MKL1888:Wasserpflanzen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wasserpflanzen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 426427
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Wasserpflanzen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 426–427. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wasserpflanzen (Version vom 15.04.2021)

[426] Wasserpflanzen (hierzu Tafel „Wasserpflanzen“), eine durch gemeinsame Lebensbeziehungen ausgezeichnete Gruppe von Gewächsen, die dem äußern Verhalten nach in die Abteilungen der untergetauchten (submersen) und der schwimmenden W. zerfällt. Unter den einheimischen Formen der ersten Gruppe herrscht eine Neigung zur Bildung fein zerschlitzter Blätter vor, welche sich überdies durch den Mangel von Spaltöffnungen auszeichnen und in ihren Oberhautzellen Chlorophyll führen. Selten besitzen sie (z. B. Lobelia Dortmanna, Littorella) gestauchte Achsen mit einer dichten Rosette schmallinealer, schlaffer Laubblätter; die Mehrzahl (wie Myriophyllum, Callitriche, Potamogeton, Zannichellia, Ruppia, Zostera u. a.) entwickelt langgestreckte, sehr dünne und biegsame, sich stark verzweigende Stengel, die von zahlreichen Luftkanälen durchzogen werden und daher im Wasser schwimmen. Ihre Gefäßbündel sind meist entsprechend ihrer Inanspruchnahme durch Zugkräfte zu einem axialen Strang vereinigt und entbehren mehr oder weniger die sklerotischen Elemente. Die Wurzeln fehlen dieser Gruppe der W. entweder ganz (Utricularia, Aldrovandia, Ceratophyllum), oder sie sind als lange, unverzweigte, aus den Knoten hervorbrechende Adventivwurzeln entwickelt. Im Gegensatz zu der erstgenannten Gruppe besitzen die schwimmenden W. Blattspreiten von ovaler oder nierenförmiger Gestalt, welche auf ihrer Oberseite den Bau von Luftblättern zeigen und hier auch Spaltöffnungen führen. Die Wurzeln sind bei dieser Gruppe mit Ausnahme von Wolffia wohl entwickelt und können, wie bei den Wasserlinsen (Lemna) und Hydrocharis morsus ranae, frei im Wasser flottieren. Die Mehrzahl der Schwimmpflanzen, wie Arten von Potamogeton, Ranunculus, Trapa natans, die Seerosen u. a., entwickelt einen Erdstamm (Rhizom), der oberwärts lange Laubtriebe mit Schwimmblättern oder diese direkt trägt. Den W. schließen sich einige als Uferpflanzen zu bezeichnende Gewächse (z. B. Alisma Plantago, Sagittaria, Sparganium, einige Arten von Ranunculus und Polygonum u. a.) an, welche ebenfalls befähigt sind, unter Umständen an überschwemmten Wohnplätzen Schwimmblätter zu entwickeln. Die W. überwintern teils durch ihre Rhizome oder Knollen, teils dadurch, daß sich bestimmte Zweigenden unter Verwesung der übrigen Teile zu Winterknospen umwandeln, die sich im Schlamm der Gewässer festsetzen und im Frühjahr neue Pflanzen durch Sproßbildung erzeugen. Viele W. bringen ihre Blüten auf mehr oder minder langen Stielen an oder über die Oberfläche des Wassers, um auf diese Weise eine Bestäubung durch den Wind oder durch Insekten, wie bei Hottonia, Arten von Nymphaea, Lobelia, zu ermöglichen; bei andern

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WASSERPFLANZEN.
(Die Beschreibung der Pflanzen siehe unter den lateinischen Gattungsnamen.)
1. Aponogeton distachyon. – 2. Nelumbium speciosum (Lotosblume, mit Frucht a). – 3. Nymphaea Lotus. – 4. Ouvirandra fenestralis. – 5. Papyrus antiquorum. – 6. Pistia stratiotes. – 7. Thalia dealbata. – 8. Victoria regia.

[427] (Vallisneria, Hydrilla, Elodea) bewirken im Wasser schwimmende Pollenmassen die Befruchtung; bei einer Minderzahl endlich (Najas, Zostera, Ceratophyllum) erfolgt die Befruchtung unter Wasser innerhalb der geschlossenen Blüte. Die in der Regel schwimmfähigen Früchte der W. reifen selten in der Luft, viel häufiger unter Wasser, besitzen oft eine sehr feste innere Steinschale und bisweilen eigentümliche, zum Festhalten im Schlamm dienende Ankerorgane, die bei Trapa in Form von vier starken Stacheln ausgebildet sind. Die geographische Verbreitung der W. ist eine sehr ausgedehnte, jedoch halten sie sich vorwiegend an die Wasserstraßen der Tiefländer und steigen nur mit wenigen Arten in die Hochgebirge auf. Die im Meer wachsenden W., die sogen. Seegräser, von welchen zur Zeit 27 Arten aus den Familien der Hydrocharitaceen und Najadeen bekannt sind, zeigen höchst eigenartige Verbreitungsverhältnisse, die mit der Entstehung der gegenwärtigen Meeresküsten zusammenhängen.

Unter den ausländischen, durch kulturgeschichtliche Beziehungen merkwürdigen W. stehen die Seerosen oder Nymphäaceen obenan, zu welchen die Lotosblumen Ägyptens und der Gangesländer gehören. Gegenwärtig wachsen in Ägypten Nymphaea coerulea Sav., mit blauen Blumen und ganzrandigen Blättern, und Nymphaea Lotos L. (s. Tafel, Fig. 3), die weißblütig und gezahntblätterig ist. Beide Arten finden sich auf den altägyptischen Denkmälern häufig dargestellt; auch wurden die Mumien der spätern römisch-griechischen Zeit bisweilen mit Kränzen von Lotosblumen geschmückt. Samen und Rhizome beider Arten wurden in alter Zeit gegessen, während dies jetzt nach Schweinfurth nur noch bei den Anwohnern des obern Nilgebiets geschieht. Das Vorkommen des rosablütigen indischen Lotos, des Nelumbium speciosum Willd. (s. Tafel, Fig. 2), im alten Ägypten ist durch monumentale Darstellungen und durch die Schilderung von Herodot, der ihre Frucht treffend mit einem Wespennest vergleicht, unzweifelhaft bezeugt. Gegenwärtig ist jedoch diese herrliche, bei den Indern in uralter Verehrung stehende und von den Dichtern des Orients besungene Pflanze gänzlich aus Ägypten verschwunden und auf die wärmern Teile Asiens und Nordostaustraliens beschränkt; ihr am weitesten nach Westen vorgerückter Standort liegt am Kaspischen Meer; jedoch kommt eine ihr sehr nahe verwandte Art (N. Buchii Ett.) fossil auch in Europa vor. Eine vierte, wegen der Riesendimensionen ihrer Blätter und Blüten allgemein bewunderte Seerosenart, die Victoria regia Lindl. (s. Tafel, Fig. 8), ist im tropischen Amerika zwischen dem 15.° südl. Br und dem 6.° nördl. Br. einheimisch und wird in unsern Gewächshäusern aus Samen alljährlich neu aufgezogen, während sie in ihrem Vaterland ausdauert; auch ihre Samen werden als „Wassermais“ von den Eingebornen gegessen. Andre auffallende Formen der W. bilden die zu den Najadeen gehörigen Aponogeteen, welche durch eigentümliche, zwei- oder dreiteilige Blütenähren ausgezeichnet sind und sich mit ca. 23 Arten im tropischen und subtropischen Afrika, Asien und Australien verbreiten; unsre Tafel bringt Aponogeton distachyus und Ouvirandra fenestralis (letztere durch höchst zierliche, gitterartige Durchlöcherung ihrer Blattspreite bemerkenswert) zur Anschauung (Fig. 1 u. 4). Bekanntere Gewächshauspflanzen aus der Gruppe der W. sind ferner die zu den Marantaceen gezählten Thalia-Arten, die im tropischen Amerika und auch in den Südstaaten Nordamerikas vorkommen; die in Sümpfen Südcarolinas und weiter westwärts verbreitete Thalia dealbata Fras. (s. Tafel, Fig. 7) hat langgestielte, herzförmige Wurzelblätter, einen weißlich bepuderten, aufrechten Blütenstand und kleine, violette Blüten. Die frei im Wasser schwimmende, zu den Araceen gehörige Pistia Stratiotes L. (s. Tafel, Fig. 6) bewohnt die wärmern Gebiete von Amerika, Asien und Afrika und wird bei uns bisweilen ihrer niedlichen Blattrosetten wegen in Aquarien gezogen. Als Uferpflanze schließt sich den W. endlich auch die Papyrusstaude (Papyrus antiquorum Willd., s. Tafel, Fig. 5) an, die ihre Heimat im tropischen Afrika hat und außerdem in Syrien und auf Sizilien vorkommt. Bekanntlich diente das Mark ihrer bis 3 m hohen Halme als Rohmaterial für die Papierbereitung der alten Ägypter, von denen sie kultiviert und auch als hieroglyphisches Symbol benutzt wurde, während sie gegenwärtig aus Ägypten verschwunden ist. Weiteres in den Spezialartikeln Nymphaea“, „Nelumbium“, „Papyrus“. Bezüglich der einheimischen Arten vgl. Schenk, Die Biologie der W. (Bonn 1885).