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Lebensbeschreibung des verstorbenen Herrn Rekt. M. Horns, in Kamenz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Karl Erdmann Zier
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Titel: Lebensbeschreibung des verstorbenen Herrn Rekt. M. Horns, in Kamenz.
Untertitel:
aus: Lausizische Monatsschrift, S. 44–52
Herausgeber: Johann Rudolph Unger (Druck)
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1795
Verlag: Selbstverlag der Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften
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Erscheinungsort: Görlitz
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Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
siehe Johann Georg Horn
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[44] IV. Lebensbeschreibung des verstorbenen Herrn Rekt. M. Horns, in Kamenz. Herr M. Joh. Geo. Horn, ward i. J. [45] 1738. zu Frankenthal einem oberlausizischen Dorfe bei Bischofswerde geboren. Seine Ältern [1] waren, obwohl redliche und arbeitsame, aber doch sehr dürftige Landleute, daß sie wohl nichts weniger, als den Gedanken ihren Sohn den Wissenschaften zu widmen, hegen konten. Der damalige Ortsprediger M. Döring aber, der als Pastor Primarius zu Kamenz 1779. verstarb, bemerkte an ihm grosse Neigung und Fähigkeit zum Studiren. Er nahm sich daher seiner an, wurde sein zweiter Vater, nahm ihn in sein Haus, sorgte für seinen Unterhalt, unterrichtete ihn, und flößte ihm eine ausserordentliche Liebe zu den morgenländischen Sprachen ein, und brachte ihn dann nach St. Afra. Hier bewieß er sich so fleissig, gehorsam und dankbar, daß er sich die Liebe aller Lehrer, besonders die des damaligen Rektors Höres erwarb. Unter diesem Mann bildete er sich zu einem künftigen ächten Gelehrten und ward von ihm einst wegen seiner ausserordentlichen Fortschritte in der Philologie bei einer Translokazion über dreisig seiner Mitschüler weggesezt. Wie groß sein Fleiß und seine Liebe zur Hebräischen Sprache war, ist zum Theil daraus zu ersehen, daß er schon als Terzianer Primanern Unterricht in derselben gab, und fast den ganzen Psalter und die Sprüche Salomo’s, so wie ganze Kapitel aus andern Schriften des [46] alten Testaments im Grundtext auswendig wußte[.] Als Primaner übersezte er Exerzizien in rabbinische Verse (bei Gelegenheit des Schulexamens besonders) die vermuthlich noch im Konsistorium in Dresden liegen dürften.

Daß er sowohl auf Schulen als auch nachgehends auf Universitäten unter Ernesti, nach dem er sich fast ganz gebildet hatte, auf die lateinische Sprache, die er ganz in seiner Gewalt hatte, vielen Fleiß gewendet haben muß, sieht man aus seinen Schriften, deren jedoch nicht viele im Druk erschienen sind. Sein Latein ist schön und fliessend, und kann von jedem, der der Sprache nur einigermassen kundig ist, verstanden werden. Auch war er ein sehr glüklicher Dichter [2] in dieser Sprache, welches seine Gelegenheitsgedichte sattsam darthun. Das Französische lernte er auf Schulen ohne allen Privatunterricht, brachte es bald zum Sprechen, übersezte auch nachher in Wittenberg den schönen Roman Dorval und Dorsan. Auch machte er im Griechischen in Leipzig Fortschritte, obgleich er als Fürstenschüler fast gar keinen Unterricht in dieser Sprache genoß; ja, er wußte viele Autoren zum Theil und das neue Testament fast ganz auswendig. [3]

[47] Mit den schönsten Kenntnissen bereichert kehrte Horn nach noch nicht völlig fünf verflossenen Jaren von Meissen in das Haus seines Wohlthäters, Pastor Dörings, zurük. Hier studirte er fort, und beschäftigte sich auch mit Unterrichtung einiger jungen Leute aus dasiger Gegend. 1760. bezog er die Universität Leipzig, wo er Ernesti und Gellert die er vorzüglich hochschäzte, auch Crusius, [4] und andre hörte. Auch besuchte er viele juristische Kollegien. Privatim beschäftigte er sich ganz besonders mit den morgenländischen Sprachen, und brachte es im Syrischen, Chaldäischen, Arabischen, und Koptischen ziemlich weit; kam aber freilich in seinen nachher geführten Ämtern einigermassen aus der Übung. Auch lernte er in Leipzig ohne fremde Beihülfe die italienische Sprache, und sprach sie ziemlich fertig. So war er auch etwas mit der spanischen und holländischen Literatur bekant. Allein was ich bei den morgenländischen Sprachen erinnerte, das gilt auch von den abendländischen, die er erlernt hatte, besonders von der spanischen. [48] Es machte ihm einst nicht geringe Mühe, einem seiner Zöglinge, der ihn darum ersuchte, einige schwere Stellen aus dem Werke des Kampomanes zu erklären, welches den Titel führt: Antigüedad maritima de la Republica de Cartago, con el Periplo de su General Hannon, u. s. w.

Auf Anrathen seines Freundes und Wohlthäters gieng er nach vollbrachten akademischen Jaren nach Burkau bei Bischofswerde, zum Kammerherrn, Baron von Braun und Wartenberg, dessen Familie er unterrichtete. Hier ließ er von Zeit zu Zeit etwas in den Dresdner Anzeiger gegen die Anfechter des kopernikanischen Sistems einrüken. Da seine Gegner oft eine englische Schrift zitirten, so lernte er, um diese nachschlagen zu können, blos mit Hülfe der arnoldischen Sprachlehre und des ludwigischen Wörterbuchs das Englische so gut, daß er es nicht nur verstand und sprechen konte, sondern auch in der Folge in Wittenberg die vermischten Werke der Elisabeth Rowe übersezte. Damals oder zu einer andern Zeit, munterte ihn ein Freund zur Erlernung des Wendischen auf, allein Mangel an Zeit und Lust waren die Ursachen, daß er es nie zum Sprechen brachte, ja nachgehends es größtentheils verlernte. – Vielleicht auch ein Beweis, daß die Wendische Sprache vor allen übrigen viel Schwieriges und Abschrekendes hat. Im Jar 1769. begleitete er einen Sohn des Baron von Braun nach Wittenberg, wo er die Magisterwürde [49] erlangte. Als im Jare 1771. der um hiesige Schule verdiente Rektor M. Voigt mit Tode abging, und der damalige Konrektor Prätorius ihm sukzedirte, so empfahl M. Döring, der nun Primarius in Kamenz war, dem Magistrat den M. Horn zum Konrektor. Horn las eine Probe, erhielt auch vielen Beifall, aber den Dienst erhielt er nicht, weil der Hr. D. Breuning in Leipzig dem damals lebenden Bürgermeister Ferber den M. Gößchen empfohlen hatte, der auch in der Folge Konrektor ward. Horn gieng hierauf in dem nämlichen Jare nach Leipzig, wo er bis 1776. beim Hrn. Ordinarius D. Bauer Hauslehrer war. Im leztern Jare etablirte er sich in Leipzig, ward in den ansehnlichsten Buchhandlungen Korrektor, und verdiente sich viel Geld.

1781. starb der Konrektor M. Gößchen. Der Magistrat wählte nun den M. Horn zum Konrektor. Horn kam 1782. nach Kamenz, wo er die Schule eben nicht in dem besten Zustande fand, sie aber und besonders die zwote Klasse, durch seinen unermüdeten Fleis bald emporbrachte. Als der Rektor Prätorius starb, ernannte ihn der Magistrat 1785. zum Rektor, welchem Dienste er bis an sein Ende, auch noch in seiner schmerzvollen Krankheit mit seltner Treue vorgestanden hat.

Er besaß nicht nur ausgebreitete Kentnisse, in jedem Fache der Gelehrsamkeit, auch in den mathematischen Wissenschaften, sondern suchte sie auch [50] seinen Schülern bestmöglichst mitzutheilen. Bei aller seiner Gelehrsamkeit aber betrat er doch nie den Lehrstuhl unvorbereitet, und wenn er sich auch noch spät am Abend vorbereiten sollte. Seine Schüler liebte er wie seine Söhne, und behandelte sie mit vieler Gelindigkeit, doch wußte er auch, wenn seine Gelindigkeit gemisbraucht wurde, einen schärfern Ton anzunehmen. Immer war ihnen der Zutritt zu ihm, auch ausser den öffentlichen Stunden, vergönnt, und sie konten ihn da fragen, um was sie nur wollten; er ertheilte ihnen liebevoll Antwort und Rath. Auch stand ihnen stets seine schöne Bibliothek offen. Arbeitsam war er im höchsten Grade. Er gab ausser seinen gewöhnlichen öffentlichen Stunden noch viel Privatissima, die den Schwächern sehr zu statten kamen, und die er selbst in seiner höchst schmerzhaften Krankheit nur sehr selten aussezte. Seine Ausarbeitungen waren sehr durchdacht, er gieng dabei so behutsam zu Werke, daß ihm oft ein einziger Ausdruk ehe er ihn niederschrieb oder eine orthografische Bedenklichkeit stundenlanges Nachsinnen machte.

Mit seinen Kollegen suchte er in Fried und Freundschaft zu leben, ja, er lies es sogar selbst über sich gehen, um nur allen Zwist und Feindschaft zu vermeiden. Bescheiden und höflich war er gegen Jedermann so wie Gellert und Morus.

Nicht nur Filosof [5] war er, sondern auch Christ. [51] Er verehrte die Religion, sprach stets mit Ehrfurcht von ihr, suchte sie bei jeder Gelegenheit seinen Schülern bestmöglichst zu empfehlen, und bewieß es selbst durch sein thätiges Leben, daß er wahre christliche Gesinnungen bei sich nähre. Auch in seiner schmerzhaften Krankheit suchte er sich oft mit der Religion aufzurichten. Als ihm der Singechor auf meine Veranlassung das schöne Gellertsche Lied: Auf Gott und nicht auf meinen Rath etc. sang, und ich dann zu ihm kam, so bedankte er sich recht herzlich bei mir, und sagte daß ihn dieser schöne Gesang bei seinen Leiden recht erquikt habe. Nicht lange vor seinem Tode war ich auch nebst einem Freunde bei ihm, da wir ihm die schönen Worte des Horaz zuriefen:

„leuius fit patientia
Quicquid corrigere est nefas.“

Worauf er uns denn antwortete: „Ich will mit Gelassenheit alles ertragen, doch nicht nur als Filosof, [52] sondern auch als Christ.“ Und so duldete er denn, dieser fromme Dulder, über zwei Jar lang und ergab sich als Verehrer Jesu ganz in den göttlichen Willen, bis denn am 14. Novemb. nach dem sanftesten Tode sein Erlösungstag begann. Fast ununterbrochen bis an den lezten Athemzug behielt er seyn Bewußtsein. Sein Andenken wird mir und allen seinen Verehrern und Freunden unvergeßlich seyn.

Karl Erdmann Zier, Kantor.
  1. Seine Mutter lebt noch in einem Alter von 78 J. in Frankenthal.
  2. Schon auf der Schule verfertigte er eine Menge Oden, wovon er viele im Manuskript hinterlassen hat.
  3. Diese und manche andre meiner Äusserungen trägt [47] vielleicht den Schein der Übertreibung und des Vorurtheils an sich. Aber mehrere seiner Freunde sind hinlänglich vom Gegentheile überzeugt. Eben so unlogisch würde derjenige schliessen, der den sel. Horn wegen dergl. Äuserungen für einem Pedanten halten wollte.
  4. Er gestand oft, daß er der Vergleichung der ernestischen und crusiusischen Meinungen den grösten Theil der Bildung seiner Art zu denken, danke.
  5. Vorzüglich verehrte er die kritische Filosofie, doch [51] ist es zuverlässig, daß er sich ein eignes filosofisches System aus Kantianismus und Wolfianismus und eignen Grundsäzen zusammengewebt habe. So finden sich auch in seinen Papieren Spuren eines von den bisher bekannten drei astronomischen Systemen gleich entfernten Lehrgebäudes der Sternkunde. Hinlänglichen Aufschluß über diese beiden Punkte hat man nie von ihm bekommen können. Nicht lange vor seinem Tode sagte er noch bei gegebener Gelegenheit: Ich könnte noch vielerlei auf der Welt stiften: Allein ich will meine Hypothesen mit ins Grab nehmen.