MKL1888:Rechenmaschinen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Rechenmaschinen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 624625
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Rechenmaschinen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 624–625. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Rechenmaschinen (Version vom 19.04.2021)

[624] Rechenmaschinen, mechan. Hilfsmittel zur schnellen und sichern Ermittelung der Resultate von Rechenaufgaben. Zu den einfachsten R. gehört der Rechentisch (abacus) der alten Römer. Auf diesem [625] waren in parallelen Einschnitten Knöpfchen verschiebbar, welche je nach der Reihe, in der sie standen, einzelne Einer, Zehner, Hunderte etc. darstellten; zwischen den Hauptreihen befanden sich auch noch Nebenreihen, deren Einer bloß das Fünffache von den Einern der vorhergehenden Hauptreihen galten. Mit diesen Knöpfchen rechneten die Römer ähnlich wie wir mit den arabischen Ziffern, deren Wert ebenfalls durch ihre Stellung bedingt ist. Auf demselben Prinzip beruht auch das Suanpuan der Chinesen und Tataren und das ebenso eingerichtete Rechenbrett, welches unter dem Namen Stschjotü in den russischen Kaufläden gebräuchlich ist, auch bei uns für den Elementarunterricht im Rechnen Verwendung findet. Bei diesem sind innerhalb eines Rahmens eine Reihe paralleler Drähte angebracht, an denen Kugeln verschiebbar sind; jede Kugel des ersten Drahts bedeutet eine Einheit, jede des zweiten 10 etc. Hier sind auch die von Lord Napier erfundenen Rechenstäbchen (s. d.) zu erwähnen, welche die Produkte des Einmaleins enthalten und zur Erleichterung des Multiplizierens und Dividierens dienen. Auf einem höhern Standpunkt stehen die Rechenschieber, bei denen ein Lineal an einem andern hin verschoben werden kann; die auf den Linealen abgetragenen Teile geben die Logarithmen der Zahlen an. Da nun mittels der Logarithmen jede Multiplikation in eine Addition, jede Division in eine Subtraktion verwandelt wird, so ist leicht einzusehen, wie man durch Verschiebung des einen Lineals multiplizieren und dividieren kann; es lassen sich aber mit Hilfe des Rechenschiebers auch Potenzen und Wurzeln berechnen, und häufig ist derselbe speziell zur Umrechnung von Maßen, Gewichten etc. eingerichtet. Vgl. Culman, Graphische Statik, Bd. 1 (Zürich 1875). Eine Modifikation der Rechenschieber ist die Rechenscheibe von E. Sonne, welche Landsberg und Parisius in Hannover in verschiedenen Größen fertigen. Bei ihr sind die beiden Lineale ersetzt durch eine kreisförmige Scheibe und einen konzentrischen Ring. Diese Rechenschieber und -Scheiben sind für alle Fälle der Praxis höchst empfehlenswert, wo es sich um rasche Ermittelung der Resultate handelt, wenn diese nicht auf eine größere Anzahl von Stellen zuverlässig zu sein brauchen. Für die Rechnung mit längern Zahlenreihen sind sie jedoch nicht ausreichend. Gerade für solche Rechnungen aber sind mechanische Hilfsmittel in hohem Grad wünschenswert, da lange fortgesetzte Aufmerksamkeit auf die einfachen Sätze des Einsundeins und des Einmaleins außerordentlich ermüdend wirkt und die sich einstellende Abspannung des Rechners die Sicherheit der Resultate gefährdet. Man hat daher schon längst die Herstellung von Maschinen versucht, welche die verschiedenen Zahlenrechnungen ausführen. Blaise Pascal ist der erste, der eine Maschine zum Rechnen der vier Spezies zu stande brachte (1642), welche Diderot in der „Encyclopédie“ beschrieben hat. Ihm folgten Leibniz (1673), Poloni (1709) und Leupold (1727), der in seinem „Theatrum arithmetico-geometricum“ (Leipz. 1727) eine Beschreibung seiner Maschine und derjenigen der beiden vorher Genannten gegeben hat. In unserm Jahrhundert machte zuerst die Maschine des englischen Mathematikers Babbage (s. d.) großes Aufsehen. Dieselbe war aber nicht zur Ausführung beliebiger Rechnungen, sondern speziell zur Berechnung und zugleich zum Druck von Tabellen bestimmt. Sie ist zwar wegen der bedeutenden Kosten, die ihre Herstellung verursachte, nicht völlig vollendet worden, hat aber als Muster gedient für die zu dem gleichen Zweck bestimmte schwedische Rechenmaschine von Georg Scheutz in Stockholm und seinem Sohn Eduard (s. „Polytechnisches Journal“, Bd. 156), welche 1853 vollendet, 1855 in Paris ausgestellt u. nachher dem Dudley-Observatorium in Albany übergeben wurde. Eine andre Maschine gleicher Art ließ die englische Regierung von Donkin in London fertigen. Nach der Angabe von Airy rechnete und stereotypierte dieselbe in 1 Stunde 15 Min. eine Tabelle über Leibrenten, während die gewöhnliche Rechnung 2 Stunden 55 Min. erforderte. Die Babbagesche und die Scheutzsche Maschine werden bisweilen auch Differenzmaschinen genannt, weil sie auf folgendem Prinzip beruhen. Bildet man in einer irgendwie gestalteten Zahlenreihe, die aber nach einem mathematischen Gesetz fortschreitet, die Differenzen zwischen je zwei aufeinander folgenden Zahlen, verfährt dann in der erhaltenen Differenzenreihe ebenso u. s. f., so kommt man einmal auf eine Differenzenreihe mit lauter gleichen Zahlen. Z. B. für die Kubikzahlen 1, 8, 27, 64, 125, 216 etc. ist die erste Differenzenreihe 7, 19, 37, 61, 91 etc., die zweite 12, 18, 24, 30 etc., die dritte 6, 6, 6 etc. Aus den Anfangsgliedern 1, 7, 12, 6 dieser Reihen können dann durch Addition alle folgenden berechnet werden, eine Arbeit, die eben die Maschine verrichtet. Dieselbe hat ungefähr die Größe eines tafelförmigen Pianofortes.

Von den R., welche zur Ausführung der vier Spezies dienen, ist das Arithmometer von Thomas aus Kolmar (1785–1870) die weitaus vollkommenste; trotz ihres komplizierten Mechanismus hat sie einen leichten und gleichförmigen Gang, ist sehr dauerhaft und kompendiös gebaut; eine Maschine mittlerer Größe ist in einem Kasten von 45 cm Länge, 16 cm Breite und 7 cm Höhe eingeschlossen. Sie wird durch eine kleine Kurbel in Bewegung gesetzt, und ihre Handhabung ist für einen jeden, der mit den vier Spezies vertraut ist, in Zeit von einer Stunde zu erlernen. Übrigens kann man mit ihr nicht nur die vier Spezies rechnen, sondern auch Wurzeln ausziehen, und ebenso ist sie bei trigonometrischen Rechnungen und zur Herstellung der verschiedensten Tabellen mit Vorteil zu verwenden. Je nach der Größe gibt sie die Resultate von 10–20 Stellen. Die Verwendbarkeit dieser Maschine ist, wie vieljährige Erfahrung bewiesen hat, eine außerordentlich große; sie entspricht recht eigentlich dem Hausbedarf des praktischen Rechners. Der Zeitgewinn, den sie gewährt, ist namentlich beim Multiplizieren, Dividieren und Wurzelausziehen bedeutend. Dabei kann man tagelang mit ihr arbeiten, ohne merklich ermüdet zu werden. Näheres über Konstruktion und Handhabung des Arithmometers gibt Reuleaux, Die Thomassche Rechenmaschine, im „Zivilingenieur“, Bd. 8, und „Polytechnischen Journal“, Bd. 165, auch separat (Freiberg 1862); über Töplers Verfahren beim Wurzelausziehen vgl. „Polytechnisches Journal“, Bd. 179. Die Maschine wird geliefert von A. M. Hoart in Paris, Rue du Helder 13, zum Preis von 150–400 Frank; auch Jul. Masseur und Rudolf Dobesch in Wien bauen Arithmometer nach Thomasschem System; neuerdings werden solche auch zu Glashütte in Sachsen gefertigt. Vgl. Vogler, Anleitung zum Entwerfen graphischer Tafeln (Berl. 1877). Über neuere Konstruktionen vgl. „Polytechnisches Journal“, Bd. 260, S. 167 u. 261; Selling, Eine neue Rechenmaschine (Berl. 1887).