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MKL1888:Grundeigentum

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Grundeigentum“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 862865
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Grundeigentum. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 862–865. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Grundeigentum (Version vom 07.07.2025)

[862] Grundeigentum. Da die Bearbeitung des Grund und Bodens eine große Menge Menschen beschäftigt und einen erheblichen Teil des Volkseinkommens liefert, so ist der wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Zustand eines Volkes in hohem Grad von der Verteilung des Grundbesitzes abhängig. Im Altertum sind die römischen Zustände des Grundeigentums von besonderm Interesse. Die ziemlich gleichmäßige Verteilung des Grund und Bodens, die man für die frühste Zeit annehmen darf, änderte sich bald, und die ausgedehnten Ländereien, welche die Eroberungskriege in den Besitz der römischen Republik brachten, fielen vorzugsweise der Benutzung der Großen des Staats zu, welche mit Erfolg bestrebt waren, sie in ihr Eigentum zu verwandeln. Die anhaltenden Kriege in entlegenen Ländern machten dem minder wohlhabenden Bürger, der vorzugsweise auf seine Arbeit angewiesen war, die Behauptung seines Grundeigentums immer schwieriger, während der wohlhabendere sein Gut durch Sklaven bebauen ließ. Daher stand schon ein Jahrhundert vor dem Untergang der republikanischen Verfassung den wenigen Besitzern ausgedehnter Güter eine besitzlose Menge gegenüber, welche durch Koloniengründung zwar von Zeit zu Zeit vermindert, aber nicht mehr beseitigt werden konnte, und es ist nicht zu viel gesagt, daß dies ungesunde Verhältnis des Latifundienbesitzes, welches das Licinische Gesetz (387 v. Chr.) und T. Gracchus vergeblich zu beseitigen sich bestrebten, die Hauptursache des Sturzes der römischen Republik war („latifundia perdidere Italiam“, d. h. die Latifundien haben Italien zu Grunde gerichtet). Auf den großen Gütern der Römer wurde die Landwirtschaft mit nicht geringer Kunst betrieben; Staatsmänner und Dichter verschmähten nicht, sich ihr zu widmen. Die von ihnen hinterlassenen Schriften bildeten sogar, ins Deutsche übertragen, die Anfänge der neuern landwirtschaftlichen Litteratur. Der Begriff des Eigentums als des Rechts der unbeschränkten Herrschaft über eine Sache kam hinsichtlich des Grundbesitzes zu voller Anerkennung. Dem Grundeigentümer waren durch das Gesetz nur wenige Beschränkungen auferlegt, welche die Rücksicht auf den Nachbar unerläßlich machte; es war ihm sogar die Möglichkeit entzogen, die Freiheit seines Eigentums dauernd anders zu beschränken als in dem engen Kreis der römischen Servituten (s. d.) und der Superficies (s. d.). Noch weniger stand es ihm frei, das G. mit eigentlichen Leistungen zu beschweren. Die spätere Kaiserzeit indes schuf im Kolonat und in der Emphyteuse ein sozusagen geteiltes Eigentum, wonach der Landbauer ein vererbliches und veräußerliches Nutzungsrecht an dem G. eines andern gegen eine zu leistende Abgabe hatte.

Die deutschen Volksstämme waren zur Zeit ihrer ersten Bekanntschaft mit den Römern im wesentlichen freie Bauerngemeinden. Die freien Bauern waren durchweg ansässig, und man kann aus den noch jetzt ersichtlichen Flureinteilungen und Güterkomplexen sowie aus andern Spuren schließen, daß Äcker und Wiesen in jeder Gemarkung ziemlich gleichmäßig unter alle Hofbesitzer verteilt waren. Wald und Weide jedoch waren dem ungeteilten Besitz der Markgenossenschaft vorbehalten und der Benutzung der Einzelnen überlassen. Aber auch der Besitz des ausgeteilten Landes war durch gemeinschaftliche Weide und durch den dadurch bedingten Flurzwang nicht unwesentlich beschränkt. Die Ansiedelung war teils dorfweise, teils auf Einzelhöfen erfolgt, je nach örtlichen Verhältnissen und Stammeseigentümlichkeiten. Mit diesen landwirtschaftlichen Verhältnissen standen das Rechtsleben und die öffentlichen Einrichtungen in enger Beziehung. Bei der Vererbung des Grundeigentums schloß der Sohn die Tochter, der Vater die Mutter, der Bruder die Schwester aus, und diese weiblichen Verwandten mußten sich mit einer Ausstattung (Gerade, s. d.) begnügen. Ohne Zustimmung des nächsten Erben konnte, abgesehen von den Fällen „echter Not“, das G. nicht veräußert werden, widrigenfalls dieser berechtigt war, es binnen Jahr und Tag ohne Entschädigung für den Erwerber wieder an sich zu ziehen. Alle Rechtsgeschäfte in Beziehung auf G. mußten vor dem Volksgericht verlautbart werden, und nur der freie Grundbesitzer war in der Volksgemeinde stimmberechtigt. Jene freien Bauerngemeinden aber wußten sich nur in wenigen Gegenden im Lauf der Jahrhunderte zu erhalten, und erst nach langen Zeiten der Unterdrückung und des Kampfes hat die Neuzeit dem G. die Freiheit zurückgebracht (s. Bauer, S. 464 f.).

Die ursprüngliche Gleichheit der Insassen hatte schon dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nach größern Vermögensunterschieden weichen müssen. Indem deutsche Stämme sich über die Süd- und Westgrenze nach Gallien vorschoben und den Osten und Norden Deutschlands der Einwanderung der Slawen offen ließen, dann aber die letztern wieder in jahrhundertelangen Kämpfen unterworfen wurden, sank unmittelbar eine zahlreiche Bevölkerung in Unfreiheit; es wuchs die königliche Macht, und es kam ein großer Grundbesitz in die Hand der Könige und der Großen. Die Nachahmung spätrömischer Einrichtungen, besonders die herrschende Naturalwirtschaft und der ganze Kulturzustand führten dahin, daß die Könige und bald auch andre ihre Landgüter zu Lehen austhaten gegen die Verpflichtung zu Heeres-, Hof- und Gerichtsdienst oder auch gegen mancherlei Naturalleistungen. Viele trugen freiwillig oder auch einem Zwang nachgebend einem mächtigen Herrn oder der Kirche, um deren Schutz in den unruhigen Zeiten zu erkaufen, ihr freies Eigentum zu Lehen oder zu Eigentum auf. Andre bewog die Last des Heerbannes, sich und ihr Gut in Unterthänigkeit zu begeben. Andre gerieten in Unfreiheit, indem sie auf fremdem Grund und Boden sich niederließen, und als die königliche Macht und die alte Gauverfassung zerfielen, das Grafenamt und die Gerichtsbarkeit wie ein Privatrecht in den erblichen und veräußerlichen Besitz gewisser Familien kamen, dienten auch diese öffentlichen Rechte dazu, die ihnen unterworfenen Landleute in Unterthänigkeit zu bringen. Die sich steigernden öffentlichen Lasten und auch viele persönliche Privatverbindlichkeiten [863] wurden in Form von dauernden Naturalleistungen auf den Grundbesitz gelegt, und vielfach wußte die Kirche ihren Anspruch auf allgemeine Zehntbarkeit durchzusetzen.

So legte sich ein dichtes Netz der mannigfachsten persönlichen und sachlichen Beschränkungen über das G. und dessen Besitzer. Das ganze öffentliche Leben gründete sich auf das Lehnswesen (s. d.). Die Masse des Volkes stand in der mannigfachsten Abhängigkeit von der bloßen Gutsunterthänigkeit bis zur Leibeigenschaft, und das G. war mit den verschiedensten Lasten belegt. Daher die Gebundenheit des Hörigen an den Hof, die Verpflichtung desselben zum Gesindedienst, zu gemessenen und ungemessenen Fronen, das Verbot, sich ohne Zustimmung des Herrn zu verheiraten, der Leibzins, das Erbrecht des Herrn am ganzen Nachlaß oder doch am Besthaupt, die Zehnt-, Zins-, Gültpflichten der mannigfachsten Art, die Lehnsgelder bei jeder Besitzveränderung in der besitzenden oder dienenden Hand, die Polizei- und Gerichtsgewalt des Gutsherrn. Eine wichtige Gegenströmung lag in dem Aufblühen der Städte. Sie gewährten den Zuzüglern die persönliche Freiheit und stellten der auf dem Grundbesitz und dem Schwert beruhenden Macht des Adels eine auf bürgerliche Freiheit, auf Erwerbsthätigkeit und auf deren Frucht, das bewegliche Kapital, gegründete Kraft gegenüber. Mannigfach zeigt sich der Einfluß des allmählich zunehmenden beweglichen Besitzes und des Eindringens des römischen Rechts: auch auf dem Land kam das gleiche Erbrecht beider Geschlechter zur Geltung, das Recht des Erben auf die Einziehung des veräußerten Guts schrumpfte zu dem Recht, in das Erwerbsgeschäft einzutreten (Näherrecht), zusammen. Die Landesherren, Befestigung ihrer Macht und Erweiterung derselben zur Souveränität erstrebend, mußten zur Bekämpfung des Feudaladels sich auf die Bürger stützen und darauf denken, die Abhängigkeit der zahlreichsten Klasse der Bevölkerung von ihren Widersachern zu lösen. Die eigentliche Bedeutung des Lehnswesens aber schwand mehr und mehr, als der reisige Heerdienst durch die Söldner- und Milizheere mit Feuerwaffen, der Hof- und Gerichtsdienst des Adels durch die rechtsgelehrte Büreaukratie verdrängt wurde.

Zwar gelang es im 18. Jahrh. noch hier und da, Bauern in Hörige zu verwandeln. Aber in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts wurden in Baden, in Österreich und Preußen die Bande der Hörigkeit gelockert oder ganz gelöst. Jedoch erst die französische Herrschaft in Deutschland oder der Kampf zu ihrer Abschüttelung brachte die vollständige Befreiung. Die Zunahme der Bevölkerung, welche eine stärkere Erzeugung von Nahrungsmitteln erheischte, die Fortschritte des landwirtschaftlichen Betriebs, die Macht des darin angelegten Kapitals und die Verdrängung der Natural- durch die Geldwirtschaft, die volkswirtschaftlichen Lehren der Physiokraten, Adam Smiths und seiner Anhänger, forderten dringend die Beseitigung auch aller jener Feudallasten, welche die freiere und kunstgemäßere Bewirtschaftung des Bodens unmöglich machten oder doch hemmten. Diese Lasten sind denn auch, zum Teil erst infolge der Stürme von 1848, in Österreich und Deutschland mehrfach ohne Entschädigung aufgehoben, zum überwiegenden Teil aber durch Ablösung (s. d.) beseitigt worden. Überhaupt hat die moderne Gesetzgebung in konsequenter Weise die Freiheit des Grundeigentums und die Sicherung einer möglichst freien Ausnutzung desselben zu einer ihrer Hauptaufgaben gemacht (s. Agrarpolitik). Durch die Regelung des Grundbuchwesens ist zudem den Rechtsverhältnissen bezüglich des Grundeigentums die gehörige rechtliche Sicherheit gegeben (s. Grundbücher).

In England war das Lehnswesen nie zu der Ausbildung gelangt wie in Deutschland; die Leibeigenschaft war im 16. Jahrh. verschwunden, ohne daß es einer gesetzlichen Maßregel bedurft hätte, und der Rest der Lehnslasten wurde nach der Restauration der Stuarts beseitigt. Dort hat sich das System des großen Grundbesitzes ausgebildet, welcher meist von Zeit- oder Erbpachtern bewirtschaftet wird. In Frankreich hatte das Feudalwesen eine ähnliche, vielleicht noch drückendere Entwickelung als in Deutschland. Nachdem dessen politische Bedeutung durch das absolute Königtum vernichtet worden war, wurden die gesamten Feudallasten durch die erste Revolution beseitigt und die vollkommene Freiheit des Grundbesitzes hergestellt. Die ungeheure Vermögensumwälzung, welche jene zur Folge hatte, führte jedoch auch vielfach die weitgehende Zersplitterung des Grundbesitzes herbei, welche eine zweckmäßige und lohnende Bewirtschaftung nicht überall zuläßt. In den slawischen Ländern bestand Leibeigenschaft (s. d.) in ausgedehntem Umfang, daneben aber ein Gesamtbesitz der Bauerngemeinde an der ganzen Flur, die von Zeit zu Zeit neu verteilt wurde. Die Emanzipation der Leibeignen erfolgte unter Kaiser Alexander II. (s. Leibeigenschaft).

Statistisches.

Das G. ist zur Zeit in den Kulturländern sehr verschieden verteilt. Die Art der Verteilung selbst wurde bedingt durch die Bodenverhältnisse, die Gestaltung der Technik und der gesamten wirtschaftlichen und politisch-sozialen Entwickelung. Demgemäß ist auch der Begriff des großen und kleinen Grundbesitzes ein zeitlich und örtlich verschiedener. So rechnet man zum Großgrundbesitz in Frankreich Besitzungen von 56, bez. 100 Hektar, in der Schweiz im Mittelland 25, im Gebirge 7 Hektar, während in England erst Besitzungen von 1000 und 1200 Hektar zu den großen gerechnet werden.

In England war über die Art der Verteilung des Grundbesitzes bis in die 70er Jahre hin nichts Zuverlässiges bekannt. Nach der Aufnahme von 1876 wurden ermittelt:

Klassen der Eigentümer Zahl der Eigen­tümer Größe des Landbesitzes Abgeschätzter Jahresertrag
Hektar Proz. im ganzen Mill. Mk. auf 1 Be­sitzer Mk.
In England:          
unter 0,4 Hektar 703289 60469 0,5 580 820
0,4–400   257578 5666156 42,9 747 2900
400–4000   5115 5321689 40,2 460 80000
über 4000   293 2156922 16,4 140 480000
In Schottland:          
unter 0,4 Hektar 76732 8928 0,2 42 550
0,4–400   16158 580977 7,8 91 5600
400–4000   1425 1742160 23,1 77 54000
über 4000   326 5238217 68,9 60 180000
In Irland:          
unter 0,4 Hektar 36144 3645 0,3 27 700
0,4–400   28822 1738282 21,5 88 3000
400–4000   3453 3737856 46,2 100 30000
über 4000   292 2583240 32,0 52 180000

Die Besitzungen mit weniger als 0,4 Hektar sind vorwiegend städtische Grundstücke. Mehr als die Hälfte der Oberfläche Englands befindet sich im Besitz von 5000 Eigentümern, während 874 große Besitzer etwa ein Viertel des Landes innehaben. Der größte Grundbesitz [864] umfaßt 72,000 Hektar mit einem Pachtertrag von 32 Mill. Mk. In Schottland beträgt der größte Besitz über 500,000 Hektar. 12 Großgrundbesitzer haben zusammen 1,735,889 Hektar (25 Proz.), 70 haben 37,600,000 Hektar (50 Proz.), und weniger als 1700 Personen teilen sich in neun Zehntel von ganz Schottland. Die größte Besitzung in Irland enthält 68,000 Hektar. Nahezu die Hälfte der Insel gehört 749 Eigentümern, und mehr als vier Fünftel des Landes werden von 3750 Eigentümern besessen. Nach einem dem Parlament 1872 vorgelegten Bericht lebten 1870 auf ihren Gütern 5589 Eigentümer von 3,552,219 Hektar; gewöhnlich oder beständig abwesend, aber doch in Irland waren 4842 Eigentümer von 2,086,106 Hektar, selten oder nie in Irland hielten sich 2973 Eigentümer von 2,151,668 Hektar auf.

Ganz anders als in England liegt die Sache in Frankreich. Hier herrscht der kleine Besitz vor. In den 60er Jahren zählte man 3,225,877 Einzelwirtschaften, von denen jede im Durchschnitt 10,5 Hektar umfaßte. Von dem gesamten Grundbesitz hatten 56 Proz. der Güter einen Umfang bis zu 5 Hektar, 75,6 Proz. bis zu 10 Hektar, 30 Proz. von 5 bis 20 Hektar, und nur 4,8 Proz. waren 40 und mehr Hektare groß. Diese Verteilung war zunächst eine Folge der Revolution, dann des Grundsatzes der gleichen Erbteilung und endlich des zähen Festhaltens am einmal errungenen Grundbesitz. In England dagegen hat sich bei voller Testierfreiheit die Gewohnheit ausgebildet und behauptet, den Grundbesitz auf den ältesten Sohn zu vererben und durch das Entail (s. d.) auf längere Zeit zu binden.

In Österreich-Ungarn ist der Grundbesitz sehr verschieden verteilt. Nach dem neuen Grundsteuerkataster gab es in den österreichischen Ländern 1883: 5,198,904 Grundbesitzer und kam im Durchschnitt auf einen Besitzer eine Grundfläche von 10 Joch (5,755 Hektar). Gegen die letzte Katasteraufstellung von 1857, wo diese Durchschnittsarea 14 Joch betrug, hat demnach eine bedeutende Grundzerstückelung stattgefunden. Am größten ist die durchschnittlich auf einen Besitzer entfallende Fläche in den Alpenländern (Salzburg 35,9 Joch), am kleinsten im Küstenland (6,1 Joch), Mähren und Galizien. In Ungarn (ohne Kroatien und Slawonien) zählte man:

Grundbesitzer von 5– 30 Joch 2348110 mit 15,0 Mill. Joch
30– 200 118981 6,7
200– 1000 13748 6,6
1000– 10000 5195 14,2
Latifundien   über 10000 221 3,9

In Deutschland herrscht der Großgrundbesitz vor im Nordosten: Ost- und Westpreußen, Schlesien, Posen, Brandenburg, Pommern, Mecklenburg. In Mecklenburg-Schwerin gehören von der gesamten Oberfläche des Landes 42,3 Proz. der Ritterschaft, 42,3 Proz. dem Domanium, 10,8 Proz. Städten und 3 Proz. Klöstern. Der Grundbesitz von mittlerer Größe ist mehr vertreten in Schleswig-Holstein, Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Westfalen, Sachsen, Thüringen, Bayern und Elsaß-Lothringen. Dagegen überwiegt der kleine in Württemberg, Baden, Hessen, Pfalz, Rheinland und Hessen-Nassau.

Es umfaßt durchschnittlich ein land- und forstwirtschaftliches Besitztum

in Westdeutschland (Westfalen, Rheinland, Hessen-Nassau, Rheinpfalz) 4,23 Hektar
Süddeutschland (Bayern, Württemberg) 5,74
Mitteldeutschland 11,87
Ostdeutschland (Schlesien, Brandenburg) 16,36
Norddeutschland (Hannover, Pommern) 20,93

Nähern Aufschluß im einzelnen geben die Erhebungen von 1882. Nach denselben ergeben sich:

  Anzahl der land­wirt­schaft­lichen Betriebe über­haupt Die Betriebe mit einem Flächenumfang von
unter 1 Hektar 1 bis 10 Hektar 10 bis 100 Hektar 100 Hektar u. mehr
nehmen von der Gesamtfläche ein Prozente
Ostpreußen 188179 1,0 9,3 51,1 38,6
Westpreußen 134026 1,3 9,1 42,5 47,1
Stadt Berlin 1739 7,9 27,3 48,4 16,4
Brandenburg 261101 2,0 13,7 48,0 36,3
Pommern 169275 1,3 10,1 31,2 57,4
Posen 165785 1,4 10,8 32,5 55,3
Schlesien 366616 1,9 26,5 37,1 34,5
Sachsen 285681 3,2 19,8 50,0 27,0
Schleswig-Holstein 137133 0,8 10,6 72,2 16,4
Hannover 328739 2,9 26,9 63,3 6,9
Westfalen 305009 4,3 33,1 57,8 4,8
Hessen-Nassau 199369 4,4 48,6 40,3 6,7
Rheinland 485332 5,5 52,0 39,8 2,7
Hohenzollern 12212 1,9 52,1 43,4 2,6
Preußen: 3040196 2,2 19,8 46,3 31,7
Ober-, Mittel- und Unterfranken[WS 1] 238615 2,1 42,5 53,3 2,1
Ober- u. Niederbayern, Schwaben, Oberpfalz 335782 0,8 29,5 67,4 2,3
Rheinpfalz 107124 5,8 60,9 31,0 2,3
Bayern: 681521 1,6 35,6 60,5 2,3
Königreich Sachsen 192921 3,0 25,7 57,2 14,1
Württemberg 308118 3,9 51,9 42,2 2,0
Baden 232287 4,6 62,3 31,3 1,8
Hessen 128526 4,9 54,4 35,8 4,9
Mecklenburg-Schwerin 93097 2,2 6,9 31,0 59,9
Sachsen-Weimar 40203 2,6 34,0 51,4 12,0
Mecklenburg-Strelitz 17721 2,3 4,5 32,2 61,0
Oldenburg 58026 1,8 29,0 65,8 3,4
Braunschweig 53611 5,2 21,8 55,1 17,9
Sachsen-Meiningen 31835 4,6 40,9 45,8 8,7
Sachsen-Altenburg 16208 2,5 25,1 64,9 7,5
Sachsen-Koburg-Gotha 26403 4,2 34,8 49,5 11,5
Anhalt 29800 4,4 18,6 42,0 35,0
Schwarzb.-Sondersh. 11137 3,9 34,8 43,1 18,2
Schwarzb.-Rudolstadt 12503 6,0 39,4 43,0 11,6
Waldeck 9455 2,6 27,7 58,6 11,1
Reuß ältere Linie 3992 3,1 30,9 56,7 9,3
Reuß jüngere Linie 8519 3,1 30,6 56,5 9,8
Schaumburg-Lippe 6433 6,7 34,6 53,7 5,0
Lippe 23321 8,3 29,4 54,3 8,0
Lübeck 3915 2,8 8,8 67,6 20,8
Bremen 6185 4,8 22,4 72,8
Hamburg 6543 4,2 13,7 71,5 10,6
Elsaß-Lothringen 233866 5,0 51,8 35,9 7,3
Deutsches Reich: 5276344 2,4 25,6 47,6 24,4

Die Frage, ob großer oder kleiner Grundbesitz im Gesamtinteresse vorteilhafter sei, läßt keine unbedingte allgemein gültige Lösung zu. Auch kommen für dieselbe nicht allein die Gestaltung der Technik und die Höhe der Rente bei verschiedenem Besitzumfang, sondern auch sozialpolitische Erwägungen in Betracht, wobei insbesondere auch noch die Frage von Bedeutung ist, in welcher Form der Grundbesitz auftritt, ob als Besitz der Toten Hand, der Kirche, überhaupt öffentlicher Anstalten, des Staats, der Gemeinde, als Besitz von genossenschaftlichen Verbänden oder als Besitz einzelner Familien und physischer Personen. Im allgemeinen erweist sich ausschließliches oder vorherrschendes Vorkommen von großen Gütern für die Dauer unhaltbar, wie überhaupt der Gegensatz zwischen einer kleinen Zahl von Überreichen und einer großen Masse Besitzloser. Wo das [865] feste Bindeglied eines gediegenen, selbständigen Mittelstandes fehlt, wird die Gesellschaft immer leicht der Gefahr einer sozialen Umwälzung ausgesetzt sein. Insbesondere ist der Grundbesitz ein echter Hort einer bestehenden gesellschaftlichen Verfassung. Eine tüchtige Vertretung des kleinen und mittlern Besitzes mit seiner naturgemäß meist echt konservativen Gesinnung wird immer allen Anfechtungen der bestehenden Besitzordnung den kräftigsten Widerstand entgegensetzen. Solche Anfechtungen erfolgen von sozialistischer Seite. Der Umstand, daß viele Grundbesitzer lediglich in ihrer Eigenschaft als Besitzer Renten beziehen, daß der Boden nicht als eine Schöpfung der Arbeit erscheint, mußte zunächst in die Augen fallen und dazu Veranlassung geben, das G. als ungerechtfertigt zu verwerfen und als ein „Patrimonium“ des gesamten Volkes in Anspruch zu nehmen. Einen bestimmten Ausdruck fand diese Anschauung unter anderm auch in den Beschlüssen der Internationale 1868 und 1869 zu Brüssel und Basel. Hierbei konnten sich die Sozialisten vorzüglich auf verschiedene nationalökonomische Theorien über die Bodenrente (s. d.) stützen. Nun läßt sich allerdings der Bezug eines Einkommens aus Grundbesitz keineswegs immer auf eine Leistung des Besitzers und seiner Rechtsvorgänger zurückführen. Trotzdem findet das G. ganz die gleiche soziale Rechtfertigung wie die gesamte heutige Besitzordnung. Extragewinne, die nicht einem eignen Verdienst zu verdanken sind, wirft auch andrer Besitz ab, wie überhaupt dem schuldenfreien G. mit seiner Rente der Zins gegenübergestellt werden kann. Daß aber der Kapitalismus eine notwendige Bedingung für den Kulturfortschritt war und selbst noch heute ist, dies haben tüchtige Sozialisten (Marx, Lassalle u. a.) unumwunden zugestanden. Wollte man heute oder überhaupt in absehbarer Zeit das private G. durch Kollektiveigen (Gesamteigen) verdrängen, so würde die Leistungsfähigkeit der Bodenwirtschaft aus Mangel an einem einheitlichen, fest bestimmenden Willen und an dem denselben begleitenden Interesse erheblich vermindert. Das G. ist darum unentbehrlich als echte Stütze des Fortschritts von Wirtschaft und Kultur. Eine andre Frage ist die, ob nicht durch Gesetzgebung und Verwaltung bestimmten Arten der Verteilung vorzubeugen sei. So findet man noch in mehreren Ländern Bestimmungen, welche eine Besitzverringerung unter ein Mindestmaß nicht gestatten (vgl. Dismembration). Wichtiger als diese meist unpraktische Beschränkung sind die Bestimmungen über Erbrecht, über Zulässigkeit von Fideikommissen und den Inhalt des Fideikommißrechts, dann die Anordnungen und Maßnahmen bezüglich der Verschuldung des Grundbesitzes, der Ermöglichung von Verbesserungen auf Grund bestimmter Majoritätsbeschlüsse (Umlegungen, Entwässerungen, Wegewesen etc.), der Bildung von Genossenschaften etc. In der neuern Zeit ist das Bestreben der praktischen Wirtschaftspolitik vorzüglich darauf gerichtet, möglichst das mittlere und kleine G. zu erhalten.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 405
korrigiert
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[405] Grundeigentum. Nach einer neuern Veröffentlichung des französischen Ministeriums für Handel und Gewerbe waren in den 80er Jahren von der Gesamtfläche Frankreichs (52,857,199 Hektar) im Besitz des Staats 1,011,155 Hektar (nämlich 998,854 Hektar Forsten und 12,301 Hektar Domänen), in dem der Departements 6513 Hektar; den Gemeinden gehörten 4,621,450 Hektar, den öffentlichen Stiftungen, Wohlthätigkeitsanstalten, Hospitälern, religiösen Genossenschaften und Eisenbahnen 381,598 Hektar, den Privatpersonen 45,025,598 Hektar. Die land- und forstwirtschaftlich benutzte Fläche (ausschließlich der Staatswaldungen) setzt sich zusammen:

aus Betrieben von
Hektar
Zahl mit einer Gesamtfläche von
Hektar
0–1 2167667 1083833 = 002,2 Proz.
1–5 1865878 5597634 = 011,3  
5–10 769152 5768640 = 011,6  
10–20 431353 6470295 = 013,1  
20–30 198041 4951625 = 009,9  
30–40 97828 3424330 = 006,9  
über 40 142088 22266104 = 045,0  
zusammen: 5672007 49561861 = 100,0 Proz.

Von den über 40 Hektar großen Betrieben hatten eine Besitzesfläche von

40–50 Hektar: 56419 = 39,77 Proz.,
50–100   56866 = 40,02  
100–200   20644 = 14,51  
200–300   5585 = 3,93  
300–400   1653 = 1,16  
400–500   704 = 0,46  
über 500   217 = 0,15  

Nur 3,88 Proz. oder rund 1/25 aller Betriebe haben über die Hälfte der ganzen Fläche (51,9 Proz.) inne.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Un-|franken