nach den italienischen, [300] um welche Zeit eine große Neigung dafür sich zeigt[5]. Wir übergehen die gewöhnliche Meinung, wonach man die anerkannt dunkele Entstehung dieser Dichtungen als eine Folge der Bekanntschaft mit den arabischen Erzählungen ansieht, wobei denn noch Erinnerungen aus den Gedichten der Trouvers und Troubadours sollen mitgewirkt haben[6]. Man braucht nicht einzuwenden daß Gallands Übersetzung der Tausend und einen Nacht erst (1704) nach Perraults Tod erschien, die Verwandtschaft der französischen Märchen mit den italienischen und deutschen und zugleich die sichtliche Unabhängigkeit davon beweist unwiderlegbar, was auch schon aus ihrem Geist folgt, daß ihr Inhalt aus mündlicher Überlieferung ist genommen worden. Die Entlehnungen die Dunlop (S. 408 bei Lieberecht) nachweisen will, sind alle unbegründet. Hierzu kommt zufällig ein äußerer Beweis. Scarron (geb. 1610 gest. 1660) gedenkt wahrscheinlich schon vor Perrault (geb. 1633, gest. 1703) in dem Roman comique (Paris 1651 S. 78.) der Peau d’âne. Perrault hat die Märchen rein aufgefaßt und, Kleinigkeiten abgerechnet, nichts zugesetzt: der Stil ist einfach und natürlich und, so weit es die damals schon glatte und abgerundete Schriftsprache zuließ, ist auch der Kinderton getroffen. Einzelne gute Redensarten sind wohl beibehalten, z. B. sie gieng tant que la terre put la porter; er kommt de douze mille lieues de là, oder je vais manger ma viande ich will essen; und ganz gewis noch aus mündlicher Überlieferung rührt im Blaubart Frage und Antwort „Anne, ma soeur Anne, ne vois tu rien venir?“ „Je ne vois rien que le soleil qui poudroie, et l’herbe qui verdoie“. Diesen Vorzügen verdankt ohne Zweifel das Buch seine Fortdauer bis in unsere Zeit.

1. Die weisen Frauen (Les fées). Im Pentamerone 3, 10 und 4, 7, bei uns Nr. 13 und 24. Das französische ist das dürftigste.
2. Die schlafende Schöne im Walde (La belle au bois dormant.). Pentamerone Sonne und Mond 5, 5, bei uns Dornröschen Nr. 50.
[301] 3. Blaubart (La barbe bleue). Im deutschen Nr. 46 Fitchers Vogel, doch ziemlich abweichend; im italienischen nichts ähnliches.
4. Rothkäppchen (Le petit chaperon rouge). Deutsch Nr. 26.
5. Der gestiefelte Kater (Le chat botté). Pentamerone Gagliuso 2, 4. Straparola 11, 1. Bruchstück Nr. 4.
6. Aschenputtel (Cendrillon). Flacher als im Pentamerone 1, 6 und das deutsche Nr. 21. Wie bedeutend ist der im französischen ganz fehlende Zug daß die bösen Schwestern den Königssohn einen Augenblick täuschen, indem sie sich die Füße gewaltsam verkürzen, um Schuhe tragen zu können, aber von den Tauben verrathen werden.
7. Riquet mit dem Schopf (à la houpe). Könnte am ersten als eine bloße Erfindung gelten. Es hat weiter keinen Inhalt als daß ein häßlicher aber geistreicher Mann einem Mädchen Geist mittheilen kann, und ein schönes aber dummes Mädchen einem mißgeschaffenen Mann Schönheit, wenn sie einander lieben. Auch findet man hier schon witzige, epigrammatische Wendungen und einen fein zugespitzten Dialog. Im italienischen und deutschen nichts ähnliches.
8. Der kleine Däumling (Le petit poucet). Großentheils das deutsche Märchen von Hänsel Nr. 15. Im Pentamerone 5, 8. Der Däumling selbst ist hier nicht so eigenthümlich wie in den beiden deutschen Märchen Nr. 37 und 45.

Diese acht Stücke gab Perrault zuerst (?) Paris 1697 in 12 heraus unter dem alten, von einem Fabliau entlehnten Titel Contes de ma mère l’oye, und einem zweiten, Histoires ou contes du temps passé. In den folgenden Ausgaben kamen noch drei hinzu[7].

[302] 9. Eselshaut (Peau d’âne). Pentamerone die Bärin (2, 6), im deutschen Allerlei-Rauh (Nr. 65).
10. Die kluge Königstochter (L’adroite princesse). Im Pentamerone Sapia Liccarda (3, 4).
11. Die lächerlichen Wünsche (Les souhaits ridicules) in Versen. Enthält den letzten Theil des deutschen Märchens von dem Armen und Reichen (Nr. 87).


Gräfin Aulnoy.

Die auch durch andere Arbeiten bekannte Gräfin Aulnoy (geb. 1650, gest. 1705) lebte zugleich mit Perrault. Sie muß ihre Märchen, wenigstens einen Theil derselben, nach der Erscheinung der seinigen, mithin in ihren spätern Jahren, geschrieben haben, da sie in La chatte blanche (Nr. 19) die Peau d’âne, die Belle au bois dormant und Chat botté anführt, unter den beiden letztern aber ganz gewiß Perraults Märchen meint. Nachgeahmt indessen hat sie ihn nicht, ihre Sammlung ist beides schlechter und besser. Schlechter insofern, als darin die Überlieferungen weniger treu beibehalten und Zusätze, Erweiterungen, Verse, moralische Betrachtungen eingemischt sind, überhaupt der Stoff willkürlicher behandelt ist. Überlieferungen aber liegen einem großen Theil dieser Märchen so gut zu Grund als bei Perrault, und die andern rein erfundenen unterscheiden sich durch Mangel an Gehalt leicht davon. Ein recht merkwürdiger Beweis ist eins der schönsten, der blaue Vogel, da es sich in den Gedichten der Marie de France, die schon im Anfang des 13ten Jahrh. lebte, unverkennbar wieder findet; es ist der Lai von Ywenec (272–313.), eine gallische Sage, die mithin bis zum 18ten Jahrh. auf französischem Boden fortgedauert hat. Nur die drei letzten (Nr. 22. 23. 24) sind aus dem durch eine französische Übersetzung eingeführten Straparola genommen; man sieht leicht daß sie verändert sind und aus welchem Grunde. Die Manier der Aulnoy kann man nicht ungeschickt nennen, im Gegentheil, es zeigt sich eine gewandte, schon geübte Hand; manches ist liebenswürdig erzählt und manches naiv und kindlich ausgedrückt, dennoch konnten diese Märchen nicht allgemein Eingang finden, weil sie nur für Kinder des höheren Standes zu welchem die Verfasserin gehörte, paßten. Es ist zu viel Zier und Kostbarkeit, auch wohl französische Sentimentalität [303] darin, man fühlt das überfeine und vornehme Wesen aus dem Zeitalter Ludwig des Vierzehnten, dagegen fehlt etwas natürliches und frisches, oder das einfache und, wenn man den Ausdruck nicht misdeuten will, das bürgerliche, das neben allen Wundern in den ächten Märchen immer durchscheint. Dagegen besser als die von Perrault sind sie insoweit als ihnen nicht selten eine an sich reichere und schönere Überlieferung zu Grund liegt; auch ist man geneigt, zumal wenn man sie nur einmal liest, die künstlichere Verflechtung der Begebenheiten, die Abrundung und die öfters mit Gewandtheit ausgeführte Überarbeitung zu einem kleinen Roman als einen Vorzug gelten zu lassen. Käme es in der Poesie nur auf eine sogenannte ästhetische Verschönerung an, so würde man nicht begreifen warum die Märchen von Perrault bei geringerm Reiz den Vorzug behalten haben. Wir zählen sie einzeln auf[8] und merken ihre Verwandtschaft mit andern an; ein Auszug wäre bei dem oft abgedruckten Buch überflüssig.

1. Gracieuse und Percinet. Gleicht dem italienischen Märchen im Pentamerone 5, 4. Offenbar zugedichtet ist der Feenpalast des Percinet.
2. Die Schöne mit dem Goldhaar (La belle aux cheveux d’or). Im Pentamerone Corvetto (3, 7), im deutschen Ferenand getrü (Nr. 126). Der Schimmel, der dort Rath schafft, ist hier das Hündchen Cabriolle. Zierlich und ziemlich rein von Zusätzen.
3. Der blaue Vogel (L’oiseau bleu). Offenbar im Zusammenhang damit, wie schon vorhin bemerkt, ist der Lai von Ywenec aus dem 13ten Jahrhundert. Das deutsche Löweneckerchen (Nr. 88), doch erst von da an, wo der Königssohn, in eine Taube verwandelt, fortfliegen muß.
4. Der Kobold (Le prince lutin). Hat eine gute Grundlage. Der Prinz rettet eine Schlange ohne zu wissen daß eine Fee darunter verborgen ist; diese verleiht ihm aus Dankbarkeit alle Eigenschaften eines Kobolds. Unter andern gibt sie ihm auch ein rothes Käppchen (Nebelkappe), womit er sich unsichtbar machen kann.
[304] 5. Printaniere. Größtentheils Erfindung; einige Züge sind echt, z. B. die Königstochter die zwanzig Jahre verborgen leben soll, schaut kurz vor dem Ziel durch eine Öffnung die so klein ist daß kaum eine Nadel hindurch kann und wird nun unglücklich. Schön ist auch die Art wie sich die Bäume in der Noth hilfreich beweisen.
6. Rosette. Im deutschen das Märchen von der weißen und schwarzen Braut (Nr. 135) doch sehr abweichend. Eigenthümlich aber schön ist der Zug daß die rechte Braut in ihrem Bett schlafend ins Meer geworfen wird, zum Glück aber nicht untergehen kann, weil es mit Wunderfedern gefüllt ist; doch bedeutender ist das deutsche gewis, wo der Geist als ein Vogel wieder aus dem Wasser aufsteigt. Zu vergleichen ist die angelsächsische Sage vom König Scyld Scafing (von sceaf, althochd. scoup Schaub), der auf einem Strohbund schlafend angeschwommen kommt; s. Göttinger gel. Anzeigen 1823 Nr. 1.
7. Der goldene Ast (Le rameau d’or). Wenig gutes und sonst viel Feen- und Schäferwesen nach der Mode jener Zeit.
8. Der Orangenbaum und die Biene (L’oranger et l’abeille). Der erste Theil, der Aufenthalt bei dem wilden Mann und die heimliche Liebschaft, ist modern ausgesponnen; von da an aber, wo die beiden zusammen entfliehen wollen, ist das Märchen echt und schön und offenbar mit dem deutschen vom liebsten Roland (Nr. 56) und den beiden Königskindern (Nr. 113) verwandt. Unter den Verwandelungen auf der Flucht ist die letzte eigenthümlich und passend, das Mädchen verwandelt den Liebsten in einen Orangenbaum, sich selbst in eine Biene, von welcher die nachsetzende Hexe so lange gestochen wird bis sie blutend fortgeht.
9. Die gute kleine Maus (La bonne petite souris). In der Art womit die Maus zuthätig ist und den bösen König quält, hat das sonst eigenthümliche Märchen doch Ähnlichkeit mit Mistkäfer, Maus und Heinchen im Pentamerone (3, 5).
10. Der Widder (Le mouton)[9]. Eigentlich liegt doch die Sage von Amor und Psyche zu Grund, wie sehr auch das Ganze sich geändert [305] hat. Ähnliche deutsche Märchen sind in der Anmerk. zu Nr. 88 nachgewiesen.
11. Finette Cendron. Erst das Märchen von verstoßenen Geschwistern, ihrer sind hier nicht zwei sondern drei und sie sind Königskinder, im deutschen Nr. 15, im Pentamerone 5, 8; dann aber ist damit auch Aschenputtel verbunden im Pentamerone 1, 6, deutsch Nr. 21, bei Perrault Nr. 6. Eben auch hieraus ergibt sich die Unabhängigkeit, da jede ihre Eigenthümlichkeit hat. Schön ist im ersten Theil der Zug, daß die drei Flüchtigen eine Eichel finden, die sie in die Erde stecken und jeden Morgen und Abend begießen, in der Hoffnung sich einmal oben von dem groß gewordenen Bäumchen umschauen zu können.
12. Fortuna (Fortunée). Hat nur echte Einzelheiten, keine echte Grundlage.
13. Babiole. Völlig erfunden wie das folgende.
14. Der gelbe Zwerg (Le nain jaune)[10].
15. Die grüne Schlange (Le serpent vert). Verwandt mit den vielfach verschiedenen Märchen von Amor und Psyche; s. Anm. zu Nr. 88.
16. Carpillon. Kein eigentliches Märchen.
17. Der wohlthätige Frosch (La grenouille bien faisante). Werthlose Erfindung.
18. Die Hindin im Wald (La biche au bois). Ein gutes Märchen das entfernt mit dem deutschen Nr. 11 verwandt ist. Die Königstochter darf vor dem funfzehnten Jahr das Sonnenlicht nicht sehen, kurz vor der Zeit erblickt sie es und wird in eine Hindin verwandelt; erst, indem sie ihr Liebster, ohne sie zu kennen, auf der Jagd verwundet, erhält sie die menschliche Gestalt wieder.
19. Die weiße Katze (La chatte blanche)[11]. Ist das deutsche Märchen von den drei Federn (Nr. 63) und von dem Kätzchen (Nr. 106), verflochten mit dem Rumpelstilzchen (Nr. 55).
20. Fortunat (Belle-Belle ou le chevalier fortuné). Im deutschen Sechse durch die Welt (Nr. 71), im Pentamerone der Dummling (3, 8).
[306] 21. Das Taubenpaar (Le pigeon et la colombe). Sehr ausgesponnen und modernisiert. Echt ist gewiß der Eingang. Die Königstochter wird versteckt und soll nicht aus dem Haus gehen, um dem Riesen nicht in die Hände zu fallen. Wie sie aber ihr geliebtes Schäfchen aus Angst vor dem Wolf schreien hört, vergißt sie die Warnung und lauft heraus. Der Riese steckt sie nun sammt dem Wolf, Lamm und noch einigen Thieren in einen Sack, und da er mit einem andern Riesen zu kämpfen hat, wirft er den Sack so lange auf einen Baum. Jetzt schneidet das Mädchen den Sack mit seiner Scheere auf, macht sich frei, nimmt auch ihr Schäfchen und die andern Thiere mit, und nur den bösen Wolf läßt es darin stecken.
22. Die Schöne mit dem Stern (La princesse Belle-Etoile). Unmittelbar aus Straparola 4, 3.
23. Prinz Schwein (Le prince Marcassin). Straparola 2, 1.
24. Der Delphin (Le Dauphin). Straparola 3, 1.


Nachahmer.

Die Märchen welche nach der Gräfin Aulnoy im Anfang des 18ten Jahrh. in ziemlicher Anzahl erschienen, stehen alle viel tiefer und sind fast immer aus leeren Phantasien, ohne Anhalt an eine lebendige Idee hervorgegangen. Namentlich was die Gräfin Mürat (starb 1716) im Cabinet des fées Bd. 1, die Gräfin d’Auneuil (starb 1700), das. Bd. 5, Hr. von Preschac (geb. 1676), das. Bd. 5, als Märchen dichteten, ist ein Gemisch von sogenanntem orientalischen Zauberwesen und modern schäferlichen Liebesgeschichten ohne wahren Gehalt; die Gestalten darin haben kein Leben und keine eigenthümliche Natur. Nicht viel günstiger ist über die sogenannten Märchen des Grafen Hamilton (geb. um 1656, gest. 1720), das. Bd. 20, und des Herrn von Moncrif (geb. 1687, gest. 1770), das. Bd. 26, zu urtheilen. Von den Erzählungen der Fräulein de la Force (geb. um 1650, gest. 1724), das. Bd. 6, verdient nur die zweite, Persinette, einer Erwähnung, es ist Petrosinella im Pentamerone 2, 1, doch nach einer sehr schwachen und unvollständigen Überlieferung. Eine Anmerkung zu einer andern Erzählung sagt überdies ausdrücklich nur diese einzige (L’enchanteur überschrieben) sei aus einem Buche genommen, alles übrige aber eigene Erfindung der Verfasserin. [307] In den Märchen der Fräulein L’heritier (geb. 1667, gest. 1737), das. Bd. 12, hat eins, Ricdin-Ricdon, eine echte Grundlage. In der Einleitung stimmt es mit dem deutschen Märchen von den Spinnerinnen (Nr. 14) und geht dann über in Rumpelstilzchen (Nr. 55), doch auch hier ist die Überlieferung mit sichtbarem Schaden zu einem kleinen Roman ausgedehnt. In Bd. 5 steht noch eine Sammlung mit dem Titel Les illustres fées, von welcher der Verfasser nicht genannt ist, darin sind zwei Stücke anzumerken, Blanchebelle, mit einem Anklang an das deutsche Märchen die schwarze und weiße Braut (Nr. 135), und der Prinz Guerini, unmittelbar aus Straparola (5, 1) das Geschenk der drei Thiere. Die Zaubergeschichten (Féeries nouvelles) des Grafen Caylus (das. Bd. 24) der in der ersten Hälfte des 18ten Jahrh. schrieb, sind für uns leer und werthlos, und nur in einer, Tourlou und Rirette, kommt ein Stück von einem Märchen vor, der gelbe Vogel überschrieben und als eine moralische Fabel eingerückt. Es enthält den Eingang von den zwei Brüdern (Nr. 60). Eine Zauberin wird in einen gelben Vogel verwandelt und gefangen. Ein Reicher kauft ihn dem Mann ab, der ihn gefangen hat, und da er auf dem rechten Flügel die Worte geschrieben findet „wer meinen Kopf ißt wird König, wer mein Herz ißt hat jeden Morgen, sobald er erwacht, hundert Goldstücke“; so läßt er sich von der Frau des armen Mannes den Vogel braten. Diese gibt aber zufällig Kopf und Herz ihren beiden Knaben zu essen, die darauf vor dem Zorn des Getäuschten entfliehen. Der eine wird seines Reichthums wegen ermordet, der andere kommt in ein Reich, wo man eben über die Wahl eines Königs uneinig ist und auf ein Zeichen wartet. Da sich ihm eine Taube auf den Kopf setzt, so wird er zwar erwählt, doch wegen seiner schlechten Regierung in einem Aufstand ermordet. Es wird daraus die Nutzanwendung gemacht, daß jeder bei seinem Stand bleiben solle, derentwillen aber auch ohne Zweifel diese Entwickelung zugefügt ist. Eine Sammlung von Märchen, Nouveaux contes de fées, deren Verfasser nicht bekannt ist, erschien im Jahr 1718 und noch einmal 1731, und wurde, da beide Ausgaben sich selten gemacht hatten, im Cabinet des fées Bd. 31 wieder abgedruckt. Unter den neun Stücken, aus welchen sie besteht, haben nur drei (das 1te, 5te und 9te) einen haltbaren Grund und mögen aus lebendiger Überlieferung herrühren.

[308]

1. Der kleine Laubfrosch (La petite grenouille verte). Ein kranker König verlangt nach einem wunderbaren Vogel, sein Sohn zieht deshalb aus und kommt zu einem Brunnen, wo ein Laubfrosch ihm Bescheid sagt. Er gibt ihm ein Sandkorn und heißt ihn das vor einem Schloß, zu welchem er kommen werde, niederwerfen, davon werde alles was darinnen Leben habe einschlafen. Dann solle er eingehen, das schönste Pferd aus dem Marstall nehmen und eilig zurückreiten. Da aber der Prinz einen Sattel daneben sieht, so will er diesen erst auflegen; davon erwacht alles, und er bekommt das Pferd nicht. Zum zweiten gibt ihm der Frosch ein Goldkorn, er soll eine schlafende Jungfrau aus dem Schloß holen, aber diese bittet ihn erst einen Rock anziehen zu dürfen; darüber wacht wieder alles auf. Zum dritten gibt ihm der Frosch ein Diamantkorn, er soll nun den schlafenden Wundervogel samt dem Zweig, worauf er schläft, mitbringen. Das gelingt und der kranke König wird geheilt. Sonst ist noch einiges zugesetzt, scheint aber nicht echt. Das Ganze zeigt Verwandtschaft mit dem deutschen Märchen vom goldenen Vogel (Nr. 57) und ist nur dürftiger.
2. Roth, weiß und schwarz (Incarnat, blanc et noir). Ein König geht im Winter und sieht einen Raben auf den Schnee niederfallen und den weißen Glanz mit seinem Blut bespritzen. Da wünscht er sich eine Frau so weiß als Schnee, so roth als das Blut und so schwarzhaarig als das Rabengefieder. Eine Stimme ruft ihm zu weit weg werde er einen Baum finden, davon müsse er drei Äpfel brechen, die er aber nicht eher als bis er wieder daheim sei, öffnen dürfe. Er macht sich auf, bricht die Äpfel, kann aber auf dem Rückweg der Neugierde nicht widerstehen. Er öffnet einen, da tritt eine Schönheit hervor, die ihn bös anblickt und verschwindet. Er öffnet auch noch den zweiten, und hat dieselbe Erscheinung. Den dritten hebt er auf und öffnet ihn erst daheim. Da kommt ein Mädchen heraus, so weiß, roth und schwarz, wie er es gewünscht hat, mit dem er sich vermählt und glücklich lebt. Einmal, als er abwesend ist, läßt die alte und böse Schwiegermutter die junge Königin umbringen und ihren Leib in den Schloßgraben werfen. Als der König wiederkommt, weiß sie es so einzurichten daß er eine andere für seine Gemahlin hält. Doch ist er traurig, und als er eines Tags zum Fenster [309] hinaussieht, erblickt er im Wasser einen wunderbaren Fisch, weiß- roth- und schwarzgefleckt. Er verlangt danach, aber die Alte läßt ihn fangen und der falschen Königin zubereiten. Darauf erhebt sich vor dem Fenster, ungesät und ungepflanzt, ein Baum mit denselben drei Farben. Die Alte läßt ihn verbrennen, allein aus der Asche steigt ein schönes Schloß in die Höhe von rothen Rubinen, weißen Perlen und schwarzem Schmelz. Niemand kann die Pforte öffnen als der König, welcher darin die wahre Königin wieder lebendig findet. Man erkennt das Märchen von den drei Citronen im Pentamerone (5, 9), nur lückenhafter und gehaltloser, und eben deshalb von dort nicht entlehnt. Im Eingang stimmt es noch genauer mit dem Raben im Pentamerone (4, 9).
3. Prinz Regenbogen (Le prince Arc-en-ciel). Hat einige wahre Züge und ist mit dem deutschen Märchen vom Löweneckerchen (Nr. 88) und den italienischen 5, 3 und 4 im Pentamerone zusammen zu halten.

Von den Märchen welche Frau von Beaumont (geb. 1711) in ihr Kinderbuch (Magasin des enfans) eingerückt hat, gehört nur das eine von dem Mädchen und dem Thier (in dem fünften Gespräch) hierher, welches mit dem Löweneckerchen (Nr. 88) verwandt ist; die übrigen sind moralische, wahrscheinlich von ihr selbst erfundene Fabeln. Die Contes de Mad. Villeneuve enthalten einige Märchen, die nach der Übersetzung in der jungen Amerikanerin oder Verkürzung müßiger Stunden auf dem Meer (Ulm 1765) zu Nr. 24 und 88 angeführt sind.


Spanien.

Über das Dasein der Märchen kann kein Zweifel sein. Eine Stelle bei Cervantes die davon spricht, ist oben bei den Zeugnissen angeführt, und ein Bruchstück aus einem Riesenmärchen bei Calderon in den Anmerkungen zu Nr. 112 bemerkt. Die bezauberte Königstochter in einer altspanischen Romanze bei Diez S. 177. Auch scheint eine Stelle in dem Lustspiel „Es ist schlimmer als es war“ (Übers. von Malsburg 1, 335) sich auf ein Volksmärchen zu gründen.


[310]
England, Schottland und Ireland.

Unter den Nachkommen der alten celtischen Bewohner, also unter den Ersen in Ireland, den Galen in Schottland und den später eingewanderten, von den Angelsachsen westlich nach Wales und Cornwales zurückgedrängten celtischen Kimbern oder Kymern lebt ein großer Reichthum von mündlicher Überlieferung. Solche Erzählungen womit sie noch gegenwärtig, vorzüglich in den Winterabenden, sich unterhalten, heißen Mabinogion Märchen[12], oder hên Chwedlau, alte Sagen, hên Ystoriau, alte Geschichten. Irische Sagen hat Keating (History of Ireland) mit oft wörtlicher Benutzung alter metrischer Annalen bekannt gemacht[13]; insofern sie sich scheinbar noch an die Geschichte binden, gehören sie nicht völlig hierher, doch ist auch vieles darin schon ganz märchenhaft. Z. B. ein König hat Pferdeohren, und jeder der ihm die Haare schneidet, muß sterben, damit es immer ein Geheimnis bleibt. Einmal erbarmt sich der König eines jungen Mannes den das Loos zum Haarschneiden getroffen hatte, und schenkt ihm das Leben, doch muß er ewiges Stillschweigen angeloben. Indessen drückt ihn das Geheimnis so sehr [311] daß er krank wird, und zu seiner Rettung gibt ein Druide den Rath einem Baum das Verborgene anzuvertrauen. Nun genest zwar der Jüngling, aber unglücklicherweise läßt sich ein Harfner aus dem Holz des Baums eine Harfe machen und diese, wie sie fertig ist, verräth das Geheimnis, indem sie von selbst tönt und sagt „der König hat Pferdeohren!“ Wobei man natürlich an die ähnliche griechische Sage von Midas und seinem Balbier denkt. In einer andern Erzählung ist es wieder völlig im Stil der Märchen daß bei der Geburt eines Mädchens Unheil für das Land geweissagt wird und die Ritter daher dessen Tod verlangen, der König sich aber dagegen stellt und es in einen festen Thurm setzen läßt, um das Unglück abzuwenden. Indessen entflieht das Mädchen doch, und die Weissagung geht in Erfüllung. Merkwürdig ist hier ein gemeinsamer Zug, als die Jungfrau einmal im Winter mit ihrer Pflegemutter aus dem Thurmfenster sieht, schlachtet gerade der Metzger ein Kalb, dessen rothes Blut auf den weißen Schnee fällt, während ein Rabe herzukommt und davon frißt. Bei diesem Anblick ruft sie „hätte ich einen Liebsten, dessen Haut so weiß wäre als dieser Schnee, dessen Wangen so roth als dieses Blut, dessen Haar so schwarz als das Gefieder dieses Raben“. Weiter aber findet sich keine nähere Übereinstimmung zwischen diesem und dem deutschen Märchen (Nr. 53).

Zwei cornwallisische Mabinogion theilt Ed. Jones (The bardic museum, Lond. 1802. fol. S. 17–30) mit, welche von dem König Pwyll reden. Dieser tauscht mit einem Freund die Gestalt, um dessen Feind zu besiegen, und schläft ein Jahr lang in des Freundes Bett, ohne die Frau desselben anzurühren: die Sage von den beiden treuen Freunden, worüber die Anmerkungen zu dem Märchen von den beiden Brüdern (Nr. 60) nachzusehen sind. In der andern Erzählung kommt vor wie er durch seine Diener einer wunderschönen Jungfrau die jeden Tag erscheint, nachsetzen läßt, doch keiner, auf dem besten Roß sie einzuholen, schnell genug ist. Sobald er selbst sie anruft, bleibt sie stehen und bekennt ihre Liebe.

Auch in Lhuyds Archaeologia britanica findet sich ein cornwallisisches Märchen, von dem hier, da es gewissermaßen ein Gegenstück von jenem deutschen ist, worin es dem Hans zu seiner Zufriedenheit immer schlechter geht (Nr. 83), ein Auszug stehen muß. Ivan sagt zu seiner Frau „ich will ausgehen und Arbeit suchen, bleib du einstweilen daheim“. Er kommt zu einem Landmann der fragt „was [312] kannst du für Arbeit?“ „Ich kann alle und jede“ antwortet er. Sie werden um drei Pfund Jahreslohn einig. Als das Jahr herum ist, sagt der Herr „höre, ich will dich, statt das Geld zu geben, einen schönen Spruch lehren“. Ivan willigt ein und der Herr sagt „hüte dich den alten Weg zu verlassen, um einen neuen zu wählen“. Ivan verdingt sich abermals ein Jahr und erhält am Ende statt des Geldes den Spruch zum Lohn „hüte dich in ein Haus einzukehren, wo ein junges Weib einen alten Mann geheirathet hat“. Im dritten Jahr bekommt er den Spruch „laß dir zwei Streiche geben, eh du einen versetzest“. Nun will Ivan nicht länger dienen sondern heim gehen. Der Herr spricht „heut geh nicht, mein Weib backt morgen, sie soll dir einen Kuchen backen, den du für deine Frau mitnimmst“. In diesen Kuchen verbarg aber der Herr die neun Pfund die Ivan in den drei Jahren verdient hatte, und als er ihn hinreicht, sagt er „da hast du einen Kuchen den nimm deinem Weibe mit, und wenn ihr recht vergnügt zusammen seid, so schneidet ihn an, aber nicht eher“. Ivan dankt und wandert fort, unterwegs begegnen ihm drei Freunde, die ihn grüßen und sagen „komm mit uns, wir wollen dich bewirthen“. Sie gehen den neuen Weg, aber Ivan schlägt den alten ein. Wie sie sich ein wenig entfernt haben, hört Ivan daß sie von Räubern angefallen werden, er schreit also „Räuber! Räuber!“ und verjagt sie damit. Als Ivan wieder mit ihnen auf dem Marktplatz zusammentrift, so sagen sie „wir haben dir Dank, ohne dich wäre es übel ergangen“. Sie laden ihn also wieder ein ihr Gast zu sein, wie sie aber in die Herberge kommen, wo die Wirthin jung ist, so sieht sich Ivan erst nach dem Wirth um, und als er diesen in der Küche findet, alt und schwach, den Bratspieß drehend, so ruft er „oho, hier bleibe ich nicht!“ und nimmt seine Herberge im nächsten Haus. Hier gewahrt er durch ein Astloch wie die Wirthin mit einem Mönch verabredet den alten Mann zu morden und die That auf die drei Fremde zu schieben, sieht auch wie beide den Mord gleich vollbringen. Ivan hat durch die Oeffnung dem Mönch der sich an die Wand lehnte, ein rundes Stück aus der Kutte geschnitten. Am andern Morgen fängt die Ehebrecherin ein Geschrei an, ihr Mann sei ermordet und zwar von den Fremden, sonst sei niemand in dem Haus gewesen. Die drei sollen schon gehangen werden, da kommt Ivan und erzählt was er gehört und gesehen, und holt zum Wahrzeichen das Stückchen hervor, das er dem Mönch aus der Kutte geschnitten [313] hat. Das Weib und der Mönch werden gehangen. Ivan geht mit den drei Freunden fort, wo sich der Weg theilt, trennt er sich und geht heim. Es ist schon spät, als er an sein Haus kommt. Er horcht und hört daß sein Weib zu Bett ist und mit jemand darin spricht. Er greift schon nach dem Dolch, um beide zu tödten, da fällt ihm der dritte Spruch ein „erdulde erst zwei Streiche, ehe du einen austheilst.“ Er tritt ein, das Weib freut sich, er heißt sie Licht machen. „Ich hörte noch jemand im Bett“ sprach er. „Es ist ein schönes Knäblein das ich dir geboren habe; als du weggiengst, war ich drei Monat in Hoffnung“. Ivan wird froh und sagt zu seinem Weib „jetzt sind wir vergnügt, da dürfen wir diesen Kuchen aufschneiden.“ Sie finden das Geld darin und leben fortan so vergnügt daß nie wieder Hader zwischen sie kommt. Eine vollständige Übersetzung hat Schmeller in Haupts Zeitschrift 1, 417–421 mitgetheilt und auf die Verwandtschaft mit dem lateinischen Gedicht von Rudlieb hingewiesen.

Hier ist wohl auch der schicklichste Platz der armoricanischen Märchen Erwähnung zu thun, die sich bei jenem Zweig der celtischen Kimbern finden, welche gedrängt von den Angelsachsen, aus Britannien herüber nach Armorica, in die nachherige Bretagne, sich flüchteten. Sie sind durch die französischen Gedichte der Marie de France (herausgegeben von Roquefort. Paris 1820. 2 Bde.), welche im Anfang des 13ten Jahrh. lebte und dorther einen Theil ihres Stoffs holte, bekannt geworden. Folgende von ihren Lais gehören hierher.

1. Lai von Gugemer (1, 48). Die Geliebte kann nur das Hemd das sie gefaltet und dem Liebsten mitgegeben hat, auseinander legen. Der Geliebte kann nur die Knoten die er am Gürtel geknüpft hat, auflösen. Er hat eine weiße Hirschkuh verwundet, die ihm dafür Unglück wünscht. Ein Auszug schon bei Le Grand d’Aussy Fabliaux 3, 251.
2. Lai von der Esche. Das Märchen von der wahren Braut (Nr. 135).
3. Lai von Bisclavaret (1, 178). Märchen von einem Währwolf. Wenn er sich in einen Mensch verwandelt, darf niemand zusehen.
[314] 4. Lai von Ywenec (1, 282). Der Geliebte kommt in Gestalt eines Vogels in den Thurm zu der Liebsten, und wird von hinterlistig aufgestellten Messern zerschnitten. Sie folgt der Blutspur. Das Märchen von dem blauen Vogel bei der Gräfin Aulnoy (Nr. 3).

In dem eigentlichen England und in den schottischen Niederungen, wo die aus der Mischung der angelsächsischen mit der französischen gebildete Sprache herrscht, mag die Quelle der lebendigen Sage nicht weniger reichhaltig fließen, indem zu der altgalischen hinzukam was der deutsche Stamm der Angelsachsen einführte, so wie auch von den Dänen manches mag übergegangen sein. Wahrscheinlich sind die deutschen Märchen im Ganzen auch dort einheimisch, bei einigen, dem Froschkönig (Nr. 1) und dem Machandelbaum (Nr. 47), ist es aus gelegentlich von Leyden im Wörterbuch mitgetheilten Bruchstücken nachgewiesen: von dem singenden Knochen (Nr. 28) gibt es in Schottland ein Lied, und der goldene Vogel (Nr. 57) scheint schon angelsächsisch niedergeschrieben zu sein. Jamieson hat in den Northern antiquities 1814. S. 397–403 (vergl. dessen Popular ballads 1, 217) ein mit Versen untermischtes Märchen bekannt gemacht, welches in einem bei Musäus sein Gegenstück findet und mit einem dänischen Lied (Kämpe Viser 1, 218) noch näher zusammen zu hangen scheint; im Shakespeare wird es erwähnt. Nur ist bisher wenig aufgefaßt oder mitgetheilt worden[14]. In der Literatur ist dieses Fach mit Übersetzungen aus dem französischen ausgefüllt worden. In Gullivers Lilliputian library stehen sechs Märchen, die aber aus der Aulnoy genommen sind. Die gegenwärtig das Bedürfnis versorgende und daher oft aufgelegte Sammlung von Benjamin Tabart[15] ist eine leichte Arbeit, die meist aus französischen [315] Übersetzungen nach Perrault, der Gräfin Aulnoy, der Frau von Beaumont, der 1001 Nacht besteht; auch sind andere bekannte Erzählungen wie von dem englischen Räuber Robin Hood, von welchem es auch Volkslieder gibt, eingerückt. Eigenthümlicher und echt englischer Märchen finden sich nur drei darin, die indessen auch gut und merkwürdig sind und eine nähere Anzeige verdienen. 1. Hans der Riesentödter (Jack the giant killer 3, 1–37). Hans ist der Sohn eines Landmanns in Cornwallis und weiß durch List die Riesen in England zu besiegen. Der erste ist Cormoran. Hans gräbt in des Riesen Weg eine tiefe Grube und bedeckt sie mit Reisern und Stroh; dann bläst er sein Hörnchen. Der Riese, in seiner Ruh gestört, kommt heran, fällt in die Grube und wird getödtet. Hans erhält nun von der Obrigkeit zur Belohnung ein Schwert und einen Gürtel, worauf mit goldenen Buchstaben gestickt ist

„dies ist der tapfere cornische Mann,
der schlug den Riesen Cormoran.“

An diesem Gürtel wird er von dem Riesen Blunderborn erkannt, der ihn schlafend findet und in sein Waldschloß trägt. Dort schließt er ihn ein und geht einen andern Riesen, seinen Bruder, zu holen. Hans sieht aus seinem Fenster beide zurückkommen, und da es gerade über dem Thore ist, so wirft er einem jeden beim Eintritt eine Schlinge um den Hals und erdrosselt sie. In dem Schloß findet Hans drei Frauen, lebend an ihren Haaren aufgehängt, weil sie nicht von dem Fleisch ihrer ermordeten Männer essen wollten. Er macht sie los und schenkt ihnen für ihre Leiden das ganze Schloß. Der dritte Riese stellt sich freundlich und verbirgt seine Bosheit. Hans kehrt als ein Wanderer bei ihm ein und bittet um ein Nachtlager. Er kann aber nicht schlafen und hört neben im Gemach den Riesen auf und abschreiten und mit sich sprechen „der daneben schläft soll das Tageslicht nicht wieder erblicken: meine Keule soll dir das Gehirn einschlagen.“ „Pfeifst du aus dem Ton“ sagt Hans, [316] „aber wart, wir wollen sehen wer der klügste ist“, springt auf, legt ein großes Scheit Holz an seinen Platz ins Bett und versteckt sich in eine Ecke des Zimmers. Um Mitternacht kommt der Riese, thut ein paar gewaltige Schläge aufs Bett und geht wieder fort. Am Morgen als Hans, den der Riese zerschmettert glaubt, ganz heil und gesund zu ihm tritt, erschrickt er und sagt „ei, seid ihrs, nun wie habt ihr geschlafen, habt ihr etwas gesehen oder gehört?“ „Nichts der Rede werth, eine unruhige Ratte, glaub ich, gab mir drei oder vier Schläge mit ihrem Schwanz, ich schlief aber gleich wieder ein“. Der Riese, ganz verwirrt, läßt eine große Schüssel mit Pudding zum Frühstück bringen. Hans denkt der Riese soll doch nicht sehen daß ich nicht so wie er essen kann und steckt die Bissen heimlich in einen ledernen Sack, so daß der Riese nicht anders meint als er schlucke sie hinunter. Nach dem Essen sagt er zu dem Riesen „jetzt will ich euch ein Kunststück zeigen, ich heile alle Wunden in einem Augenblick; ich könnte mir, wenn ich Lust hätte, den Kopf abschneiden und ohne Schaden wieder aufsetzen.“ Dann schneidet er sich den ledernen Sack an seinem Leib auf (als schnitte er den Magen auf) und läßt den Pudding auf die Erde rollen. Der Riese beschämt will ihm das nachthun und sticht sich das Messer in den Leib, so daß er gleich todt hinfällt. Hans begibt sich jetzt in den Dienst eines Königssohns, der so großmüthig ist daß er alles weggibt. Als er seinen letzten Pfennig einem alten Weib gereicht hat, weiß er nicht wo er die Nacht zubringen soll. „Seid ohne Sorge“, spricht Hans, „zwei Meilen von hier wohnt ein Riese der hat drei Köpfe und will mit fünfzehnhundert gewaffneten Männern es aufnehmen und sie in die Flucht schlagen“. „Ach“, antwortet der Prinz, „wir werden kaum einen von seinen hohlen Zähnen ausfüllen“. „Herr, laßt mich gewähren“, spricht Hans. Hans reitet in aller Eile zu dem Riesen „lieber Öhm“, redet er ihn an, „der Königssohn kommt mit zweitausend bewaffneten Männern, die wollen dich tödten und dir deine Burg zerstören“. „Lieber Vetter“, antwortet der Ungeschlachte, „ich habe ein Gewölbe unter der Erde, dahinein verschließ mich und bewahr den Schlüssel, bis der Königssohn vorbei ist“. Hans läßt sich das nicht zweimal sagen; nachdem der Riese eingeschlossen ist, holt er den Prinzen in das Schloß und beide thun sich gütlich. Den nächsten Morgen gibt erst Hans dem Prinzen noch Gold und Silber, begleitet ihn drei Meilen und reitet dann zurück, seinen Öhm wieder aus [317] dem Gewölbe zu befreien. Dieser will ihm den geleisteten Dienst lohnen, Jack verlangt dafür einen Mantel der unsichtbar macht, eine Kappe welche Weisheit verleiht, ein Schwert das alles zerschneidet, und ein paar Schuhe von großer Schnelligkeit, womit Hans bald seinen Herrn wieder eingeholt hat. Sie kommen am Abend zu einer schönen Jungfrau welche sie wohl empfängt und bewirthet, die aber in der Gewalt eines Zauberers steht. Nach dem Essen nimmt sie ein Tuch, wischt sich den Mund und spricht „Herr, ihr müßt euch dem Gesetze des Hauses fügen, morgen früh müßt ihr mir sagen können, wem ich dieses Tuch gebe, oder ihr müßt den Kopf verlieren“. Hans setzt seine Weisheitskappe auf und erfährt daß die Jungfrau durch die Kraft der Zauberei gezwungen wird jede Nacht mit einem bösen Zauberer im Walde zusammen zu treffen. Alsbald hängt er seinen Mantel der Unsichtbarkeit um und eilt auf den Schuhen der Schnelligkeit fort, so daß er früher als die Jungfrau im Walde ist. Wie sie kommt, reicht sie dem Zauberer das Tuch, aber Hans haut mit seinem Schwert dem nichts widersteht, alsbald ihm das Haupt ab, wodurch der Zauber vernichtet und die schöne Jungfrau befreit wird, mit welcher sich der Königssohn vermählt. Hans kann nicht lange ruhig sein, er macht sich wieder gegen die Riesen auf. Bald erblickt er auch einen Riesen der einen Jüngling und eine Jungfrau an den Haaren trägt. Hans, unsichtbar, haut auf den Riesen los, so weit er mit seinem Schwert reichen kann, und haut ihm unter den Knien so in die Beine daß er niederfällt, wobei die Erde zittert und die Bäume beben. Hans schlägt ihm nun den Kopf ab. Die Befreiten laden ihn ein, er will aber erst des Riesen Höhle besuchen. Vor dem Eingang derselben sitzt der Bruder des Riesen auf einem Block von Bauholz, seine eiserne Keule neben sich. Hans, unsichtbar, tödtet ihn und sendet dem König die Häupter der beiden Riesen. In der Höhle befreit er eine Menge Gefangener, wovon der Riese, wenn ihm die Lust ankam, den fettesten zu schlachten und zu essen pflegte. Hans theilt die Schätze des Riesen unter diese aus. Als Chundel, ein zweiköpfiger Riese, den Tod der beiden Verwandten hört, macht er sich auf Rache zu nehmen. Hans ist gerade, auf einem Fest bei jenen beiden die er befreit hat, als er hört daß der Riese kommt. Das Haus ist mit einem Graben umgeben, Hans läßt die Brücke darüber in der Mitte durchschneiden und lauft dann unsichtbar dem Riesen entgegen. Dieser wittert ihn ohne ihn zu sehen und ruft

[318]

„fa, fe, fi, fo, fum,
ich schmeck Blut von einem englischen Mann,
sei er lebend, sei er todt,
will malen seine Knochen, draus machen mein Brot“.

Jetzt thut Hans seine Schnellschuhe an und wirft seinen Mantel ab, so daß ihn der Riese sehen kann. Dann fängt er an zu laufen, der Riese, gleich einem wandelnden Thurm, hinter ihm her. Hans lauft ein paarmal um den Graben zur Belustigung der Zuschauer, dann über die Brücke, der Riese folgt ihm nach, und da diese schon eingeschnitten ist, bricht sie unter seiner Wucht zusammen, und er stürzt hinab ins Wasser. Hans wirft ihm ein Seil um die beiden Köpfe, läßt ihn durch ein Gespann Pferde heraufziehen und haut ihm die Köpfe ab, die er dem König schickt. Endlich besiegt Hans noch einen Riesen der einem Zauberer dient, welcher alle die er in seine Gewalt bekommt, in Thiere verwandelt. Vor dem Eingang zu seiner Burg liegen ein paar Drachen, aber Hans geht unsichtbar hindurch und findet eine goldene Trompete; wer auf dieser blasen kann, richtet den Riesen zu Grund. Hans bläst daß die Thüren aufspringen und die ganze Burg erbebt. Der Riese und der Zauberer kommen demüthig, jener wird getödtet und dieser von einem Wirbelwind fortgetragen.

Hans ist kein anderer als in den deutschen Märchen der tapfere Schneider (Nr. 20) welcher durch seine List die Riesen in Schrecken setzt und besiegt, obgleich in den Begebenheiten selbst nur der eine Zug übereinstimmt daß er Nachts, als der Riese ihn todtschlagen will, diesen täuscht und sich vorher aus dem Bett macht.

2. Leben und Abenteuer des Tom Däumling (The life and adventures of Tom Thumb 3, 37–52. Schon 1621 erschien Tom Tumbe the Little). Tom Däumling ist so groß als seines Vaters Daumen, wie seine Mutter es gewünscht hatte, wächst auch nicht mehr. Feen begünstigen ihn und kleiden ihn: ein Eichlatt ist sein Hut, sein Hemd von Spinnegeweb und Distelflaum, seine Strümpfe von Apfelschalen, seine Schuhe von Mäusehaut. Dabei ist er aber klug und verschlagen. Im Kinderspiel mit Kirschensteinen kriecht er in die Säcke seiner Kameraden und holt sich neuen Vorrath, wenn er den seinigen verloren hat; doch einmal wird er erwischt. Der Bestohlene bindet ihm den Faden des Sacks um den Nacken und schüttelt ihn nun mit den Steinen, die ihn gewaltig zerschlagen. Einmal rührt seine Mutter Pudding ein, er steigt neugierig [319] auf den Rand der Schüssel und fällt hinein, ohne daß sie es merkt. Er wird mit ins heiße Wasser gethan und arbeitet sich in dem Teig herum, so daß seine Mutter glaubt der Pudding wäre behext und ihn einem vorbeigehenden Kesselflicker schenkt. Der Däumling, sobald er den Teig aus dem Munde bringen kann, fängt laut an zu schreien. Der Kesselflicker voll Furcht wirft den Pudding über eine Hecke, er springt entzwei und Tom, erlöst, kehrt zu seiner Mutter heim, die ihn küßt und zu Bett legt. Als sie beschäftigt ist die Kuh zu melken, bindet sie ihn mit etwas Zwirn an eine Distel, damit ihn der Wind nicht wegwehe. Eine Kuh nimmt ihn aber sammt der Distel ins Maul. Während sie kaut, schreit der Däumling in gewaltiger Angst vor den großen Zähnen, die ihn zu zermalmen drohen „Mutter! Mutter!“ „Wo bist du lieber Tom?“ ruft sie. „Ach, hier im Maul der rothen Kuh“. Die Kuh über den wunderlichen Lärm in ihrem Schlund erschrocken, öffnet den Mund und läßt ihn wieder herausfallen. Der Vater macht ihm eine Peitsche von Gerstenstroh, damit das Vieh zu treiben. Eines Tags pickt ihn ein Rabe mit einem Korn in einer Furche auf, fliegt mit ihm auf die Zinne einer Riesenburg nach der Seeseite und läßt ihn da liegen. Der Riese findet ihn und schluckt ihn sammt seinen Kleidern als eine Pille, speit ihn aber wieder in die See, wo ihn ein großer Fisch verschlingt. Der Fisch kommt auf die Tafel des Königs, und als er aufgeschnitten wird, erscheint zu aller Freude der kleine Däumling. Der König macht ihn zu seinem Zwerg. Wenn er ausreitet, nimmt er ihn in die Hand, und wenn Regenschauer kommen, kriecht Tom so lange in des Königs Westentasche. Der König erlaubt ihm seine Eltern zu besuchen und aus seinem Schatz so viel mitzunehmen als er tragen kann. Der Däumling nimmt mit vieler Mühe ein drei Pfennigstück in einem Beutlein auf seinen Rücken und geht an der halben Meile zwei Tage und zwei Nächte; seine Mutter findet ihn halb todt vor der Thüre. Er wird mit Freuden aufgenommen, besonders da er eine so große Summe Geldes mitbringt. Sie setzen ihn in einer Wallnußschale ans Feuer und bewirthen ihn drei Tage lang mit einer Haselnuß, was ihm übel bekommt, da er sich dabei übernimmt, denn sonst hätte sie ihm für einen ganzen Monat genügt. Der Däumling kann, da es geregnet hat, nicht zurückreisen, seine Mutter setzt ihn daher auf ihre Hand und bläst ihn mit einem Athem nach dem Hofe des Königs zurück. Als er dort krank wird, [320] kommt die Fee und nimmt ihn mit ins Feenland, wo er sich wieder erholt und erquickt. Als er ganz gesund ist, muß ihn ein sanfter Wind zurück an den Hof des Königs treiben. Unglücklicherweise trägt gerade der Koch eine Schüssel voll Suppe für den König daher, der Däumling plumpt mitten hinein, so daß die Brühe dem Koch in die Augen spritzt. Zum Glück erblickt er einen Müller der mit offenem Maule da steht, Tom thut einen Satz und springt ihm ins Maul, ohne daß es jemand merkt. Er macht Lärm in des Müllers Hals, dieser, in Furcht behext zu sein, läßt einen Arzt kommen. Tom tanzt und singt, dem Arzt wird Angst, er schickt nach andern, indessen gähnt der Müller einmal, da thut Tom wieder einen Satz mitten auf die Tafel. Der Müller, ganz ärgerlich, packt ihn und wirft ihn zum Fenster hinaus in einen Fluß, wo ihn ein Lachs alsbald aufschnappt. Der Lachs geräth in die Hände eines Kochs, der den armen Tom beim Aufschneiden des Fisches findet. Er eilt damit zum König, der hat aber Geschäfte und bestimmt einen andern Tag wo er den Zwerg sehen will. Der Koch setzt ihn also in eine Mäusefalle, wo er eine ganze Woche hinter dem Draht piept. Der König läßt ihn nun wieder zu sich holen, verzeiht ihm, macht ihn zum Ritter und gibt ihm Kleider, ein Hemd von Schmetterlingsflügel, Stiefel von Küchleinsfell; sein Degen ist eine Schneiders Nadel und sein Pferd eine Maus. Er reitet mit dem König auf die Jagd, eine Katze erwischt einmal die Maus und den kleinen Tom und springt damit auf einen Baum, aber Tom zieht tapfer sein Schwert und greift die Katze an, bis sie ihn fallen läßt. Der König und seine Herrn eilen ihm zu Hülfe, einer nimmt ihn in seinen Hut, aber Tom ist übel zugerichtet von den Krallen der Katze. Die Fee holt ihn wieder und behält ihn einige Jahre bei sich, darauf schickt sie ihn, in ein reines Blatt gekleidet, fliegend hinab auf die Erde, wo ein anderer König herrscht. Dieser ist entzückt von ihm, läßt ihm einen kleinen Sessel machen, weil er mit ihm an der Tafel sitzen soll: ferner ein spannehohes Haus von Gold, worin er wohnen soll; auch gibt er ihm eine Kutsche die von Mäusen gezogen wird. Die Königin, über diese Gunst eifersüchtig, beschließt sein Verderben und klagt ihn beim König an daß er sich ungebührlich betragen habe; der König geräth in Zorn, Tom kriecht in ein leeres Schneckenhaus und liegt da bis er fast verschmachtet ist. Da schaut er heraus und sieht einen Schmetterling der ausruht. Tom setzt sich [321] rittlings auf, der Schmetterling erhebt sich und fliegt fort, zuletzt an den Hof des Königs. Alle wollen ihn haschen, aber sie können nicht. Doch Tom, da er nicht Zaum und Sattel hat, rutscht herab und fällt in Schmand, wo er beinahe ersäuft gefunden wird. Er soll nun hingerichtet werden, da dies nicht sogleich geht, wird er in eine Mausefalle gesperrt; eine Katze zerbricht die Falle und der Däumling wird frei. Doch eine Spinne die ihn für eine Fliege ansieht, setzt ihm zu: er zieht sein Schwert und kämpft ritterlich, aber der giftige Athem der Spinne tödtet ihn, und sie saugt ihm sein Blut aus.

Im deutschen entspricht das Märchen von Daumesdick (Nr. 37) und dem Schneider Daumerling (Nr. 45).

3. Jack und der Bohnenstengel (Jack and the beanstalk. 4, 108–136). Jack, der einzige Sohn einer armen Wittwe, hört auf nichts was ihm seine Mutter sagt, ist darum sorglos, ungezogen, aber nicht bösartig. Sie gibt ihm eine Kuh, das letzte was sie hat, um sie zu verkaufen. Jack vertauscht sie einem Metzger für ein paar bunte Bohnen. Als er damit heim kommt, wirft sie die Mutter unwillig weg, einige fallen in den Garten, und am folgenden Morgen sieht Jack mit Erstaunen daß sie aufgegangen und wunderbar gewachsen sind. Die Stengel, ganz dick und in einander geflochten, bilden eine Leiter, deren Ende Jack nicht ersehen kann, und die bis in die Wolken zu reichen scheint. Gegen seiner Mutter Willen steigt er hinauf und kommt nach einigen Stunden ganz erschöpft zu der Spitze. Er findet eine fremde Gegend ohne Baum, Strauch, Haus, auch keine lebende Creatur, bloß Stücke roher Steine liegen hier und da. Er geht fort, begegnet endlich einer alten, armen und zerlumpten Frau; sie ist aber eine Fee und erzählt ihm von seinem Vater, von dem Jack noch nie etwas gehört hat. Ein böser Riese hatte ihn aus Neid, weil er ein guter Mann war, der seinen Reichthum mit Dürftigen theilte, ums Leben gebracht und seine Schätze weggenommen. Jack war noch ein Kind, ihm und der Mutter schenkte der Riese nur unter der Bedingung das Leben daß sie die Unthat nie jemand offenbare. Die Fee war es, die Jack angetrieben hatte, die Bohnen einzuhandeln und welche die Leiter daraus hatte wachsen lassen. Der Riese, sagt sie ihm, wohne in der Nähe, er solle seinen Vater an ihm rächen und seine Schätze wiedernehmen. Jack macht sich auf, am Abend kommt er an des Riesen Haus, die Frau steht [322] vor der Thüre. Sie ist gutmüthig und verbirgt ihn im Ofen vor dem Menschenfresser. Der Riese kommt heim und wittert die frische Speise, aber die Frau beruhigt ihn. Nach dem Essen sagt er zu ihr „bringe mir die Henne“. Sie bringt eine Henne die goldene Eier legt. Der Riese vergnügt sich daran, bis er einschläft und schnarcht. Jetzt kriecht Jack hervor, packt die Henne und eilt damit fort. Er findet auch glücklich den Weg zum Bohnenstengel und bringt den Schatz seiner Mutter, so daß sie jetzt ohne Sorgen leben. Jack macht sich zum zweitenmal die Bohnenleiter hinauf, doch so verkleidet daß ihn die Riesenfrau nicht erkennen kann; sie steht an der Thüre und versteckt ihn wieder. Es geht wie das vorigemal, Jack nimmt dem schnarchenden Riesen zwei Beutel weg, einen mit Gold, den andern mit Silber. Zwar fängt ein Hündchen an zu bellen, aber Jack beschwichtigt es mit einem Brocken und kommt glücklich mit der Beute heim. Seine Mutter findet er krank aus Kummer über seine Abwesenheit, doch erholt sie sich bald wieder. Eine Zeitlang bleibt er bei ihr, zuletzt kann er nicht widerstehen und steigt zum drittenmal die Bohnenleiter hinauf. Der Riese läßt sich nach dem Essen eine Harfe bringen die von selbst spielt; nachdem er eingeschlafen ist, kommt Jack hervor und nimmt sie weg. Aber die Zauberharfe ruft „Meister, Meister, Meister!“ Der Riese erwacht, noch trunken kann er anfangs sich nicht auf den Beinen halten, doch taumelt er ihm endlich nach. Jack aber langt zuerst bei der Bohnenleiter an und ruft oben schon nach einem Beil; wie er unten ist, nimmt er es gleich und hackt die Bohnenstengel entzwei, so daß der Riese der eben daran herabsteigt, sich todt fallen muß. Vergl. das Märchen von dem himmlischen Dreschflegel (Nr. 112).


Dänemark und Schweden.

Manche nordische Sage hat schon einen ganz märchenhaften Anstrich bekommen, wie etwa die Erzählung von Bodvar Biarke und seinen Brüdern (in der Hrolf Krages Sage, s. Müllers. Sagenbibl. 2, 505), oder von Illuge (das. 656); auch ist die Anmerkung zu dem Märchen, wo einer fürchten lernt (Nr. 4), und zu Sneewitchen [323] (Nr. 53) nachzusehen. Das Märchen vom Feuerfunken in der Blomsturwalla Saga (Altd. Wälder 3, 284). Indessen gehört eine weitere Ausführung dieser Bemerkung an einen andern Ort.

In dem heutigen Dänemark sind nach mündlicher Versicherung Thieles etwa dieselben Märchen im Umlauf, die in Deutschland bekannt sind; in der Vorrede zu dem ersten Theil seiner dänischen Sagen S. 3 führt er selbst einige an, und theilt daselbst S. 47 ein unserm Märchen von den Wichtelmännern (Nr. 39, 3) sehr ähnliches mit. Einen märchenhaften Grund enthalten auch jene Volkslieder, die in der neuen Ausgabe der Kämpeviser in der zweiten Abtheilung des ersten Bandes (S. 175–352) vorkommen; des Liedes vom Meermann Rosmer wird noch bei den drei Schwestern des Musäus besonders gedacht werden.

In Schweden hat man Übersetzungen der französischen Märchen von Perrault und der Gräfin Aulnoy, von welcher namentlich der blaue Vogel beliebt und daher oft als fliegendes Blatt gedruckt ist. Es scheinen aber auch dort die deutschen Märchen im Gang zu sein; einige nähere Nachrichten verdanken wir H. R. v. Schröter, der folgende in Schweden selbst aus dem Mund des Volks aufgezeichnet hat.

1. Brüderchen und Schwesterchen. In Upland, deutsch Nr. 11. Viel dürftiger und ohne besondere Eigenthümlichkeiten. Die ermordete Königin kommt in der Donnerstagnacht im weißen Kleid und mit einer langen rasselnden Kette. Zu ihrem Hündchen das in die Küche sich verkrochen hat, sagt sie „hast du nichts zu essen?“ da gibt ihr das Hündchen ein paar Bissen Brot. Sie fragt weiter „was macht mein kleines Kind?“ „Das schläft“. „Liegt der Hexe Tochter in meines Liebsten Arm?“ „Nein“. Sie geht seufzend fort und kommt in der nächsten Donnerstagnacht wieder. Zum drittenmal weint sie bitterlich und sagt „dies ist das letztemal, errettet mich niemand, so bin ich dem Meerweib verfallen“. Da erlöst sie der König der gelauscht hat, indem er ihre Kette zerhaut. Die falsche Königin wird in geschmolzenes Blei geworfen. Besser bei Cavallius S. 144.
2. Die drei Feen. Aus Ostgothland, deutsch Nr. 63. Die drei Aufgaben sind das feinste Linnen, der beste Hund und die schönste Frau.
[324] 3. Das Erdmännchen. Ganz mit dem deutschen (Nr. 91) übereinstimmend. Eine gemeine und schlechte Bearbeitung ist gedruckt, En ikke alldeles ny men dock sällsam historia om Lunkentus (so heißt nämlich das Erdmännchen). Jönköping 1818.
4. Der Graumantel. Aus Ostgothland. Ein König hat drei Töchter und liebt vorzüglich die jüngste. Ein mal verirrt er sich im Wald, wo er hinaus will, immer tritt ihm ein Mann in grauem Mantel entgegen. „Wenn du fort willst“, sagt er, „so gib mir das erste lebende Wesen, was dir bei deiner Ankunft begegnet“. Der König denkt „das wird wie immer mein Windspiel sein“, und sagt „ja“. Es ist aber seine jüngste und liebste Tochter. Er schickt die beiden ältesten dem Graumantel nach einander in den Wald hinaus, aber dieser sendet jede reich beschenkt zurück. Graumantel erhält nun die jüngste, führt sie in ein prächtiges Schloß und schenkt ihr alle Herrlichkeiten darin, nur verbietet er ihr eine einzige Lucke im Fußboden des Zimmers zu öffnen. Er zeigt sich nur beim Essen, wo er sie bedient; Nachts im Traum erscheint ihr ein schöner Jüngling. Einmal als Graumantel abwesend ist, überwältigt sie die Neugierde, sie öffnet die Lucke und sieht darunter gerade den Graumantel stehen. Indem kommt er auch aus der Ferne daher gegangen und fragt zornig „was hast du unter der Lucke gesehen?“ Sie kann vor Schrecken nicht antworten und fällt wie todt zur Erde nieder; beim Erwachen ist das Schloß mit allen Herrlichkeiten verschwunden und sie befindet sich in einer Wildnis. Hier erblickt sie auf der Jagd ein König und nimmt sie mit und wegen ihrer Schönheit macht er sie zu seiner Gemahlin. Wie sie aber bei der Trauung ja gesagt hat, vergeht ihr die Sprache und sie wird stumm. Sie bringt einen Sohn zur Welt, Graumantel erscheint und fragt was sie unter der Lucke gesehen habe? und da sie vor Schrecken nicht antwortet, so nimmt er das Kind mit und macht ihr den Mund blutig. Ebenso beim zweiten Knaben; das läßt der König noch hingehen, als aber beim drittenmal sich dasselbe ereignet, so soll sie als Hexe verbrannt werden. Schon steht sie auf dem Scheiterhaufen, da erscheint der Graumantel und fragt abermals „was hast du in der Lucke gesehen?“ Sie überwindet da ihre Angst und sagt „dich sah ich, du abscheulicher Graumantel“. In demselben Augenblick fällt der graue Mantel wie Asche zusammen und der schöne Jüngling [325] den sie im Traum gesehen, steht vor ihr. Er nimmt sie mit auf sein Schloß, wo sie ihre drei Kinder findet, und erzählt ihr eine Waldfrau deren Liebe er verschmäht, habe ihn so verwandelt daß sein Leib unsichtbar, nur der graue Mantel sichtbar sein solle; und erlöst könne er nur werden, wenn eine Königstochter mit ihm getraut würde, ihn liebe und drei Söhne mit ihm zeuge, ihn gleichwohl so hasse daß sie vor seinem Anblick erschrecke und sich abwende. In einer etwas süßlichen Bearbeitung gedruckt, Grå kappan eller bedröflig och mycket angenäm historia om den däjelige Prinsen Rosimandro. Nyköping 1818. Aber gut erzählt bei Molbech Nr. 14. Hängt mit dem deutschen Löweneckerchen (Nr. 88) und dem Marienkind (Nr. 3) zusammen.


Deutschland.
1. Märchen einer Amme. 1764. Ist uns wie das folgende blos dem Titel nach bekannt, beide enthalten wahrscheinlich nur Übersetzungen aus dem französischen.
2. Romane und Feyenmärchen, Glogau 1770.
3. Einige Feenmärchen für Kinder. Berlin 1780. Übersetzungen aus dem französischen des Perrault und der Gräfin Aulnoy.
3a. Wintermärchen bei langen Winterabenden zu erzählen. Basel 1780. Sommermärchen. Das. 1783. Nur der Titel wird in der allgemeinen deutschen Bibliothek angegeben.
4. Volksmärchen der Deutschen von Musäus. Gotha 1782.

Musäus bearbeitete eigentlich Volkssagen, so wie nachher Ottmar und Frau Naubert, von welchen deshalb hier so wenig die Rede sein kann, als von andern Sammlungen ähnlicher Art; doch gab er ihnen manchmal märchenhafte Einkleidung. Märchen in dem Sinne unsers Buchs sind folgende.

a. Die drei Schwestern Thl. 1. Im Pentamerone (4, 3). Die drei Könige, einfacher und reiner. Die Episode vom Zauberer Zornebock scheint ein Zusatz von Musäus, sonst stimmt es im Ganzen ziemlich mit dem italienischen Märchen, wiewohl man deutlich sieht daß Musäus dieses nicht [326] gekannt hat. Im dänischen haben die Lieder vom Meermann Rosmer (Kämpe Viser 1, 218–233) denselben Grund, womit ein schottisches Märchen bei Jamieson (s. oben) wiederum übereinstimmt; beidesmal heißt der Bruder der die Schwestern befreit, Roland, womit Reinald bei Musäus zusammenkommt. In den Popular ballads 1, 217 macht Jamieson folgende Anmerkung zu der Übersetzung des dänischen Liedes it may be observed, that there is a striking resemblance between the story of Rosmer Hafmand and the romance of child Rowland (not yet entirely lost in Scotland), wich is quoted by Mad Tom in Shakespeare:

Child Rowland to the dark tower came (the fairy comes in)
with fi, fi, fo and fum!
I smell the blood of a british man!
be he dead, be he living, wi’ my brand,
I’ll dash his harns frae his harn-pan.

Wie in dem Märchen der Adler, so reicht im Schah Nameh der Riesenvogel Simurg dem Knaben Sal aus seinem Gefieder eine Feder, wenn er in Noth sei, solle er sie ins Feuer werfen (auch das Reiben im Märchen soll sie entzünden), und auf der Stelle werde er ihm durch die Wolken zu Hülfe geflogen kommen (Fundgruben 3, 63).

b. Richilde Thl. 1. Unser Sneewittchen (Nr. 53).
c. Rolands Knappen Thl. 1. Hat einige Verwandtschaft mit Nr. 36 und 54.
d. Ulrich mit dem Bühel Thl. 4.

Die Sage von dem Huhn mit dem goldenen Ei ist gut erzählt und mit der von zwei Freiern, dem verwachsenen und höckerichten verknüpft. Darin der alte Hexenreim

„winde dich in ein Knauel!
runde dich wie ein Plauel!“

e. Die Nymphe des Brunnens Thl. 2. Verwandt mit Aschenputtel (Nr. 21), Frau Holle (Nr. 24) und Allerleirauh (Nr. 65).
[327] 5. Kindermärchen aus mündlichen Erzählungen gesammelt. Erfurt 1787.

Die Angabe auf dem Titel ist richtig, es liegen mündliche Überlieferungen zu Grund, allein sie sind dürftig, und die Erzählung ist ungeschickt und schlecht. Nur vier Stücke.

a. Das Vögelchen mit dem goldenen Ei S. 1–57. Der Eingang aus den beiden Brüdern (Nr. 60), die Folge aus dem Märchen vom Krautesel (Nr. 122), ohne einen eigenthümlichen Zug; nur S. 26 kommt vor daß der welcher das Vogelherz gegessen, auf seiner Fahrt in einem Wald auf drei (Riesen) stößt, die sich um einen Mantel zanken, welcher den der ihn um hat, dahin trägt wo er sich hinwünscht. Jeder will ihn haben, und er läßt sich doch nicht zertheilen. Sie geben ihn für Gold weg. S. die Anmerkung zum goldenen Berg (Nr. 92).
b. Weißtäubchen S. 58–93. Ein armes elternloses Mädchen schützt ein weißes Täubchen gegen den Geier. Es geräth in die Hände eines Zauberers, und da es ihm widerstrebt, schmiedet er es an einen Felsen, wo es Schlangen tödten sollen. Aber Weißtäubchen kommt, legt Blätter um das Mädchen herum, vor welchen die Schlangen sich scheuen, bringt ihm Speise und liest ihm die Thränen von den Wangen ab. Der Zauberer holt es wieder, es muß Magd bei ihm sein und ihm die Füße waschen, auch seidene Läppchen soll es zupfen; dabei kommt das Täubchen und hilft. Als der Zauberer einmal eingeschlafen ist, zieht ihm das Mädchen den Ring ab, und als er beim Erwachen in den Stein desselben blickt, fällt er todt nieder. Weißtäubchen, indem ihm das Mädchen den Kopf abreißt und diesen gen Morgen, den Rumpf gen Abend wirft, wird zu einem schönen Jüngling.
c. Der treue Fuchs S. 94–150. Das Märchen vom goldenen Vogel (Nr. 57).
d. Königin Wilowitte mit ihren zwei Töchtern S. 151–186. Ein Riese verfolgt eine Königin mit ihren beiden Töchtern: in der Gefahr verwandelt eine gute Alte alle drei in Blumen. Der Riese, getäuscht, fällt zur Erde [328] und ritzt sich die Hand, so daß Blut fließt. Die Alte hebt etliche Tropfen von seinem Blut auf und gibt es zwei Königssöhnen, die um die Jungfrauen geworben haben, weil das Blut dienen könne diesen die menschliche Gestalt wieder zu verschaffen; auch gibt sie jedem einen Zweig von seiner Blume, der werde frisch sich erhalten, so lang ihre Liebe treu und rein bleibe. Der älteste, voll von irdischer Lust, geräth zu einer bösen Zauberin, bei der sein Zweig welkt, und die ihn hernach in einen Bock verwandelt. Der jüngste, von treuem Herzen, begegnet dem Riesen, der ihn packt und verzehren will; aber als er schläft, bestreicht der Jüngling sein Schwert mit den Tropfen des Riesenbluts und sticht es ihm ins Herz. Sterbend entdeckt ihm der Riese drei Tropfen von seinem Herzblut würden dem der sich damit bestreiche, Schönheit verleihen und Liebe bei andern entzünden. Der Königssohn nimmt das Herzblut mit und kommt gleichfalls zu jener bösen Zauberin die das Wasser des Lebens besitzt. Sie sucht auch ihn zu verführen, und da das nicht gelingt, stiehlt sie ihm das Herzblut des Riesen und bestreicht sich damit. In dem Augenblick aber verbrennt sie, denn der Riese wollte nach dem Tod sich noch durch diese Lüge an dem Königssohn rächen. Dieser wird jetzt Herr von dem Wasser des Lebens, gibt erst seinem Bruder und den andern Thieren der Zauberin die menschliche Gestalt zurück und eilt auch die drei geliebten Blumen damit zu entzaubern. Im Gang des Ganzen, namentlich im Suchen des Lebenswassers, ist einige Übereinstimmung mit unserm Märchen Nr. 97.
6. Ammenmärchen (von Vulpius). Weimar 1791. 92. 2 Bände. Einige scheinen sich auf mündliche Überlieferungen zu gründen; wir heben folgende aus.
a. Ein König ist krank und kann nur durch Feigen geheilt werden, er verspricht dem der sie bringt, seine Tochter zur Gemahlin. Von drei Brüdern gelingt es dem jüngsten. Ehe ihn aber die Königstochter nimmt, legt sie ihm schwere Aufgaben vor, die er durch Hilfe dankbarer Thiere vollbringt. Er muß erstens einen Ring aus dem [329] Wasser holen; ein Fisch trägt ihn herbei, den er vorher aus dem Sand in sein Element gebracht hatte. Zweitens soll er ein Kränzchen aus dem Himmel und einen Brand aus der Hölle bringen; jenen holt ein weißes Täubchen, diesen ein schwarzes, die er beide einmal, als sie sich gebissen, auseinander gejagt hatte. Drittens soll er neun Malter von neunerlei Getraide auseinander lesen; das vollbringen Ameisen die er einmal gesättigt hatte. Endlich soll er neunhundert Hasen hüten; ein Pfeifchen das er erhalten hat, lockt sie immer wieder zusammen. In der Einleitung das Märchen vom Wasser des Lebens (Nr. 97), hernach das von der weißen Schlange (Nr. 17).
b. Der König fängt einen seltsamen Mann, den er in einen Thurm setzt, den aber sein Sohn heimlich los läßt, weil er ihm einen Ball der beim Spiel hineingeflogen ist, nicht eher geben will. Das Märchen vom Eisenhans (Nr. 136) mit einigen Abweichungen am Schluß.
7. Märchen und Erzählungen. Riga 1796. An sich unbedeutend und für uns ganz leer.
8. Das Märleinbuch für meine lieben Nachbarsleute in zwei Bändchen. Leipzig 1799.

Eigentliche Kindermärchen sind die sechs ersten nicht, doch mögen Anklänge daraus so wie aus Volkssagen benutzt sein. Dem Verf. (der sich Peter Kling nennt) fehlt es nicht ganz an Phantasie, doch ermüdet bald die Manier alles in einzelnen, zerstückten Sätzen vorzutragen. Das siebente Märchen (S. 113–130) enthält wohl im Zusammenhang eine mündliche Überlieferung und stimmt im Ganzen mit dem Löweneckerchen (Nr. 88) und Eisenofen (Nr. 127). Der Vater zieht auf die Messe, die bei den ältesten Töchter wollen Putz mitgebracht haben, die jüngste bittet bescheiden nur um ein Zweiglein mit drei Eicheln an einem Stengel. Der Vater verirrt sich im Wald und kommt zu einem Schloß das ganz leer steht, wo er aber auf das herrlichste bewirthet wird. In der Nacht kommt der Bär, bringt das Zweiglein mit den drei Eicheln, wofür ihm der Vater die Tochter versprechen muß. Zu Haus werden die Thüren geschlossen, der Bär kommt aber doch zweimal in der Nacht herein und nimmt [330] zum drittenmal die Braut mit. Er ruht alle Nacht an ihrer Seite, bis ihr ein Zwerg einen Trank bringt, den sie um Mitternacht über ihn ausschüttet, worauf er eine Stunde lang seine menschliche Gestalt wieder erhält. Dies ist die Einleitung zu seiner Entzauberung, die möglich geworden ist, so wie ein Knäblein drei Jahre, drei Monate, drei Tage, drei Stunden und drei Minuten alt auf ihrem Schooß liegt. Nun steckt sie dem Bär, als er schläft, eine von den Eicheln in den Mund, die zweite ißt sie, die dritte steckt sie in die Erde, so wie diese keimt, hört aller Zauber auf.

9. Feenmärchen. Braunschweig 1801.

Der Verfasser sagt daß er sie nach Erinnerungen aus seiner Jugend aufgeschrieben habe, auch blickt der gute Grund durch, indessen hat er vieles aus eigenen Mitteln zugesetzt, und glücklich ist er in der Darstellung eben auch nicht. Wir heben die neun folgenden heraus, die übrigen sieben enthalten keine eigentliche Märchen.

a. Die belohnte Freigebigkeit S. 1. Ein Märchen von der guten und bösen Schwester, wie in der Frau Holle (Nr. 24), doch sehr modernisiert.
b. Der Riesenwald S. 44. Das Märchen von dem liebsten Roland (Nr. 56).
c. Parsonet und Mathilde S. 73. Nach Percinet et Gracieuse der Gräfin Aulnoy.
d. Die drei Gürtel S. 122. Es wird erzählt wie eine Braut ihren Liebsten der sie vergessen hat, wieder an sich erinnert, indem sie der falschen Braut köstliche Dinge für das Recht gibt sich ihm nur einen Augenblick zu nähern; ähnliches im Löweneckerchen (Nr. 88). Eigenthümlich aber gewis echt ist der Zug daß sie als Müllerin einen Zudringlichen heißt eine Thüre zumachen, indem er aber diese zuschlägt, eine andere aufspringt, und so immer fort, so daß er die ganze Nacht Thüren zumachen muß. Dasselbe kommt auch im Pentam. im Märchen von der Rosella (3, 9) vor, welches überhaupt mit diesem verwandt ist.
e. Die wahrsagenden Vögel S. 168. Das Märchen von den beiden Wanderern (Nr. 107).
[331] f. Das Schloß im Walde S. 206. Erlösung einer Schlangenjungfrau durch Schweigen, welches anfangs nicht ganz glückt. Nicht recht märchenhaft.
g. Der König und seine drei Söhne S. 271. Die drei Federn (Nr. 63). Unter andern soll der Dummling auch einen Kahn bringen, an dem kein Spänchen gehauen und der gerade in dieser Gestalt gewachsen ist. Das feinste Linnengeweb bringt er in einem Gerstenkorn das noch in einer Nuß steckt.
h. Das singende klingende Bäumchen S. 322. Das Märchen vom Löweneckerchen (Nr. 88) und dem Eisenofen (Nr. 127).
i. Die sieben Schwäne S. 349. Unser Märchen Nr. 49.
10. Kindermärchen von E. A. Eschke 2te Aufl. Berlin 1804. Moralische Erzählungen ohne Gehalt.
11. Kindermärchen von Albert Ludwig Grimm. Heidelberg 1809. Zweite Aufl. Heidelb. 1817. Dritte Aufl. Frankf. a. M. 1839. Aus mündlichen Erzählungen nur drei.
a. Schneewitchen. Bei uns Nr. 53. Dramatisch und ausführlich behandelt mit eigenen Abänderungen.
b. Hans Dudeltee. Bei uns der Fischer Nr. 19. Vergl. die dortige Anmerkung.
c. Die drei Königssöhne. Das Märchen von der Bienenkönigin (Nr. 62).
12. Volkssagen, Märchen und Legenden gesammelt von Joh. Gust. Büsching. Zwei Abtheilungen. Leipzig 1812. Darin fünf Märchen S. 245–96.
a. Der Machandelboom. Bei uns Nr. 47.
b. Der Fischer. Bei uns Nr. 19.
c. Der Popanz. Das Märchen vom Teufel mit den goldnen Haaren (Nr. 29).
e. Die Padde. Die drei Federn (Nr. 63).
f. Bauer Kibitz. Das Bürle (Nr. 61).
13. Wintermärchen vom Gevatter Johann. Jena 1813. Nur dem Titel nach neu und schon zehn Jahre früher erschienen. Sie haben mit der Leipziger Sammlung (Nr. 8) einen Verfasser, sind auch in derselben Manier geschrieben. Nur das sechste und zum Theil [332] das fünfte haben Werth, die andern sind bis auf wenige Einzelheiten, hohle Erfindungen.
14. Kindermärchen von C. W. Contessa, Fouqué und Hoffmann. Berlin 1816. Drei Stücke von eigener Erfindung. Vielleicht hat zu dem erstern „das Gastmahl“, eine Volkssage, Veranlassung gegeben; die meisten oft feinen Züge aus der Kinderwelt hat das letzte, der Nußknacker und Mäusekönig.
15. Linas Märchenbuch von Albert Lud. Grimm. 2 Bände. Frankfurt 1816. Hierher gehören nur zwei Stücke.
a. Brunnenhold und Brunnenstark S. 191. Unser Märchen von den beiden Brüdern (Nr. 60), das aber vollständiger ist.
b. Knüppel aus dem Sacke S. 315. Bei uns Nr. 36.
16. Poetische Sagen der Vorzeit, als Legenden, Volkssagen, Märchen und Schwänke gesammelt von C. F. Solbrig. Magdeburg 1817. Enthält nichts neues.
17. Märchen und Jugenderinnerungen von E. M. Arndt. Berlin 1818. In eigener und lebendiger Darstellung Sagen, Märchen, Lieder verschiedener Gegenden, namentlich des Nordens mit Ausschmückungen und Zusätzen. Wir bemerken hier nur eins von der Insel Rügen, das uns am treusten aufgefaßt scheint, die sieben Mäuse S. 1. Weil die Kinder unter der Kirche spielen, so verwünscht sie ihre Mutter zu Mäusen; vergl. unser Märchen von sieben Raben (Nr. 25), welches verwandt ist.
18. Fabeln, Märchen und Erzählungen für Kinder von Caroline Stahl. Nürnb. 1818.

Großentheils echte, aus mündlicher Überlieferung gesammelte Märchen, die eben darum, wenn sie auch oft nicht sehr vollständig sind, Werth behalten. Die Erzählung ist gerade nicht ausgezeichnet, aber doch einfach und ohne Überladung. Wir bemerken folgende.

a. Däumling S. 13. Nur fingerlang, obgleich achtzehn Jahr alt. Seine Brüder jagen ihn fort, er springt in des Königs Wagen und versteckt sich in eine Rockfalte der Königin. Sie findet ihn und will ihn tödten lassen, der König, in dessen Rocktasche er sich rettet, nimmt sich aber seiner an. Er kommt in allerlei Gefahr, wird einmal vom Ofen herabgekehrt, rettet sich aber noch in eine [333] Ecke. Dem König wirft er eine Tasse mit vergiftetem Trank aus der Hand und steigt immer mehr in seiner Gnade. Er wird gekleidet und bekommt eine Nadel zum Degen. Er kämpft damit gegen eine Katze und sticht einen Mörder, der den König im Schlaf umbringen will, damit durch die Hand, so daß er erschrickt, der König aber erwacht; vergl. unser Märchen Nr. 37 und 45.
b. Die Gevatterinnen S. 19. Eine Königin bittet erst einen Frosch zu Gevatter, dann eine Eule, hernach eine Maus. Jedesmal begaben sie die Kinder nicht nur mit Schönheit sondern das älteste Mädchen bekommt auch goldene Haare, dem zweiten fallen Perlen aus den Augen, dem dritten Edelsteine aus dem Mund. Beim vierten Kind will der König die Gevatterschaft eines Fisches nicht, der sich gemeldet hat. Dafür bleibt das Mädchen unbegabt und wird häßlich, allein es wird auch nicht eitel und stolz wie seine Schwestern sondern gut und freundlich. Es sieht einmal wie böse Buben einen Frosch quälen, befreit ihn und gibt sein Taschentuch dafür, eben so befreit es eine Maus, eine Eule, endlich einen Fisch, wofür es seine Kleidungsstücke hingibt, so daß es nur das nöthigste anbehält und barfuß heimkommt. Der König schilt es aus, aber der Fisch verwandelt sich in eine Fee, begabt nun das gute Mädchen und verleiht ihm die Schönheit seiner Schwestern.
c. Die Müllerstöchter S. 41. Der Räuberbräutigam (Nr. 40). Um zu der Höhle des Räubers zu gelangen, bindet das Mädchen einen Knaul an dessen Schlitten und fährt dem Faden nach.
d. Die Haselnüsse. Eine Alte kommt zu drei Schwestern, wovon die zwei ältesten bös, die jüngste gut ist. Sie schenkt dieser für die Pflege drei Haselnüsse. Hernach zeigt sich daß in der einen das feinste Linnengeweb liegt, in der zweiten ein Hündchen, in der dritten steckt ein Kern der herausfällt und einen ganzen Wald erzeugt. Das alles hatte die Königin sich gewünscht, und dem guten Mädchen wird ihre Gunst und ein großes Glück zu Theil.
[334] e. Der undankbare Zwerg. Schneeweißchen, ein armes Kind, findet im Wald einen Zwerg der mit seinem Bart in einen gespaltenen Baum eingeklemmt ist: gutherzig holt es eine Scheere und macht ihn frei. Der Zwerg zieht hierauf einen Sack mit Geld unter dem Baum hervor und geht, ohne etwas davon zu geben oder nur zu danken, damit fort. Bald darauf findet Schneeweißchen mit seinem Schwesterchen Rosenroth denselben Zwerg mit Fischfang beschäftigt; sein Bart hatte sich in die Angelschnur verwickelt und ein Fisch der angebissen, zog nun das schreiende Männchen ins Wasser. Die Kinder halten es fest, aber Bart und Schnur ist nicht zu entwirren. Schneeweißchen lauft heim, holt die Scheere und schneidet die Angelschnur entzwei. Da etwas von dem Bart dabei verloren geht, so murrt der Zwerg darüber, und ohne Dank macht er sich mit einem Sack voll Perlen auf den Weg. Zum drittenmal befreien ihn die Kinder, als ein Adler ihn auf dem Feld packen und forttragen will. Auch hier geht der Zwerg mit einem Sack voll Edelsteine ohne Klang und Sang fort. Endlich finden sie ihn unter den Tatzen eines Bären, da sagt das falsche Geschöpf „lieber Bär, ich gebe dir mein Geld, Perlen und Edelsteine und diese beiden Kinder da, die sind ein besserer Bissen als ich, laß mich nur los“. Der Bär aber kehrt sich nicht daran, frißt den Zwerg und geht seiner Wege. Schneeweißchen und Rosenroth finden nun die Reichthümer des undankbaren Zwergs, tragen sie heim und befreien ihre Eltern und Geschwister aus aller Noth. Unser Märchen Nr. 161.
f. Das Stäbchen S. 85. Rumpelstilzchen (Nr. 55) mit einiger Veränderung.
g. Häuschen von Zuckerwerk S. 92. Ein Stück aus dem Märchen von Hans und Grethel (Nr. 15), wie die beiden Kinder bei der Hexe gefüttert werden und sich befreien.
h. Die gute und böse Schwester S. 164. Frau Holle (Nr. 24) nach unvollkommener Überlieferung.
[335] 19. Das Buch der Märchen für Kindheit und Jugend von J. A. C. Löhr. Leipzig. 1818. 2 Bände.

An verschiedenen Orten zusammengesucht, das meiste ist aus der 1001 Nacht, manches aus unserer Sammlung. Etwas Neues kommt aber nicht vor.

20. Kindermärchen zur Unterhaltung und Bildung für die Jugend von G. C. Grote. Meissen (1819).

Sieben Stücke moralischer Fabeln von unbedeutender Erfindung. Hin und wieder sind Erinnerungen aus Märchen benutzt. In Nr. 5 einige Züge aus dem goldenen Vogel (Nr. 57), in Nr. 6 die Geschichte vom Tischchen deck dich (Nr. 36), aber völlig modernisiert.

21. Lauter unschuldige Märchen. Nürnberg 1820. 2 Bändchen. Enthält wie das folgende nichts neues, sondern beide haben aus andern geborgt; öfter aus unserm Buch.
22. Märchen und Sagen für die Jugend erzählt von Moriz Thieme. Berlin 1820.
23. Volkssagen und Märchen der Deutschen und Ausländer herausgegeben von Lothar. Leipzig 1820. Enthält drei deutsche Märchen.
a. Mantel, Spiegel und Fläschchen S. 13. Drei Brüder ziehen aus, der jüngste oder der Dummling erlangt den Preis. Dem Grunde nach unser Märchen Nr. 63 und 64, eingemischt ist Nr. 129.
b. Der Zauberer. Bei uns der Jud im Dorn (Nr. 110).
c. Der Erzgauner. Bei Straparola (1, 2) etwas anders, aber besser und vollständiger.
24. Märchensammlung von P. Eberhardt. Berlin 1821. Unbedeutend, ohne das geringste Eigene zusammengelesen.
25. Des Knaben Lustwald. 2 Theile. Nürnberg 1821 und 22.

Der Mädchen Lustgarten. Erlangen, ohne Jahr. Liefert zwar auch nichts Neues, nennt aber seine Quellen und ist nach einem Plan und mit mehr Sorgfalt behandelt; die Märchen sind größtentheils aus unserer Sammlung genommen.

26. Titania oder moralische Feenmärchen für Kinder von W. Gottschalk. Berlin 1822. Übersetzungen aus dem Französischen und der 1001 Nacht, auch eigene Erfindungen.


[336]
Slawen.

Dieser weit ausgebreitete Stamm besitzt eine Fülle von Sagen und Märchen. Besondere Sammlungen davon werden neue Aufschlüsse über die Verwandtschaft der Sagen überhaupt liefern und außerdem, da hier die Literatur noch nicht störend eingewirkt hat, den Inhalt in großer Vollständigkeit erfassen. Einen Blick in den Reichthum der Serbier gewähren einige schätzbare Nachrichten, die Schottky (in Büschings wöchentlichen Nachrichten Bd. 4) gegeben. Er sagt daß man füglich zehn Bände mit serbischen Sagen und Märchen füllen könne, so groß sei ihre Zahl. Sie scheiden sich wie die Lieder in zwei Hauptklassen, in Erzählungen der Männer und Weiber; zu den erstern gehören auch die Märchen. Ein paar, die Schottky mittheilt, sind gerade für uns merkwürdig und wichtig, da sie sich im Deutschen wieder finden. Hier nur ein Auszug.

1. Der Bartlose und der Knabe. Der Vater schickt seinen Sohn mit Getraide in die Mühle, er soll aber da nicht mahlen, wo er den Bartlos (wodurch ein listiger Betrüger angedeutet wird) findet. Als er nun zur Mühle kommt und der Bartlos schon darin mahlt, so geht er zu einer andern Mühle, aber auch hier ist ihm Bartlos zuvorgekommen und hat schon aufgeschüttet. Der Knabe geht zur dritten Mühle, aber Bartlos ist auch schon da. Er entschließt sich nun zu bleiben, und als Bartlos fertig ist, schüttet er sein Getraide auf. Als ein wenig Mehl vorhanden ist, spricht Bartlos „wir wollen von deinem Mehl ein Brot backen, geh und trag Wasser mit hohlen Händen in den Mehlkasten, ich will derweil den Teig machen“. Der Knabe trägt so lange Wasser bis alles Mehl herausgebeutelt ist und Bartlos ein einziges Brot daraus geknätet hat. Dies wird gleich in Asche und Glut gebacken, und als es fertig ist, sagt Bartlos „wer am besten lügen kann, kriegt das ganze Brot“. Bartlos fängt nun an und lügt allerlei untereinander. „Kannst du es nicht besser?“ sagt der Knabe und hebt an, „in meinen jungen Jahren, als ich ein alter Mann war, zählte ich jeden Morgen unsere Bienen; die Bienen konnte ich wohl zählen, aber nicht die vielen Bienenstöcke. Als ich einmal zählte, fehlte der beste Bienrich“[16]. [337] Ich sattelte einen Hahn, setzte ihm nach und kam auf seine Spur. Das Meer hielt mich nicht auf, ich ritt auf einer Brücke darüber hin. Jenseits sah ich den Bienrich wie er in einen Pflug eingespannt war, womit einer ein Stück Land zum Hirsenfeld umackerte. Ich schrie „der Bienrich ist mein!“ der Mann gab mir ihn wieder und noch einen Sack, mit der eben geerndeten Hirse gefüllt, zum Ackerlohn. Ich hieng dem Bienrich den Sack um den Rücken, nahm den Sattel vom Hahn und schnallte ihn auf den Bienrich; den Hahn mußte ich an der Hand neben führen, weil er so müde war. Aber auf der Brücke über das Meer sprang an dem Sack ein Strick, und die Hirse rollte all heraus. An dem Ufer überfiel mich die Nacht, ich hieng den Hahn an den Bienrich und legte mich schlafen. Beim Erwachen sah ich daß Wölfe meinen Bienrich gefressen hatten und der Honig aus seinem Leib geflossen war. Der Honig stieg in den Thälern bis zu den Knöcheln, auf den Gebirgen bis über die Knie. Ich nahm eine Hacke und lief damit in den Wald, zwei Rehe sprangen da auf einem Bein herum. Ich zerschmetterte sie mit der Hacke, zog ihnen die Haut ab und machte zwei Schläuche davon, die ich mit dem Honig füllte und dem Hahn auflegte. So kam ich nach Haus, da war eben mein Vater geboren, und ich mußte nun zu Gott gehen, um Weihwasser zu holen. Wie sollte ich hinkommen? Ich dachte an meinen Hirsen, er war im Nassen aufgegangen und bis zum Himmel empor gewachsen. Ich stieg daran hinauf, als ich zu Gott kam, hatte er von meinem Hirsen gemäht und ein Brot daraus gebacken, das er in gekochte Milch bröselte und aß. Er gab mir Weihwasser, als ich aber zurück wollte, hatte ein gewaltiger Sturmwind meine Hirse weggeführt und ich konnte nicht herunter. Da ich aber lange Haare hatte (wenn ich lag, so reichten sie bis auf die Erde, wenn ich stand, bis an die Ohren), so riß ich sie aus, knüpfte eins ans andere fest und fieng an daran herabzusteigen. Als es finster ward, machte ich einen Knoten in die Haare und blieb so hängen. Es fror mich, ich nahm eine Nähnadel die ich zum Glück im Kleide hatte, spaltete sie und machte von den Stücken ein Feuer an, dabei legte ich mich schlafen, aber ein Funke kam mir an die Haare und brannte durch, so daß das Haar riß, ich auf die Erde fiel und bis an die Brust versank. Ich konnte mir nicht helfen, ich mußte nach Haus gehen und ein Grabscheit holen, damit grub ich mich aus der Erde los. Auf dem Heimwege kam ich über unser Feld, auf dem die Schnitter das Getreide [338] schnitten, aber wegen der großen Hitze wollten sie nicht länger arbeiten. Ich lief und holte die Stute, die zwei Tage lang und bis Mittag breit ist, auf deren Rücken Weiden wachsen; in dem Schatten derselben konnten die Schnitter fortschneiden. Nun verlangten sie frisches Wasser, aber als sie an den Fluß kamen, war er zugefroren. Ich nahm meinen Kopf herunter, schlug damit ein Loch in das Eis und brachte den Leuten Wasser. Sie fragten „wo ist dein Kopf geblieben?“ Ich sah daß ich ihn vergessen hatte und lief schnell zurück. Ein Fuchs fraß eben das Gehirn aus dem Schädel, sachte schlich ich herbei und gab ihm einen Tritt in den Hintern. Da erschrack der Fuchs, es entfuhr ihm ein Wind und der brachte einen Zettel heraus, darauf stand geschrieben „mir Brot und dem Bartlos Dreck“. Damit nahm der Knabe das Brot und gieng heim. Bei Wuk Nr. 44.

Dies Märchen stimmt zusammen mit dem himmlischen Dreschflegel (Nr. 112), denn offenbar ist das Hinauf- und Herabsteigen die Hauptsache und beiden gemeinschaftlich; sonst ist das serbische viel vollständiger.

2. Bartlos und der Riese[17]. Der listige Bartlos hat mit einem Riesen gewettet daß ihm die größte Körperkraft zu Gebot stehe. Der Riese reißt den stärksten Baum im Wald mit der Wurzel aus. Bartlos hat indessen einen langen Strick gedreht und sagt jenes sei gar nichts, er wolle mit dem Strick eine ganze Menge solcher Bäume umklaftern, sie dann niederwerfen und als ein Bündel zusammenschnüren. Der Riese erschrickt und denkt „so was kann ich freilich nicht“. Hernach wirft der Riese seinen Streitkolben in die Luft und fängt ihn mit der Hand. Bartlos duckt den Kopf und schaut aufs Gebirge. „Was schaust du?“ fragt der Riese. „Ei, ich suche mir den Platz aus wo der Kolben niederfallen soll, wenn ich ihn in die Luft schleudere“. „Thue das nicht“, sagt der Riese, „dort steht gerade mein Haus, worin Frau und Kinder wohnen, die möchtest du erschlagen“. So gewinnt Bartlos die Wette. Vollständig bei Wuk Nr. 1.

Es sind einzelne Züge, die in dem deutschen Märchen von dem tapfern Schneider (Nr. 20) ganz ähnlich vorkommen; er wirft mit dem Riesen einen Stein in die Wette und versucht sich mit ihm im Tragen eines Eichbaums.

[339] 3. Bärensohn. Ein Weib sammelt im Gebirg Färberröthe, verirrt sich und wird von einem Bären in seine Höhle geschleppt, wo sie einen Knaben mit ihm zeugt. Nach einem Jahr entkommt sie, aber das Kind bleibt bei dem Bären der es aufzieht. Als der Knabe einen Baum mit der Wurzel ausreißen und wie einen Stab gebrauchen kann, entläßt ihn der Bär in die Welt. Der Bärensohn (Medvedovitsch) kommt auf das Feld eines Paschas, wo mehr als tausend pflügen; er ißt dort die Speisen der tausend Ackersleute und gewinnt damit alle Ochsen samt den Pflügen. Er nimmt aber bloß was an diesen von Eisen ist, bindets mit jungen Birken zusammen, steckts an seinen Stab und trägts auf der Schulter fort. Ein Schmied soll ihm von dem Eisen einen Kolben zu seinem Handgriff machen. Der Bärensohn schläft während der Schmied arbeitet, dieser nimmt nur die eine Hälfte des Eisens, weil der Kolben doch groß genug wird, und stiehlt die andere. Als der Bärensohn erwacht ist, will er den Kolben versuchen, wirft ihn in die Höhe, duckt sich und läßt ihn auf den Rücken niederfallen. Da zerspringt der Kolben. Nun erschlägt er den Dieb mit dem Handgriff, sucht dann in der Werkstätte das versteckte Eisen, bindet den zerbrochenen Kolben dazu, lädt es auf die Schulter und geht zu einem zweiten Schmied. Dieser verfertigt mit vier Gesellen aus dem sämtlichen Eisen den Kolben. Bärensohn will ihn versuchen, wirft ihn in die Luft und duckt sich, so daß der Kolben aufs Rückkreuz fällt und ihm einen sonderbaren Laut auspreßt. Nun ist er zufrieden, geht weiter und findet einen Mann der mit einem Pfluge ackert, dem nur zwei Ochsen vorgespannt sind. Er wettet mit ihm er werde nicht satt von dem Mittagsessen werden, das dieser ihm überlassen will. Die Tochter des Ackermanns bringt es herbei; sie trägt an ihrem Gürtel einen Spinnrocken, um den so viele Wolle gewunden ist als in einem vollen Wollsacke ein Pferd auf einer Seite tragen kann. Bärensohn will das Essen gleich in den Mund schieben, aber der Wirth nöthigt ihn erst ein Kreuz zu machen und zu sprechen „im Namen Gottes des Vaters, des Sohns und des heiligen Geistes!“ Jetzt ist er, nachdem er bloß die Hälfte aufgezehrt hat, schon satt. Das Mädchen gefällt ihm, er will es heirathen. „Warum nicht“, antwortet der Vater, „aber ich habe es schon dem Großschnauzbart versprochen“. „O den will ich gleich erschlagen!“ Indem erhebt sich ein Rauschen, Großschnauzbarts linker Bart erscheint hinter einem Berg, dreihundert sechs und sechzig Vogelnester sind [340] darin zerstreut. Großschnauzbart erscheint endlich selbst, legt seinen Kopf in des Mädchens Schooß und läßt sich lausen. Bärensohn schlägt ihm zweimal mit dem Kolben auf den Kopf, er spricht jedesmal „da beißts mich!“ bis ihm das Mädchen sagt es sei keine Laus sondern ein Mann der ihn schlage. Großschnauzbart springt zornig auf, Bärensohn wirft seinen Kolben weg und entflieht. Er gelangt zu einen Strom, ein Mann der da Weizen wurfelt, nimmt ihn auf seine Schaufel und schwingt ihn hinüber. Großschnauzbart aber ist mit einem Satz über dem Strom. Jetzt rettet sich Bärensohn in den Ranzen eines Mannes, aus dem dieser türkischen Waizen zu säen beschäftigt ist. Als Großschnauzbart heran kommt, sagt ihm der Mann Bärensohn sei längst entflohen, und er muß unverrichteter Sache abziehen. Der Mann der immer eine Hand voll Samen in die Erde streut, die andere in den Mund steckt, vergißt des Bärensohns und steckt ihn mit einer Hand voll Körner in den Mund. Bärensohn springt zwischen den Zähnen herum, bis er sich in einen hohlen Zahn[18] rettet. Als der Sämann Abends heimkommt, verlangt er einen Zahnstocher. Es werden eiserne Stangen gebracht, diese auf beiden Seiten in die Höhlung des Zahns gestemmt und Bärensohn mit einem Druck herausgeschnellt. Der Mann der ihn ganz vergessen hatte, verwundert sich darüber. Bärensohn setzt sich mit zu Tisch und fragt den Wirth warum gerade der eine Zahn hohl sei. Der Wirth erzählt nun eine Geschichte, wie er einmal mit zehn Gesellen, vierzig Pferden und den Salzsäcken die diese getragen, in einer Höhle bei Regenwetter habe übernachten müssen. Morgens seien sie erst gewahr worden, daß was ihnen eine Höhle geschienen, nichts als ein Menschenschädel gewesen. Ehe sie aber noch herausgegangen, sei ein Weinberghüter daher gerannt, der, um einen Vogel zu verscheuchen, den Schädel auf seine Schleuder gelegt und ihn auf ein benachbartes Gebürg geworfen habe. Beim Herabfallen sei ihm der Zahn abgebrochen, in welchem Bärensohn gesteckt habe.

Bis dahin wo der Bärensohn sich verheirathen will, ist es sichtbar unser deutsches Märchen von dem jungen Riesen (Nr. 90), [341] hernach wird auf eine sehr gute und lustige Weise das Ungeheuere und Riesenhafte gesteigert und überboten.


Bei den Russen sind noch keine Märchen gesammelt. Zwar scheint in einem Buch mit dem Titel Altrussische Märchen von Johann Richter (Leipzig 1817) der Anfang gemacht, aber dieser erste Band enthält nichts als die Übersetzung einer russischen Erzählung, der Ritter Bulat oder der goldene Kelch und die heilige Krone, die eine höchst unbedeutende, allegorisch gemeinte Erfindung ist, ohne Spur von einem echten Märchen[19]. Dagegen aus reiner Quelle geschöpft sind die in der Nähe von Moskwa gesammelten Lieder, die v. Busse unter dem Titel „Fürst Wladimir und dessen Tafelrunde“ herausgegeben hat (Leipzig 1819). Manches darin ist völlig märchenhaft. Ilja in dem 2ten und 6ten Liede ist der Dummling deutscher Märchen. Seine gewaltige Kraft schlummert, dreißig Jahre sitzt er unthätig und unbehülflich: da erhebt er sich, tödtet den von allen gefürchteten Feind mit einem Pfeilschuß der durch neun Baumäste schlägt, oder er faßt seinen Gegner um die Hüften, wirft ihn in die Luft und fängt ihn wieder; den Wein trinkt er aus einem Eimer. Er ist im Charakter mit dem Siegfried des Nibelungelieds verwandt, wie der trotzige Knabe Wassily der die Vögte die ihn greifen wollen, fortjagt. Tschurilo im 3ten Liede gleicht dem jungen Riesen im deutschen Märchen (Nr. 90); er zerreißt sechs Häute wie morsches Linnen und bricht, wie jener, einen Eichbaum sammt den Wurzeln aus der Erde, um damit zu kämpfen; wenn er einem Pferd die Hand auf den Rücken legt, so sinkt es nieder. Sein Roß duldet ihn allein, wie das Roß Grane den Sigurd. Nugarin im 1ten Liede wirft mit solcher Kraft einen Stein daß er wie ein Vogel fliegt, gerade wie der tapfere Schneider (Nr. 20) dasselbe thun will, aber heimlich wirklich einen Vogel statt des Steins dazu genommen hat.


[342] Die Böhmen haben zwar einige Sammlungen ihrer Märchen, doch verdient keine Lob: sie enthalten ein paar überarbeitete und durch Zusätze erweiterte Stücke.

1. Sagen der böhmischen Vorzeit. Prag 1808. Ohne Werth, wir bemerken nur ein Märchen (S. 141–185), die goldene Ente, welches in der nächsten Sammlung dem Inhalt nach übereinstimmend, doch in besserer Fassung vorkommt.
2. Volksmärchen der Böhmen bearbeitet von Wolfgang Adolph Gerle. 2 Bände. Prag 1819. Hierher gehörig sind nur folgende Stücke.
Erster Band.
a. (I) Die Riesen im Scharkathal. Ein Vater gibt vor seinem Ende seinem Sohn eine Zither wonach alles tanzen muß, und einen Stab der jeglichen tödtet. Mit diesen Zauberdingen besiegt er drei Riesen, einen schwarzen, weißen und rothen, und erlangt ihre Waffen. Dann bezwingt er den Bösen dem der Herzog seine Tochter verschrieben hatte, und wird ihr Gemahl.
b. (VI) Die Schöne im eisernen Thurm. Eine Zauberin lockt durch ihre Schönheit die Jünglinge zu sich und verwandelt sie in Thiere. Ein schönes Mädchen das sie in einen Thurm eingeschlossen hält, wollen vier Brüder befreien. Drei davon sind schon in ihrer Gewalt, dem vierten gelingt es ihr, als sie schläft, den goldenen Schlüssel zu dem Thurm wegzunehmen. Er heirathet die Schöne, aber die Zauberin nimmt ihre Gestalt an und lebt eine Zeitlang mit ihm, bis der Granatapfel einer guten Fee den Betrug an den Tag bringt.
c. (VII) St. Walburgis Nachttraum oder die drei Gesellen. Drei Gesellen ziehen aus dem gelobten Lande heim: einer von ihnen hat große Schätze erbeutet. Als er schläft, blenden ihm die andern mit einem glühenden Eisen die Augen und nehmen seinen Schatz. Der Blinde steigt auf einen Baum, gegen zwölf Uhr hört er, da es Walburgisnacht ist, Hexen die von ihren Zauberkünsten reden. Sie entdecken daß am Morgen ein Thau fällt, der seine Augen heilt: daß in der Stadt ein Wassermangel ist, man aber nur bei der Statue des hl. Martinus zwei Schuh [343] tief zu graben brauche: endlich daß die Herzogstochter am Aussatz leide, der nur geheilt werden könne, wenn man einer Kröte die unter dem Altar sitze, die Hostie die sie im Maul habe, wegnehme und der Prinzessin durch einen Priester reiche. Der Blinde macht sich die Entdeckungen zu Nutz, erhält sein Gesicht wieder, verschaft der Stadt Wasser, und wird Gemahl der geheilten Prinzessin und Herzog. Danach werden seine ehemaligen Gesellen vor ihn geführt: der eine hat sich bei der Prinzessin als Arzt ausgegeben, wollte aber nur ihre Kostbarkeiten rauben und ward entdeckt; er gesteht sein früheres Verbrechen, die Blendung der Augen und Raub des Schatzes. Der zweite wird auch herbeigeholt, und beide sollen gerichtet werden. Aber der junge Herzog schenket ihnen das Leben und er mahnt sie zur Besserung. Im Deutschen das Märchen von den Krähen (Nr. 107).
Zweiter Band.
d. (II) Die Zwillingsbrüder. Im Deutschen die beiden Brüder (Nr. 60), hier dürftiger und schlechter, ohne einen neuen Zug.
e. (V) Die goldene Ente. Einem guten Mädchen schenkt eine Fee die Gabe daß seine Thränen zu Perlen, seine ausgekämmten Haare zu Gold werden. Als es herangewachsen ist, wird es wegen dieser Gaben und wegen seiner Schönheit an einen Grafen versprochen, der durch seinen Bruder von ihm gehört hatte. Sollten aber die Wundergaben dauern, so durfte sie kein Sonnenstrahl berühren. Als sie von ihrer Muhme und deren Tochter, mit welcher sie auferzogen war, zu dem Bräutigam geleitet wird, fällt, indem die Muhme einmal den Wagen öffnet, ein Sonnenstrahl auf sie: alsbald wird sie in eine goldene Ente verwandelt, welche wegschwimmt. Die Muhme gibt ihre Tochter bei dem Grafen für die Braut aus, und um die Abwesenheit derselben zu erklären, sagt sie, diese sei unterwegs von Räubern fortgeführt worden. Da die falsche Braut aber weder schön ist noch die Wundergaben besitzt, behandelt sie der Graf schlecht und läßt den [344] Bruder der rechten Braut in einen Thurm werfen. Zu diesem kommt die goldene Ente, der Graf bemerkt sie, lauscht und hört ihr Gespräch das ihm den gespielten Betrug offenbart. Er fängt sie zweimal, aber jedesmal entflieht sie; endlich, als die falsche Braut gestorben ist und der Graf Besserung seines wilden Lebens gelobt hat, kommt sie wieder und erhält von der guten Fee die menschliche Gestalt zurück. Stimmt mit dem deutschen Märchen von der schwarzen und weißen Braut (Nr. 135) und im Eingang mit der Frau Holle (Nr. 25). Im Pentamerone die beiden Kuchen (4, 7).

Von demselben Verfasser steht in der Abendzeitung 1821 Nr. 195–199 das Märchen von den sieben Raben. Es ist das deutsche von den sechs Schwänen und sieben Raben (Nr. 25 und 49) mit einigen Zusätzen und Ausschmückungen. Echt ist gewis die eigenthümliche Wendung daß die Mutter ihre Kinder in Raben verwünscht, weil sie das Brot weggegessen haben, woraus sie ihrer übermüthigen Gebieterin hat weiche Schuhe bereiten sollen.

3. Märchen- und Sagenbuch der Böhmen von A. W. Griesel. 2 Bände. Prag 1820.

Enthält kein einziges echtes Märchen sondern sogenannte poetische Bearbeitungen von ein paar Sagen, oder bloße Erfindungen; vielleicht kommen einzelne wahre Züge vor.


Einige Nachrichten über polnische Märchen (poriastka) verdanken wir dem gelehrten Dobrowsky. Die meisten der dort bekannten sollen auch in Deutschland vorkommen, einige sind namhaft gemacht.

1. Ein Wolf kommt zu drei Königskindern und bittet um eine Gabe. Zwei wollen ihn erschießen. Aus der Gegend von Krakau. Wahrscheinlich das deutsche Märchen vom goldenen Vogel (Nr. 57).
2. Ein Dummling soll heirathen. Die Mutter schickt ihn zu ihrer Freundin die eine Tochter hat. In der Gegend von Krakau und Lublin bekannt. Mag der gescheidte Hans (Nr. 32) sein.
[345] 3. Die Königstochter war heimlich fortgegangen und kommt zu einem Einsiedler den sie um Herberge bittet; er will sie aber nicht aufnehmen.
4. Drei Königstöchter, darunter zwei Zauberinnen, zertanzen alle Tage zwei paar Schuhe. Sie sind Nachts über Land geflogen. Ohne Zweifel das deutsche Märchen von den zertanzten Schuhen (Nr. 133).
5. Aschenbrödel. Deutsch Nr. 21.
6. Räuber hatten in einer Höhle ihr Raubnest. Die Höhle öffnete sich sobald sie sagten „öffne dich Felsen angelweit!“ Ein Dummer bemerkt es und sagt es ihnen nach. Im Deutschen Simeliberg (Nr. 142).

Graf Jos. Ossolinski in Wien soll eine große Sammlung von polnischen Märchen besitzen.


Ungarn.

Einsicht gewähren die Märchen der Magyaren bearbeitet und herausgegeben von Georg von Gaal. Wien 1822. Der Verfasser hat sie, wie es in der Vorrede S. V ausdrücklich heißt, aus dem Munde eines alten Ungarn der keine andere als seine Muttersprache verstand, aufgenommen. Man erkennt auch überall den echten, oft trefflichen Grund, und darum ist die Gabe dankenswerth; an der Darstellung könnte man tadeln daß sie zu gedehnt sei und manchmal an jene falsche Ironie streife, von der sich moderne Erzähler, wie es scheint, nicht leicht losmachen. Die meisten dieser Märchen entsprechen ähnlichen deutschen.

1. Das wunderbare Tabakspfeifchen. Im Deutschen das blaue Licht (Nr. 116).
2. Waldhütermärchen. Scheint aus zweien zusammengesetzt, der Eingang von dem über die Geburt von zwölf Kindern wahnsinnig gewordenen Vater gehört nicht zu dem folgenden, wo ein Dummling sein Glück macht.
3. Die gläserne Hacke. In der Einleitung stimmt es mit dem deutschen Märchen von den Königskindern (Nr. 113), in der Entwickelung mit dem Liebsten Roland (Nr. 56), und wegen [346] den Verwandlungen am Schluß, wo das schwarze Mädchen aus einem Thier in ein anderes, immer schwächeres, übergeht, ist zu vergleichen de Gaudeif und sien Mester (Nr. 68).
4. Des Teufels Schrecken. Ein bekannter Schwank. Der Teufel nimmt ein Weib, wird aber so geplagt daß er es bald wieder verläßt und hernach in die größte Angst kann gejagt werden, wenn man ihn droht es herbei zu holen.
5. Die Speckfestung. Mit dem Erdmänneken (Nr. 91) nah verwandt; in der Entwickelung nähert es sich einer oben S. 164. 165 mitgetheilten Erzählung.
6. Märchen vom Pfennig. Im Deutschen kein entsprechendes.
7. Fischermärchen. Im Deutschen der König vom goldenen Berge (Nr. 92). Auch die merkwürdige Theilung der drei Wunderdinge kommt vor. Drei Zwerge haben sie von ihrem Vater, einem Riesen, geerbt: es ist ein unsichtbar machender Mantel, ein Meilenschuh und ein Geldbeutel der nicht leer wird.
8. Die dankbaren Thiere. Das Märchen von bei den Wanderern (Nr. 107) und der Bienenkönigin (Nr. 62) die beide hier vereinigt sind.
9. Der Vogel Goldschweif. Der Eingang von den beiden Brüdern (Nr. 60) als eigenes Märchen.
10. Wie gewonnen, so entronnen. Ein armer Soldat verliert wieder was er durch allerlei Glückszufälle gewonnen hat. Etwa in der Art, wie Hans im Glück (Nr. 83), doch dem Inhalt nach verschieden.
11. Der Welt Lohn. Ein bekanntes Thiermärchen. Ein Bauer befreit eine Schlange aus dem Gefängnis, die ihn hernach dafür erwürgen will. Ein Fuchs hilft ihm aus der Noth, indem er sich anstellt als zweifle er daß die Schlange in einem so engen Behälter Raum gehabt habe, und sie dadurch reizt zum Beweis wieder hineinzukriechen; s. Anmerk. zu Nr. 99, wo dieser Zug auch vorkommt. Der Bauer verspricht dem Fuchs dafür sechs Hühner, aber des Bauern geitziges Weib tödtet den Fuchs, als er sich seinen Lohn abholen will.
12. Die geitzige Bäuerin. Sie rauft aus Geitz den ihrigen die Haare aus, um aus dem Verkauf derselben Geld zu lösen. Ihr sterbender Mann droht ihr mit fünffachem Tod und es trift hernach ein, daß fünf nach einander glauben sie umgebracht [347] zu haben, da sie sich doch selbst erhängt hatte, indem sie eine für ihre Schwiegertochter gelegte Schlinge an dem eigenen Hals probiren wollte.
13. Vom weisen Peter. Ein treuer Diener und ein redendes Pferd retten einen Königssohn aus dem Verderben das ihm eine boshafte und hinterlistige Stiefmutter bereitet.
14. Der rothe Hund. Ein eigenthümliches Märchen, das aber sichtlich ausgebildet und bearbeitet ist.
15. Der Schlangenprinz. Im Deutschen Hans mein Igel (Nr. 108); der zweite Theil aber stimmt mit dem Löweneckerchen (Nr. 88).
16. Die Drillinge mit dem Goldhaar. Im Deutschen, de drei Vögelkens (Nr. 96); doch wird hier das Böse bloß von der Schwiegermutter, nicht von den beiden Schwestern begangen.
17. Kutschermärchen. Hat in einigen Zügen Verwandtschaft mit Pervonto im Pentamerone (Nr. 3) und bei Straparola (3, 1).


Griechenland.

Zeugnisse über Märchen der alten Griechen sind oben schon mitgetheilt, gleichfalls ist die Bemerkung gemacht daß nicht wenige ihrer Mythen ganz märchenhaft sind; als Beispiel kann jene von Perseus gelten. Manche Fabel der Odyssee hat auch die Natur eines Märchens, wie etwa die von Polyphem; doch hierbei müssen wir einhalten, das Allgemeine würde zu weit führen, was eine nähere Ähnlichkeit zeigt ist jedesmal in den Anmerkungen an gehöriger Stelle bemerkt. Wir lassen nur noch ein Kindermärchen folgen, das Plutarch im Gastmahl der sieben Weisen andeutet und nicht übergangen werden darf, da sich bei Lehmann (S. 827) ein altes Sprichwort findet, das darauf Bezug hat „dem Mond kann man kein Kleid machen“; auch eine äsopische Fabel (Furia 396) muß man damit vergleichen. Das Märchen lautet folgendergestalt. Der Mond bat seine Mutter ihm ein Röcklein zu weben, das ihm recht wäre. Die Mutter sagte „wie kann ich dirs recht machen, da du bald Vollmond, dann wieder Halbmond und Neumond bist“.

[348] Es leidet keinen Zweifel daß bei den heutigen Griechen Märchen erzählt werden, Pouqueville bemerkt es ausdrücklich. Auch ihre Volkslieder epischen Inhalts, wie wir sie aus einer noch ungedruckten Sammlung kennen, deuten darauf; sie haben übrigens dem Geiste nach manches Ähnliche mit den serbischen und morlakischen. Ganz kindlich wird z. B. in einem erzählt, wie Charon die Seelen der Verstorbenen nach der Unterwelt führt. Die Jungen gehen vor ihm her, die Alten schleppen sich nach, die kleinen Kinder hat er am Sattel festgebunden. Bei dieser traurigen Fahrt trauert die Natur mit, die Berge ragen dunkel und düster in die Höhe. Als sie bei einem Quell anlangen, bitten die Reisenden den Führer „lieber, kehr hier ein, laß uns bei der Quelle weilen, damit die Alten aus der Flut trinken können, die Jungen spielend mit Steinen werfen, und die Kinder sich die Blumen einsammeln“. „Nein“, antwortet der Alte, „die Mütter könnten kommen und ihre Kinder sehen, dann wären sie nicht wieder zu trennen“. Vergl. Göthe Kunst und Alterthum 4, 49, 265. Von einem andern epischen Volkslied, das Bartholdi in Griechenland aufgenommen und in seiner Reise bekannt gemacht hat, ist die Übereinstimmung mit einem altdeutschen Gedicht in den Altd. Wäldern 2, 181 gezeigt.


Der Orient.

In dieser Übersicht sind Sammlungen, welche die asiatische Literatur darbietet, nicht angeführt aus dem einfachen Grunde, weil sich hier kein so naher Zusammenhang äußert und das Einzelne jedesmal an seiner Stelle angemerkt ward. Armuth nöthigte übrigens nicht dazu, im Gegentheil, dieses Fach ist hier reich besetzt. Nur das Vorzüglichste ist zu berühren.

Zuerst begegnen uns die in der Mitte des 16ten Jahrh. (1548) zusammengefügten Erzählungen, der arabischen Tausend und einen Nacht, sowohl durch Gallands Übersetzung bekannt, als durch die Nachträge von Chavis und Cazotte, deren echten Grund jedoch erst Caussin de Perceval in seiner Fortsetzung[20] ans Licht gebracht [349] hat[21]. Wie wahrscheinlich in Hinsicht auf ihren Ursprung so auch Inhalt und Werth nach sind die einzelnen Stücke sehr verschieden. Im Ganzen haben sie zwar den Charakter der Märchen, ernster und scherzhafter, indessen sind sie auch wieder durch manche geschichtliche Umstände, besonders durch den berühmten Chalifen Harun-al-Raschid, an eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort gebunden; dies aber hat auf der andern Seite die Phantasie nicht gehindert sich darin nach aller Lust auszubreiten. Insofern zeigt sich auch schon eine gewisse absichtliche Ausbildung, und als ganz rein aufgefaßte Überlieferungen können sie nicht mehr gelten; ein Beispiel mögen die Reisen des Sinbad sein, wo eine kleine Odyssee zusammengetragen ist und wo sich Polyphem so gut wieder findet wie in jenem oghuzischen Cyklopen, den Diez entdeckt und mit dem homerischen verglichen hat. Auf diese Weise wird wahr was Göthe im Divan (S. 286) zu dem Verbot des Korans anmerkt. „In seiner Abneigung gegen Poesie erscheint Mahomet auch höchst consequent, indem er alle Märchen verbietet. Diese Spiele einer leichtfertigen Einbildungskraft, die vom Wirklichen bis zum Unmöglichen hin- und wiederschwebt, und das Unwahrscheinliche als ein Wahrhaftes und Zweifelloses vorträgt, war der orientalischen Sinnlichkeit, einer weichen Ruhe und einem bequemen Müßiggang höchst angemessen. Diese Luftgebilde, über einem wunderlichen Boden schwankend, hatten sich zur Zeit der Sassaniden ins Unendliche vermehrt, wie sie uns die 1001 Nacht, an einen losen Faden gereiht, als Beispiele darlegt. Ihr eigentlicher Charakter ist daß sie keinen sittlichen Zweck haben und daher den Menschen nicht auf sich selbst zurück sondern außer sich hinaus ins unbedingte Freie führen und tragen. Gerade das Entgegengesetzte wollte Mahomet bewirken“. Die schwächsten Stücke sind die, worin man die meiste Erfindung spürt, und worin die gewöhnliche Zauberei als Zuthat oder Würze allzustark eingemischt ist, z. B. die Erzählung von Condad und Deryabar (Bd. 5) oder von Halib (Bd. 9), letztere gar ist eine unbedeutende und oberflächliche Geistergeschichte. Andere scheinen äußerlich zusammengesetzt, wie die Erzählung von drei Prinzen die ausziehen um die wunderbarste Sache herbeizubringen (Bd. 7). Dann folgen die welche eine sittliche Lehre anschaulich machen, wie z. B. die Erzählung von dem [350] Neidischen (Bd. 1) und zeigen daß Göthes Behauptung nicht durchaus gelten kann. Bei weitem die größte Anzahl aber besteht aus Märchen die dem Inhalt nach trefflich, der Darstellung nach reizend und von zarter Schönheit sind. Man kann die glühenden Farben, den Duft einer ungestört aufblühenden Phantasie, das überall durchathmende Leben nicht genug loben. Nur ein paar wollen wir namentlich anführen, der Calender auf dem Magnetfelsen (Bd. 1), Nureddin (Bd. 4), Aladdin (Bd. 6), Hassan (Bd. 4). Von den deutschen Märchen findet sich ganz oder theilweise Nr. 19. 68. 71. 92. 96. 97. 99 und 142, worüber das Nähere in den Anmerkungen gesagt ist.

Vorzüglich reich erscheint Persien. Schon in dem alten Epos des Firdusi, im Schahnameh, zeigt auch in der kunstreichen Behandlung noch manches Natur und Farbe der Märchen, z. B. die Geschichte von Feridun, von Sam und Salser, von Guschtasp (Anmerk. zu Nr. 90), von Lorasp (Anmerk. zu Nr. 60). Auch ein einzelnes übereinstimmendes Märchen war nachzuweisen (Anmerk. zu Nr. 144). Ähnliche Anlage wie die 1001 Nacht hat der Tausend und eine Tag. Sind die persischen Erzählungen auch nicht durchaus von dem Werth der arabischen, so kann doch die Geschichte von Calaf (s. Anmerk. zu Nr. 55) den besten dort an die Seite gesetzt werden. Die drei Söhne Gjaffars aus Nigaristan (Bildersaal, s. Hammer Geschichte der persischen Poesie S. 308. 309), eine Sammlung die auch manches gute und orientalisch fein gedachte enthält, wie z. B. die seltenen Schützenkünste; etwas daraus ist als Gegenstück zu der Brautschau (Nr. 155) bemerkt. Ebenso war Tuti Nameh Erzählung eines Papageien (Persisch und Englisch von Gladwin. Calcutta und London 1801) zu benutzen; vergl. die Anmerkung zu Nr. 102 und 129. In Nisamis Werk fand sich gleichfalls ein deutsches Märchen wieder (Nr. 107). Noch ist zu erwähnen Neh-Manzer (franz. von Lescallier 1808), in sieben Tage getheilt, und Bahar Danush (englisch von J. Scott 1799).

Die sieben weisen Meister, gleichfalls aneinander gereihte Erzählungen (worüber Görres über Volksbücher Nr. 22 nachzusehen ist), gehören dem Orient überhaupt an, so wie die reichhaltige und anziehende Sammlung die Hammer im Rosenöl (Stuttgart 1813 zwei Bändchen) uns zugeführt hat, aus türkischen, arabischen und [351] persischen Quellen genommen ist[22]. Dagegen rührt die treffliche Fabelsammlung des Bidpai (Hitopadesa) ursprünglich aus Indien, ist aber in verschiedene orientalische, und fast in alle europäische Sprachen übersetzt, ins Deutsche zuletzt von Philipp Wolff (Stuttgart 1837 zwei Bändchen). Sie entfernt sich in der Anlage schon von dem was wir Märchen nennen, da es auf eine moralische Lehre abgesehen, wenigstens die Geschichte darauf hingewendet ist. Ein echt indisches, mit deutschen übereinstimmendes Kindermärchen ist in den Altd. Wäldern (1, 165–67) nachgewiesen (Anmerkung zu Nr. 144); ein anderes bei der Sage vom Armen und Reichen (Nr. 87)[23]. Tartarische Überlieferungen enthalten the Relations of Ssidi Kur in Bergmanns nomadischen Streifereien Bd. 1 (Anmerkung zu Nr. 92 und 104). Calmückische daselbst Thl. 3. und 4. Schön ist es z. B. darin, wie herumirrende Kinder das Mark aus einem Knochen kindlich austheilen (4, 75); überhaupt hat die dort beschriebene Wanderung des Bruders und der Schwester etwas märchenhaftes.

Ein chinesisches Märchen ist in den Anmerkungen zu dem Armen und Reichen (Nr. 87) ausführlich erzählt, und zum Schluß wollen wir ein japanisches das sich bei Kämper (über Japan von Dohm 1, 149) findet, mittheilen.

Das schönste von allen fliegenden Insecten, das auch in Japan selten gesehen und darum von den Mädchen aufbewahrt wird, ist eine schmale halbrunde Nachtfliege. Ihre durchscheinenden Flügel sind mit blauen und goldenen Streifen der Länge nach geziert, und sind glänzend wie ein Spiegel. Alle Insecten die Nachts fliegen, verlieben sich in diese wunderbare Schönheit. Sie hält sie aber dadurch ab, daß sie zu jedem sagt „geh erst hin und hole mir Feuer, dann will ich dich lieben“. In blinder Hast fliegen sie zu der Kerze und beschädigen sich so sehr daß sie an kein Wiederkommen denken.

[352] Diese Übersicht der Märchenliteratur habe ich im Jahr 1822 gegeben und will sie jetzt weiter führen: einen Nachtrag kann ich es kaum nennen, da was seitdem dafür gethan ist, an Gehalt und Umfang das Frühere weit überwiegt.

1. Ein malayisches Märchen ist aus einem der frühern Jahrgänge des Morgenblatts wieder abgedruckt im dritten Band von Kletkes Märchensaal.
2. Märchen der Betschuanen in Südafrika hat der Missionar Casalis gesammelt, drei Stücke davon in Lehmanns Magazin für die Literatur des Auslands. Jahrgang 1842. Nr. 19. 20. Andere bei Cambell (Reise in Südafrika 2, 368), die G. Klemm in der Culturgeschichte der Menschheit 3, 390–392 mittheilt. Ebendaselbst (S. 389) zwei Thiermärchen nach den Erzählungen der Neger aus Winterbottoms Werk.
3. African native literature or proverbs, tales, fables and historical fragments in the Kanuri or Bornu language, to which are added a translation of the above and a Kanuri-english vocabulary by rev. S. W. Koelle London 1854.
4. James Athearn Jones Tales of an Indian camp, die zweite Auflage führt den Titel Traditions of the North-American Indians. London 1830. Drei Bände. Sagen der nordamerikanischen Indianer. Altenburg 1837 in vier Heften. Eine Übersetzung des englischen Werks.

Schoolcraft Algie researches enthält Sagen der Odschibwäs, die mir nur durch Übersetzungen in Lehmanns Magazin 1844 Nr. 43. 46. 89 unter der Überschrift Nordamerikanische Sagen zugänglich gewesen sind.

5. Kalevala oder Kareliens alte lieder aus des finnischen volkes vorzeit herausgegeben von Lönnrot. zwei theile; Helsingfors 1835, so lautet der Titel des Urtextes auf deutsch. Kalevala öfversatt af Math. Alex. Castrén. Helsingfors 1841 zwei Theile. La Finlande son histoire primitive, sa Mythologie, sa Poésie épique. Avec la traduction complète de sa grande épopée: le Kalewala. Par Léouzon le Duc. T. 1. 2. Paris 1845. Kalewala, das Nationalepos der Finnen, nach der zweiten Ausgabe ins Deutsche übertragen von Anton Schiefner, Helsingfors 1852.

[353] Über das finnische epos von Jacob Grimm in A. Höfers Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache 1, 13–55. Berlin 1846, wo man Nachweisung über die Ausgaben des Urtextes findet.

Eric Rudbek (finnisch Eero Salmelainen) Suomen Kansan Satuja ja Tarinoita (finnische Märchen in zwei Bänden) Helsingissä 1852. Davon sind vier Stücke übersetzt in Ermans Archiv für wissenschaftliche Kunde von Rußland 13, 476–491, 580 und drei andere unter dem Titel Jenseits der Scheeren oder der Geist Finnlands, eine Sammlung finnischer Volksmärchen und Sprichwörter von Dr. Bertram. Leipzig 1854. Von Rudbecks Sammlung hat A. Schiefner in den Mélanges russes Bd. 2 den Inhalt angegeben, Betrachtungen über den mythischen Gehalt der Märchen angestellt und die Hinweisungen auf Kalevala angemerkt. Der größere Theil ist in der östlichen Hälfte Finnlands gesammelt.

6. Ahlqvist hat bei den Tschuden (Watjalaiset) sehr eigenthümliche Märchen gesammelt und wird sie bekannt machen, wie Schiefner (Mélanges russes 2, 624) bemerkt.
7. Magyarische Sagen und Märchen von Johann Grafen Mailáth. Brünn 1825. Zweite Auflage. Stuttgart und Tübingen 1837, zwei Bände.

Népdalok és mondák, kiadta Erdély János. Pest Beibelnál, zwei Theile 1846. 47. Ungarische Märchen und Sagen. Aus der Erdélyischen Sammlung übersetzt von G. Stier. Berlin 1850.

8. Fählmann die deutschrussischen Ostseeprovinzen oder Natur- und Völkerleben in Kur-, Liv- und Ehstland. Dresden und Leipzig 1841. Zwei Theile. Koit und Ämmerik übersetzt von Fählmann in dem ersten Band der Verhandlungen der gelehrten ehstnischen Gesellschaft und daraus abgedruckt in Lehmanns Magazin 1844. Nr. 48.

Ausflug nach Ehstland im Junius 1807. Meiningen 1830.

Ehstnische Thiermärchen deutsch in Jac. Grimms Reinhart Fuchs CCLXXX-CCXC (1834) nach Rosenplänters Beiträgen zur genauen Kenntnis der ehstnischen Sprache Heft 8. S. 120–124.

[354] Ehstnische Volkslieder, Urschrift und Übersetzung von H. Neus. Reval 1850, erste Abtheilung.

9. Schiditu Kur abgedruckt in der mongolischen Chrestomathie von Kowalewski. Kasan 1836. 37. Eine Übersetzung aus einer Handschrift hat schon der erste Theil von B. Bergmanns nomadischen Streifereien Bd. 1. Riga 1804 geliefert, Wilh. Schott von zwei Märchen nach Kowalewskis Text in Lehmanns Magazin 1844 Nr. 19. 21.
10. Die Thaten des Bogda Gesser Châns, eine ostasiatische Heldensage aus dem mongolischen übersetzt von I. J. Schmidt. Petersburg und Leipzig 1839. Den Urtext hat schon 1836 der Übersetzer nach der Ausgabe in Peking vom Jahr 1716 abdrucken lassen.

Die Sage von Gesser Chan von Wilh. Schott in den Schriften der Berliner Academie der Wissenschaften 1851. S. 263–295.

11. (Slavonische) Volksmärchen von Joh. Nic. Vogl. Wien 1837.
12. Märchen und Kinderspiele in Griechenland von Zuccarini in der Zeitschrift Ausland vom Jahr 1832. Nr. 57. 58. 61.
13. Walachische Märchen herausgegeben von Arthur und Albert Schott. Stuttgart und Tübingen 1845.
14. Romanische Märchen aus der Bukowina von Ludw. Ad. Staufe (Simiginswiez) in J. W. Wolfs Zeitschrift für deutsche Mythologie 1, 42–50. 2, 389.
15. Albanesische Märchen in den albanesischen Studien von Jos. Georg von Hahn. Heft 2. S. 163–169. Wien 1853. S. J. W. Wolfs Zeitschrift 1, 377.
16. Volksmärchen der Serben gesammelt und aufgezeichnet von Wuk Stephanowitsch Karadschitsch, ins Deutsche übersetzt von Wilhelmine Karadschitsch. Mit einer Vorrede von Jacob Grimm. Nebst einem Anhange von mehr als tausend serbischen Sprichwörtern. Berlin 1854.
17. Spaziergänge eines Großvaters. Moskau 1819. Ich kenne das russische Buch nur aus Anführungen.

Russische Volksmärchen in den Urschriften gesammelt und ins Deutsche übersetzt von Anton Dieterich. Mit einem Vorwort von Jacob Grimm. Leipzig 1831.

[355] Die ältesten Volksmärchen der Russen von Joh. Nic. Vogl. Wien 1841. Übersetzung aus den Spaziergängen eines Großvaters und aus fliegenden Blättern, großentheils dieselben Märchen, die in Dieterichs Sammlung vorkommen, manchmal in etwas verschiedener Auffassung: aber Dieterich enthält mehr, und drei, die ihm fehlen, sind unbedeutend.

Der tapfere Georg und der Wolf. Aus dem Russischen des Kosacken Luganski (Regimentsarzt Dahl) in Lehmanns Magazin 1836. Nr. 71. 72. Die Urschrift bei Nowosselje Sammlung von Aufsätzen und Gedichten der jetzt lebenden russischen Schriftsteller. Petersburg 1833.

18. Litauische Märchen hat Schleicher gesammelt und einige in den Sitzungsberichten der philosophisch historischen Klasse der Wiener Academie der Wissenschaft, Bd. 11, S. 104–112 bekannt gemacht.
19. Polnische Volkssagen und Märchen. Aus dem Polnischen des K. W. Woycicki von Friedrich Heinrich Lewestam. Berlin 1839.

Märchen aus dem Weichselthale von Friedr. Uhl. Wien 1847.

20. Wendische Märchen und Legenden in dem zweiten Band der Volkslieder der Wenden in der Ober- und Niederlausitz herausgegeben von Leopold Haupt und Joh. Ernst Schmaler. Grimma 1843.
21. Volksmärchen aus Böhmen von J. Milenowsky. Breslau 1853.

Böhmische Märchen nach Kulda, deutsch von Joseph Wenzig in der Zeitschrift Europa von Gustav Kühne 1856 Nr. 13. 14. Ein Band davon wird nächstens erscheinen.

22. W. Grant Stewart the popular superstitions and festive amusements of the Highlanders of Scotland. Edinburgh 1823.

(Crofton Croker) Fairy Legends and Traditions of the south of Ireland. London 1825. Zweite Auflage. Erster Theil 1826. Zweiter und dritter Theil 1828. Der letzte Theil enthält auch einige Märchen aus Schottland und Wales.

Irische Elfenmärchen übersetzt von den Brüdern Grimm, Leipzig 1826, enthält den ersten Theil von Croker; hinzugefügt [356] ist eine Abhandlung über die Elfen von Wilhelm Grimm mit weitern literarischen Nachweisungen.

Sagen und Märchen von K. v. K(illinger), 1ter Theil Stuttgart und Tübingen 1847. 2ter Th. 1849. Eine Sammlung aus Zeitschriften und verschiedenen Büchern, die nachgewiesen werden. Ein 3ter und vielleicht ein 4ter Theil mit einer vollständigen Übersetzung von Crofton Crokers Werk sollte folgen, ist aber nicht erschienen.

Halliwell the nursery rhymes of England 4. ed. London 1846. Fortsetzung davon, Popular rhymes and nursery tales London 1849.

Popular rhymes, fireside stories and amusements of Scotland. Edinburgh 1842. Traits and stories of the irish peasantry. Dublin 1842.

Skizzen aus Ireland von V. A. Huber. Berlin 1850.

23. Emil Souvestre Le foyer breton, Traditions populaires. Paris (1845).

Volksmärchen aus der Bretagne, für die Jugend bearbeitet von Heinrich Bode. Leipzig 1847. Eine Übersetzung von Souvestre mit Abänderungen.

24. The adventures of the Gooroo Paromarton: a tale in the Tamul language by B. Babington. London 1822.

Le Pantscha-Tantra ou les cinq ruses, fables du Brahme Vichnou-Sarma; aventures de Paramarta et autres contes, le tout traduit pour la première fois sur les originaux indiens; par I. A. Dubois. Paris 1826.

The Vedala Cadai; being the tamul version of a collection of ancient tales in the Sanscrit language, populary known throughout India, and entitled the Vetàla Panchavinsati, translated by G. B. Babington kenne ich nur aus der Nachricht in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1832. Nr. 178.

Die Märchensammlung des Somadeva Bhatta aus Kaschmir. Aus dem Sanskrit ins Deutsche übersetzt von Hermann Brockhaus. Th. 1 und 2 Leipzig 1843.

Aus Mahabharata sind einzelne märchenhafte Stücke ausgehoben in den Indischen Sagen von Adolf Holzmann. Drei Theile. Karlsruhe 1845–1847. Zweite Auflage in zwei Bänden. Stuttgart 1854.

[357] 25. Touti Nameh, eine Sammlung persischer Märchen von Nechschebi. Deutsch von Iken nebst einem Anhang von J. G. Kosegarten. Tübingen 1822.

Die Märchen in den Sketches of Persia (von John Malcolm) T. 1. 2. London 1828 sind ausgezogen in Kisseh-Khün (l. Kisse Chân), der persische Erzähler. Berlin u. Stettin 1829.

26. Wodana, Museum voor nederduische Oudheidskunde uitgegeven door F. W. Wolf. Gent 1843. s. 47–75.
27. Winther dänische Volksmärchen, Kopenhagen 1823.

H. C. Andersen Eventyr fortalte för börn. Kjöbnhavn 1842. Zweite Aufl. Märchen und Erzählungen von H. C. Andersen aus dem Dänischen von Jessen. Braunschweig 1840.

Udvalgte Eventyr og Fortällinger ved Christian Molbech. Kjöbnhavn 1843. Enthält nur zum Theil dänische Märchen und ist eine allgemeine Sammlung.

Nordische Elfenmärchen von Hermann Püttmann. Leipzig 1844.

Eventyr og Folkesagn fra Jylland. Fortalte af Carit Etlar. Kjöbenh. 1847.

Norske Folkeeventyr samlede ved P. Ch. Asbjörnsen og Jörgen Moe. Förste Deel. Christiania 1843. 2den Deels förste Hefte. Das. 1844. Nachträge von Asbjörnsen in einem Reisebericht vom Jahr 1847 in einer dänischen Zeitschrift. Anden Udgave, förste Halfdeel 1850. Alles ist zusammengefaßt in der zweiten vermehrten Ausgabe. Christiania 1852 mit einer Einleitung.

Juleträet for 1850. En Samling of norske Folke-og Börne-Eventyr, fortalte af P. Chr. Asbjörnsen. Christiania 1850. for 1851. Das. 1851.

Norwegische Volksmärchen gesammelt von P. Asbjörnsen und Jörgen Moe. Deutsch von Friedrich Bresemann. Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck. Bd. 1. 2. Berlin 1847.

28. Svenska folk-sagor ock äfventyr. Efter muntlig öfverlemning samlade och utgifna af Gunnar Olof Hyltén-Cavallius och George Stephens. Första delen. Stockholm (1844).

Schwedische Volkssagen und Märchen. Nach mündlicher Überlieferung gesammelt und herausgegeben von Gunnar Olof Hyltén-Cavallius und George Stephens. Mit Varianten [358] und kritischen Anmerkungen deutsch bearbeitet von Carl Oberleitner. Wien 1848.

29. Östreichische Volksmärchen von Franz Ziska. Wien 1822.

Friedr. Heinr. v. d. Hagen Erzählungen und Märchen. Zweiter Band. Prenzlau 1826.

Ein Büchlein für die Jugend vom Verfasser des Volksbüchleins. Stuttgart und Tübingen 1834.

L. Bechstein die Volkssagen, Märchen, Legenden des Kaiserstaats Östreich. Bd. 1. Leipzig 1841.

Sagen- und Märchenwald von L. Wiese. Thl. 1. Barmen 1841. Thl. 2. 1842.

Almanach deutscher Volksmärchen von H. Kletke. Berlin ohne Jahr (wahrscheinlich 1842).

Elsässisches Volksbüchlein. Kinder- und Volkslieder, Sprüche und Märchen. Herausgegeben von August Stöber. Straßburg 1842. Auch als Anhang zu dem oberrheinischen Sagenbuch von demselben Verfasser.

Sagen und Märchen aus der Oberlausitz nacherzählt von Ernst Willkomm. Thl. 1. 2. Hannover 1843.

Märkische Sagen und Märchen gesammelt und herausgegeben von Adelbert Kuhn. Berlin 1843.

Märchen für Kinder von K. L. Kannegießer. Breslau ohne Jahr.

Aus dem Böhmerwalde von Josef Rank. Leipzig 1843. Neue Geschichten aus dem Böhmer Wald von demselben. Leipzig 1846.

Hundert neue Märchen im (Böhmer) Gebirge gesammelt von Friedmund von Arnim. Erstes Bändchen (mit zwanzig Märchen). Charlottenburg 1844.

Germaniens Völkerstimmen, Sammlung der deutschen Mundarten in Dichtungen, Sagen, Märchen, Volksliedern. Herausgegeben von Joh. Matthias Firmenich. Erster Theil. Berlin ohne Jahr (1845).

Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Herausgegeben von Karl Müllenhoff. Kiel 1845.

Deutsche Märchen und Sagen. Gesammelt und mit Anmerkungen herausgegeben von Joh. Wilh. Wolf. Leipz. 1845; [359] darin auch eine Übersetzung der Flämischen Märchen aus der Wodana.

Deutsches Märchenbuch. Herausgegeben von Ludwig Bechstein. Leipzig 1845.

Neue preußische Provinzialblätter. Herausgegeben von A. Hagen und Meckelburg Bd. 1. Königsberg 1846.

Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen. Gesammelt von Emil Sommer. 1s Heft. Halle 1846.

Erzählungen eines Großmütterchens. Von Joh. N. Vogl. Wien ohne Jahr. Enthält auch einige deutsche Märchen.

Volkssagen aus Vorarlberg. Gesammelt von J. F. Vonbun. Wien 1847. 2te verm. Aufl. Innsbr. 1850.

Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg, Pommern, der Mark, Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Westfalen. Aus dem Munde des Volks gesammelt und herausgegeben von A. Kuhn und W. Schwarz. Leipzig 1848.

Beitrag zur deutschen mythologie von Friedrich Panzer. Band 1. München 1848. Band 2. 1855.

Deutsche Hausmärchen herausgegeben von Johannes Wilhelm Wolf. Göttingen und Leipzig 1851.

Kinder- und Hausmärchen gesammelt durch die Brüder Zingerle. Insbruck 1852. Zweiter Band Regensburg 1854. Jener ist nach den Numern, dieser nach den Seitenzahlen angeführt.

Deutsche Volksmärchen aus Schwaben aus dem Munde des Volks gesammelt und herausgegeben von Dr. Ernst Meier. Stuttgart 1852.

Märchen und Sagen des Luxemburger Landes von N. Steffen. Luxemburg 1853.

Kinder- und Volksmärchen gesammelt von Heinrich Pröhle. Leipzig 1853.

Märchen für die Jugend, herausgegeben von Heinrich Pröhle. Halle 1854.

Märchen und Sagen von Carl und Theodor Colshorn. Hannover 1854.

[360] Thiermärchen der Siebenbürger Sachsen gesammelt (und in einem Programm herausgegeben) von Joseph Halterich. Kronstadt 1855.

Eine sorgfältige Sammlung „deutscher Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen“ von demselben Verfasser wird bald gedruckt er scheinen.

Ich rechne es mir zum Verdienst an, daß ich Bücher hier übergehe, die nicht das geringste Neue enthalten, sondern aus andern zusammengetragen sind, oder eigene Erfindungen liefern, die für uns keinen Werth haben.

Wie einsam stand unsere Sammlung, als sie zuerst hervor trat, und welche reiche Saat ist seitdem aufgegangen. Man lächelte damals nachsichtig über die Behauptung daß hier Gedanken und Anschauungen erhalten seien, deren Anfänge in die Dunkelheit des Alterthums zurück giengen: jetzt findet sie kaum noch Widerspruch. Man sucht nach diesen Märchen mit Anerkennung ihres wissenschaftlichen Werths und mit Scheu an ihrem Inhalt zu ändern, während man sie früher für nichts als gehaltlose Spiele der Phantasie hielt, die sich jede Behandlung müßten gefallen lassen.

Das neu zu Tag geförderte verdient nähere Betrachtung, ich will dabei an dem äußersten Rand des Horizonts beginnen. Ein malayisches Märchen erscheint ebenso anmuthig in der Darstellung als eigenthümlich in der Auffassung. Zwar eine Brautwerbung ist ein so gewöhnliches Ereignis daß die Sagen aller Völker davon berichten, aber daß der Werbende vor einer der gestellten Bedingungen zurückweicht, macht einen Gegensatz zu der Bereitwilligkeit, womit er sonst den gefährlichsten sich unterzieht. Ein König will dem Rath der Großen seines Reichs folgen und nach dem Tod seiner Gemahlin sich wieder vermählen, aber er besteht darauf keine andere zu nehmen als die Fürstin von Ledang die in weiter Ferne auf einem schwer zugänglichen Berg wohnt. Boten gehen ab, doch nur einer wagt sich auf den schwierigen Pfad. Ihm droht erst Frost und Kälte, dann gelangt er in einen Wundergarten, wo die Vögel in fremdartigen Tönen sich hören lassen, die Citronen rauschen, die Weinbeeren kichern, die Pomeranzen lächeln, die Rosen singen. Die Fürstin erscheint in der Gestalt einer buckeligen Alten und erklärt ihren Willen sich nur dann mit dem König zu vermählen, wenn er eine goldne und eine silberne Straße von Malacca nach Ledang bauen lasse, wenn [361] er ihr das Herz einer Mücke und einer Motte, drei ellenbreit, darreiche, ferner ein Faß mit Menschenthränen, endlich ein Fläschchen mit seinem Blut und ein anderes mit dem Blut seines Sohns. Als der König die Antwort vernimmt, erklärt er sich bereit in alle Bedingungen einzugehen, nur gegen das Aderlassen empfinde er Abneigung.

Die zahlreichen Märchen der Betschuanen in Südafrika sind zwar gesammelt aber erst wenige davon mitgetheilt, so erwünscht ihre Bekanntmachung wäre; sie scheinen in jeder Beziehung merkwürdig und werthvoll. Eins davon erzählt wie zwei Brüder ausziehen ihr Glück zu versuchen. Der jüngere gewinnt einem Riesen eine große Herde Kühe ab, in welcher sich eine befindet, die weiß ist wie der gefallene Schnee. Er kommt mit dem älteren Bruder wieder zusammen, der nur eine Herde Hunde erworben hat. Dieser verlangt jetzt die weiße Kuh, und als sie ihm versagt wird, ermordet er hinterlistig den jüngeren bei einem Brunnen. Alsbald sitzt auf dem Horn der weißen Kuh ein Vöglein und verkündigt was geschehen ist. Der Mörder zerschmettert das Vöglein mit einem Steinwurf, aber es erscheint wieder auf dem Horn. Er tödtet es abermals, verbrennt es und zerstreut seine Asche in den Wind. Das Vöglein zeigt sich zum drittenmal und spricht „ich bin das Herz des Getödteten: mein Leichnam ist bei der Quelle in der Wüste.“ Es gleicht dem dreimal wiederkehrenden, die Unthat verrathenden Vöglein im Machandelbaum (Nr. 47), aber noch mehr dem singenden Knochen (Nr. 28), wo die Ereignisse fast dieselben sind. Eine andere Erzählung liefert ein merkwürdiges Thiermärchen, in welchem der Hase die Rolle des Fuchses spielt, wenn dieser nicht wirklich gemeint ist und hier nur ein Misverständnis waltet. Er verräth die andern Thiere an den Löwen und überlistet hernach auch diesen, indem er dessen Schweif in Pfählen so verflicht daß er nicht entrinnen kann und verschmachten muß. Als sich der Hase aber in die Haut des Löwen steckt und die Thiere zitternd ihm Geschenke darbringen, wird er übermüthig und prahlt mit seiner List, die den Abscheu und die Verachtung der Thiere hervor ruft, so daß er sich ein Ohr abschneiden muß, um nicht erkannt zu werden.

Kölle hat fünf Jahre lang in Sierra Leone gelebt, wo er die noch unbekannte Sprache der Neger von Bornu erlernt und ihre Überlieferungen mit musterhafter Treue gesammelt hat. Diese sind um so wichtiger als ein Einfluß der Schrift nicht statt finden oder [362] etwas Fremdartiges sich einmischen konnte. Mit Überraschung bemerkt man auch hier Verwandtschaft im Ganzen oder in einzelnen Zügen mit den Märchen anderer weit entfernten Völker. Die Darstellung ist im höchsten Grade einfach, weiß nichts von einer Verschönerung oder der Beimischung irgend eines Reizes und denkt nur den Inhalt so wiederzugeben wie sie ihn empfangen hat. Merkwürdig, daß außer Zaubereien kaum etwas übernatürliches oder wunderbares vorkommt, keine Riesen, Zwerge und Kobolde; diese Mittelglieder scheinen dort unbekannt. Die Thiermärchen sind die zahlreichsten, wie überall, aus dem ununterbrochenen Umgang des Menschen mit den Thieren hervorgegangen, und auf die Natur derselben, auf ihr eigenthümliches Wesen gegründet. Der Hahn, die Henne, die Katze, die Thiere des Waldes und Feldes, sogar die Grille und Ameise treten darin auf und zeigen sich ohne Rückhalt in ihren guten und bösen Eigenschaften. Den Menschen stehen sie viel näher, ihre Verhältnisse und Einrichtungen gleichen sich vollkommen, ja sie haben Priester und wenden sich mit ihren Bitten und Wünschen an das höchste Wesen, das über ihre Handlungen Urtheil spricht. Es erscheinen nur die Thiere des Landes, natürlich also auch der Elephant, der Löwe, der Leopard, die Hyäne und die Schlange. Der Fuchs kommt nicht vor, aber seine Stelle nimmt das Wiesel ein, das an Klugheit und Verstand alle andern Thiere übertrift; wie es dazu gelangt ist, wird in einem sinnvollen Märchen erzählt. Der Gegensatz der Vögel und vierfüßigen Thiere fehlt nicht, auch nicht der Krieg zwischen beiden, worin die Mächtigen von den Kleinen, der Elephant von dem Wiesel und dem Vogel überlistet werden.

Nur fünf Märchen stellen menschliche Verhältnisse dar. In dem ersten wird von dem Sohn eines Reichen und dem Sohn eines Armen erzählt, die von ihrer Kindheit an in innigster Freundschaft leben. Der Reiche hat vier Frauen, der Arme kann seiner Dürftigkeit wegen keine nehmen. Der Reiche gibt seinem Freund fünf Pfund Kupfergeld und sagt ihm er solle zu seinen Frauen gehen und bei jeder anfragen ob sie ihn insgeheim lieben wolle. Die erste oder die Hauptfrau weist ihn zurück, ebenso die zweite und dritte, aber die vierte willigt ein und erklärt ihm daß sie Liebe zu ihm empfinde, worauf er ihr die fünf Pfund gibt. Der Arme stattet seinem Freund Bericht ab, dieser spricht „komm morgen Abend zu mir und wenn ich Zank mit dieser Frau anfange, so mische dich nicht hinein.“ Als nun [363] beide Jünglinge zusammensitzen und essen, läßt der Reiche die Frau rufen und heißt sie ihm gleich Wasser zum Waschen bringen. Sie antwortet „bin ich deine Sklavin, daß du so sprichst?“ Es erhebt sich ein Zank zwischen beiden, und die Frau verflucht den Mann. Da sagt er „geh und verlaß mein Haus, ich habe dich nicht weiter nöthig, geh heim. Ich will dich nicht weiter meine Frau nennen, such dir einen andern Mann, ich habe nichts weiter mit dir zu schaffen.“ Die Frau nimmt ihre Sachen und geht in das Haus ihres Vaters, der nichts von der Verabredung der beiden Freunde weiß. Sie wird darauf die Frau des Armen, der Reiche gibt ihm zwanzig Pfund Kupfergeld, um sich dafür bei dem Priester trauen zu lassen, auch die nöthigen Kleider. Am folgenden Tag geht der Arme zu seinem Freund und kündigt ihm seine Verheirathung an. Dieser ist erfreut darüber und versichert daß nichts in der Welt ihre Freundschaft auflösen könne. Als die Frau nach einem Jahr einen Knaben gebiert, bringt der Reiche einen Widder, eine Geis, Geflügel und allerlei Speisen, um die Gäste zu bewirthen, wenn das Kind einen Namen erhalte. Im dritten Jahr gebiert die Frau ein Mädchen. Danach legt sich eines Tags der Reiche zu Bett, stöhnt und stellt sich an als wenn er heftig erkrankt wäre. Der Arme bringt ihm Arznei, aber sie wirkt nicht. Er ruft einen alten Mann herbei, weiß aber nicht daß dieser mit dem Reichen sich verabredet hat. Der Alte sagt auf Antrieb des Reichen zu dem Armen „du mußt deinen Knaben deinem Freund übergeben, damit er ihn tödte: wenn er dessen Blut sieht, so wird er gesund, wo nicht, so muß er sterben.“ Der Arme geht heim, führt das Kind an seiner Hand herbei und übergibt es seinem Freund. Der Alte spricht zu ihm „du kannst heimgehen; morgen wirst du sehen ob dein Freund gesund ist oder nicht.“ Als er fort ist, läßt der Reiche den Knaben nach einem benachbarten Ort bringen, wo er verborgen gehalten wird. Der Alte tödtet einen Widder und sprengt sein Blut auf den Boden. Dann essen sie beide in der Nacht das Fleisch des Widders, die Knochen aber werfen sie in eine Grube, so daß jede Spur verschwindet. Am andern Morgen kommt der Arme, der Reiche spricht „meine Krankheit ist geschwunden.“ Er zeigt ihm die Spuren des Blutes auf dem Boden, aber der Freund bleibt standhaft. Der Reiche spricht „Gott segne dich, ich kann dir nicht vergelten was du an mir gethan hast. Wir wollen Freunde bleiben, bis der Herr uns trennt.“ So dauert ihre Freundschaft [364] fort, und der Arme gedenkt nie seines verlorenen Sohns. Als der Knabe sieben Jahr alt geworden ist, läßt ihn der Reiche kommen, bringt ihn in die Versammlung des Volks und läßt den Armen rufen. Er erklärt daß seine Krankheit eine Verstellung gewesen sei, um seinen Freund zu prüfen. Er habe den Knaben verlangt um durch sein Blut geheilt zu werden. Der Freund habe ihn gebracht und gesagt „tödte ihn“, er aber habe es nicht gethan, sondern einen Widder geschlachtet. Damit gibt er ihn dem Vater zurück. Alle preisen den treuen Freund. Es ist die alte weit verbreitete, mannigfach gestaltete Sage von den beiden Blutsfreunden, die sich gegenseitig das Liebste opfern; sie liegt dem Märchen von dem treuen Johannes (Nr. 6) zu Grund, kommt aber auch noch in orientalischen Erzählungen vor. Mit milderem Sinne wird hier das Kind nicht wirklich getödtet wie in andern Auffassungen, und es ist kein Wunder zu seiner Wiederbelebung nöthig.

Die zweite Erzählung soll zeigen wie der Hochmuth bestraft werde. Ein hoher Geistlicher und ein Heide leben in innigster Freundschaft, aber der Geistliche verschmäht auf einer Fahrt nach Mecca die Begleitung des Heiden, der hinter ihm herzieht. Dem Heiden wird der Eintritt in die Moschee gestattet, dem Geistlichen versagt, weil er seinen Freund verleugnet hat. Als sie wieder nach Haus gekommen sind, erkranken nach einem Monat beide und sterben an einem Tag. Sie sollen nahe nebeneinander begraben werden. Das Grab des Heiden ist leicht zu graben in sandigen Boden, in welchem sich unten Wasser befindet. Als man aber das Grab des Geistlichen zu graben beginnt, stößt man bald auf Felsen, und so jedesmal, wenn man eine andere Stelle wählt. Der Geistliche wird endlich in ein solches Grab gelegt, kann aber nur halb bedeckt werden: der Heide liegt tief und wohl bedeckt, das Wasser dringt herauf und flutet darüber, und er ist allein in den Himmel gekommen.

Das dritte Märchen erzählt von einem Diener Gottes der ein einäugiges Weib hat und ein Pferd. Er versteht die Sprache der Thiere des Waldes, der Vögel die vorbeifliegen, der Hyäne, wenn sie Nachts in die Nähe der Wohnungen kommt und schreit, des Pferdes, wenn es hungrig ist und wiehert, dem er dann Gras holt. Eines Tags hört er was vorbeifliegende Vögel sprechen und lacht darüber. Sein Weib fragt ihn nach der Ursache. „Ich darf es dir nicht sagen“ antwortet er. „Ich weiß schon,“ antwortet sie, „du lachst weil ich [365] einäugig bin.“ Der Mann spricht „das habe ich gesehen, bevor ich dich liebte und bevor wir uns heiratheten.“ Die Frau beruhigt sich, aber als sie einmal zu Bette liegen und Mitternacht vorbei ist, trägt es sich zu daß oben auf dem Dach eine Ratte mit seiner Frau scherzt und beide darüber herab auf den Boden fallen. „Das ist ein schlechter Spaß,“ sagt die Rattenfrau, „ich habe den Rücken gebrochen.“ Der Mann lacht im Bett, alsbald richtet die Frau sich auf, packt ihn und hält ihn fest. „Jetzt lasse ich dich nicht aus dem Haus,“ spricht sie, „wenn du mir nicht sagst was du gehört und worüber du gelacht hast.“ „Laß mich in Ruhe,“ erwidert der Mann, aber die Frau besteht auf ihrem Willen. Er bequemt sich endlich dazu und sagt ihr daß er die Stimme der Thiere und Vögel verstehe, womit sie sich zufrieden gibt. Am Morgen steht er auf und geht zu seinem Pferd, aber als es wiehert, versteht er es nicht, auch nicht mehr die Sprache der andern Thiere. Da setzt er sich in seinem Haus nieder, läßt den Kopf hängen und spricht zu sich selbst „wenn ein Mann sein Herz aufschließt und äußert seine inneren Gedanken, so straft ihn Gott dafür. Ich verstand die Sprache der Thiere, aber heute hat der Teufel mich von dem rechten Weg abgehalten. Weil ich mein Geheimnis einer Frau eröffnete, hat der Herr meine Ohren verstopft.“

Ein entsprechendes deutsches Märchen kenne ich nicht, aber es kommt, wie oben (S. 289) zu Straparola (12, 3) bemerkt ist, anderwärts vor. In der 1001 Nacht hört ein Kaufmann, der die Sprache der Thiere versteht, wie ein Ochs einem Esel einen listigen Rath ertheilt, und lacht darüber. Seine Frau will die Ursache wissen, der Mann sagt er habe über das gelacht, was der Ochs dem Esel eröffnet habe, weigert sich aber mehr zu sagen und erklärt daß es ihm sein Leben kosten würde, wenn er sein Geheimnis entdecke. Die Frau glaubt das nicht und will ihn verlassen, wenn er nicht offenbare worüber er gelacht habe. Der Mann sieht daß sie nicht von ihrem Vorsatz abzubringen ist, setzt sich vor die Thüre seines Hauses und überlegt ob er seiner Frau sein Leben zum Opfer bringen solle. Da bemerkt er wie der Haushund dem Hahn Vorwürfe macht daß er mit einer Henne scherze während das Leben ihres Herrn auf dem Spiel stehe. Der Hahn erwidert „unser Herr ist nicht klug, ich habe 50 Hennen, die mir gehorchen, er wird sich schon zu helfen wissen. Er nehme einen guten Stock, schließe sich mit seiner Frau in eine [366] Kammer ein und gebe ihr eine hinlängliche Tracht Schläge.“ Als der Kaufmann das angehört hat, erhebt er sich, nimmt einen Stock und schlägt so wacker auf die Frau los daß sie bittet sie loszulassen und verspricht nicht weiter zu fragen. Wiederum verschieden ist Straparolas oder vielmehr Morlinis Erzählung. Friedrich von Pozzuoli reitet eines Tages auf einer trächtigen Stute nach Neapel und hat seine schwangere Frau hinter sich sitzen. Ein Füllen folgt von weitem nach und ruft seiner Mutter zu sie solle langsamer gehen, es könne als einjährig nicht folgen. Die Stute antwortet ihm „ich trage den Herrn und die schwangere Frau und deinen Bruder im Leib, du bist jung und trägst nichts, wenn du nicht mitkommen kannst, so bleibe zurück.“ Der Mann der die Sprache der vierfüßigen Thiere versteht, lächelt über diese Reden. Seine Frau fragt warum er lache. Er antwortet wenn er das verrathe, so koste es ihm sein Leben. Sie aber will es durchaus wissen und droht, wenn sie es nicht erfahre, sich mit einem Strick die Kehle zuzuschnüren. Der Mann sagt wenn sie würden zurückgekehrt sein, wolle er ihr alles entdecken. Als sie wieder zu Haus sind, erinnert sie ihn an sein Versprechen. Er antwortet sie möge erst den Notar holen, damit dieser, da seine Entdeckung ihm den Tod bringen werde, seinen letzten Willen aufsetze. Während seine Frau auf dem Wege dahin ist, liegt er im Bette und hört den Hund, der dem Hahn über sein lustiges Krähen Vorwürfe macht, und nun folgt die Entwickelung wie in der 1001 Nacht. Ein serbisches Märchen leitet auf eigenthümliche Weise ein. Ein Hirte errettet eine junge Schlange vom Feuertod, sie ringelt sich um seinen Hals, und er bringt sie zu ihrem Vater. Sie gibt ihm den Rath von diesem zur Belohnung keine Schätze zu verlangen, sondern die Gabe die Sprache der Thiere zu verstehen. Nach einiger Weigerung erfüllt er sein Begehren. Auf der Rückkehr, als er sich zur Ruhe niedergelegt hat, hört er die Stimme zweier Raben, die ihm einen großen Schatz verrathen, den er ausgräbt, und wodurch er ein reicher Mann wird. Weihnachten begibt er sich mit seiner Frau auf einen Meierhof, wo er den Hirten einen großen Schmaus bereitet. Er spricht zu ihnen „esset und trinket, ich will diese Nacht an eurer Stelle bei den Herden bleiben.“ Um Mitternacht zeigen sich Wölfe und sprechen zu den Hunden „dürfen wir kommen und Schaden anrichten, so sollt ihr auch Fleisch haben.“ Die Hunde willigen ein, doch ein alter ist darunter, der sagt zu ihnen „wenn ich auch nur [367] zwei Zähne im Munde habe, so sollt ihr meinem Herrn keinen Schaden thun.“ Am andern Morgen läßt der Herr alle Hunde bis auf den alten todt schlagen. Er kehrt hierauf mit seiner Frau wieder heim. Er reitet einen Hengst, die Frau reitet eine trächtige Stute. Der Hengst wiehert und spricht zur Stute „vorwärts, warum bleibst du so zurück?“ Die Stute antwortet „du trägst nur den Herrn, ich aber trage dreie, die Frau, das Kind mit dem sie guter Hoffnung ist und das Füllen in meinem Leibe.“ Der Mann lacht, als er das hört, und die Frau fragt ihn nach der Ursache. Der Mann weicht mit seinen Antworten aus, endlich sagt er „wisse ich muß augenblicklich sterben, so wie ich es sage.“ Aber sie quält ihn ohne abzulassen. Sobald sie zu Hause sind, bestellt der Mann einen Sarg, stellt diesen vor das Haus und sagt zu der Frau „ich werde mich in diesen Sarg legen und dir dann sagen warum ich gelacht habe, aber wie ich es ausspreche, werde ich sterben.“ Er legt sich hinein, wie er um sich blickt, so sitzt bei seinem Haupt der alte Hund von dem Meierhof. Die Frau muß ein Stück Brot bringen, das er dem Hund vorwirft, der es aber nicht ansieht. Da kommt der Haushahn gelaufen und pickt daran. Der Hund spricht „elender Nimmersatt, du kannst fressen, wenn du siehst daß der Hausherr sterben will.“ Der Hahn antwortet „mag er sterben, wenn er so dumm ist. Ich habe hundert Weiber, die rufe ich zusammen, wenn ich ein Körnlein finde, wenn sie aber herbeikommen, so verschlucke ichs selbst, und wollte es mit meinem Schnabel belehren, wenn sich eines dagegen auflehnen sollte. Er hat nur Ein Weib und ist nicht im Stande es zur Ruhe zu bringen.“ Wie der Mann das hört, springt er aus dem Sarg, ergreift einen Stock, gibt ihr einen Schlag auf den andern und ruft „das ist es, Weib! Das ist es!“ Man sieht die Erzählungen sind aus einer Wurzel aber in verschiedener Gestalt aufgewachsen, die schlichte Auffassung der Neger scheint die vorzüglichste, sie hat den mildesten und bedeutendsten Schluß: weil der Diener Gottes das anvertraute Geheimnis verräth, geht ihm die höhere Begabung verloren, und von einer Strafe der Frau, die nur eine natürliche Neugierde befriedigen wollte, ist keine Rede. Der Mann hat gefehlt, aber die Frau hat ihn dazu verleitet.

Das vierte Märchen erzählt von sechs Söhnen die der Vater vor sich kommen läßt, weil er wissen will was für einen Beruf sie zu ergreifen gedenken. Der eine will ein Krieger werden, der zweite ein [368] Dieb, der dritte ein Straßenräuber, der vierte ein Kaufmann, der fünfte ein Landbauer, der sechste ein Grobschmied. Der älteste geht an den Hof des Königs und wird im Krieg auf der Flucht vor dem Feind getödtet und zwar er allein, seine Gefährten entrinnen. Der zweite stielt Tag für Tag, wird aber beim Pferdediebstal ertappt und aufgehängt. Der dritte treibt Handel, wird aber von Wegelagerern überfallen, seiner Waaren beraubt und getödtet. Der vierte wird bei einem Raub überwältigt und erschlagen. Nach zwei Jahren fordert der Vater abermals seine Söhne auf zu ihm zu kommen. Nur der Landbauer und Schmied erscheinen. Er fragt wo die andern geblieben seien, sie geben ihm Nachricht von dem Geschick derselben. Der Vater spricht zu den beiden „ihr hattet ein gutes Geschäft ergriffen, ihr seid klug gewesen, aber ihr habt die Weisheit nicht von mir empfangen, sondern von Gott. Wenn ich todt bin, könnt ihr euch selbst ernähren, und wenn euch Gott Weiber und Kinder gibt, so unterrichtet die Kinder in eurer Arbeit.“ Das deutsche Märchen von den vier kunstreichen Brüdern (Nr. 129) ist in der Grundlage damit verwandt.

Das fünfte ist ein Schwank eines listigen Mädchens. Ein Mann hat eine schöne Tochter, und es kommen zwei Jünglinge die um sie werben. Der Vater sagt „kommt morgen wieder, dann will ich mich entscheiden, wer sie zur Frau haben soll.“ Als sie zu der bestimmten Zeit erscheinen, sagt der Vater „bleibt hier und wartet, während ich ausgehe und ein Stück Zeug kaufe.“ Als er damit zurückgekehrt ist, ruft er seine Tochter herbei und spricht zu den Jünglingen „euer sind zwei und ich habe nur Ein Mädchen. Ich zerschneide das Zeug zu zwei Kleidern, wer am ersten mit dem Kleid fertig ist, der soll meine Tochter zur Frau haben.“ Die beiden sind bereit, und der Vater ruft seine Tochter herbei, gibt ihr ein Knäuel Garn und heißt sie Faden drehen. Das listige Mädchen reicht dem der ihr gefällt, kurze Faden, dem andern aber lange. Jener bringt das Kleid zuerst fertig und der Vater gibt ihm die Tochter.

Von den Thiermärchen die ihrer Eigenthümlichkeit und ihres zum Theil sinnreichen Inhalts wegen besondere Aufmerksamkeit verdienen, muß ich ausführlich reden; es sind ihrer zwölf.

1. Die Henne und die Katze. Die Katze kommt zur Henne und sagt zu ihr „laß uns Freundschaft mit einander machen.“ Die Henne antwortet „liebst du mich auch wie einen Freund?“ Die Katze [369] sagt ja, und die Henne willigt ein. Es wird verabredet daß sie den andern Morgen zusammen nach einem Ort in der Nachbarschaft gehen wollen. Die Henne schläft mit ihren Kindern bis zum Hahnenschrei, dann begeben sie sich zu der Katze, die ihr Vorwürfe macht daß sie gewartet habe bis der Tag angebrochen sei. Die Henne begleitet mit ihren Kindern die Katze, aber es dauert nicht lange, so packt die Katze zwei von den Kleinen. „Schwester Katze,“ sagt die Henne, „warum packst du zwei von meinen Kindern?“ „Sie haben noch nicht Kraft genug zu gehen,“ antwortet die Katze, „ich habe sie daher an mein Herz genommen.“ „Wenn du das thust,“ sagt die Henne, „so hat unsere Freundschaft ein Ende.“ „Willst du keine Freundin haben, so kann ich dich nicht heimgehen lassen,“ spricht die Katze, thut einen Sprung und packt den Kopf der Henne. Diese schreit um Hilfe, und als Leute herbei eilen, läßt die Katze sie los und lauft in den Wald. Die Leute sagen ihr sie solle sich in Zukunft vor der Freundschaft der Katze hüten. In dem Ausgang zeigt sich Ähnlichkeit mit dem deutschen Märchen von der Katze und Maus (Nr. 2).

2. Die Störchin und die Kröten. Die Kinder einer Störchin schreien nach Futter und sie kann keins finden. Auf den Rath eines Freundes legt sie sich Morgens früh an einen Bach, streckt Beine und Flügel aus, macht die Augen zu und bewegt sich nicht, als wenn sie todt wäre. Eine Kröte findet sie in diesem Zustand, geht und holt die andern Kröten herbei. Sie packen die Störchin an den Flügeln und Beinen, schleppen sie fort und singen dabei. Nach einiger Zeit öffnet die Störchin die Augen, wie die Kröten das sehen, laufen sie davon, aber die Störchin erhebt sich, läuft hinter ihnen her, verschluckt eine nach der andern und füllt damit ihren Kropf. Dann fliegt sie heim und füttert ihre hungrigen Kinder. Daher, wenn die Kröten in einem Bach quaken und sehen jemand kommen, so sind sie gleich still, weil sie denken der Storch komme. Wahrscheinlich sind Frösche gemeint.

3. Das Wiesel und sein Weib. Das Weib eines Wiesels hat ein Kleines geboren, ruft den Mann und spricht „such mir Zeug zu Kleidern, wie ich sie gerne habe.“ „Was ist das für Zeug?“ fragt der Mann. Die Frau sagt „mir gefällt eine Elephantenhaut.“ Das Wiesel geht zu einem befreundeten Vogel und fragt ihn wie es zu einer Elephantenhaut kommen könne. Der Vogel sagt „ich will dich eine List lehren, wie du dazu gelangen kannst. Bitte den Mistkäfer, den [370] Vogel, die Katze, den Hund, die Hyäne, den Leopard, den Löwen und Elephanten sie möchten zu dir kommen und dir helfen deinen Acker reinigen, der mit Gras überwachsen sei. Kommen sie, so kannst du die Haut des Elephanten erlangen.“ Das Wiesel befolgt den Rath. Am nächsten Morgen kommt zuerst der Mistkäfer und fängt an zu hacken. Dann der Vogel. Das Wiesel fragt „wer ist vor mir gekommen?“ „Der Mistkäfer.“ Wie der Vogel ihn erblickt, verschlingt er ihn. Hierauf kommt die Katze und verschlingt den Vogel. So geht es weiter, jedesmal werden dem Neuangelangten die Thiere aufgezählt, die schon gekommen und aufgefressen sind. Der Hund frißt die Katze, die Hyäne den Hund, der Leopard die Hyäne, der Löwe den Leoparden. Jetzt erscheint der Elephant und geht auf den Löwen los, aber das listige Wiesel hat eine Grube gegraben, in deren Mitte einen zugespitzten Pfahl befestigt, und sie dann mit Erde bedeckt. Der Elephant fällt bei dem Kampf mit dem Löwen hinein, und der Löwe geht in den Wald zurück. Das Wiesel nimmt sein Messer, zieht dem Elephanten die Haut ab, bringt sie seiner Frau und spricht „da hast du das Zeug, wonach du Verlangen gehabt hast.“ Jetzt sagt man „der Mensch ist so listig wie ein Wiesel.“

4. Der Schakal und die Hyäne. Zu einer Zeit ist Hungersnoth im Land. Die Hyäne geht in den Wald Futter zu suchen und findet eine Menge Affen die sich in einem See baden. Die Hyäne spricht „mein Fell ist beschmuzt, laßt mich mit euch baden.“ Die Affen willigen ein und die Hyäne steigt in das Bad. Sie packt aber einen Affen, zieht ihn herab ins Wasser und birgt ihn auf dem Grund. Die Affen verlassen das Bad und begeben sich nach Haus. Als sie weg sind, holt die Hyäne den getödteten Affen heraus und geht damit heim. Die Affen vermissen zu Haus einen von den Ihrigen, und niemand weiß von ihm. Am andern Tag sind sie wieder im Bad, auch die Hyäne kommt wieder. Als sie gefragt wird ob sie einen von den Ihrigen weggefangen habe, sagt sie „habt ihr gesehen daß ich einen von euch in meiner Tatze hielt oder daß ich Blut an mir hatte.“ Sie drohen ihr mit dem Tod, wenn sie nicht weggehe. Sie entfernt sich, aber am andern Morgen nimmt sie einen kleinen Stein, geht wieder hinaus zu dem Bad und verbirgt sich, daß die Affen sie nicht sehen können. Da wartet sie die Gelegenheit ab und wirft einen Affen mit dem Stein daß er ins Wasser fällt, und als die andern weggegangen [371] sind, holt sie ihre Beute und geht heim. Der Priester Schakal begegnet ihr und klagt daß seine Frauen und Kinder hungerten. Die Hyäne heißt ihn am andern Morgen wieder kommen und führt ihn dann zu dem Bad der Affen, wo sie sich unter einem Baum verbergen. Die Hyäne spricht „Bruder, sieh zu daß du etwas erwischest, bringe mirs dann, ich will es zwischen uns theilen.“ Der Schakal springt ins Wasser, taucht unter und gelangt zu den Affen, ohne daß sie ihn sehen. Da erhebt er seinen Kopf, ergreift einen Affen und zieht ihn herab. Dann schwimmt er mit seiner Beute fort und bringt sie zur Hyäne. Diese nimmt ihr Messer, schneidet den Vorderbug ab und gibt ihn dem Schakal, der damit heim geht. Am nächsten Morgen begibt er sich abermals zu dem Wasser und packt den größten Affen, der laut schreit, worauf die übrigen fortlaufen. Der Schakal ersäuft den Affen, hebt ihn auf seinen Kopf und denkt „bring ich ihn der Hyäne, so gibt sie mir ein kleines Stück und behält das meiste für sich.“ Er geht also mit seiner Beute heim, aber die Hyäne die seine Listigkeit kennt, macht sich auf und begegnet ihm. Sie steht still und er steht still. Sie macht ihm Vorwürfe und hält ihm vor was sie für ihn gethan hat, „du hast mir meine Güte nicht vergolten und jetzt sollst du und dein Raub meine Beute sein.“ Mit diesen Worten packt sie ihn, und sie kämpfen mit einander bis der Schakal den Raub zurückläßt und heim läuft. Der Schakal ist der Priester aller Thiere und kennt viele Zaubermittel. Er verwandelt sich in einen alten Mann, geht zu der Hyäne und spricht „kennst du mich? Der Priester Schakal kam zu mir und sagte mir daß du ihm den Weg versperrt hast, ihm wegnahmst was ihm Gott gegeben hatte in dem Wald, ihn hart schlugst und weggiengst. Weißt du nicht daß er der Priester aller Thiere ist? Bringe gleich hierher was du ihm genommen hast, ich will dem Priester geben was ihm gebührt. Thust du das nicht, so will ich meine Söhne rufen, die sollen dich binden und zu mir bringen, dich zu dem Priester tragen, damit er dich tödtet.“ Als die Hyäne das hört, verliert sie den Muth und zittert am ganzen Leib. Sie holt das Fleisch, das sie dem Schakal abgenommen hat, und übergibt es dem Alten. Dieser sagt zu ihr „das ist abgethan, aber wenn ich wieder vernehme daß du etwas genommen hast, das einem Priester, gehört, so sollst du nicht aus der Höhle kommen, in welche ich dich setzen werde. Laß mich Morgen nichts Böses von dir hören.“ Damit nahm er das Fleisch und gieng heim. Die Hyäne war ein Narr, sie kannte [372] nicht die Zaubermittel des Schakals. Wenn jetzt beide einander erblicken, geht keins näher heran.

5. Das Wiesel und die Hyäne. Diese beiden leben zusammen im Wald. Eines Tags tödtet die Hyäne ein Thier, bringt es zum Wiesel und spricht „mach Feuer an, damit wir das Fleisch braten.“ Das Wiesel geht Feuer zu suchen, kommt aber bald zurück und sagt „Bruder, ich habe nirgend Feuer gesehen.“ Die Hyäne sieht die Sonne untergehen, meint das sei Feuer und spricht zum Wiesel „hab acht auf unsere Speise, ich will Feuer holen.“ Sie macht sich auf den Weg, aber die Sonne geht unter. Sie kehrt also wieder um und sagt „ich gieng auf das Feuer zu, aber es war verschwunden.“ Das Wiesel hatte indessen das Fleisch in eine Höhle getragen. Die Hyäne fragt wo es sei. Das Wiesel antwortet „denk dir, zwei Männer kamen aus dem Wald, nahmen das Fleisch und steckten es in eine Höhle, ich will hinein kriechen, stecke deinen Schwanz in das Loch, ich will das Fleisch daran binden, so kannst du es herausziehen.“ Sie gehen hin, aber als die Hyäne ihren Schwanz hineingesteckt hat, so bindet ihn das Wiesel an ein Stück Holz und ruft sie solle ziehen. Die dumme Hyäne kennt die Listigkeit des Wiesels nicht, sie zieht, aber vergebens. Das Wiesel ruft abermals sie solle ziehen, sie zieht aus allen Kräften, und der Schwanz reißt ab. Das Wiesel birgt sich in der Höhle und läßt sich vor der Hyäne nicht wieder sehen. Diese geht aus dem Wald weg und begegnet zwei Männern. „Nun habe ich gute Nahrung“ sagt sie, und die beiden Männer, als sie die Hyäne sehen, sprechen auch „nun haben wir gute Nahrung.“ Der eine Mann macht Feuer, indem er ein hartes Stück Holz an einem verfaulten Stück reibt, und als das Feuer brennt, kommt der andere Mann, reißt eins von den Ohren des Thieres ab, hält es in das Feuer, nimmt es hernach wieder heraus und ißt es. Die Hyäne denkt „der Mann wird mich nicht verschonen, wenn ich bleibe“, und lauft fort. So machte das listige Wiesel daß die Hyäne Ohr und Schwanz verlor und ihre Freundschaft sich auflöste. Ähnlichkeit mit diesem Märchen hat in der Sage von Reinhart Fuchs die List, womit der Fuchs den Wolf verleitet den Schwanz in das frierende Wasser zu stecken, den er da er ihn nicht herausziehen kann, zurücklassen muß.

6. Der Vogel und der Elephant. Sie streiten mit einander wer von ihnen am meisten essen könne. Der Elephant spricht zum Vogel „du bist ein mundvoll für mich und willst sagen du könntest [373] mehr essen als ich? morgen wollen wir hinaus in den Wald gehen und dann werden wir sehen wer von uns beiden nicht zu sättigen ist.“ Der Vogel willigt ein. Als sie den andern Morgen im Wald anlangen, beginnt ein jeder zu essen. Der Elephant bricht Bäume und ißt sie mit den Früchten. Der Vogel kratzt den Boden auf und verschluckt alle Insecten die er findet. Gegen Mittag ist der Bauch des Elephanten angefüllt und sein Hunger gestillt, da legt er sich unter einen Baum. Aber der Vogel ist noch nicht satt, kratzt weiter die Erde auf und sucht Nahrung. Ein paar Stunden nach Mittag geht der Vogel zu dem Elephanten und spricht „Bruder Elephant, du dachtest mich zu übertreffen, aber wir hatten kaum ein wenig Nahrung zu uns genommen, so sagest du schon „ich habe genug“ und legtest dich in den Schatten. Mach dich auf und laß uns unsere Speise suchen, ehe es Nacht wird. Dann wollen wir schlafen gehen und morgen von neuem anfangen.“ Am nächsten Morgen heißt der Vogel den Elephanten sich fertig machen. Dieser muß seinen Leib entleeren, als das der Vogel sieht, kommt er heran, und kratzt in dem Mist des Elephanten. Dieser denkt „ich habe genug gegessen; aber dies kleine Ding hat nicht genug, jetzt kratzt es in meinem Mist in der Meinung das sei auch Nahrung. Bleiben wir beide zusammen, so wird es allmälig auch mich aufessen.“ Da lösten sie ihre Freundschaft, der Elephant gieng in den Wald und der Vogel blieb daheim. Wenn jemand in Bornu Hirsen gesät und gejätet hat, so kommen die Elephanten und fressen ihn auf. Sieht man das, so holt man einen Vogel und schlägt ihn daß er schreit. Hört das der Elephant, so lauft er fort. Dieselbe Grundlage aber eine ganz verschiedene Ausführung findet sich in einem Märchen anderer Neger, das G. Klemm (Allgemeine Culturgeschichte der Menschheit 3, 389. 390) mittheilt. Ein Elephant und eine Ziege streiten wer von ihnen beiden am stärksten fressen könne. Um die Streitfrage zu entscheiden gehen beide auf eine Wiese, die so groß ist als die Entfernung bis in das Land der Weißen. Als sie eine Zeitlang gefressen haben, legt sich die Ziege auf einen Felsen und fängt an wiederzukäuen. „Was machst du da?“ fragt der Elephant. „Ich verzehre den Felsen,“ antwortet die Ziege, „und wenn ich damit fertig bin, werde ich dich verzehren.“ Der Elephant erschrickt über diese unerwartete Drohung, lauft eilig davon und hat seitdem nicht wieder gewagt in eine Stadt zu gehen, worin eine Ziege zu finden ist.

[374] 7. Der Hahn und der Elephant. Beide wollen dasselbe Mädchen zur Frau haben. Der Hahn kommt bei Tag zu ihm. Wenn sie ihr Geschwätz mit einander gehabt haben und die Nacht bricht an, so geht er nach Haus und dann kommt der Elephant aus dem Wald. Er bemerkt die Fußspuren des Hahns und fragt wer am Tage hier gewesen sei. „Niemand,“ antwortet das Mädchen, „was du gesehen hast sind nicht Fußspuren sondern ich habe mit rauhem Ginster die Flur des Hauses gekehrt.“ Als der Elephant weg ist und der Hahn wieder kommt, sagt er zu dem Mädchen „ich sehe da auf dem Boden die Fußspuren eines Elephanten.“ Die Listige antwortet „ich habe einen Mörser dahin gestellt und etwas gestoßen.“ Der Hahn geht diesmal nicht nach Haus, sondern als er gegessen hat, legt er sich aufs Bett und schläft. Als es Nacht wird, kommt der Elephant und setzt sich aufs Bett. Der Hahn auf dessen Schenkel er sich gesetzt hat, erwacht und schreit „was ist geschehen?“ Bei diesem Schrei springt der Elephant auf und lauft in den Wald. Der Hahn hinkt nach Haus, bereitet sich ein Mittel, wovon sein Schenkel bald wieder heil wird. Darauf geht er in den Wald und findet den Elephant schlafend. Geschickt macht er sich herbei und pickt ihm eins von seinen Augen aus. Der Elephant erwacht und erblickt mit dem einen Auge den fortlaufenden Hahn. Der Elephant läßt den Löwen zu sich kommen und erzählt ihm was geschehen ist. Der Löwe entbietet die Thiere des Waldes und fordert sie auf sich zum Krieg bereit zu machen. Der Strauß bemerkt das und gibt dem Hahn Nachricht davon. „Du hast zwei Flügel, wie wir,“ sagt er zu ihm, „wir gehören zusammen.“ Der Hahn dankt ihm und spricht „Bruder Strauß, ruf alle Vögel zusammen, wer Flügel hat, soll uns Beistand leisten.“ Sie versammeln sich in der Stadt des Hahns, dessen Herz froh wird, als er sein Volk erblickt. Der Löwe erhebt sich und spricht „wo ist einer der schnell springen kann, dem wir das Zauberwasser geben?“ Man sendet nämlich einen, der das Zauberwasser in einem Flaschenkürbis trägt, voraus gegen den Feind und versichert sich damit des Siegs. Die Gazelle verlangt zuerst das Wasser, dann der Schakal. Bei dem Heer der Vögel fragt der Strauß wer mit dem Pfeil umzugehen wisse, wer mit dem Speer. Den Pfeil erhält die Biene, den Speer die Wespe. Dann wird mit Rothholz das Zauberwasser bereitet. Der Geier empfängt die damit gefüllte Kürbisflasche und setzt die weiße Haube auf. So ist alles zum Kampf bereit. Der Löwe ist Anführer der [375] vierfüßigen Thiere und zieht mit seinem Heer gegen die Vögel. Als er ihnen nahe gekommen ist, ruft er die Gazelle und den Schakal und gibt ihnen das Zauberwasser. Sie halten die Kürbisflasche in der Hand und springen gegen das Heer der Vögel. Da nimmt die Biene ihren Pfeil und geht auf sie los. Die Gazelle will das Zauberwasser auf die Vögel werfen, aber die Biene schnellt ihren Pfeil in den Nacken der Gazelle, und sie fällt zu Boden. Hierauf kommt der Schakal und will das Zauberwasser auf die Vögel werfen, aber die Wespe nimmt den Speer und schleudert ihn dem Schakal ins Gesicht, so daß er niedersinkt. Als der Löwe sieht daß die beiden gefallen sind, so kehrt er um, und da der Führer fortläuft, so flieht das ganze Heer. Die Vögel rücken vor, verfolgen die Thiere und tödten sie, so daß nur wenige zurückkommen. Die Vögel machen sich nach erlangtem Sieg auf den Heimweg und da sie Durst empfinden, begeben sie sich zu einem See, da zu trinken. Der Habicht bemerkt in dem Wasser einen alten Krötenmann, der, weil er nicht Kräfte hat zu laufen, sich da verborgen hat. Der Habicht will ihn verschlingen, aber der Vogel, der in der Höhle wohnt, hält ihn zurück, er dürfe den geheimen Aufenthalt, der in Gottes Schutz stehe, nicht verrathen. Als der Hahn wieder zu Haus angelangt ist, sagt er zum Strauß „Bruder, du hast mir einen großen Dienst erzeigt, Gott segne dich dafür! Du bist ein Mann vom offenen Feld, ich bin ein Mann vom Haus; wärst du nicht gewesen, so war keine Rettung für mich.“ Die Kröte erzählt dem Herrn was der Höhlenvogel für sie gethan hat. Der Herr beruft den Vogel und spricht zu ihm „da du das Geheimnis der Kröte beschützt hast, so will ich dich auch beschützen: alle Vögel haben ihre Kinder im Freien, du sollst dein Nest in einer Höhle haben, so daß niemand weiß wo deine Kinder sind und niemand sie wegnehmen kann.“ Der Krieg zwischen den Vögeln wird auch in dem deutschen Märchen von dem Zaunkönig und Bär (Nr. 102) erzählt, und wie dort der Stachel der Hornisse die Entscheidung herbeiführt, so hier der Pfeil der Biene und Wespe.

8. Die Ratte und die Kröte. Die Kröte spricht zur Ratte „ich kann mehr als du.“ Die Ratte antwortet „du kannst nicht laufen, hast du einen Sprung gethan, so bleibst du sitzen, und willst sagen du könntest mehr als ich?“ „Du sollst morgen sehen was ich vermag,“ antwortete die Kröte, „und wenn du dasselbe ohne Beistand vollbringst, so kannst du mehr als ich.“ Die Ratte nimmt den Vorschlag [376] an. Als am Mittag die Sonne heiß brennt, setzen die Menschen sich in den Schatten eines Baums. Die Kröte macht sich auf und geht mitten zwischen sie, aber sie rühren sie nicht an, weil sie fürchten, ihre Hand werde sonst bitter. So geht sie unberührt hindurch. Die Ratte will am folgenden Tag dasselbe thun, aber die Menschen greifen alle nach ihren Stöcken und wollen sie tödten. Einer schlägt nach ihr, berührt aber nur ein wenig ihren Rücken, so daß sie entrinnt. Am nächsten Morgen wiederholt sie den Versuch, aber mit demselben Erfolg. Die Ratte wird verfolgt, und wenn der Schlag nicht vorbeigefahren wäre, so war sie todt. Jetzt bekennt sie der Kröte daß sie mehr vermöge. Der Herr ließ die Ratte in einer Höhle wohnen, die Kröte aber in freier Luft. Die Ratte kommt bei Tag nicht hervor, sie streckt ihren Kopf aus ihrer Höhle, und wenn sie niemand erblickt, so kommt sie heraus und sucht ihre Nahrung. Die Kröte aber geht herum, wie es ihr gefällt, nur nicht bei Nacht, und niemand beleidigt sie, denn niemand will sie essen wegen ihrer Bitterkeit. Das Märchen erinnert an den Wettlauf des Hasen und Schweinigels, wo auch der Geringere siegt.

9. Der Löwe und der wilde Hund. Der Löwe sagt zu dem wilden Hund „ich fürchte nichts im Wald als vier Dinge, das Laub der Bäume, Gras, Fliegen und Erde (Dreck).“ Der Hund antwortet „dort ist gewis noch jemand stärker als du.“ Der Löwe spricht „ich tödte die Jungen des Elephanten, die wilde Kuh und den Leopard, und bringe sie meinen Kindern zur Speise. Wenn ich brülle, so zittern alle Thiere des Waldes: niemand ist mächtiger als ich.“ Der Hund sagt „komm, laß uns in den Wald gehen, ich will dir den schwarzen Vogel zeigen, wann er dort seine Nahrung sucht.“ Am andern Tag, als der Hund gesehen hat daß ein Jäger in den Wald gekommen ist, holt er den Löwen ab, und sie gehen zusammen in den Wald. Der Jäger hat sein Waldkleid angethan, auf seine Kappe den Schnabel eines großen Vogels genäht und sie aufgesetzt, dabei bewegt er sich wie ein Vogel. Der Hund spricht „Bruder Löwe, dort ist der schwarze Vogel, geh und packe ihn, und wenn du ihn gepackt hast, so gib mir einen von seinen Schenkeln, weil ich ihn zu einem Zauber brauche.“ Der Löwe geht langsam auf den Vogel zu, aber der Hund lauft fort. Der Jäger hat seinen vergifteten Pfeil herausgezogen, und als der Löwe kommt und denkt ihn zu tödten, schießt er seinen Pfeil ab und trift ihn. Der Löwe fällt rückwärts, erhebt sich, fällt [377] aber dreimal wieder hin. Das Gift wirkt und er taumelt. In dem Augenblick verschwindet der Jäger, weil er durch Zauberei sich unsichtbar machen kann. Der Löwe kommt wieder zur Besinnung und geht heim. Dort spricht der Hund zu ihm „Bruder Löwe, du fürchtest nichts in der Welt außer unsern Herrn, der dich erschaffen hat, das Laub an den Bäumen, Gras, Fliegen und Erde, warum hast du den schwarzen Vogel nicht gepackt und deinen Kindern gebracht.“ Der Löwe antwortet „dieses Mannes Kraft ist größer als meine, den schwarzen Mann muß man fürchten.“ Die wilden Thiere im Wald sind gefährlich, der Löwe, der Leopard, die wilde Kuh, der wilde Hund und die Hyäne, aber wenn sie den schwarzen Mann sehen, so bleiben sie nicht stehen und erwarten ihn. Es ist unser Märchen von dem Wolf und dem Mensch (Nr. 72).

10. Wie der Verstand unter die Thiere ausgetheilt wird. Im Anfang war keins von allen Thieren mit Verstand begabt, sahen sie einen Jäger auf sich zukommen, der sie tödten wollte, so blieben sie stehen, schauten ihn an und wurden erschossen. Da schickt unser Herr einen, der steckt allen Verstand in einen Sack und stellt diesen unter einen großen Baum. Das Wiesel bemerkt das, lauft zu dem Hasen, berichtet ihm davon und sagt „Bruder Hase, laß uns hingehen, und wenn du den Sack nehmen willst, so will ich dir guten Rath geben.“ Als der Hase versucht, so kann er es nicht und geht fort. Jetzt versucht es das Wiesel abermals, aber der Sack ist zu schwer. Da kommt eine Taube, setzt sich auf einen Zweig und spricht „häng es über.“ Das Wiesel schleift den Sack fort und lehnt ihn an einen Baum, packt ihn dann auf und trägt ihn heim. Dort öffnet es ihn und sieht daß nichts als Verstand darin ist. Darauf geht es zu dem Hasen und berichtet ihm von dem Sack und spricht „erzähle den andern Thieren nichts davon: dir will ich ein wenig Verstand geben, das übrige aber in meiner Höhle bewahren. Wenn sonst noch eines kommt, will ich ihm auch ein wenig geben.“ Der Hase erhielt also etwas davon, und das Wiesel sagt „wenn du dein Theil mitnimmst, so beachte folgendes, schläfst du bei Tag, so mache deine Augen auf. Wenn dann einer kommt und denkt du wärst ein guter Bissen für ihn, so glaubt er du seiest wach und geht wieder weg. Liegst du aber und schläfst nicht, so mache deine Augen zu: kommt einer herbei geschlichen und will dich packen, so spring auf und lauf in den Wald. So viel Verstand ist für dich genug.“ Allen übrigen behielt das Wiesel für sich [378] und übertrift darin alle Thiere des Feldes. Will jemand es erhaschen, so springt es in seine Höhle, und gräbt man die Höhle auf, so entkommt es hinten. Darum nennt man es den König des Verstandes. Unter die andern Thiere hat es nur wenig Verstand ausgetheilt und mehr haben sie nicht. In einem deutschen Märchen (Nr. 75) rühmt sich der Fuchs einen mit Listen angefüllten Sack zu besitzen.

11. Wie den Insecten ihre Geschäfte zugetheilt werden. Die Insecten versammeln sich, gehen zu unserm Herrn und sprechen zu ihm „du hast einem jeden seine Arbeit gegeben, gib uns auch eine Arbeit, damit wir etwas zu essen haben.“ Als der Herr sie angehört hat, spricht er „wer will den Insecten ansagen daß sie morgen alle kommen.“ Der Kaufmann sagt „das kann die Grille thun.“ Kaufmann aber heißt ein Insect das mit großer Geschäftigkeit alles was es erlangen kann, in seiner Wohnung verkauft. Der Herr heißt also die Grille bei Anbruch der Nacht die Insecten zu benachrichtigen daß er sie morgen frühe sehen wolle. Um Mitternacht läßt ihr der Herr sagen daß es genug sei; sie würde sonst Kopfschmerz empfinden. Die Grille geht in ihre Höhle, streckt aber den Kopf heraus und gibt Nachricht, bis der Tag anbricht. Hierauf versammeln sich alle Insecten bis auf den Kaufmann und gehen zu unserm Herrn. Alle erhalten ein Geschäft und begeben sich wieder nach Haus. Späterhin kommt der Kaufmann und entschuldigt sich damit, daß er so viele Säcke habe auf seine Esel laden müssen, da wären die andern ihm zuvorgekommen. Der Herr ertheilt ihm nun ein Geschäft, „begib dich zu dem Eingang der schwarzen Ameisen, da wirst du viele Köpfe von ihnen finden, die sammle, fülle sie in deine Säcke, und lad diese auf deine Esel: dann zieh zum Markt, breite Strohmatten aus und verkaufe sie.“ So thut der Kaufmann, als er sich aber auf den Weg macht, wirft der Esel den großen Sack ab. Der Kaufmann ruft Leute herbei und spricht „helft mir den Sack aufheben.“ Aber niemand will es thun. Die kleinen rothen Ameisen (die sind so klein daß man sie kaum sieht) kommen, sie wollen aber ohne Lohn nicht helfen. Da spricht der Kaufmann „wenn der Markt zu Ende ist, will ich euch bezahlen.“ Nun helfen sie ihm den Esel laden. Der Kaufmann geht auf den Markt, verkauft seine Sachen und das Marktvolk verlauft sich. Als er heimzieht kommen die rothen Ameisen und sagen „Vater Kaufmann, gib uns was du uns schuldig bist.“ Er aber weigert sich und geht weiter. Auf dem Weg überfällt ihn ein [379] Fieber, er setzt sich unter einen Baum, bindet den Esel daran, und zieht die Säcke von dem Rücken desselben. Indessen überwältigt ihn das Fieber und er liegt danieder. Als die rothen Ameisen das sehen, kommen sie herbei, und weil er vom Fieber kraftlos ist, so tödten sie ihn. Es war ein Insect dabei, das eilt zu unserm Herrn und berichtet was geschehen ist. Der Herr läßt die rothen Ameisen vor sich kommen, sie sagen daß der Kaufmann nicht habe bezahlen wollen was er ihnen schuldig gewesen sei. Der Herr gibt ihnen recht und sie erhalten das Geschäft ein krank liegendes Insect zu tödten.

12. Von den Schlangen. Die verschiedenen Schlangen haben ihre Wohnstätte an demselben Ort und bleiben darin. Jede hat ihre eigene Jagd und frißt die Nahrung die ihr behagt, keine raubt was der andern zugehört. Die Aberschlange (sie ist gefleckt, neun Fuß lang und so dick als eines Menschen Schenkel) geht einmal bei einbrechender Nacht in den Wald, Speise zu suchen und legt sich mitten in den Weg. Ein Mann (d. h. eine Schlange) geht in gleicher Absicht heraus. Er kann der Dunkelheit wegen die Aberschlange nicht sehen und tritt ihr auf den Fuß. Sie empfindet den Schmerz, ringelt sich und beißt ihn mit ihrem giftigen Zahn. Der Mann schreit laut, so daß das Volk im Haus es hört. Sie laufen herbei und finden den Mann dem der Schweis über den ganzen Leib rinnt. Er erzählt ihnen was geschehen ist. Sie bringen Heilmittel herbei, aber diese haben keine Wirkung; er stirbt. Sie tragen ihn heim und begraben ihn. Sie lassen die Aberschlange kommen, halten ihr vor was sie gethan hat, und werfen ihr vor daß sie sie in so übeln Ruf gebracht habe, daß jeder der sie erblicke, sie tödten werde. Die Aberschlange sagt zu ihrem Volk „ich will Gott bitten uns alle zu verbergen; ich habe etwas Böses gethan. Wartet auf mich bis ich wieder komme.“ Sie geht ganz allein zu unserm Herrn und erzählt ihm die Unthat die sie begangen hat: sie habe nicht gewußt daß ihr Biß tödtlich sei. Sie bittet ihn dann er möge sie und die Ihrigen verbergen, sonst würden sie getödtet, wenn sie jemand erblicke. Der Herr antwortet „thue in Zukunft nichts Böses, was du gethan hast, ist vorüber. Wenn die Tage, die ich gezählt und einem von euch gegeben habe, vorüber sind, so soll er sichtbar sein, und man wird ihn tödten, aber nicht der das thut tödtet ihn, sondern ich thue es. So lange aber bis jene Zeit vorüber ist, soll ihn niemand sehen.“ Daher sagt man, wenn man eine Schlange sieht, ihre Zeit sei vorüber.

[380] Besonderer Beachtung werth sind die Überlieferungen der Indianer in Nordamerika. Der Herausgeber, der seine Jugend unter den Wilden verlebte, hat sie aus dem Mund einer alten Indianerin die ihn pflegte, vernommen. Er hat wohl die Darstellung und den Ausdruck etwas ausgeschmückt, doch, muß man gestehen, mit Sorgfalt und Geschick. Die Wilden zeigen sich nicht als ein rohes, vielmehr als ein geistig ausgestattetes und tiefsinniges, den edlern Richtungen der menschlichen Seele zugewandtes Volk, wie fremdartig ihre Sitte manchmal erscheint; man muß die tiefe Wahrheit und sinnreiche Kühnheit ihrer Bildersprache bewundern, ihren eindringenden Blick in die großartigen Erscheinungen der Natur wie in ihr heimliches Weben. An der Echtheit des Inhalts wird niemand zweifeln, der das Wesen der Überlieferung kennt. Das Bedeutungsvolle und Mythische liegt offen da, aber es ist mit den Zuständen und Ereignissen des täglichen Lebens so innig verbunden, wie das Wunderbare und Unglaubliche. Die Thiere stehen mit den Menschen in vertraulichem Verkehr, und der kluge, in selbsterbauten Wohnungen lebende Biber wird noch zu diesen gezählt. Die Thiere entbehren nicht der menschlichen Sprache, ja der Grund wird ausdrücklich angegeben, warum ein Theil von ihnen mit dem Verlust derselben bestraft ward. Wie auf dieser Seite die menschliche Natur herabsteigt, so erhebt sie sich auf der andern. Unsterbliche die in den Höhen des Himmels oder in den Tiefen des Abgrundes ihre Heimat haben, treten mit den Bewohnern der Erde in nahen Verkehr, verbinden sich mit ihnen durch Heirath, indem sie eine Zeitlang menschliche Gestalt annehmen und sich menschlichen Trieben und Leidenschaften überlassen. So empfängt die Beherrscherin des ewigen Schnees, deren Athem eisig ist, Lebenswärme und Gefühl erst in der Umarmung eines Menschen, nach dessen Tod sie wieder zu dem Nordlicht zurück kehrt. Der große Tagstern, wie die Sonne heißt, ist ein Mann, der Weib und Kinder hat: wenn er die Augen schließt, so wird es Nacht. Die Luft steht stille, wenn die Winde sich dem nöthigen Schlaf überlassen. Die ersten Menschen waren sechs Indianer, die am Meeresufer sitzend sich einmal neben einander fanden und dann ausgiengen Weiber zu suchen. Sie kommen zu einer bestimmten Zeit wieder zusammen, jeder bringt sein Weib und ein Kind mit und erzählt wie er dazu gelangt ist; aus einer andern Quelle (vergl. Friedrich Majer Religiöse Gebräuche und Ideen der Urvölker des nördlichen Amerika im mythologischen Taschenbuch [381] vom Jahr 1811. S. 239. 240) war diese Überlieferung schon mit einigen Abweichungen bekannt. Hier einiges von den Schicksalen des ersten Indianers. Er klettert Tage lang an einem Sonnenstrahl hinauf, bis er zu dem großen Tagesstern gelangt, und wirbt um dessen schöne Tochter. Von der Mutter begünstigt, gewinnt er ihre Neigung, aber der König des Lichts verschmäht die Vermischung seines Geschlechts mit den Geschöpfen der Erde. Als die Folgen des heimlichen Verständnisses offenbar werden, wirft er beide zornig vom Himmel herab, doch die Mutter läßt sie unverletzt auf die Erde nieder fallen, wo sie ein glückliches Leben führen und ihre Nachkommen sich ausbreiten. Dieses Märchen zeigt im Gang der Ereignisse einige Ähnlichkeit mit andern, bei uns bekannten, wo ein kühner Jüngling sich in die Behausung des Teufels oder eines andern bösen Geistes begibt, um etwas von ihm zu erlangen: eine gutmüthige Alte fördert sein Vorhaben und läßt ihn glücklich entrinnen; doch das ist nur eine allgemeine, in natürlichen Verhältnissen begründete Übereinstimmung. Ich will aus einer andern Überlieferung die zu den bedeutendsten gehört und am besten den Gehalt dieser Märchen erkennen läßt, einige Züge mittheilen. Der erste Mensch, der alte Chappewee, findet auf der Erde weder Männer noch Weiber noch Kinder. Er schafft Kinder und gibt ihnen zweierlei Früchte, weiße und schwarze, verbietet ihnen aber von den schwarzen zu essen. Da die Erde noch nicht von den Strahlen der Sonne erleuchtet ist, so geht er fort die prächtige Scheibe zu holen. Nach langer Abwesenheit bringt er sie herbei, und sie beginnt nun ihr glänzendes Licht gewisse Stunden hindurch über die Erde auszuströmen. Mit Freude bemerkt er daß seine Kinder nur von den weißen Früchten gegessen, mithin Krankheit und Tod noch keine Gewalt über sie erlangt hatten. Aber die Sonne leuchtet nicht zu aller Zeit: der Alte geht abermals fort um die Lampe der dunkeln Stunden, den Mond herbei zu holen. Als er sie herbei bringt, merkt er gleich an den Augen der Kinder daß sie von der verbotenen Frucht genossen haben. Er ist nicht ohne Schuld, denn ehe er weggieng hatte er vergessen, sie mit einem Vorrath von weißen Früchten zu versorgen und der Hunger sie gezwungen von den schwarzen zu genießen. Jetzt kommt Krankheit und Tod in die Welt, Miswachs, Mühseligkeit und Qual. Chappewee sieht mehr als zwanzig Geschlechter verschwinden, er selbst ist dem Tod nicht unterworfen. Hundertmal sind ihm die Zähne ausgefallen und neue gekommen, ebenso oft haben [382] Zunge und Augen sich ersetzt: aber er ist des Lebens müde und will sterben. Da schickt er einen von den Seinigen zu dem kleinen klugen Volk, zu den Bibern, von denen einer bewogen wird sich sieben von seinen scharfen Zähnen ausreißen zu lassen. Der Alte erhält was er verlangt hat und befiehlt zwei von diesen Zähnen ihm in die Schläfe, einen in die Mitte der Stirne, einen in jede Seite, einen in die Höhle des Rückens, einen in die große Zehe des rechten Fußes zu schlagen. Als der letzte eingeschlagen ist, seufzt der Alte dreimal und stirbt.

Ich will noch die Erzählung des vierten unter den Indianern, die ausgiengen sich Weiber zu suchen, herausheben, weil sie Ähnlichkeit mit den irischen, auch einem deutschen (Nr. 182) Märchen von dem nächtlichen Elfentanz hat. Der Jüngling gelangt am sechsten Tage seiner Wanderung, als die Sonne eben untergeht, auf die Anhöhe eines Bergs, wo er sich nieder setzt. Als es Nacht geworden ist, dringt aus dem Thal ein lieblicher Gesang zu seinen Ohren, dazwischen Lachen und fröhliches Geschrei. Er steigt herab und nähert sich vorsichtig, da erblickt er im Mondschein eine Menge weiblicher Gestalten die auf einem grünen Plan tanzen. Einige sind klein, wie ein Kind von drei Monaten, andere in menschlicher Größe. Er setzt sich an einer Stelle nieder, wo er nicht kann bemerkt werden, und ergötzt sich an dem Anblick. Plötzlich springt eine von ihnen in muthwilliger Lust aus dem Ring und kommt gerade auf ihn zu. Als sie ihn entdeckt, schreit sie vor Schrecken laut auf und eilt zu den andern zurück. Sie gerathen bei der Nachricht daß ein Fremder in der Nähe sei, in höchsten Zorn, kommen und machen ihm Vorwürfe daß er sie in der Dunkelheit bei dem heiligen Tanz und dem Geisterlied der Nacht belauscht habe. Sie sagen ihm sie seien Berggeister die seit Jahrhunderten auf diesem grünen Platz in Sommernächten sich an Tanz und Gesang erfreuten und den Thau der Blumenkelche tränken. Ihn erwarte nichts anderes als der Tod. Er entschuldigt sich mit der Macht des Gesanges, der in der Ferne vernommen und der ihn herbei gezogen habe, und erbietet sich die größte und schönste von ihnen zur Frau zu nehmen. Ihr Zorn hat sich bei seiner Rede gemildert, und die Auserwählte entschließt sich, bevor der Mond den höchsten Stand am Himmel erreicht hat, die Berge zu verlassen und ihm als Frau in ein wärmeres Land zu folgen.

Das Märchen eines Apachen (mitgetheilt im Ausland 1856. [383] Nr. 10) läßt die Einwirkung biblischer Erzählungen erkennen, ist aber ganz mythischen Inhalts.

Weitab von den nordamerikanischen Märchen, auf der östlichen Halbkugel und höher im Norden, begegnen wir Überlieferungen der Finnen, die bei aller Verschiedenheit des Inhalts in der Bildungsstufe Verwandtschaft mit jenen zeigen und, wenn auch durch einen losen epischen Faden zusammen gehalten, doch in einzelne Stücke sich leicht abtrennen lassen. Die mythische Grundlage tritt hier noch mächtiger hervor, während sich Tiefe und Wahrheit der Naturanschauung nicht geringer erweist. Kalevala, noch jetzt in dem Munde der Sänger fortlebend, ist zugleich eins der wunderbarsten Denkmäler der nordischen Vorzeit und wird an Ursprünglichkeit und innerm Gehalt nur von der Edda übertroffen; würdigen aber kann diese Poesie die aus dem Zusammenhang mit der vorgeschichtlichen Zeit ihre Kraft zieht und ihre Bedeutung empfängt, nur wer gelernt hat sich in die Zustände zu versetzen, die sie schildert. Auch hier macht den Hauptinhalt eine Brautfahrt aus, indem drei Brüder um dieselbe, mit wunderbarer Schönheit und den höchsten Gaben ausgestattete Jungfrau werben, die dem jüngsten zu Theil wird. An die Geschicke, die dabei walten, sind Überlieferungen geknüpft, die in märchenhafter Darstellung von der Entstehung der Erde und den frühsten Zuständen des menschlichen Zusammenlebens berichten. Den Brüdern wohnt schaffende Kraft bei, zumal dem ältesten: er bildet Inseln, Buchte und Felsen, läßt Sonne und Mond erscheinen. Die jedesmalige Lage, in die sie gerathen, bestimmt sie hervor zu rufen was zum irdischen Dasein nöthig ist. Ihnen gegenüber steht eine böse Zauberin, die Krankheit und Seuchen entstehen läßt und Sonne und Mond verschließt, um der Erde das Licht zu entziehen. Wir vernehmen von der Erfindung der Harfe und des Gesangs, dessen Kraft so überwältigend ist, daß die ganze Natur in Aufruhr geräth: die Thränen, die dem Sänger dabei über die Wangen rollen, fallen ins Meer und bilden Edelsteine, die eine blaue Ente aus der Tiefe holt. Als jene Harfe ins Meer gesunken ist, wird eine zweite verfertigt, bei deren Klang der Adler seine Jungen im Nest verläßt und auf die Töne horcht. Doch auch die Grenzen der Macht werden bezeichnet, vergeblich ist der Versuch einer aus Silber und Gold kunstreich gebildeten Frau Lebenswärme mitzutheilen oder Athem einzuhauchen: vergeblich will man die geraubten Gestirne, Sonne und Mond durch künstliche, aus edlem Metall geschmiedete [384] ersetzen, die Nachbildung strahlt kein Licht aus. Das Höchste aber, was die Brüder schaffen, ist der dem Boden Fruchtbarkeit verleihende, alle Wünsche erfüllende Sampo, in dessen Besitz zu gelangen, von feindlicher Seite List und Gewalt angewendet wird. Zuletzt ins Meer geschleudert, zerbricht er, so daß seine Schätze auf dem Grund liegen bleiben und nur einzelne, von den Wellen ausgeworfene Stücke wieder an den Tag kommen. Der Nibelungehort, dessen Werth auch mehr in den damit verbundenen wunderbaren Dingen als in dem angesammelten Gold beruht, darf wohl damit verglichen werden. Die Heldensage setzt staatlich geordnete Völker voraus, die um Unabhängigkeit oder um Oberherrschaft kämpfen, menschliche Helden treten auf, an denen manchmal noch der Widerschein höherer Abkunft haftet: hier sind es Götter, die einander den Besitz übernatürlicher, wunderkräftiger Dinge streitig machen. Auch die drei Brüder sind göttliche Wesen, der älteste von ihnen, der Herr des Liedes (um mich eines Ausdrucks des Mittelalters zu bedienen), hat dreißig Jahre in dem Schoß der Mutter gelegen, ehe er das Licht der Welt erblickte: schon am zweiten Tag schmiedet er sich ein Pferd das leicht ist wie ein Halm, auf dem er über das Meer weg reitet. Nirgend Rohheit oder Verwilderung, neben den Äußerungen eines ungezähmten Übermuths steht Sanftheit, zarte Empfindung und liebevolle Betrachtung der Natur, wie sie dem schön geschilderten Hirtenleben eigen ist. Die Darstellung ist durchaus märchenhaft, sie kümmert sich um Wahrscheinlichkeit so wenig als der Gedanke bei der Auffassung des Übersinnlichen an irgend eine Schranke sich bindet: sie weiß die ausschweifendste Phantasie zu überflügeln. Ein Ochse ist so groß, daß eine Schwalbe den ganzen Tag zwischen seinen Hörnern zu fliegen hätte und das Eichhorn von dem einen Ende des Schwanzes bis zu dem andern einen ganzen Monat zu laufen, wobei es doch der Erschöpfung wegen auf der Mitte des Weges rasten müßte; das Bild wäre als Übertreibung in andern Dichtungen unerträglich gewesen, dieser Poesie ist es angemessen. Einzelne Anklänge an die deutschen Märchen sind in der Abhandlung über das finnische Epos nachgewiesen, ich will noch einiges mit jenen Gemeinschaftliche hier anmerken: der Pfad über Nadelspitzen, Schwertecken und Streitäxte gleicht dem Weg über Kämme und Stacheln (Nr. 79). Die Mutter zieht die einzelnen Glieder ihres zerstückten, in den Fluß geworfenen Sohns aus dem Wasser, fügt sie zusammen und wiegt sie so lange auf ihrem [385] Schoß, bis er wieder lebendig wird, wie bei uns (Nr. 46) die in dem Blut schwimmenden Glieder der zerhackten Schwester wieder belebt werden.

Von den drei finnischen Märchen bei Bertram ist das zweite, das Mädchen auf dem Meer, sichtbar mit der weißen und schwarzen Braut (Nr. 135) verwandt, zeigt sich aber vollständiger und gehaltvoller.

Ganz der Geist von Kalevala, nicht minder bedeutsam, nur milder, das heißt ohne die Beimischung des Ungeheuern, offenbart sich in den Märchen der ehstnischen Finnen. Was kann anmuthiger sein als die Erzählung von der Leuchte, welche die Hallen Altvaters erhellt? Er überträgt die Sorge dafür zwei unsterblichen Dienern, einem Jüngling und einem Mädchen. Zu diesem, die Ämmarik (Abendröthe) heißt, spricht er „Töchterchen, dir vertraue ich die Sonne, lösche sie aus und verbirg das Feuer, daß kein Schade geschieht.“ Dann zu Koit (Morgenröthe) „Söhnchen, dein Amt ist, die Leuchte zu neuem Lauf wieder anzuzünden.“ Keinen Tag fehlt die Leuchte am Himmelsbogen, im Winter hat sie lange Rast, im Sommer nur kurze Ruhezeit, und Ämmarik übergibt die erlöschende unmittelbar den Händen Koits, der sie alsbald zu neuem Leben anfacht. Zu einer solchen Zeit sehen beide einmal sich zu tief in die braunen Augen, ihre Hände fassen einander, ihre Lippen berühren sich. Altvater sieht es und spricht „seid glücklich als Mann und Weib.“ Sie antworten „Alter, störe unsere Freude nicht, laß uns ewig Braut und Bräutigam bleiben, so ist die Liebe immer jung und neu.“ Nur einmal im Jahr, vier Wochen lang, kommen beide zur Mitternachtszeit zusammen. Dann legt Ämmarik die erlöschende Sonne in die Hand Koits, ein Händedruck und ein Kuß beseligt sie. Die Wange der Ämmarik erröthet und spiegelt sich rosenroth am Himmel, bis Koit die Leuchte wieder anzündet. Weilt Ämmarik zu lange, so ruft ihr die Nachtigal scherzend zu „säumiges Mädchen, die Nacht wird zu lang.“ Dem geheimnisvollsten nährt sich die Dichtung der Völker und weiß es in ihrer Unschuld zu deuten. Ein Märchen beschreibt die Entstehung der verschiedenen Sprachen, Altvater kocht Wasser in einem Kessel, und nach den verschiedenen Lauten die es beim Brodlen von sich gibt, wird den heran nahenden Völkern die Sprache zugetheilt: nur die Ehsten die zuerst kommen, als das Wasser noch nicht kocht, erhalten die Sprache Altvaters. Wird gesagt die Scheidung [386] der Sprachen sei entstanden, als der stille Wasserspiegel uranfänglichen Lebens von dem Feuer irdischer und sündlicher Triebe gestört und durchbrochen ward? Auch ehstnische Volkslieder bewahren Überlieferungen dieser Art und manche mit Kalevala übereinstimmende Züge. Den Thiermärchen gibt ihre Vollständigkeit und anmuthige Ausführung einen besondern Werth. Bei einigen konnte die Verwandtschaft mit deutschen (Nr. 58 und 189) nachgewiesen werden.

Hier muß ich der Sage von Gesser Chan Erwähnung thun. Sie ist zwar in der mongolischen Volkssprache aufgefaßt, ursprünglich aber, aller Wahrscheinlichkeit nach, in Tibet entstanden und zeigt Einwirkungen indischer Mythen. Dort herrschte der Held, dessen Ruhm noch heute bis nach China fortdauert. Alle Zeichen deuten darauf daß wir nur die Auflösung eines alten Gedichts vor uns haben, dessen Zeit man nicht kennt, dessen Inhalt aber auf ein hohes Alter zurück weist. Man kann leicht einzelne, für sich bestehende Theile abtrennen, zumal in den ersten, die Geburt und die Jugend Gessers umfassenden Abschnitten die nur durch schwache Bande zusammen gehalten werden; erst in den Kriegen mit den drei schiraigholischen Chanen zeigt sich mehr epischer Zusammenhang. Die Dichtung gewährt helle Blicke in die früheren Zustände ostasiatischer Völker und ist auch in dieser Beziehung von nicht geringem Werth. Das Erhabene und Großartige der Gedanken, das in Kalevala Bewunderung erregt, fehlt hier gänzlich, aber die mythische Bedeutsamkeit und die ungezügelte Phantasie bricht in ähnlicher Weise hervor, ja es fehlt nicht an Bildern in dem Geist jener Zeit: ein Pfeil bei Sonnenaufgang abgeschossen fällt erst nieder, wenn die Sonne drei Viertel von ihrer Bahn vollendet hat: ein Stier ist so groß daß sein rechtes Horn den Himmel stützt, sein linkes die Erde berührt: ein Felsenstück wird von einem Berggipfel zum andern geworfen; anderes ist wild und wüst. Gesser, die Verkörperung eines Gottes der an einer Kette in den Himmel und wieder herabsteigt, bewährt seine Abstammung durch übernatürliche Kräfte und durch Verwandelungen in jegliche, selbst in doppelte Gestalt, womit er jeden Widerstand besiegt: er schafft zauberhafte Helden, deren einer als Feuerklumpen unter die Feinde sich wälzt und sie verbrennt. Schön wird seine Macht ausgedrückt, wenn es heißt „die Erde bebt, wenn Gesser weint;“ er beruhigt sie durch Räucherwerk (S. 228. 238. 243). Auch seine Gegner sind meist übernatürliche Wesen, Riesen, deren Macht so weit geht daß sie, in Felsenwände verwandelt, [387] sich herbei bewegen und zusammen schlagend ihren Feind erdrücken. Gessers Kampf mit ihnen hat völlig mythische Geltung: er soll den Widerstreit des Guten und Bösen darstellen, aber nur nach der Ansicht des Gedichts, denn seinen Handlungen liegt kein Gedanke zu Grund der uns Achtung einflößen könnte. Alles was er und seine Helden vollbringen, wird durch Trug, gemeine Verstellung und unwürdige List erreicht: er übt ohne Zaudern erbarmungslos die rohsten Grausamkeiten, schneidet dem Kind die Hand ab, die er ihm erst gestreichelt hat, und während er sich den Schein gibt, als wolle er den Segen empfangen, schlitzt er dem Lama den Leib auf und zerreißt dessen Eingeweide. Nur der Gegensatz zu dem niederträchtigen Tschotong, der, obgleich ein Fürst, Schläge hin nimmt und in knechtischer Furcht unter den Tisch kriecht, Roßäpfel und Leder als gute Speise verschluckt, hebt ihn etwas: doch menschliches Gefühl zeigt er nur in der Liebe zu seinem irdischen Vater, der gleichwohl seine Verschmitztheit empfinden muß. Wir suchen bei ihm vergeblich einen Anhauch jener edlen Gesinnung, die in dem Epos anderer Völker Lebensbedingung ist; das Gedicht sieht uns in dieser Beziehung in weiter Ferne. Nur in der Klage der Tümen (S. 119) die auszieht den verlorenen Gesser zu suchen, finde ich eine bessere Stimmung, die sich auch in Sprichwörtern, Bildern und Formeln die offenbar herkömmlich sind, erkennen läßt: Rogmo Goa, um ihren Schmerz auszudrücken, sagt (S. 81) „das Weiße meiner Augen ist gelb geworden, das Schwarze meiner Augen ist gebleicht.“ Ich löse ein paar einzelne Erzählungen ab, die ganz märchenhaft und für uns besonders merkwürdig sind. Die Darstellung darin ist gut und der Inhalt hat die Vollständigkeit und Genauigkeit, wodurch die Auffassungen alter Zeit sich auszuzeichnen pflegen.

Gessers Vater will die Eigenschaften seiner Söhne prüfen (S. 32). Er fängt ein Rebhuhn und steckt es in einen Sack, den er zubindet. Diesen Sack zu sich nehmend besteigt er einen Büffel und läßt den einen Sohn, Namens Dsesse, hinter sich aufsitzen. Als das Rebhuhn anfängt zu flattern, bockt der Büffel und wirft den Alten ab, der sich todt stellt. Wehklagend eilt der Sohn nach Haus. Am andern Morgen macht der Vater dieselbe Probe mit Rongsa, dem zweiten Sohn, die ebenso ausfällt. Am dritten Morgen kommt die Reihe an Joro, wie Gesser in seiner Kindheit genannt wird. Auf dem Weg gelangen sie zu dem Feld eines Chinesen, das mit Holz eingezäunt [388] ist, auf dem eine Elster hüpft. Das Rebhuhn flattert, der Alte fällt vom Büffel zur Erde und stellt sich todt. Joro springt herab, fängt zum Schein ein entsetzliches Trauergeschrei an, hält aber den Büffel fest. Plötzlich hört er mit seiner Klage auf und spricht „hätte dieser tückische Chinese nicht hier seinen Acker angelegt und nicht mit hölzernen Stangen umsteckt, von denen die Elster auffliegen konnte, so hätte der Büffel sich nicht gebäumt und mein Alter wäre nicht ums Leben gekommen.“ Dann ruft er den Chinesen herbei und droht er wolle ihn als Ersatz für den Todten nehmen. Der Chinese der nicht eher kommt als bis Joro anfängt das Getreide zu verwüsten, muß das Gehölz in der Nähe umhauen und herbei bringen, welches zum Leichenbegängnis dienen soll. Joro setzt das gefällte Holz neben seinen Vater in einen Haufen und zündet ihn an. Als das Feuer auflodert, schielt der Alte seitwärts: Joro nimmt eine Handvoll Erde, wirft es auf die Augen des Vaters und spricht „man sagt, Väterchen, es sei ein schlechtes Zeichen für die nachbleibende Familie, wenn jemand mit offenen Augen sterbe.“ Als das Feuer immer stärker prasselt, zieht der Alte beide Beine zusammen. Joro spricht „man behauptet die Glieder des nachgelassenen Weibes und der Kinder könnten sich nicht ausstrecken, wenn jemand im Tode die Beine zusammen ziehe.“ Er holt ein Stück Balken und legt es dem Alten über beide Beine. Dann nimmt er ihn auf den Rücken, um ihn auf den brennenden Holzstoß zu legen. Während er ihn trägt, schreit der Alte „dein Vater ist nicht todt, er lebt.“ Joro spricht „es ist von der schlechtesten Vorbedeutung für die Nachkommen, wenn jemand nach seinem Tode noch spricht.“ Er ist eben im Begriff ihn ins Feuer zu werfen, als der Alte schreit „ich sage dir daß ich nicht todt bin: willst du deinen Vater bei lebendigem Leib verbrennen?“ „Es freut mich, daß du nicht todt bist, Väterchen,“ spricht Joro, hilft dem Alten auf den Büffel und zieht mit ihm heim. Der Alte spricht zu seinem Weib „ich habe die Eigenschaften meiner drei Knaben geprüft, Dsesse wird ein herzhafter Mann werden, Rongsa ein mittelmäßiger Mensch, aber keiner von beiden dem Joro gleich kommen.“ Mit diesen Worten entfernt er sich, aber sein Weib faßt Groll und hat Böses im Sinn. Sie denkt „soll der Sohn der verstoßenen Frau meine beiden Söhne übertreffen? ich will ihn geschwind auf die Seite schaffen.“ Sie stellt für jene gute Speise auf den Tisch, unter die Speise Joros mischt sie starkes Gift. Dsesse und Rongsa setzen sich nieder und essen, Joro [389] bleibt als müßiger Zuschauer links stehen. Die Mutter spricht „lieber Joro, was stehst du da und siehst zu? setze dich an den Tisch und verzehre dein Essen.“ Joro ergreift seine Schale, läßt sich nieder und spricht „unsere Eltern haben unsern Erbantheil an der Schüssel unter uns getheilt: jetzt werden sie auch unsern Erbantheil an Vieh unter uns theilen. Ihr, meine Brüder, habt ein Versehen begangen, indem keiner von Euch den Eltern die Vorkost als Opfer dargebracht hat: wenn ich nicht esse, was hat das zu bedeuten?“ Mit diesen Worten überreichte er dem Vater die Speise, der in seiner Unschuld eben davon genießen will, als Joro die Schale zurück zieht und sie der Stiefmutter darbietet. Aus Schamgefühl will sie davon essen, aber Joro nimmt auch ihr die Schale weg, schüttet einen Theil ihres Inhalts in den großen Kessel und spricht „dies war von jeher der allgemeine Familienkessel;“ unmittelbar darauf platzt dieser auseinander. Einen Theil schüttet er auf den Dreifuß, der in Stücke zerspringt. Einen Theil wirft er dem Haushund an den Kopf, der in zwei Theile sich spaltet. Den Rest genießt Joro selbst (ihm als einem Gott scheint er nicht gefährlich) und bringt etwas Röthliches daraus gepreßtes seinen bei den Drachenfürsten befindlichen Schwestern zum Opfer. Es kommt in deutschen Märchen mehrmals vor daß ein Vater seine drei Söhne aussendet um ihre Fähigkeiten zu prüfen: aber eine Ausführung die dieser ähnlich wäre, finde ich nirgend.

Näher steht uns eine andere Erzählung (S. 141). Gessers Gemahlin, Tümen Dschirghalang, wird von einem Riesen geraubt, der sie auf seine hoch gelegene, von einer Mauer ohne Thore umgebene Burg bringt. Gesser begibt sich dahin. Als er angelangt ist, nimmt er die Gestalt eines Bettlers an und ruft mit lauter Stimme „wo bin ich hin gekommen?“ Die Frau, als sie seine Stimme hört, springt auf, aber der Riese hatte vor den rechten und linken Thürpfosten zwei Spinnen von der Größe eines zweijährigen Kalbes gesetzt, die sie verschlingen sollen, wenn sie den Versuch macht hinaus zu gehen, und die jetzt den Rachen öffnen, als sie an der Thüre erscheint. Gesser schlägt die Thiere mit seinem schwarzen Stecken todt und läßt ihre Stelle von zwei ähnlichen aber falschen Spinnen einnehmen. Die Frau fällt dem Gesser weinend um den Hals, er aber spricht „ist das nicht was man ein Weib von kurzem Zügel (wenig Ueberlegung) nennt? wenn du weinst, wird das nicht der Riese bemerken?“ Er vernimmt von ihr daß dieser der gerade auf der Jagd ist, als Wahrsagungszeichen [390] rothe Fäden besitzt, aus denen er Alles mit Sicherheit erfahren kann. Sie sinnen nach wie sie ihm seine Listen ablocken: sie soll ihn ausfragen und er will dabei horchen. Sie graben eine sieben Klafter tiefe und lange Grube, in welche Gesser kriecht. Dann wird sie mit einer weißen Steinplatte bedeckt, über welche eine gemalte Decke gelegt wird: auf diese kommt eine dünne Erdschicht, weiter Heu und grüne Kräuter: endlich wird ein mit Wasser gefüllter Kessel darüber gestellt und um dieses Wasser gepflückte Federn von allerlei Vögeln gestreut. Abends, als die Sonne roth wird, kommt der Riese auf seinem kupfergrünen, mit einem Elenthier beladenen Maulthier heim. Das Maulthier, als es sich nähert, schnaubt mit der Nase, nimmt das Gebiß zwischen die Zähne, kaut daran, macht Sätze und Sprünge und wühlt die Erde auf; auch die beiden Grauschimmel des Riesen laufen unruhig hin und her. Der Riese vermuthet einen Betrug der Frau: „ist etwa ein Feind gekommen?“ ruft er, „meine Nase empfindet einen Geruch wie von Mistkäfern“ (in den deutschen Märchen „ich wittere Menschenfleisch“). Die Frau beruhigt ihn, er aber verlangt seine wahrsagenden Fäden und sagt ihr dabei wie sie sich benehmen müsse, damit die Deutung daraus nicht unzuverlässig, werde: unter andern soll sie sorgen daß die Fäden nicht unterhalb eines Hundeskopfs kommen. Sie thut gerade was er verbietet und überreicht ihm dann die rothen Fäden, die er, auf seinem Maulthier sitzend, untersucht. „Weh“, ruft er, „Gesser ist gekommen! wie es scheint liegt er unter meinem Herde begraben, mit einer Steinplatte bedeckt und mit schwarzer Erde überstreut.“ Die Frau antwortet „was schwätzest du da? habe ich Gesser begraben? blauer Himmel da oben, werde mein Vater und rede! Erdfläche hier unten, werde ein Mensch und rede! horcht und vernehmt was zwischen uns beiden gesprochen wird.“ Da ruft eine Verwandlung Gessers als Mensch oben vom Himmel „du bist den Gesser geringschätzend hergekommen, jetzt trage dein Schicksal.“ Sodann ruft er selbst aus der Tiefe „des Riesen Gezänk ist unerträglich.“ Als der Riese das hört, spricht er „das ist doch merkwürdig“ und lacht. Dann untersucht er noch einen der Fäden und spricht „Gesser ist gestorben und überdeckt mit einer weißen Steinplatte, die von weißem Schnee beschneit ist: das vertrocknete Kraut ist zusammen gefallen und neues grünes Kraut gewachsen. An dem Ufer einer großen See waschen sämmtliche Vögel ihre Federn: über ihnen sitzen Krähen und Elstern und treiben ihr Gespötte mit Gesser. Seit seinem Tod ist [391] schon ein volles Jahr verflossen.“ Jetzt steigt er von dem Maulthier und fordert seinen Zahnstocher: als er damit stochert, fallen zwei bis drei Menschen aus seinem Rachen. Die Frau muß ihm sein Essen bringen, eine Schüssel mit geschmorten Menschenfingern. Nach der Mahlzeit setzt sie sich auf seinen Schoß und spricht „wenn ich allein im Hause bin, und der verruchte Gesser kommt und will mich tödten, so möchte ich dich gleich davon benachrichtigen, aber die Burg hat keinen Ausgang.“ „Ich sage dir nichts,“ antwortet der Riese, „der Mensch ist in drei Dingen ungewis, einen Strauch rechnet er nicht zu den Bäumen, einen Sperling nicht zu den Vögeln und ein Weib nicht zu seinen Freunden; ich will nicht.“ Sie besänftigt ihn indessen und legt sich nieder. Er lacht und heißt sie näher sich legen, dann nimmt er sie in seine Arme und spricht „hier hast du zwei goldne Ringe, lege den einen beim Ausgang auf die Nasenspitze, stecke den andern beim Eingang an den kleinen Finger, so wird das Thor der Burg sich öffnen. Wenn ich sage daß ich nach Osten gehe, so bedeutet das nach Westen.“ Sie fragt „wie willst du Gesser besiegen, wenn er herkommen sollte?“ Der Riese antwortet „wenn der Nichtswürdige kommen sollte, werde ich ihn nicht mit dem kleinen Finger tödten können? Es befinden sich vorwärts von meinem Haus drei verschiedene große Seen, herwärts davon ein fünffaches Schilffeld. Am Ufer des nächsten Sees rennen zwei Stiere, ein weißer und ein schwarzer, um die Wette. Am Morgen siegt der weiße, Gessers Schutzgeist, am Mittag der schwarze, mein Schutzgeist: wenn er meinen Schutzgeist tödten sollte, so kann er auch mich tödten. Weiterhin steht eine große Burg, darin wohnen meine drei jüngeren Schwestern: sie sitzen gewöhnlich auf dem Wipfel von neun rothen Bäumen. Wenn er diese tödten sollte, so kann er mich auch überwältigen. Links davon befinden sich drei große Seen, an welchen drei Hirschkühe spielend umher laufen. Zur Zeit der Mittagshitze kommen sie aus dem Wasser und legen sich ausruhend neben einander am Ufer nieder. Wenn er alle drei mit Einem Pfeilschuß zu durchbohren vermag, dann den Leib der mittlern Hirschkuh aufreißt und eine darin befindliche große kupferne Nadel entzwei bricht, so könnte er mich tödten. Rechts ab liegt eine Burg, wo eine ältere Schwester von mir in magischer Verwandlung wohnt, diese bewahrt einen großen Käfer, welchen sie mir seit meiner Geburt noch nie gezeigt hat, wenn er diese beiden, die meine Seele sind, tödtet, so könnte er vielleicht auch mich tödten. Dies ist das Ende [392] meiner Verwandelungen.“ Damit legt der Riese sich nieder, aber die Frau spricht abermals „ach, wie du doch so dumm bist! was hatte ich dich doch vorhin gefragt? fragte ich dich nicht welche von deinen Verwandlungen die vornehmste sei? gewis hast du noch einige, sage sie her.“ Der Riese erwidert „wenn ich eingeschlafen bin, so kommt aus meinem rechten Nasenloch ein großer goldner Fisch hervor und bewegt sich spielend auf meiner rechten Schulter, dann kommt aus meinem linken Nasenloch ein kleiner goldner Fisch und bewegt sich spielend auf meiner linken Schulter. Sollte er auch diese beiden tödten, was hat es auf sich? ich sterbe dann als Held in gleichem Kampf mit ihm. Wenn er mich auch tödten sollte, so lebt noch mein älterer Bruder, ein Lama und Zauberer, ferner meine Mutter, eine Hexe, und endlich ein einzelnes eigenes Kind von mir: wie vermag er diese drei zu tödten? Mich selbst könnte er vielleicht besiegen: wenn er aber diese meine Drei tödten sollte, so würde ich ohne Nachkommenschaft sterben.“ Die Frau spricht abermals schmeichelnde Worte zu ihm, worüber der Riese lacht und sich (zum Schlaf) niederlegt. Am andern Morgen steht er früh auf und, indem er vorgibt nach vorn auszugehen, geht er nach hinten fort. Die Frau weckt jetzt den in der Grube liegenden Gesser, gibt ihm die zwei goldnen Ringe und berichtet ihm alles was sie von dem Riesen vernommen hat. Es wird nun erzählt wie Gesser alle Schwierigkeiten überwindet und den Riesen zuletzt tödtet, das Mitgetheilte reicht hin um die Verwandtschaft mit dem deutschen Märchen von dem Teufel mit den drei Goldhaaren (Nr. 29) darzuthun, dem unter ähnlichen Umständen seine Geheimnisse abgefragt werden. Noch einige Einzelheiten aus dem Gedicht muß ich anführen, Gesser kocht sieben Menschenhäupter, nimmt das Schädelgebein heraus und verfertigt daraus sieben Trinkschalen, wie Völund in der Edda und Alboin in der langbardischen Sage. Gesser wird in eine Schlangengrube geworfen (S. 104. 260): er tödtet die Schlangen durch Gift, dann ordnet er die großen als Polsterlager, die kleinen als Kopfkissen und legt sich darauf nieder. Jetzt fängt er an zu singen und verkündigt was geschehen ist. Dies erinnert an die nordische Sage von Raynar Lodbrok, der in der Schlangenhöhle vor dem Tod seine Thaten preist.

Von den Märchen der Magyaren kennen wir wahrscheinlich nur einen geringen Theil, Gaal und Mailáth gewähren nicht sehr viel und es mangelt dabei an genauer Auffassung und schlichter Erzählung. [393] Besser sind in dieser Beziehung die Stücke aus der Erdélyischen Sammlung. Ich habe schon oben (S. 345) gezeigt daß bei Gaal der größte Theil ähnlichen deutschen Märchen entspricht, doch ist das äußere Gewand meist sehr verschieden, wie z. B. die drei Königstöchter (Stier S. 34) zeigen, in welchen offenbar unser Hänsel und Grethel (Nr. 15) liegt. Doch Einiges gehört den Ungarn allein, ist schön und sinnreich, wie z. B. der Traum (Stier S. 14) und die Pomeranzen (das. S. 83). Anderer Art ist der Eisenlaci (Mailáth Nr. 20) der an den mongolischen Gesser erinnert. Nirgend sind fremde Einwirkungen so wahrscheinlich als bei den von Deutschen, Slaven und Walachen umgebenen Ungarn und auf einem von so verschiedenen Völkern bewohnten Boden. Mailáth liefert überhaupt nur sechs Märchen, die zwar, wie ausdrücklich gesagt wird, aus dem Munde des Volks aufgenommen, aber aus mehreren zusammen gesetzt sind: dadurch ist eine Anhäufung des Wunderbaren entstanden, die das Wesen des Märchens zerstört, das eine Vereinigung des Unerhörten mit dem Gewöhnlichen und Alltäglichen verlangt. Die Erzählung von den Brüdern weist auf einige deutsche (Nr. 29. 53. 107) hin, ebenso Pengö (Nr. 62. 111. 197). Die Gaben enthalten, wenn auch unvollkommen, das Märchen von der Gänsemagd (Nr. 89). Einzelne Züge, in anderer Verbindung, deuten gleicherweise auf Verwandtschaft, so geht, wie bei Brünhilt, die Zaubermacht der Jungfrau verloren (Mailáth 2, 30), sobald sie sich verheirathet: Schlangen bringen Kräuter herbei und beleben damit einen Todten (2, 195), wie im deutschen Märchen (Nr. 16): aus dem Blut wächst ein Baum mit Goldäpfeln hervor (2, 196) wie im Einäuglein (Nr. 130) aus dem Eingeweide der Ziege. Bei Stier wird in den Anmerkungen der Zusammenhang mit den deutschen Überlieferungen nachgewiesen.

Einige Grade näher als die finnischen stehen uns die Märchen celtischer Völker. Bei den Iren, wo die Quelle noch reichlich fließt, hat Crofton Croker zuerst die Bahn gebrochen. Der Inhalt seiner Sammlung ist echt, und auf eine geschickte Weise sind in die Erzählungen seltsame, kühne aber lebendige Anschauung verrathende Redensarten, Bilder und Gleichnisse des Volks eingewebt: man muß bedauern daß die Darstellung zu dem ausgebildeten Geschmack der jetzigen Zeit sich etwas mehr zuneigt als zuträglich ist, zumal wenn sie jene Ironie anwendet, die uns zu verstehen gibt daß das Märchenhafte nur das Erzeugnis einer durch den Rausch erregten Phantasie sei, [394] womit jede tiefere Bedeutung schwindet. Eine dankenswerthe Zusammenstellung enthalten die irischen Sagen und Märchen von K. von Killinger, wo auch benutzt ist was in den Popular tales and legends von Lover (1832–34) und in Thoms Märchen und Sagen aller Völker (1834) vorkommt. Nichts besser kann die immer aufgeregte, mit einer gewissen Wildheit behaftete, aber auch mit den geistigsten Kräften ausgestattete Natur der Irländer schildern als diese Märchen: nur eine so behende Phantasie war fähig dem Grundgedanken der Sage einen Ausdruck zu verleihen, der uns durch immer neue und unerwartete Wendungen überrascht. Fast in allen wird die Verwickelung der Ereignisse oder ihre Lösung durch den Zutritt eines der geisterhaften Wesen bewirkt, die in zahlloser Menge Wasser und Land, Wälder und Berge, Felsen und Einöden bewohnen und die reizendste wie die häßlichste Gestalt annehmen. Herzlos, wie sie sind, suchen sie die Menschen in ihren Kreis zu bannen, als trügen sie Verlangen das warme Leben derselben in sich aufzunehmen. Man kennt ihre Tücke und scheut sie, aber man sucht sich mit ihnen in gutem Vernehmen zu erhalten, etwa wie die Schlesier ihren Rübezahl schonen, die unwillig werden, wenn ein Fremder seinen Namen in den Wald hinein ruft, was sie selbst sich niemals erlauben. Treffend wird das Verhältnis in einem Märchen bezeichnet, wo das linke Auge des Menschen mit einer Salbe bestrichen fortan ihre wahre häßliche Gestalt, das rechte den Schein wunderbarer Schönheit sieht. Nur das Märchen von Darby Duly (K. v. K. 2, 23) macht Ausnahme und stellt einen andern Charakter dar, denn er führt Streiche aus ganz in der Art, wie im deutschen (Nr. 61) das Bürle. Immer tritt der Inhalt der irischen Märchen mit scharfer und sicherer Bestimmung hervor, und sie unterscheiden sich darin zu ihrem Vortheil von den deutschen, wo die vielfach gestörte oder durch fremde Einflüsse geschwächte Überlieferung oft Lücken und einen Mangel an Zusammenhang verräth: dagegen fehlt ihnen das Zutrauliche und Heitere das diesen eigen ist, die gerne mit der Aussicht auf lange und dauernde Glückseligkeit schließen. Aber die Elfen sind auch bei den Iren seltner geneigt sich als gütige und wohlthätige Wesen zu beweisen, und ihre Gaben müssen ihnen mit List abgewonnen werden. Andere Verhältnisse, als die aus der Berührung mit der Geisterwelt hervor gehen, werden hier kaum erwähnt. Wie häufig wird z. B. in den deutschen Märchen das schwere Geschick geschildert, das Kinder von einer bösen Stiefmutter [395] erdulden müssen, ich habe das in den irischen nicht gefunden: die Übersetzung eines alten, nicht volksmäßigen Gedichts von den drei Schwänen Lirs (K. v. K. 2, 275) macht keine Ausnahme. Eine entschiedene Übereinstimmung habe ich nur in dem vorhin genannten Darby Duly bemerkt, sonst kommt aber in einzelnen Zügen manches Ähnliche vor, wie ich in den Anmerkungen zu Crokers Werk nachgewiesen habe: deutlicher ist der gemeinschaftliche Glauben an die Elfen. Die von der Lady Guest aus einer alten Handschrift herausgegebenen gälischen Mabinogion (Märchen) übergehe ich hier: wie werthvoll sie für die Geschichte der Poesie sind, so enthalten sie doch keine aus dem Munde des Volks geschöpfte Sagen, sondern eigenthümlich kalte und unbelebte Darstellungen alter Rittergedichte, die uns wie trockene Auszüge aus bessern Werken gemahnen.

In Schottland, für sächsische Einwirkungen empfänglicher, läßt sich vielleicht eine so reiche Ernte nicht halten, doch das bekannt gewordene überzeugt schon daß derselbe Glaube an das gute Volk, wie man aus Scheu sie zu verletzen die Elfen nennt, Geltung hat und gleiche oder ähnliche Märchen umgehen.

In nahem Verwandtschaftsgrade mit den irischen stehen die Märchen der Armorikaner in der Bretagne, nur daß sie, nicht abgeschlossen wie jene, dem Einfluß benachbarter Länder zugänglich waren. In der Sammlung von Souvestre (S. 180) findet sich ein Beispiel (vgl. Croker 1, 23), wo Übereinstimmung und Abweichung das Gemeinsame wie das Unabhängige auf beiden Seiten darthun. Der Verkehr mit dem kleinen Volk macht auch hier den Hauptinhalt aus, doch nicht ausschließlich: das Märchen wie der alberne Peronnik die mächtigsten Zauberer überlistet und zu den höchsten Ehren gelangt, hat schon eine verschiedene Färbung, und wenn der Teufel dem Heiland begegnet und von ihm die Erlaubnis erhält auf einen Tag in der Gestalt eines Geistlichen sich den Menschen zu zeigen, so gehört das in einen ganz andern Kreis. Ich will noch anmerken, daß in einem armorikanischen Volkslied (Barzaz-Breiz von Villemarqué 1, 50) das Märchen von dem Wechselbalg in ziemlicher Übereinstimmung mit dem deutschen (Nr. 39, III) erzählt wird.

Ich springe über nach Osten zu den slavischen Völkern, bei denen der Zusammenhang mit dem deutschen Stamm entschieden hervor tritt. Die sechs slavonischen Märchen, die wir kennen, sind ihrem Inhalt nach nicht ausgezeichnet, wobei noch die gedehnte, wenig belebte [396] Erzählung nachtheilig wirkt. Sie zeigen Verwandtschaft mit ungarischen und deutschen, im ganzen aber geringe Eigenthümlichkeit. Das letzte, der kleine Kerza, verbindet das deutsche Märchen von Daumesdick (Nr. 37) mit dem sonst weit abliegenden vom starken Hans (Nr. 116), fügt aber zu jenem einige neue Züge. Auszeichnen muß ich aber ein Lügenmärchen, das vollständiger und zusammenhängender erzählt als das verwandte deutsche (Nr. 112).

Bekannt sind die epischen Lieder der Serben, und ihre Schönheit stellt niemand in Abrede: von der natürlichen Frische ihrer Märchen zeigt die Sammlung von Wuck Karadschitsch. Nur wenige sind darunter, denen nicht ein deutsches entspräche, wie sich auch einzelne verwandte, nur verschieden eingeflochtene Züge finden. Ein gleiches gilt von den albanesischen Märchen, wie ich in Wolfs Zeitschrift für deutsche Mythologie (1, 377–81) näher nachgewiesen habe.

Die in alten fliegenden Blättern zu Moskau gefundenen, noch nicht vollständig bekannt gemachten russischen Märchen enthalten großentheils echte Überlieferung in einfacher, etwas trockener Erzählung; wahrscheinlich würde, wenn man bei den Landleuten sorgsam nachforschen wollte, eine frischere und vollere Quelle sich öffnen. Den Zusammenhang mit alten Heldenliedern zeigt das Märchen von Ilja (Elias), der auch in Wladimirs Tafelrunde auftritt. Die Verwandtschaft mit deutschen ist nicht bloß in einzelnen Zügen sichtbar, auch denselben Grund finden wir häufig wieder, doch mit Abweichungen und unter ganz anderer Umgebung. Wenn Iwan von seinem Diener verlangt er solle ihm Wasser schöpfen, und dieser sich weigert und ihn heißt es selber zu thun, um ihn damit in seine Gewalt zu bringen, so sehen wir dies in der Gänsemagd (Nr. 89) auf eine Königstochter angewendet, wo sich auf eine ähnliche Art daraus die weiteren Begebenheiten entwickeln. Die sieben Simeone, im Besitz besonderer Geschicklichkeiten, deren einer als listiger Dieb sich hervor thut, entsprechen den vier kunstreichen Brüdern (Nr. 129). Noch näher kommt Iwan, der sein goldnes Haar mit einer Blase bedeckt, dem Königssohn in dem deutschen Märchen vom Eisenhans (Nr. 136), der, um dieses Zeichen königlicher Abkunft zu verbergen, seinen Hut niemals abnehmen will; beide dienen als Gärtner und beide erregen in dieser Verkleidung die Aufmerksamkeit der Königstochter. Was bei uns von dem Tischchendeckdich (Nr. 36) erzählt wird, ist hier in ein hübsches Märchen von einem bösen Weib und einem sanften Mann verflochten. [397] Am meisten klingt zusammen die Erzählung von dem Feuervogel und dem grauen Wolf mit der deutschen von dem Goldvogel (Nr. 57), und doch verbleibt einer jeden ihre Selbständigkeit.

Das Märchen eines Kosacken unterscheidet sich dadurch, daß es in der Thierwelt spielt und zugleich eine lehrhafte Richtung hat. Der Wolf wird vom Fuchs verleitet den Gebieter der Thiere um Nahrung und Sättigung anzugehen. Er wird von einem Thier zum andern gewiesen, von allen aber mishandelt. Zuletzt wendet er sich an die Menschen, wo es ihm nicht besser ergeht: sie zwingen ihn eine Hundshaut anzuziehen. Da er nirgend Recht und Gerechtigkeit finden kann, so lebt er fortan kümmerlich von Raub und Diebstahl.

Die von Woycicki geschickt aufgefaßten polnischen Märchen haben in ähnlicher Weise wie die russischen häufig mit deutschen die Grundlage gemein, weichen aber in der Ausführung ab. So z. B. kommt auch hier Aschenputtel (Nr. 21) und Allerleirauh (Nr. 65) vor. Geringen Werth haben die Märchen aus dem Weichselthal von Uhl, denn nur weniges darin stützt sich auf Überlieferung, und dies wenige wird durch eine überladene Sprache fast erstickt. Am merkenswerthesten ist das dem deutschen (Nr. 105) ziemlich nahe kommende von der Hausschlange die mit dem Kinde aus Einer Schüssel Milch ißt.

Die böhmischen Märchen von Milenowsky sind wohl auf Überlieferung gegründet, aber sie ist dürftig und durch die breite mislungene Bearbeitung verdeckt. Desto mehr Lob verdienen die von Wenzig nach Kulda übersetzten, gut erzählten Märchen, denen es nicht an Eigenthümlichkeit fehlt. Ein Dummling führt Eulenspiegelstreiche der besten Art aus.

Unter den Märchen der Wenden in der Lausitz finden sich auch Thiermärchen. Sie handeln von der List des Fuchses, womit er den täppischen Wolf betrügt, und zeichnen sich durch Vollständigkeit und natürliche Darstellung aus; fast zu allen gibt es entsprechende deutsche.

Die reichhaltige Sammlung walachischer Märchen behält ihren Werth, wenn auch nicht überall der rechte Ton in der Erzählung getroffen ist. Wir finden hier die Mannigfaltigkeit der deutschen, mit denen sie zum Theil nah zusammen kommen, z. B. mit Allerleirauh, Sneewittchen, Tischchendeckdich, aber daneben zeigen andere merkwürdige Eigenthümlichkeiten. Dahin zähle ich unter andern die gewis uralte, hier mit seltener Vollständigkeit erhaltene Sage von Bakâla, der wie das deutsche Bürle (Nr. 61) den Schein der Gutmüthigkeit [398] und boshafte List auf eine seltsame Weise mischt. Das Märchen von der Wunderkuh enthält eigentlich das deutsche von Ferenand getrü (Nr. 126), nur ursprünglicher und besser. Da der arme Mann keinen Pathen finden kann, so übernimmt Gott selbst die Stelle und macht dem Kinde eine Kuh zum Geschenk, von deren Nachkommen zwei durch große Wundergaben sich auszeichnen. Als der begünstigte Jüngling einmal eine schwere Aufgabe vollbringen soll, aber eingeschlafen und die Zeit zu weit vorgerückt ist, so schleudert die Kuh mit ihren Hörnern die Sonne bis zur Mittagsstunde am Himmel zurück, ein Gedanke, der an die Kühnheit von Kalevala erinnert. Einzelne auffallende Züge kommen ebenso in den deutschen Märchen vor, aber in anderer Verbindung. So läßt, hier (Seite 106) wie dort (Nr. 107), der von Hunger gequälte sich für ein wenig Speise die Augen ausstechen: wie dort (Nr. 1) das Herz des treuen Dieners, ist hier (Seite 145) die Brust des Helden Wilisch mit drei eisernen Banden umgürtet, die hernach zerspringen: wie dort Sneewittchen (Nr. 58), so ist hier (Seite 200) ein Weib weiß wie Schnee, roth wie Blut, schwarz wie Rabenfedern, und wie Sneewittchen beim strählen der Haare durch einen vergifteten Kamm betäubt wird, so steckt hier (Seite 251) eine boshafte Alte bei gleicher Gelegenheit dem schönen Mädchen eine Zaubernadel (den Schlafdorn der Brünhild) in das Haupt.

Aus der Bukowina sind erst vier Märchen bekannt, die sich ähnlich auch in Deutschland finden. Die beiden Töchter sind die Mädchen, die zu der Frau Holle kommen (Nr. 24), der kleine Teufel ist Daumesdick (Nr. 37), die zwei Knechte gehören zu den zwölf Faulen (Nr. 151), und der närrische Prinz entspricht dem goldenen Vogel (Nr. 57).

Die Überlieferungen der Walachen waren slavischen und deutschen Einmischungen ausgesetzt, während seinem Ursprung nach das Volk zu den Romanen gehört. In dem großen Bereich, den diese einnehmen, ist für die Auffassung der Märchen nichts Nennenswerthes geschehen. Freilich seit Basiles Pentameron war in Italien schwerlich etwas von Belang nachzutragen, und ich freue mich nur bemerken zu können daß durch die Übersetzung von Lieberecht dies schätzbare Buch zugänglicher geworden ist, auch das Urtheil, das ich darüber (oben S. 291. 292) ausgesprochen habe, Beistimmung gefunden hat. Sammlungen von Märchen aus Spanien und Portugal sind mir nicht [399] bekannt geworden, und doch kann es daran dort nicht fehlen, wenn man sie nur aufsuchen und vor dem Untergang bewahren will. Die heftig drängende, der Ruhe entwöhnte Zeit mag zum Theil die Schuld tragen, ja es kann kommen, daß wie der Apfelbaum der Frau Holle vergeblich bittet geschüttelt zu werden, die Früchte endlich am Zweig vertrocknen oder herab fallen, wenn sie verfault sind: aber eine solche Zeit ist auch geeignet bei Einzelnen, die ein Gefühl von dem Werth dieser mit einem glücklichen Dasein verknüpften Überlieferungen überkommt, die Lust zur Beschäftigung damit hervor zu rufen. Hat sie sich doch sogar in Frankreich geregt, das zeigen die Übersetzungen der deutschen Märchen, auch das Buch von Emile Souvestre über die Bretagne, nur hat niemand den Weg wieder betreten, den Perrault angebahnt hatte, dessen kleines aber treffliches Buch noch heute sein Ansehen behauptet. Ich habe schon oben (S. 300–302) nachgewiesen daß von seinen dreizehn Märchen die meisten mit deutschen verwandt sind; es ist wohl nur Zufall daß sich der gestiefelte Kater noch nicht vollständig in Deutschland gefunden hat. In Frankreich, zumal in dem südlichen, mögen die Märchen noch in reicher Fülle vorhanden sein: ausdrücklich sagt das ein C. S. unterzeichneter, an den Redacteur des Globe (1830. Nr. 146) gerichteter Brief, der zugleich ein merkwürdiges Beispiel anführt, das Märchen von dem Machandelbaum (Nr. 47) mit ziemlich geringen Abweichungen; selbst die Reime mit entsprechendem Inhalt fehlen darin nicht. Das Volk würde wohl geschickt sein diese Überlieferungen frisch und lebendig zu erzählen. Es käme nur darauf an daß man sie sammeln und ohne Überarbeitung und Zusätze bekannt machen wollte.

Bevor ich von den Märchen des deutschen Stammes rede, muß ich den Blick nochmals nach dem Morgenlande richten, dahin wo die über die Erde verbreiteten Völker ihre ersten Sitze hatten. Altindische Märchen in beträchtlicher Anzahl enthält Somadevas Sammlung. Er lebte im elften Jahrhundert zu Kaschemir und seine Absicht war, wie er am Eingang des im epischen Versmaß abgefaßten Gedichts sagt, das bunte Märchennetz dem Gedächtnis zu erhalten. Er benutzte frühere Werke ähnlichen Inhalts, wovon die wichtigern noch vorhanden sind, selbst Ramayana, Mahabharata und die Legenden der Puranen haben ihm Beiträge geliefert; das Alter der Märchen geht also weit über Somadevas Zeit hinauf. Da er ausdrücklich bemerkt daß er nichts ausgelassen und nur den Inhalt zusammen gedrängt [400] habe, so wird dieser vollständiger und zusammenhängender sein als bei späteren Auffassungen möglich gewesen wäre. Sein Ausdruck ist gebildet und verständig, aber eintönig und ohne höhere Belebung: auch das Naive fehlt, die Luft, in der diese Dichtungen allein gedeihen; man fühlt daß die Sage nicht unmittelbar aus dem Munde des Volks genommen ist und schon mehr als eine Überarbeitung erfahren hat. Sonst würde auch die Verwandtschaft mit deutschen Sagen und Märchen deutlicher hervor getreten sein, die sich doch in der Anlage und Entwickelung der Begebenheiten, wie in einzelnen Zügen und Wendungen erkennen läßt. Man weiß daß Siegfried Nibelungs Schwert erwarb, als er eine Erbschaft theilen sollte, was Wackernagel (Haupts Zeitschrift 2, 544) als alten Rechtsgebrauch erklärt, und in deutschen Märchen (Nr. 92. 193. 197 u. oben S. 327) wird erzählt wie ein Bedrängter oder in Lebensgefahr Schwebender zwei Streitenden begegnet, und zu gleichem Geschäft aufgerufen wird: so geschieht dem Putraka bei Somadeva (1, 19). Dem indischen Helden wird, wie dort dem Glückskind (Nr. 60), jeden Morgen bei seinem Erwachen ein Goldstück unter dem Kopfkissen bescheert (1, 17), womit man den Hort Siegfrieds und den sich immer mehrenden Ring Andvaris vergleichen kann. Noch weitere Ähnlichkeiten zeigen sich im Geschick beider. Putraka steigt Nachts in die Burg der bewachten Patali, dringt in ihr Gemach und weckt sie aus dem Schlaf, um sich mit ihr zu vermählen, was mit Sigurds erstem Besuch bei Brünhild zusammen kommt. Ein rother Lappen wird dem Putraka aufs Gewand genähet, wie dem Siegfried ein Kreuz. Neid und Bosheit trachten dem indischen König nach dem Leben und verlocken ihn auf eine Pilgerfahrt, um ihn im Heiligthum zu ermorden, wie gleiche Verrätherei den deutschen Helden auf die Jagd lockt, wo er am Brunnen mit dem Speer durchbohrt wird. Ein anderes Beispiel gewährt die Geschichte von Askodatta und Vyaydatta, die mit dem Märchen von den zwei Brüdern (Nr. 60) Ähnlichkeit hat.

Die Märchen, die bei den Indiern noch heute umgehen, zeigen ganz die volksmäßige Natur. Ein solches findet man als Anhang zu Somadeva Bhatta, in einem andern (Schlegel ind. Bibl. 2, 263) streiten vier Braminen wer der thörigste sei, wie etwa in einem deutschen (Nr. 151) wer der faulste. Am merkwürdigsten sind die Geschichten des Paramarta (Einfaltspinsels), weil, ganz im Geist der deutschen Lalenbürger, unter dem Schein der höchsten Weisheit die [401] unbeschreiblichsten Albernheiten ausgeführt werden. Wie ergötzlich, wenn der Meister auf einer Reise seinen Schülern den Rath ertheilt nicht eher in den tückischen Fluß zu treten als bis dieser sich im Zustand des Schlafes befinde. Dummkopf wird ausgeschickt Nachforschungen anzustellen, wobei ihm die größte Vorsicht empfohlen ist. Er berührt deshalb die Oberfläche des Wassers mit einem brennenden Hölzchen, das zischend verlischt, und wovon der Rauch ihm ins Gesicht steigt. Voll Schrecken lauft er zurück und meldet dem Meister das Wasser sei in heftigem Zorn, es habe gleich einer Schlange um sich gezischt und ihn mit gewaltigem Rauch ersticken wollen: ohne Lebensgefahr könne man in diesem Augenblick den Fluß nicht überschreiten. Elphinstone bemerkt in der Reise nach Kabul (übersetzt von Rühs 1, 95) daß in Asien eine Menge von unsern Schwänken erzählt werden.

Holzmann hat nicht bloß das altindische Mahabharata zu seiner ursprünglichen Gestalt, die an Großartigkeit der Gedanken und Erhabenheit der Gesinnung keinem andern Epos zu weichen braucht, zurück zu führen, den kühnen Versuch gemacht, er hat auch einzelne, für sich bestehende Stücke ausgeschieden. Zwar nehmen diese Theil an der höheren Ausbildung des ganzen Gedichts und sind kein unmittelbarer Ausdruck der Überlieferung, vielmehr ist Kunst in der Darstellung und bewußte Betrachtung sittlicher Zustände eingetreten, doch so manches ganz Märchenhafte in der Grundlage bestimmt mich ihrer hier Erwähnung zu thun und Einiges daraus als Beispiel anzuführen. Dakscha, der Herr der Welt, gibt siebenundzwanzig von seinen Töchtern dem Mond zu Frauen. Alle sind sie schön, doch an Robini (Stern Aldebaran), die im höchsten Glanz strahlt, hat der Mond das größte Gefallen: er wohnt bei ihr allein. Die übrigen, die sich vernachlässigt sehen, zürnen über den Herrn der Nacht, verklagen ihn bei ihrem Vater und wollen zu diesem zurückkehren. Dakscha ruft den Mond herbei, stellt ihm sein Unrecht vor und fordert ein anderes Betragen. Die sechsundzwanzig gehen wieder in das Haus ihres Gemahls, aber der Kühlstrahlende vergißt sie abermals und wohnt nur bei Rohini. Neue Klage der andern bei ihrem Vater, der dem Mond mit seinem Fluch droht: doch vergebens, er hat seine Gedanken nur auf die eine gerichtet. Zum drittenmal klagen jene, Dakscha geräth in Zorn und verhängt die Schwindsucht über den Mond. Jetzt wird dieser von Tag zu Tag kleiner: umsonst bemüht er sich durch Opfer [402] jeder Art die Krankheit zu entfernen. Auf der Erde verändert sich alles, die Kräuter wachsen nicht mehr, die Pflanzen verlieren den Geschmack, die Thiere schwinden hin und die Menschen nähern sich dem Untergang. Die Götter, als sie vernommen haben was geschehen ist, begeben sich zu Dakscha und bitten um Erbarmen, „bis auf einen schmalen Streif,“ sagen sie, „ist der ganze Mond aufgezehrt, die Kräuter, Gräser und Pflanzen verderben, die Thiere schwinden dahin und alles Leben wird vergehen, endlich auch die Götter, was bleibt der Welt dann übrig?“ Der Herr der Welt erwidert „den Fluch kann ich nicht aufheben, aber ich kann ihn beschränken, wenn der Mond künftig bei allen seinen Frauen wohnt, so soll nur in der Hälfte des Monats die Schwindsucht Macht über ihn haben: er soll in die heilige Flut Saraswati sich tauchen, das wird ihn stärken daß er in der andern Hälfte wieder wächst.“ Der Mond gehorcht indem er bei jeder seiner siebenundzwanzig Frauen einen Tag weilt. Einen halben Monat nimmt er ab, verschwindet dann im heilenden Bad, und mit neuer Kraft gestärkt nimmt er den andern halben Monat zu. Auch ein Beispiel von dem Übergang des Märchens in die lehrhafte Fabel, der in der schwächern Erzählung von Pantchatantra (S. 175) noch mehr hervortritt. Während der König Usinara ein Opfer bringt, kommt eine schüchterne Taube in seinen Schooß geflogen und fleht ihn um Beistand gegen den Habicht an, der sie verfolgt. Der Habicht fordert die Taube zurück, da ihn der König der Speise nicht berauben dürfe, auf die er angewiesen sei. Usinara weigert sich, aber der Habicht besteht auf seinem Recht, werde ihm seine Nahrung versagt, so verurtheile er ihn, Weib und Kind zum Tod. Vergeblich bietet der König Stiere, Eber, Hirsch und Büffel an, der Habicht kann sie nicht zur Nahrung brauchen. „Wohlan,“ spricht der Habicht, „gib mir von deinem eigenen Fleisch so viel als die Taube wiegt.“ Der König schneidet sich selbst das Fleisch aus dem Leib, aber die Taube ist schwerer: er schneidet sich noch mehr Fleisch aus, aber das Gewicht der Taube bleibt immer größer. Endlich steigt der König selbst auf die Wage. Da spricht der Habicht „ich bin Indra, der König des Himmels, und die Taube ist des Feuers Gott, wir sind gekommen deine Tugend zu prüfen, frommer Fürst. Daß du dir das Fleisch von den Gliedern des Leibes geschnitten hast, das wird dir unvergänglichen Ruhm auf der ganzen Welt bereiten.“ Noch eines Stückes aus Mahabharata muß ich hier gedenken, der ebenso zarten als tiefsinnigen Dichtung von Nalas und [403] Damajanti, die, ihrem ganzen Inhalt noch märchenhaft, aus dem Boden volksmäßiger Überlieferung muß hervorgewachsen sein.

Die persischen Märchen in Tuti Nameh entlehnte Nechschebi, der sein Gedicht im Jahr 1329 vollendete, aus indischen Quellen, und aus diesem Gedicht machte im 17ten Jahrhundert Mohamed Kaderi einen prosaischen Auszug, welcher jetzt gedruckt ist. Die Märchen sind fast alle schön, wiewohl das ältere Werk, von welchem Kosegarten aus einer Handschrift in der Vorrede Nachricht gibt, bei weitem den Vorzug verdient. Einige kommen mit deutschen Märchen zusammen, wie ich in den Anmerkungen zu Nr. 62. 102. 119 gezeigt habe. Übrigens läßt sich auch hier schon die Absicht erkennen eine gute Lehre zu ertheilen. Dagegen auf persischem Boden gewachsen sind die Märchen, die in Malcolms Werk in bester Auffassung vorkommen. Hier tritt die Übereinstimmung mit deutschen deutlich hervor. Amin der kluge berückt einen übermächtigen Ghul (bösen Geist) in derselben Weise, wie das Schneiderlein den Riesen (Nr. 20): selbst einzelne Züge stimmen überein. Der Schneider spiegelt dem Riesen vor, wie Amin dem Ghul, er könne Wasser aus einem Stein drücken, was jener durch einen Käs, dieser durch ein Ei bewirkt, das sie statt des Steins in die Hand nehmen; die Iren haben eine entsprechende Redensart (K. v. K. 1, 73) „er ist so stark daß er Lab und Molken aus einem Stein drückt.“ Ferner entgeht das Schneiderlein wie Amin dem Schlag, mit welchem das Ungethüm sie in der Nacht tödten will, dadurch daß sie in der Höhle ihre Lagerstätte vertauschen. In einer andern Erzählung erinnert der Schuhflicker Achmed, der als Sterndeuter vom Zufall begünstigt die geheimsten Dinge an den Tag bringt und zu großem Ansehen gelangt, an den armen Bauer Krebs (Nr. 98), der als Doctor Allwissend auftritt und auf gleiche Weise zu Ehren kommt; hier ist ein Zusammenhang bei aller Verschiedenheit der Ausführung nicht leicht zu verkennen. Über die altpersischen Sagen bei Firdusi breitet sich zwar der epische Schein der Geschichte, doch manches ist ganz märchenhaft wie z. B. die Erzählung von der Simurg, die als Riesenvogel ihr Wundernest auf den Gipfel eines Baums gebaut hat. Dorthin bringt sie einen ausgesetzten königlichen Knaben und gibt ihm beim Abschied eine ihrer Federn, die er bei großer Gefahr ins Feuer werfen soll, dann will sie herbei eilen und ihn in ihr Reich tragen. Auf anderes habe ich schon oben hingewiesen.

Äußert sich in den Werken von Somadeva und Nechschebi das [404] Bestreben nach kunstreicher Ausbildung und gewählter Sprache, so hat sich noch der einfache Ausdruck erhalten in dem mongolischen Buche Schiditu Kur, dessen indischer Ursprung, wie mir W. Schott bestätigt, nicht zu bezweifeln ist. Hier zeigt sich unter ganz anderen äußern Verhältnissen die Verwandtschaft mit deutschen Märchen auf das bestimmteste. Die fünf Gefährten die dem sechsten Beistand leisten, um die schöne Frau zu erlangen, machen ähnliche Ansprüche auf ihren Besitz wie die vier Brüder (Nr. 129). Ein Meisterdieb zeigt gleiche Künste (Nr. 192 und norwegisch bei Asbjörnsen S. 216). Der Wundermann vernichtet seine Feinde zwar mit andern Mitteln, aber ganz auf die Weise wie der Besitzer des Ranzens, des Hütleins und Hörnleins (Nr. 54), und die Abenteuer Massangs stimmen mit denen des starken Hans (Nr. 166) überein.

Bei den Völkern des deutschen Stammes hat sich der Eifer für Erhaltung der Märchen am thätigsten gezeigt. Die in der Wodana bekannt gemachten, mit der behaglichen Umständlichkeit erzählt, die dem Niederdeutschen eigen ist, erregen das Verlangen nach einer vollständigen Sammlung. Ein Gleiches gilt von den dänischen, deren Werth schon durch das davon bekannt gewordene außer Zweifel gesetzt wird. Großes Lob verdienen die norwegische und die schwedische Sammlung wegen ihrer Reichhaltigkeit, sorgfältigen Auffassung und natürlichen gewandten Erzählung. In allen Märchen dieser stammverwandten Völker zeigt sich die größte Übereinstimmung mit den unsrigen, und man kann annehmen daß dieselben Überlieferungen in dem ganzen weiten Bereich zu Hause sind; eine besonders wichtige Bestätigung gewährt das wegen seiner schon im Alterthum bekannten Lösung schwieriger Aufgaben merkwürdige Märchen von der klugen Bauerntochter (Nr. 94), das Asbjörnsen im Norden wieder gefunden hat. Ein Unterschied tritt nur insoweit ein als sie nicht überall vollständig sich erhalten konnten, einzelnes lückenhaft ward und völlig abstarb, oder die Natur der Länder, Bergzüge und weite Ebenen, Sprache, Sitten und Glaube eine Änderung bewirkte. Wenn z. B. bei uns der Geist verschwindet sobald die Mitternacht vorüber ist oder der Hahn kräht, so werden die Riesen im Norden listig hingehalten bis der erste Sonnenstrahl sie berührt, weil sie dann in Stücke zerbersten gleich Steinen, in welche sie nach der Lehre der Edda verwandelt werden.

Die Sammlungen in Deutschland liefern häufig nur abweichende [405] Auffassungen schon bekannter Märchen, die immer noch Werth haben, oder beschränken sich auf gewisse Gegenden, was bei der örtlichen Sage ein größeres Gewicht hat. Anmuthig sind die in den Mundarten des Elsasses, Vorarlsberg, und Holsteins niedergeschriebenen, und Auszeichnung verdient das fleißige Buch Panzers, der den Versuch gemacht hat sie nach ihrem mythischen Inhalt zu ordnen.

Es sei mir erlaubt mit einigen allgemeinen Betrachtungen diese Übersicht zu schließen.

Die Übereinstimmung zwischen Märchen durch Zeit und Entfernung weit getrennter nicht minder als nahe an einander gränzender Völker beruht theils in der ihnen zu Grund liegenden Idee und der Darstellung bestimmter Charaktere, theils in der besondern Verflechtung und Lösung der Ereignisse. Es gibt aber Zustände, die so einfach und natürlich sind daß sie überall wieder kehren, wie es Gedanken gibt, die sich wie von selbst einfinden, es konnten sich daher in den verschiedensten Ländern dieselben oder doch sehr ähnliche Märchen unabhängig von einander erzeugen: sie sind den einzelnen Wörtern vergleichbar, welche auch nicht verwandte Sprachen durch Nachahmung der Naturlaute mit geringer Abweichung oder auch ganz übereinstimmend hervor bringen. Man begegnet Märchen dieser Art, wo man die Übereinstimmung als Zufall betrachten kann, aber in den meisten Fällen wird der gemeinsame Grundgedanke durch die besondere, oft unerwartete, ja eigensinnige Ausführung eine Gestalt gewonnen haben, welche die Annahme einer bloß scheinbaren Verwandtschaft nicht zuläßt. Ich will einige Beispiele anführen. Nichts ist natürlicher als die Erfüllung einer Bitte an die Lösung schwieriger Aufgaben zu knüpfen, aber wenn die Aufgaben die seltsamsten von der Welt sind, wie bei der klugen Bauerntochter (Nr. 94), und sie stimmen überein, so kann dies nicht mehr Zufall sein. Daß man in schwierigen Fällen einen Schiedsrichter anruft, versteht sich fast von selbst, aber daß aller Orten gerate drei uneins sind, und zwar mit höheren Kräften ausgestattete Wesen, daß es eine Erbschaft ist, die getheilt werden soll, und diese aus drei wunderbaren Dingen besteht, daß endlich der als Schiedsmann angerufene Mensch die Eigenthümer listig darum betrügt (der Mensch muß die selten sich darbietende Gelegenheit benutzen, wenn er den Zwergen oder Kobolden ihre übernatürlichen Schätze abgewinnen will), das setzt einen Zusammenhang der Überlieferung voraus. Dies Gemeinsame gleicht einem Brunnen, [406] dessen Tiefe man nicht kennt, aus dem aber jeder nach seinem Bedürfnis schöpft.

Ich leugne nicht die Möglichkeit, in einzelnen Fällen nicht die Wahrscheinlichkeit des Übergangs eines Märchens von einem Volk zum andern, das dann auf dem fremden Boden fest wurzelt: ist doch das Siegfriedslied schon frühe in den hohen Norden gedrungen und dort einheimisch geworden. Aber mit einzelnen Ausnahmen erklärt man noch nicht den großen Umfang und die weite Verbreitung des gemeinsamen Besitzes: tauchen nicht dieselben Märchen an den entferntesten Orten wieder auf, wie eine Quelle an weit abliegenden Stellen wieder durchbricht? Wie die Hausthiere, das Getreide, Acker-, Küchen- und Stubengeräthe, die Waffen, überhaupt die Dinge, ohne welche das Zusammenleben der Menschen nicht möglich scheint, so zeigen sich auch Sage und Märchen, der befeuchtende Thau der Poesie, so weit der Blick reicht, in jener auffallenden und zugleich unabhängigen Übereinstimmung. Auch in gleicher Nothwendigkeit des Daseins, denn nur wo Geldgier und die schnarrenden Räder der Maschinen jeden andern Gedanken betäuben, meint man ihrer entrathen zu können. Wo noch gesicherte, herkömmliche Ordnung und Sitte des Lebens herrscht, wo noch der Zusammenhang menschlicher Gefühle mit der umgebenden Natur empfunden und die Vergangenheit von der Gegenwart nicht losgerissen wird, da dauern sie fort. Die besten habe ich von Bauern vernommen, und ich weiß daß dies Buch von ihnen mit der größten Freude ist gelesen, ja im eigentlichen Sinne vergriffen worden; selbst bei den schon lange dem Vaterland entfremdeten Deutschen in Pensilvanien hat sich noch Empfänglichkeit dafür gezeigt. Will man sich eine plötzliche Ankunft der Sage denken, etwa wie den Strom eines wandernden Volks, der sich in unbewohnte Landesstrecken, in eine nach der andern, ergießt und sie erfüllt? Wie will man es erklären, wenn die Erzählung in einem einsamen hessischen Gebirgsdorf mit einem indischen oder griechischen oder serbischen Märchen seiner Grundlage nach übereinkommt?

Von dem Gemeinsamen das in der überall hervortretenden Erscheinung einiger scharf ausgeprägten Charaktere liegt, habe ich schon früher, in der Einleitung zu dem ersten Band der zweiten Ausgabe (L–LIV) geredet und will darauf zurückkommen. Der Dummling, ungeschickt zu allen Dingen, wozu Erfahrung, Witz und Gefügsamkeit gehören, wird anfangs zurück gesetzt, muß gemeine Arbeiten [407] verrichten und Spott erdulden: er ist der Verachtete, der in der Asche am Herde seinen Platz, unter der Treppe seine Schlafstätte hat. So muß in der altfranzösischen Sage der starke Rennewart Küchendienste thun, und der britische Parzival, der einen Anflug davon hat, heißt der tumbe klâre, doch eine höhere Kraft und Freudigkeit leuchtet bei den jugendlichen Helden schon durch. In den Märchen ist er gewöhnlich bei jüngste von drei Brüdern, den die beiden andern mit Stolz und Hochmuth zurück weisen. Kommt es aber zur That, so erhebt er sich schnell, und er allein vermag die Aufgabe zu lösen, die den Vorzug unter ihnen bestimmt, denn ihm hat eine höhere Macht beigestanden und den Sieg verliehen. Unterliegt er dem Verrath und verliert das Leben, so verkündigt lange nachher der hervor gespülte, weiß gebleichte Knochen die Unthat, damit sie nicht ungestraft bleibe.

Plump und tölpelhaft sind die Riesen, klug und listig die Zwerge. Die Eigenschaften der letztern werden gesteigert in dem Däumling, dem alle die geheimen Kräfte eigen sind, die dem Finger, von dem er den Namen hat, beigelegt werden. Klug und verschlagen berückt er, äfft und neckt jedermann. Die Unfälle, in welche ihn seine winzige Gestalt bringt, weiß er zu überwinden. Das Glück ist ihm günstig und läßt die prahlerischen Lobsprüche die er sich beilegt, in Erfüllung gehen. Als behendes Schneiderlein schreckt er Riesen, tödtet Ungeheuer und weiß die schwersten Räthsel zu lösen.

Wird die Albernheit unter dem Schein eines breiten Verstandes und mit sichtbarem Wohlgefallen, aber mit voller Gutmüthigkeit betrieben, so kommen die Lalenbürger zum Vorschein, deren Narrheiten das bekannte deutsche Buch in einigem Zusammenhang darstellt, wie die nicht minder treffliche indische Erzählung von Paramarta. Die liebe Dummheit ohne alle Zuthat kommt bei Catherlieschen, dem Frieder (Nr. 59) gegenüber, glänzend an den Tag und ist ebenso natürlich in dem Märchen vom gescheidten Hans (Nr. 32 und Vogls Großmütterchen S. 93) geschildert; in dem abenteuerlichen Zug der sieben Schwaben macht sie sich auf andere Weise Luft. Eingemischte Schalkheit führt zu den Streichen Eulenspiegels, die älter sind als man glaubt: schon der Riese Kullervo in Kalevala richtet unter dem Schein der Folgsamkeit was ihm aufgegeben wird so verkehrt aus daß es zum Verderben ausschlagen muß. Schadenfreude steht bei dem Bäuerlein (Nr. 61) im Hintergrund, das sich anfänglich nur dumm anstellt, dann aber, immer weiter schreitend, das Schlimmste unter der [408] Decke der Unschuld ausführt: übertroffen wird es von dem irischen Darby Duly, und noch weiter geht der walachische Bakâla der keine Schandthat scheut.

Dagegen ist es harmlose Lust, die den Aufschneider antreibt, wenn er behauptet unerhörte Dinge vollbracht zu haben. Er ist an einem dünnen Stiel in den Himmel gestiegen, hat sich dort umgesehen und hernach an einem Seil von Spreu wieder herabgelassen, oder was er sonst Unglaubliches erlebt hat. Davon berichten deutsche Märchen (Nr. 112. 138. 159), ein norwegisches (Asbjörnsen S. 284), am vollständigsten ein serbisches vom Bartlos (oben S. 336) und ein slavonisches (Vogl S. 71): auf andere Weise, aber nicht minder gut, das irische von Daniel O Rourke; die bekannten münchhausischen Lügen sind nur ein matter, geistlos behandelter Nachhall. Dichtungen dieser Art waren schon frühe vorhanden, der Modus florum aus dem zehnten Jahrhundert (Eberts Überlieferungen 1, 79) knüpft sie, wie ein deutsches Märchen (oben S. 194) an die Bekanntmachung eines Königs, wonach derjenige seine Tochter zur Frau haben soll, der am besten zu lügen weiß. Gewahrt wird dabei immer ein gewisser Schein des Möglichen, während die Märchen vom Schlaraffenland (Nr. 158. Haupts Zeitschrift 2, 560) absichtlich das Unmögliche zusammen bringen: der Habicht schwimmt über den Rhein, die Fische schreien, der Blinde sieht einen Hasen laufen und der Stumme ruft den Lahmen herbei, der den Hasen greift. Die menschliche Einbildungskraft befriedigt hier das Verlangen das große, alle Schranken zerschneidende Messer einmal mit voller Freiheit zu handhaben.

Gern wird der Faule und Träge geschildert und mit immer neuen Zügen diese dem Menschen angeborne Neigung bis zur höchsten Spitze getrieben, wie in Nr. 151. Im 15ten und 16ten Jahrhundert waren Märchen dieser Art beliebt, der Faule, selbst wenn er unter der Dachtraufe liegt, bewegt sich nicht, sondern läßt das Wasser zu dem einen Ohr herein, zu dem andern heraus fließen (Kellers Fastnachtsspiele S. 86. Fischarts Flohhatz 48a).

Der Meisterdieb, der den gemeinen Diebstahl verachtet, aber, einer angeborenen unbezwinglichen Lust folgend, mit kecker Gewandtheit Streiche ausführt, die einem andern unmöglich sind, der dem Vogel die Eier unter den Flügeln wegnimmt, ohne daß es dieser merkt, was schon Elbegast verstand, ein solcher macht auf eine gewisse Ehre Anspruch. Man gedenkt seiner nicht bloß ohne Unwillen, es [409] gibt Märchen die ausschließlich von solchen erzählen, die in ihrer Kunst den letzten Grad erreicht haben, und darin stimmen indische, deutsche, nordische und italienische Überlieferungen zusammen.

Endlich der Bruder Lustig oder der Spielhansel der sich um nichts kümmert als um ein fröhliches Leben, und den Unterschied zwischen Recht und Unrecht zu beachten selten aufgelegt scheint. Da er aber von Natur nicht bösartig ist und eine solche Stimmung sich ohne Humor nicht durchsetzen läßt, so geht ihm manches hin, was bei andern für unerlaubt gilt, wie Shakespear seinen Falstaff, der nur in diesem Wasser schwimmen kann, sogar liebenswürdig zu machen gewußt hat. Die Märchen stellen ihn meist dar, wie er mit dem Herrn oder dem Apostel Petrus, die auf Erden wandeln, zusammen kommt. Der Herr will bei ihm herbergen, und der Bruder Lustig ist bereit das letzte mit ihm zu theilen, veruntreut aber gleich im Spiel den Groschen, der ihm gegeben war einen Trunk zu holen. Dem Apostel, der ihn in der Gestalt eines Armen um ein Almosen anspricht, reicht er seinen letzten Heller, und als dieser, weil er glaubt einen Frommen gefunden zu haben, mit ihm zieht, betrügt er ihn alsbald um das Herz des gebratenen Lämmchens und äußert seinen Verdruß daß jemand, dem so große Macht zu Gebote stehe, nicht mehr Geld zu gewinnen suche. Als Bärenhäuter dient er dem Teufel, wird aber aus der Hölle wieder fort geschickt. Den Tod hat er lange zum Narren, als er endlich genöthigt ist ihm zu folgen, wollen weder Himmel noch Hölle ihn einlassen, bis er durch eine List sich Eingang in jenen verschafft.

Gemeinsam allen Märchen sind die Überreste eines in die älteste Zeit hinauf reichenden Glaubens, der sich in bildlicher Auffassung übersinnlicher Dinge ausspricht. Dies Mythische gleicht kleinen Stückchen eines zersprungenen Edelsteins, die auf dem von Gras und Blumen überwachsenen Boden zerstreut liegen und nur von dem schärfer blickenden Auge entdeckt werden. Die Bedeutung davon ist längst verloren, aber sie wird noch empfunden, und gibt dem Märchen seinen Gehalt, während es zugleich die natürliche Lust an dem Wunderbaren befriedigt; niemals sind sie bloßes Farbenspiel gehaltloser Phantasie. Das Mythische dehnt sich aus je weiter wir zurück gehen, ja es scheint den einzigen Inhalt der ältesten Dichtung ausgemacht zu haben. Wir sehen wie diese, getragen von der Erhabenheit ihres Gegenstandes und unbesorgt um Einklang mit der Wirklichkeit, wenn sie die geheimnisreichen und furchtbaren Naturkräfte schildert, auch das Unglaubliche, [410] das Gräuelhafte und Entsetzliche nicht abweist. Sie wird erst milder, wenn die Beobachtung einfacher Zustände in dem Leben des Hirten, des Jägers, des Ackerbauenden, und der Einfluß gereinigter Sitte hinzu tritt. Mit Verwunderung erblicken wir in der finnischen und nordamerikanischen Sage das Maßlose und Ungeheure unmittelbar neben Schilderungen des einfachsten, fast idyllischen Lebens. Oft unschön, manchmal nackt und roh erfüllt es die tibetische Sage, obgleich auch hier nicht ganz die Darstellung natürlicher Verhältnisse oder Äußerungen wahrhafter Empfindung fehlen. In dem Grad, in welchem menschliche und gemilderte Sitte sich entwickelt und die sinnliche Fülle der Dichtung wächst, weicht das Mythische zurück und beginnt sich mit dem Duft der Ferne zu überziehen, der die Deutlichkeit der Umrisse schwächt, aber die Anmuth der Dichtung erhöht, etwa wie die bildende Kunst von den scharf gezeichneten, hagern, sogar häßlichen aber bedeutungsvollen Gestalten zu der äußern Schönheit der Formen übergeht. Kommt der Glanz der Heldenzeit über ein Volk, und bewegen große Thaten die Gemüther, so erfolgt eine neue Umwandlung der Sage. Die Götter gesellt Homer zu den Menschen, deren Gestalt sie annehmen, und die Helden werden fast bis zu ihnen hinauf gerückt: in Mahabharata wird Nahuscha ein Mensch als König über die Götter wie über die Welt gesetzt, und die Gleichstellung beider in dem Krieg der Kuruinge und Panduinge ist noch größer als in der Ilias. Damajanti weiß den Nalas von den Himmlischen, die sich zu der Brautwerbung mit ihm eingefunden haben, nicht zu unterscheiden. Ganga gebiert dem Könige Pratipa acht Kinder, ehe er erfährt daß sie eine Göttin ist. Die unbändige Titanenkraft Rustems, der die Seele der altpersischen Sage in sich trägt, unterwirft sich selbst im Trotz der Hoheit des irdischen Herrn. Der Einzelkampf, in dem sonst die Entscheidung lag und der genau bestimmten Gesetzen unterworfen war, breitet sich zur Völkerschlacht aus, wo alle an dem Ruhm des Sieges oder dem Untergang eines Heldengeschlechts Theil nehmen. Das Epos strebt nach geschichtlicher Wahrheit, Maß und Ordnung aller Dinge, wie nach innerm Adel der Gesinnung: das Mythische und Wunderbare, wo es noch verbleibt, muß den Schein des Geschichtlichen annehmen und soll als Wahrheit gelten. Nur wenig davon erträgt das Nibelungelied, nur im Hintergrund zeigen sich die Schwanenjungfrauen, selbst die Hornhaut und die Unverwundbarkeit Siegfrieds waren der ältern Auffassung der Edda fremd: auch der Erwerb [411] des unsichtbar machenden Mantels statt der Annahme einer andern Gestalt, wozu Götter die Kraft besitzen, mag erst aus Märchen eingeführt sein. In der Dieterichssage und in der älteren Gudrun ist es bis auf leise Spuren verschwunden, gänzlich in Walther und Hildegunde. Neben der Heldensage hat das Märchen gewis ununterbrochen fort bestanden, schon in der heutigen oder einer ihr nahe kommenden Gestalt, nur weniger lückenhaft und gestört. Zeugnis davon liefern das lateinische Märchen bei Ratherius (Haupts Zeitschr. 8, 21), der Modus liebinc das Schneekind (Hagens Gesammtabenteuer 3, 719) und Modus florum (Eberts Überlieferungen 1, 79), alle drei aus dem zehnten Jahrhundert. Daß der Theil von Rudlieb, der in das mythischmärchenhafte übergeht, uns verloren ist, und wir den Inhalt desselben nur aus einigen Bruchstücken errathen können, muß man als einen nicht geringen Verlust betrachten, und nicht bloß des Inhalts wegen, auch wegen der von frischer Lebendigkeit überströmenden, in poetischer Ausführlichkeit glücklichen Darstellung, die wir selbst in der fremden Sprache an dem Dichter bewundern. Unibos (Latein. Gedichte des Mittelalters 354) ist unser Bürle (Nr. 61). Ein Märchen enthält König Laurin, Sanct Oswald, die Entführung Hagens durch den Greif in dem ersten Theil der Gudrun, der Rosengarten, der arme Heinrich, der Pfaffe Amis, Schretel und Wasserbär (Haupts Zeitschr. 6, 174), die zwölf Tursen (Altd. Wäld. 3, 178. Konrad von Würzburg MS. 2, 205), der rosenlachende Mann in Heinrichs von Neustadt Apollonius (Altd. Wäld. 1, 72).

Man wird fragen wo die äußeren Grenzen des Gemeinsamen bei den Märchen beginnen und wie die Grade der Verwandtschaft sich abstufen. Die Grenze wird bezeichnet durch den großen Volksstamm, den man den indogermanischen zu benennen pflegt, und die Verwandtschaft zieht sich in immer engern Ringen um die Wohnsitze der Deutschen, etwa in demselben Verhältnis, in welchem wir in den Sprachen der einzelnen, dazu gehörigen Völker Gemeinsames und Besonderes entdecken. Findet man bei den Arabern einige mit deutschen verwandte Märchen, so läßt sich dies auf die Abstammung der Tausend und einen Nacht, wo sie vorkommen, aus indischer Quelle erklären, die Schlegel mit Recht behauptet hat. So gewis für jetzt die angegebene Gränze gilt, so ergibt sich vielleicht, wenn noch andere Quellen sich aufthun, die Nothwendigkeit einer Erweiterung, denn mit Erstaunen erblickt man in den Märchen, die von den Negern in Bornu und den [412] Betschuanen, einem Wandervolk in Südafrika, bekannt geworden sind, einen nicht wegzuleugnenden Zusammenhang mit deutschen, während ihre eigenthümliche Auffassung sie wiederum von ihnen trennt. Dagegen in den nordamerikanischen habe ich wenigstens keine so bestimmte, ins Einzelne gehende Übereinstimmung gefunden. Einige Berührung zeigen tibetische Märchen, wie finnische: deutliche Verwandtschaft tritt hervor in den indischen und persischen, entschiedene in den slavischen: ein croatisches erzählt sogar von der Wanderung Gottes und des heil. Petrus (vergl. Vogls Großmütterchen S. 27 mit Nr. 82), wovon sonst nur die Deutschen wissen. Am nächsten rückt sie vor in den romanischen: die Verbindungen, in welchen beide Völker zu allen Zeiten gestanden und die Vermischungen die schon frühe statt gefunden haben, erklären hinlänglich diese große Übereinstimmung. Hat sich doch das umfangreiche, ursprünglich deutsche Thierepos nur in französischen Dichtungen erhalten, die es von den Franken geerbt haben. Die deutschen Märchen, glaube ich, besitzen nicht nur der nördliche und südliche Theil unseres Vaterlandes, sondern auch die nahverwandten Niederländer, Engländer und Skandinavier in völliger Gemeinsamkeit; die neuesten Sammlungen gewähren davon Überzeugung. Es ändert nichts, wenn, wie auf hohen Gebürgen oder in versumpften Niederungen nicht alle Pflanzen fortkommen, hier und da eine kleinere oder größere Anzahl abgestorben ist, ebenso wenig, wenn die verschiedene Natur des Landes und die darauf gegründete Lebensweise und Sitte auf die äußere Gestaltung Einfluß geübt hat.

Es ist erfreulich daß die Deutschen das Thiermärchen noch immer in seinem ursprünglichen Geist hegen, ich meine in der unschuldigen Lust an der Poesie, die keinen andern Zweck hat als sich an der Sage zu ergötzen und nicht daran denkt eine andere Lehre hinein zu legen als die frei aus der Dichtung hervorgeht. Reiner und volksthümlicher als wir haben die nach Siebenbürgen vor etwa siebenhundert Jahren ausgewanderten Niedersachsen in ihrer Abgeschlossenheit die Überlieferung bewahren können. Die Ehsten stehen uns zur Seite, wohl auch die Russen und Serben, wenn man nach einer in Reinhart Fuchs (CCXCI) mitgetheilten Erzählung urtheilen darf. Schade daß die Sammlung von Wuck sich nicht darauf ausgedehnt hat. Bei den Finnen ist einiges zum Vorschein gekommen. Bei den Wenden in der Lausitz läßt der großen Übereinstimmung wegen deutscher Einfluß sich vermuthen. Die unter dem Namen Hitopadesa bekannte Sammlung [413] beweist das hohe Alter der Thiermärchen in Indien, und Babrius der aus mündlicher Sage schöpfte, überliefert die griechische, die wir sonst nur aus den trockenen Auszügen bei Äsop und in der wenig belebten Darstellung bei Phädrus und Arianus kannten, noch in warmer Auffassung. Vielleicht haben die Scandinavier bei ihrer Einwanderung schon die Thiersage mitgebracht, sollte sie auch nicht ganz erloschen sein, so haben wir doch keine Kenntnis davon, nur das Märchen von dem Bär und Fuchs (Asbjörnsen Juletraet S. 54) ist anzuführen. Bei andern Völkern sind Gründe vorhanden, die uns berechtigen auf ein früheres Dasein zurückzuschließen, oder es zeigen sich einzelne Spuren, gleichsam die letzten Blätter eines absterbenden Baums. Wenn in dem altindischen und tibetischen Epos, bei den Nordamerikanern, Finnen, Gälen, Persern, Slaven und Romanen häufig genug Thiere in die Schicksale der Menschen verflochten werden, oder gute und böse Götter in Thiergestalt ihre Macht ausüben (als eins der schönsten Beispiele habe ich oben aus Mahabharata das Märchen von der Taube und dem Habicht angeführt), so wird doch nicht das abgesonderte, von den Menschen unabhängige Leben der Thiere dargestellt: darin aber liegt der Grundgedanke, der als das ursprüngliche auch bei den Betschuanen und den Negern zu Bornu zum Vorschein kommt. In dem Märchen eines Kosacken finde ich ihn so wenig als in den Thierfabeln des Mahabharata (Holzmann 1, 81. 2, 168), die nur eine sittliche Betrachtung geltend machen wollen.

In diesen Dichtungen wird den Thieren der geordnete Zustand eines staatlichen Lebens beigelegt. Ein König herrscht über sie und fordert unbedingten Gehorsam: es gilt ein herkömmliches Gesetz, dem sich alle unterwerfen. Sie haben Anführer, vereinigen sich in Schaaren die gegen einander ausziehen und sich bekriegen. Über Treue und Redlichkeit erhebt sich Bosheit und List, bei deren Vertretung der Fuchs seine ausgezeichnete Begabung an den Tag legt. Rohe Gewalt hilft nicht immer, der kleine Zaunkönig weiß über den mächtigen Adler wie über den unbeholfenen Bären den Sieg zu erlangen. Durch die Sprache die ihnen verliehen ist und sie höherer Gedanken theilhaftig macht, werden sie dem Menschen fast gleichgestellt, der ihnen gegenüber manchmal feindselig auftritt und gerade nicht in gutem Licht erscheint, aber auch oft den Kürzern zieht. Der schwache Sperling weiß den ihm befreundeten Hund an dem unbarmherzigen Fuhrmann zu rächen, den er völlig ins Verderben lockt. Dann aber zeigen [414] sie sich den Menschen auch in der Noth hilfreich und dankbar für Schutz und erwiesene Wohlthaten, wie dies in den finnischen Märchen besonders bemerkbar ist. Nur ein ruhiges Hirten- und Jägervolk konnte in langem und vertraulichem Umgang das heimliche Leben der Thiere in Wäldern, Triften und Einöden belauscht haben und erblickte in dem Bau der Wohnungen, der Heimkehr, der Vorsorge für die Nahrung und Pflege der Jungen eine der menschlichen nahe kommende Ordnung. Die leise Ironie und das Humoristische das sich der Darstellung öfter beimischt, gewährt dieser Abspiegelung noch einen besondern Reiz.

Erdmannsdorf in Schlesien
am 30sten September 1850.
Berlin am 16ten Januar 1856.

Wilhelm Grimm. 

  1. Römische Studien 3, 316. 317. 462. 475. 476. 536. 539. Die verschiedenen seltenen Ausgaben die Fernow gesammelt hat, befinden sich jetzt in der großherzoglichen Bibliothek zu Weimar.
  2. Eustach. d’Afflitto Memorie degli scrittori del regno di Napoli. Nap. 1794. 1, 68–72. Nach Liebrecht 2, 322 war sein vollständiger Titel Giovan Battista Basile, Cavalier, Graf von Torrana und Pfalzgraf. Sein Bildnis findet sich, wie Mazzuchelli anführt, in dem Werk Le glorie degli incogniti S. 209.
  3. Nach Fernow und Galiani (Dell dialetto napoletano. Nap. 1779) erschien es zu Neapel noch ferner 1645. 1674. 1714. 1722. 1728. 1788 (Collezione di tutti li poeti in lingua napoletana T. 20 und 21), wozu eine noch nirgend bemerkte vom Jahr 1749 kommt, die Cl. Brentano besaß. Vergl. Bartol. Gamba delle novelle italiane S. 171–172 und Brunet Manuel du libraire (Paris 1842) 1, 260. Zu Rom 1679 nach Fernow, ferner zu Neapel 1754 mit Kupfern nach Brunet und Ebert. Sämtlich in 12. Außerdem erschien eine abgekürzte, nach Liebrechts Urtheil sehr schlechte Übersetzung in das gewöhnliche italienisch. Neapel 1769. 1794 und eine andere in bolognesischem Dialect. Bolog. 1742.
  4. Dagegen hat Liebrecht 2, 260 und zu Dunlop 517 eine Anmerkung gemacht. Ich behaupte nicht daß Basile absichtlich pipata in papara verwandelt habe, vielmehr hat es, wie gesagt, die lebendige Überlieferung gethan. Eine Puppe von Lappen konnte besser zum Reinigungsmittel dienen als eine große Gans, deren Lebendigwerden, nachdem ihr der Hals umgedreht war, wenigstens nicht wahrscheinlich ist. Auch verlangt Rabelais un oison dumelé, wie man von Taubmann erzählt daß er ein kleines, noch in den Flaumfedern steckendes Gänschen auf die Wiese verwendet habe. Die Puppe war ein koboltartiges Wesen, mit dem bekannten Ducatenmännchen verwandt, und die Auffassung Straparolas scheint mir das ursprünglichere zu enthalten.
  5. Deren Graf Caylus in der Vorrede zu der Erzählung Cadichon (Cabinet des fées 25, 409) ausdrücklich Erwähnung thut.
  6. Bouterweck Geschichte der Poesie 6, 244. Vergl. (Valkenaer) Lettres sur les contes de fées attribués à Perrault et sur l’origine de la féerie, Paris 1826.
  7. In einigen Ausgaben noch ein viertes, nämlich Griseldis in Versen. In der prächtigen Pariser 1782 in 12 und in dem Cabinet des Fées 1 sind daher zwölf Stücke; allein Griseldis ist kein Märchen sondern eine bekannte Novelle aus dem Boccaz und wird daher in andern Ausgaben mit Recht ausgelassen. Richeron (Mémoires pour servir à l’histoire des hommes illustres 33, 287) nimmt an Perrault sei um das Jahr 1626 geboren, und führt an Griseldis, nouvelle avec le conte de Peau d’âsne et celui des souhaits ridicules, deuxième édition Paris 1694 in 12, mit der Bemerkung das alles sei in Versen abgefaßt.
  8. Nach der Ausgabe im Cabinet des fées. Paris 1785. Bd. 2.
  9. Dies und die zwei folgenden sind eingerückt in die Novelle von Ponce de Leon.
  10. Nr. 14 und 15 stehen in einer Erzählung Ferenand de Tolède.
  11. Dies, so wie alle noch folgenden, in einer Erzählung Le gentilhomme bourgeois.
  12. Tales for the instruction of youth übersetzt Davies brittish Druids S. 147. Dagegen Lhuyd (cat. mss. brit. S. 262). Mabinogi (sing.), hoc vocabulum quid sibi velit, hodie non constat. libellus autem sic inscriptus fabulosas quasdam historiolas tradit de optimatibus aliquot Britannis antiquioribus. quod vidimus exemplar in quatuor partes distributum est. Oven citirt in seinem Wörterbuch diese Mabinogion sehr häufig z. B. v. dadiain, wo er daraus eines Kessels gedenkt, in welchem alles, was hineingethan wird, wieder Leben bekommt. Unter dywyn steht eine Sage von Artus aus derselben Quelle. Die neueste Nachricht darüber (von Cohen) im Quarterly Review 1819. 41, 94. The Welch have their Mabonogion or juvenile amusements of undoubted authenticity and antiquity. Some of them are extant in manuscript, others live only in the traditions of the common people. A translation of the former was prepared for the press by Mr. William Owen, to whom Cymric literature is so greatly indebted, but the manuscript infortunately lost before publication. These tales possess extraordinary singularity and interest, and a complete collection of them in the original language is, as Mr. Southey remarks, a desideratum in British literature.
  13. Sechs Stücke daraus von W. Lindau übersetzt im Morgenblatt Jahrg. 1810. Nr. 237. 242. 248. 261. Jahrg. 1812. Nr. 78. 104.
  14. Es wäre möglich daß folgende Werke die wir uns nicht haben verschaffen können, keine bloße Übersetzungen sondern etwas eigenes enthielten, wahrscheinlich ist es aber nicht. A new collection of fairy tales. 1750. 2 Bände in 12. Queen Mab, a collection of entertaining tales of the fairies 1770 in 12. The pleasing companion, a collection of fairy tales. 1788. Fairy tales, selected from the best authors. 1788 2 Voll. Nur Gedichte und Balladen enthalten die Tales of Wonder by Lewis.
  15. Vor uns liegt Tabarts collection of popular stories for the nursery. Newly translated and revised from the french, italian and oldenglish [315] writers. Lond. 1809. 4 Bände in 12. Eine neue Auflage hat den Titel Fairy tales, or the Lilliputian Cabinet, containing twentlyfour choice pieces of fancy and fiction, collected by Benjamin Tabart. Lond. 1818. Eine ausführliche und lesenswerthe Recension (von Francis Cohen) im Quarterly Review 1819. Nr. 41 S. 91–112.
  16. Nämlich der Lüge wegen wird die Biene zu einem Masc. gemacht.
  17. In einer Anmerkung der Wöchentlichen Nachrichten S. 104 erwähnt.
  18. Gerade mit diesem Zug schildert das Riesenwesen auch das englische Märchen von Jack dem Riesentödter, „ach“, sagt der Königssohn, „wir werden kaum einen hohlen Zahn des Riesen ausfüllen“ (Tabart 3, 14). In dem östreich. Däumling kommt etwas ähnliches vor (vergl. Anmerkung zu Nr. 45).
  19. Das russische Original erschien in den Jahren 1780–83 zu Moskwa unter dem Titel „Russische Sagen enthaltend die ältesten Erzählungen von berühmten Rittern“. Der Herausgeber ist der bekannte russische Literator Nicolai Nowikow.
  20. Darin auch Bakthiar Nameh, die Geschichte der zehn Vezire, die Knös arabisch, Ousely persisch herausgegeben hat.
  21. S. oben S. 122 Anmerk.
  22. Auch in den Talmudsagen der Juden liegt manches märchenhafte (vergl. Anmerk. zu Nr. 62), wie man besten aus dem Auszug von Christoph Helwig (Gießen 1811) sehen kann, so sehr sie auch manchmal ins Abgeschmackte übergehen.
  23. Ueber die Fabeln und Erzählungen der Hindu ist nachzusehen Dubois description of the charakter, manners and customs of the people of India. Lond. 1817. c. 10. 11.


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