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Krakau (Meyer’s Universum)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
DCLXXIV. Der Kufstein und sein Thal Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band (1852) von Joseph Meyer
DCLXXV. Krakau
DCLXXVI. In der Halle der Repräsentanten zu Washington
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CRACAU

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DCLXXV. Krakau.
Eine Vision.




Verstummt ist und verstoben
Das Volk der Jagellonen
     Das herrlich einst in Macht und Ruhm geblüht;
Noch trägt’s auf seinem Schilde
Den Ritter Georg im Bilde,
     Der nie die Ehre rechten Kampfs vermied.
          Er schläft. Er soll erwachen,
          Daß er erleg’ den Drachen.

Sankt Georg, von Stahl umgeben,
Er reckt sich auf zum Leben,
     Er reitet um bei Mondenlicht
Dreimal im weiten Kreise,
Legt dann, nach Ritterweise,
     Die Lanze ein, hält an und spricht:
          „Den Frauen bin ich Helfer;
          Der Mann – er helf’ sich selber!“

Herbei denn, kühne Männer,
Ihr muthigen Bekenner
     Der Landestreu’ bis in den Tod!
Wo ist der Bund der Freien,
Die froh ihr Leben weihen,
     Wann wiederkehrt das Morgenroth?
          Verstiebt nach allen Winden!
          Nie wir sie wiederfinden.

Wo sind die stolzen Tage,
Da des Geschickes Waage
     Für einen Welttheil ruht’ in Polens Hand?
Wo Sobiesky’s Schaaren,
Die Habsburgs Retter waren,
     Ihm wiedergaben Kron’ und Land?
          Sie sind, ich sag’s mit Bangen,
          Begraben und vergangen.

Was zieht in Prozessionen
Im Dom der Jagellonen?
     Es ist der Geister lange Schaar
Mit Kronen und Geschmeide,
Die Schwerter an der Seite,
     Vor jedem Zug ein Königspaar.
          Sie bleiben stehn. Sie winken,
          Sie seufzen und – versinken.