Litteratur (Wünschelruthe Nro. 49)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: tn.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Litteratur
Untertitel: Rhapsodien eines Denkers über die wichtigsten Gegenstände der Menschheit. Breslau 1817. (neue Ausgabe).
aus: Wünschelruthe - Ein Zeitblatt. Nr. 49, S. 196
Herausgeber: Heinrich Straube und Johann Peter von Hornthal
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Göttingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[196]
Litteratur.

Rhapsodien eines Denkers über die wichtigsten Gegenstände der Menschheit. Breslau 1817. (neue Ausgabe).

Es ist ein fast wehmüthiges Gefühl, und von einer Seite beinahe unerklärbar, wie ein Mensch von ausgezeichnetem Scharfsinn unter dem Höchsten in Verstand und Gemüth hergehen kann, ohne eine Ahndung davon zu haben oder es im geringsten würdigen und fassen zu können, dagegen oft gemüthliche Menschen, die durchaus nicht selbstschaffend sind, es leicht begreifen, ja sogar die falsche Höhe von der wahren schnell unterscheiden. Bei dem Verfasser dieses Buches scheint aber auch außer jenem unphilosophischen wie ungemüthlichen Scharfsinn besonders Erziehung, Bildung, und Unkenntniß des eigentlichen Ganges der Philosophie mitgewirkt zu haben, daß er uns hier die längst vergessene innerlich vernichtende französische Philosophie in einer neuen Form bietet. Daß sie sich durch mancherlei Berührungen, durch Aufnahme neuer Erfahrungen, durch schärferes Auftreten, selbst durch tiefere Bedeutung und mehr Wissenschaftlichkeit gestärkt hat, soll uns nicht verführen, hier den Helvetius und seine Schule verbunden mit vielen Kantischen Ideen wieder zu erkennen, man kennt ja das Geschwätz von reinster Vernunftreligion und Moral, vom Reinmenschlichen zur Genüge, wovon die unschuldigen Wörter selbst beinahe verrufen und lächerlich geworden. Rührend ist es wie der Verfasser sich doch nicht losmachen kann vom Christenthum, und während er von Christus spricht „daß sich schon früh das Göttliche, was allen höheren Naturen eigenthümlich ist, in ihm entwickelte,“ von Moses, „daß er kein Philosoph, der seine verführten zu einem auserwählten Volke geschaffen hat“, rühmt er doch ohne Affektation Luther und Hutten als Glaubenshelden, ganz wie die protestantischen Theologen vor 30 Jahren. Die nüchternste Vernunft ohne Tiefe und Anschauung! Als Spitze davon erscheint sein christliches Glaubensbekenntniß, wo er glaubt an „Vater, Sohn und Geist, aber fern von aller sinnlichen Persönlichkeit als göttlich wirkende Kräfte, Unsterblichkeit der Seele und Strafe jenseits“ (die positive Religion hat er vergessen). Dies nennt er christliches Glaubensbekenntniß! da sind ja wohl die meisten Heiden auch Christen gewesen? Am widrigsten erscheint er, wo er über das alte Testament spricht. „Der Scharfsinn, der durch die Moral zu einem höhern Zweck dringt, findet im alten Testament des erbaulichen wenig. Schlüpfrige Beispiele, welche das schimmernde Kleid der Moral tragen, werden sie aber auf den Probierstein ächter Tugend gebracht, so verräth sich die verschönernde Phantasie der Propheten oder seine Ansicht, die nie wähnte ein höherer Maaßstab der Sittlichkeit könnte der fernsten Nachwelt jemals gewährt werden. Warum läßt man nicht, wie Joseph den Mantel, das alte Testament fahren, und schneidet es von der wahren Lehre Jesu Christi ab?“ – Das sieht etwas wie Wahrheit aus, und könnte manchen Unschuldigen irre machen, der nicht weiß, daß die Tugend in der Erscheinung keineswegs ein absoluter Begriff ist, sondern die innere Harmonie der Seele, die sich nur dem göttlichen Willen unterordnet, und die fehlt dem alten Testament so wenig als dem neuen, es verhält sich zu ihm, wie Stamm und Blüthe; daß die letzte edler und zarter ist, ist nothwendig, aber hauest du den Stamm um, so fällt die Blüthe mit. Wir können uns hier nicht auf Widerlegung dieses Buchs einlassen, wir brauchen nur zu bekennen, daß wir nichts neues darin gesunden, und dieß alte Wesen ist ja schon tausendmal durchsprochen! Die Lebendigkeit und der geistreiche Vortrag scheint ihm aber eine unverdiente Aufmerksamkeit verschaft zu haben, wie man vermuthen möchte, weil das Buch eine neue Ausgabe erlebt hat. (Die vorige war von 1810.) Daher sprechen wir dieß wenige darüber. Was er über Kunst und Politik schreibt ist recht verständig, doch haben wir auch daraus nicht vieles erlernen können. Der Verfasser verspricht in einigen Bemerkungen noch ein Paar Bücher, wir hoffen, daß sie besser wie das gegenwärtige sind.

tn.