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Legende (Johannes von der Babenburg)

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Textdaten
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Autor: Johannes von der Babenburg
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Titel: Legende
Untertitel:
aus: Wünschelruthe - Ein Zeitblatt. Nr. 9,10
Herausgeber: Heinrich Straube und Johann Peter von Hornthal
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht
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Erscheinungsort: Göttingen
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[33]
Legende[1].
Von Johannes von der Babenburg.




In Armenien lebte ein alter König, der hatte schon früh sich ganz der heiligen Lehre ergeben, die von Bethlehem über alle Welt segenvoll ausgegangen, und den Glauben an sie allmälig in seinem weiten Reiche befestigt. Dafür waltete die Gnade des Herrn sichtbar über ihm, und ein wunderschönes Töchterlein war ihm ihr köstlichstes Geschenk, das er darum auch in rechter Liebe zum Heiland erzog, und in immer größerer Demuth und Gottesfurcht heranblühen sah.

Als sie aber erwachsen, war Algaritha weit und breit die schönste und herrlichste Jungfrau geworden, und ihr überglücklicher Vater nannte sie nur immer den reinsten Demant in seiner reichen Königskrone. Auch war ihr Herz wahrhaft solch ein reiner Demant, der in seinem stillklaren Grunde stets des Erlösers Bild wie in einer Liebesgloria trug , und in tausend andere Herzen tröstend und heilend hineinleuchtete; denn gleich ihrem Vater war es auch der Jungfrau Liebstes, dem ewigen Hause recht viele Kindlein zuzuführen, und Gottes Namen zu verherrlichen in unzählbaren Liebeswerken.

So geschah es bald, daß Algaritha’s fromme und demüthige Schönheit zu solchem Ruhme gedieh, daß alle Fürsten Asia’s um ihre Hand zu dienen begehrten.

Neben dem Reiche des alten Königes aber herrschte der Jüngling Timurstan, der gewaltigste aller Tartarenfürsten und, wie seine Horden, noch befangen im wilden Heidenthum. Auch zu diesem war die Kunde von Algaritha’s Schönheit gekommen, und er entbrannte alsbald vor Begierde, sie zu sehen und zu erwerben. Deßhalb ritt er ungesäumt an den Hof des Armeniers, und verlangte von ihm mit übermüthig keckem Drohen seine Tochter zum Gemahl. Der aber schlug sie ihm zornig ab, sprechend, wie er nie sein Kind einem sündigen Heiden zum Gemahl geben werde, und sollte er und sein ganzes Reich darüber zu Grunde gehen. Darauf antwortete der Jüngling, der, seit er Algaritha’s himmlische Schönheit erblickt, nur in noch wilderen Liebesflammen aufloderte, wüthend, auch er setze Reich und Leben dran, und werde nimmermehr rasten, bis er den reinsten Demant in seiner Krone trage. Also sprechend jagte er davon, sammelte eiligst seine Horden, und stürmte mit ihnen im wildestem Kriegeszug, eh der alte König sich dessen noch versehen konnte, in das seit undenklicher Zeit friedliche Christenreich. Auch der König suchte sich nun mit seinen Getreuen zu tapferer Gegenwehr zu rüsten, aber zu schnell und gewaltig war der Heiden Ueberfall, und ihm blieb bald nichts weiter übrig, als in der Hauptstadt Leben und Krone fast rettungslos zu vertheidigen. [38] In dieser höchsten Noth war Algaritha eines Morgens in brünstigem Gebet auf ihren Knieen gelegen vor dem Bilde des Erlösers, auf daß er ihr in seiner unendlichen Gnade Kraft verleihen möge, den Todesstreich abzuwenden von dem Haupt des geliebten Vaters, und die unsägliche Qual heidnischer Knechtschaft ihrem Volke. Und als sie lange also im Stillen gebetet, da war ihr, als strecke der Heiland seine Arme über sie aus wie zum Segen, und ein Lichtstrahl falle herab aus seiner Dornenkrone in ihr frommes Herz, und erleuchte, in unzähligen Funken daraus wiederstrahlend, Alles um sie her. Sie aber faltete, als sie solches gesehen, ihre Hände in Demuth auf ihrer Brust und sagte: HErr, Dein Wille geschehe. –

Als sie nun ihrem Vater erzählt, mit welcher Erscheinung sie der Heiland begnadet, erkannte auch der alsbald den Willen des Allmächtigen, neigte sich freundlich vor seiner Tochter, und verhieß ihr, zu thun wie sie ihm sagen würde. Darauf sandte Algaritha dem Tartarenfürsten einen Boten, ihm zu entbieten, er solle augenblicklich mit allen Schaaren in Frieden zurück ziehen bis auf seine Gränzen, und dort ihrer harren in strengster Ruhe; dann würde sie kommen, und ihm ihre Hand reichen als sein ehliches Gemahl.

Timurstan, der eben erst noch in frevler Freude der Vollendung seiner Siege gedacht, spottete dieser Botschaft [39] hieß den Abgesandten gefangen nehmen, und bestieg, zu neuer Kampfeswuth fortgerissen, sein Streitroß, gleich selber den lezten Sturm auf die Königstadt zu ordnen. Als er aber angesichts ihrer Mauern und Thürme so dahinsprengte, traf ein heller Strahl von dem großen goldenen Kreuze, so im Mittagsonnenlicht über dem Hauptthor erglänzte, sein Roß und blendete es dergestalt, daß es, scheu sich bäumend, mit dem wilden Reiter zusammenstürzte.

Aus langer Betäubung wieder erwacht, befahl Timurstan, der sich seltsam und unerklärbar entmuthet fühlte, alsogleich den Rückzug, und schon der Abend sah den Königsitz in alter Freiheit.

Algaritha aber folgte in hoher, wunderbar leuchtender Freudigkeit des anderen Tages dem Tartarenheere, und übergab sich, wie sie verhießen, auf des Landes Gränze dem wilden Heidenjüngling zum ehlichen Gemahl.

In stiller Ergebenheit hatte sie Timurstan’s gar oft unbezähmt grausame Sinnesart zu mildern gesucht, immer zu Christus hoffend, sie trotz der finsteren Magier, die ihn mit ihren lügenhaften Künsten umsponnen hielten, dereinst noch zum wahren Heile zu wenden. Auch war es jenem zuweilen, als fühle er sich neben Algaritha unsäglich klein und fast sich selber unheimlich, aber die bösen Zauberer ließen ihn nicht lange bei solchen Gedanken, und rissen ihn schnell wieder in ihr finster brausendes Leben. - Da war es an der Zeit, daß Algaritha eines Kindleins genesen sollte, und daß neben der mütterlichen Freude in ihr noch eine ganz andere, ihr selber unbegreifliche Herzensseligkeit zu tagen begann. Als sie nun eines Knäbleins glücklich genesen, fand sich zu großem Ensetzen ihrer Frauen, daß es an der einen Hälfte seines Leibes schön wie ein Engel des Himmels, an der anderen aber rauh und haarig wie ein wildes Thier. Da faltete Algaritha abermals ihre Hände in Demuth, sprechend: HErr, Dein Wille geschehe, und befahl, das Knäblein dem Vater zu bringen. Der aber entsezte sich gleichfalls vor seinem Kind, und rief im höchstem Zorn: das ist Zauberei der Christengötter! darauf versammelte er alle seine Magier, daß sie den Zauber lösen sollten. Die machten auch allerlei teuflische Zeichen über das Knäblein, sagten aber dann, Timurstan müsse augenblicks die Mutter tödten, anders wäre der Zauber nicht zu bezwingen, denn die rauhe Hälfte bedeute den falschen Glauben der Christen, mit dem sich ihr wahrer nimmermehr vereinbaren könne. Da ergriff der Vater das Knäblein, und stürzte wüthend, von allen Magiern und Höflingen begleitet, in Algaritha’s Gemach, sie mit eigener Hand zu morden.

Algaritha aber bat mit sanfter Rede, noch einmal ihr Knäblein in die Arme nehmen zu dürfen, und als dies geschehen, hob sie es auf ihren schwachen Armen gen Himmel und sagte: Hilf mir, Gott Vater! hilf mir, Gott Sohn! hilf mir, heiliger Geist! Und sogleich ward das Knäblein am ganzen Leibe schön wie ein Engel, und ruhte lächelnd an der Brust seiner Mutter, wie einst das Jesuskind an dem Herzen der heiligen Jungfrau. – Da aber erkannte ihr Gemahl den Willen des HErrn und die ewige Herrlichkeit Seiner Lehre, und fiel nieder auf die Kniee vor seinem hochbegnadeten Gemahl, in reuigem Gebet zum wahren Gotte. Die Magier jagte er sogleich vom Hofe, und empfing bald darauf die heilige Taufe. Und als der alte König von Armenien zum HErren heimgegangen, haben Alganritha und Timurstan noch lange in unbeschreiblicher Liebe und Glückseligkeit über beide Reiche geherrscht und die heilige Lehre auch unter den Tartaren verbreitet; auch hat beider Ehegatten heiliges Gedächtniß noch viele Jahrhunderte fortgelebt mit ihren mächtigen und gottgeliebten Nachkommen.


  1. Vergl. Reimchron. v. Ott. Horneck. Cap. 192. in Pezzi Script. rer. Austriac. 3ter Bd.