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Maria Stuart/Dritter Aufzug

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« Zweiter Aufzug Maria Stuart Vierter Aufzug »
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Dritter Aufzug.

Gegend in einem Park. Vorn mit Bäumen besetzt, hinten eine weite Aussicht.

Erster Auftritt.


Maria tritt in schnellem Lauf hinter Bäumen hervor. Hanna Kennedy folgt langsam.

Kennedy.
Ihr eilet ja, als wenn ihr Flügel hättet,
So kann ich euch nicht folgen, wartet doch!

Maria.
Laß mich der neuen Freiheit genießen,
Laß mich ein Kind seyn, sey es mit!
Und auf dem grünen Teppich der Wiesen
Prüfen den leichten, geflügelten Schritt.
Bin ich dem finstern Gefängniß entstiegen,
Hält sie mich nicht mehr, die traurige Gruft?
Laß mich in vollen, in durstigen Zügen
Trinken die freie, die himmlische Luft.

Kennedy.
O meine theure Lady! Euer Kerker
Ist nur um ein klein weniges erweitert.
Ihr seht nur nicht die Mauer, die uns einschließt,
Weil sie der Bäume dicht Gesträuch versteckt.

Maria.
O dank, dank diesen freundlich grünen Bäumen,
Die meines Kerkers Mauern mir verstecken!
Ich will mich frei und glücklich träumen,
Warum aus meinem süßen Wahn mich wecken?
Umfängt mich nicht der weite Himmelsschoos?
Die Blicke, frei und fessellos,
Ergehen sich in ungemeßnen Räumen.
Dort, wo die grauen Nebelberge ragen,
Fängt meines Reiches Gränze an,
Und diese Wolken, die nach Mittag jagen,
Sie suchen Frankreichs fernen Ocean.
Eilende Wolken! Segler der Lüfte!
Wer mit euch wanderte, mit euch schiffte!
Grüßet mir freundlich mein Jugendland!
Ich bin gefangen, ich bin in Banden,
Ach, ich hab’ keinen andern Gesandten!
Frei in Lüften ist eure Bahn,
Ihr seid nicht dieser Königin unterthan.

Kennedy.
Ach, theure Lady! Ihr seid außer euch,
Die langentbehrte Freiheit macht euch schwärmen.

Maria.
Dort legt ein Fischer den Nachen an!
Dieses elende Werkzeug könnte mich retten,
Brächte mich schnell zu befreundeten Städten.
Spärlich nährt es den dürftigen Mann.
Beladen wollt ich ihn reich mit Schätzen,
Einen Zug sollt’ er thun, wie er keinen gethan,
Das Glück sollt’ er finden in seinen Netzen,
Nähm’ er mich ein in den rettenden Kahn.

Kennedy.
Verlorne Wünsche! Seht ihr nicht, daß uns
Von ferne dort die Spähertritte folgen?
Ein finster grausames Verbot scheucht jedes
Mitleidige Geschöpf aus unserm Wege.

Maria.
Nein, gute Hanna. Glaub’ mir, nicht umsonst
Ist meines Kerkers Thor geöffnet worden.
Die kleine Gunst ist mir des größern Glücks
Verkünderin. Ich irre nicht. Es ist
Der Liebe thät’ge Hand, der ich sie danke.
Lord Lesters mächt’gen Arm erkenn’ ich drinn.
Allmählig will man mein Gefängniß weiten,

Durch kleineres zum größern mich gewöhnen,
Bis ich das Antlitz dessen endlich schaue,
Der mir die Bande lößt auf immerdar.

Kennedy.
Ach, ich kann diesen Widerspruch nicht reimen!
Noch gestern kündigt man den Tod euch an,
Und heute wird euch plötzlich solche Freiheit.
Auch denen, hört’ ich sagen, wird die Kette
Gelößt, auf die die ew’ge Freiheit wartet.

Maria.
Hörst du das Hifthorn? Hörst du’s klingen,
Mächtigen Rufes, durch Feld und Hain?
Ach, auf das muthige Roß mich zu schwingen,
An den fröhlichen Zug mich zu reihn!
Noch mehr! O die bekannte Stimme,
Schmerzlich süßer Erinnerung voll.
Oft vernahm sie mein Ohr mit Freuden,
Auf des Hochlands bergigten Haiden,
Wenn die tobende Jagd erscholl.


Zweiter Auftritt.


Paulet. Die Vorigen.

Paulet.
Nun! Hab’ ichs endlich recht gemacht, Milady?
Verdien’ ich einmal euern Dank?

Maria.
 Wie, Ritter?
Seid ihr’s, der diese Gunst mir ausgewirkt?
Ihr seid’s?

Paulet.
 Warum soll ichs nicht seyn? Ich war
Am Hof, ich überbrachte euer Schreiben –

Maria.
Ihr übergabt es? Wirklich, thatet ihr’s?
Und diese Freiheit, die ich jetzt genieße,
Ist eine Frucht des Briefs –

Paulet (mit Bedeutung).
 Und nicht die einz’ge!
Macht euch auf eine größre noch gefaßt.

Maria.
Auf eine größre, Sir? Was meint ihr damit?

Paulet.
Ihr hörtet doch die Hörner –

Maria (zurückfahrend, mit Ahndung).
 Ihr erschreckt mich!

Paulet.
Die Königin jagt in dieser Gegend.

Maria.
 Was?

Paulet.
In wenig Augenblicken steht sie vor euch.

Kennedy.
(auf Maria zueilend, welche zittert und hinzusinken droht)
Wie wird euch, theure Lady! Ihr verblaßt.

Paulet.
Nun! Ists nun nicht recht? War’s nicht eure Bitte?
Sie wird euch früher gewährt, als ihr gedacht.
Ihr ward sonst immer so geschwinder Zunge,
Jetzt bringet eure Worte an, jetzt ist
Der Augenblick zu reden!

Maria.
O warum hat man mich nicht vorbereitet!
Jetzt bin ich nicht darauf gefaßt, jetzt nicht.
Was ich mir als die höchste Gunst erbeten,
Dünkt mir jetzt schrecklich, fürchterlich – Komm Hanna,
Führ’ mich ins Haus, daß ich mich fasse, mich
Erhohle –

Paulet.
 Bleibt. Ihr müßt sie hier erwarten.
Wohl, wohl mag’s euch beängstigen, ich glaubs,
Vor eurem Richter zu erscheinen.

Dritter Auftritt.


Graf Schrewsbury zu den Vorigen.

Maria.
Es ist nicht darum! Gott, mir ist ganz anders
Zu Muth – Ach edler Schrewsbury! Ihr kommt,
Vom Himmel mir ein Engel zugesendet!
– Ich kann sie nicht sehn! Rettet, rettet mich
Von dem verhaßten Anblick –

Schrewsbury.
Kommt zu euch, Königin! Faßt euren Muth
Zusammen. Das ist die entscheidungsvolle Stunde.

Maria.
Ich habe drauf geharret – Jahre lang
Mich drauf bereitet, alles hab’ ich mir
Gesagt und ins Gedächtniß geschrieben,
Wie ich sie rühren wollte und bewegen!
Vergessen plötzlich, ausgelöscht ist alles,
Nichts lebt in mir in diesem Augenblick,
Als meiner Leiden brennendes Gefühl.
In blut’gen Haß gewendet wider sie
Ist mir das Herz, es fliehen alle guten
Gedanken, und die Schlangenhaare schüttelnd
Umstehen mich die finstern Höllengeister.

Schrewsbury.
Gebietet eurem wild empörten Blut,
Bezwingt des Herzens Bitterkeit! Es bringt
Nicht gute Frucht, wenn Haß dem Haß begegnet.
Wie sehr auch euer Innres widerstrebe,
Gehorcht der Zeit und dem Gesetz der Stunde!
Sie ist die Mächtige – demüthigt euch!

Maria.
Vor ihr! Ich kann es nimmermehr.

Schrewsbury.
 Thuts dennoch!
Sprecht ehrerbietig, mit Gelassenheit!
Ruft ihre Großmuth an, trotzt nicht, jetzt nicht
Auf euer Recht, jetzo ist nicht die Stunde.

Maria.
Ach mein Verderben hab’ ich mir erfleht,
Und mir zum Fluche wird mein Flehn erhört!
Nie hätten wir uns sehen sollen, niemals!
Daraus kann nimmer, nimmer gutes kommen!
Eh mögen Feu’r und Wasser sich in Liebe
Begegnen und das Lamm den Tiger küssen –
Ich bin zu schwer verletzt – sie hat zu schwer
Beleidigt – Nie ist zwischen uns Versöhnung!

Schrewsbury.
Seht sie nur erst von Angesicht!

Ich sah es ja, wie sie von eurem Brief
Erschüttert war, ihr Auge schwamm in Thränen.
Nein, sie ist nicht gefühllos, hegt ihr selbst
Nur besseres Vertrauen – Darum eben
Bin ich voraus geeilt, damit ich euch
In Fassung setzen und ermahnen möchte.

Maria (seine Hand ergreifend).
Ach Talbot! Ihr war’t stets mein Freund – daß ich
In eurer milden Haft geblieben wäre!
Es ward mir hart begegnet, Schrewsbury!

Schrewsbury.
Vergeßt jetzt alles. Darauf denkt allein,
Wie ihr sie unterwürfig wollt empfangen.

Maria.
Ist Burleigh auch mit ihr, mein böser Engel?

Schrewsbury.
Niemand begleitet sie als Graf von Lester.

Maria.
Lord Lester!

Schrewsbury.
 Fürchtet nichts von ihm. Nicht Er
Will euren Untergang – Sein Werk ist es,
Daß euch die Königin die Zusammenkunft
Bewilligt.

Maria.
 Ach! Ich wußt’ es wohl!

Schrewsbury.
 Was sagt ihr?

Paulet.
Die Königin kommt!

(Alles weicht auf die Seite, nur Maria bleibt, auf die Kennedy gelehnt.)


Vierter Auftritt.


Die Vorigen. Elisabeth. Graf Leicester. Gefolge.

Elisabeth (zu Leicester).
Wie heißt der Landsitz?

Leicester.
 Fotheringhayschloß.

Elisabeth (zu Schrewsbury).
Schickt unser Jagdgefolg voraus nach London,
Das Volk drängt allzuheftig in den Straßen,
Wir suchen Schutz in diesem stillen Park.

(Talbot entfernt das Gefolge. Sie fixirt mit den Augen die Maria, indem sie zu Paulet weiter spricht)

Mein gutes Volk liebt mich zu sehr. Unmäßig,
Abgöttisch sind die Zeichen seiner Freude,
So ehrt man einen Gott, nicht einen Menschen.

Maria.
(welche diese Zeit über halb ohnmächtig auf die Amme gelehnt war, erhebt sich jetzt und ihr Auge begegnet dem gespannten Blick der Elisabeth. Sie schaudert zusammen und wirft sich wieder an der Amme Brust)
O Gott, aus diesen Zügen spricht kein Herz!

Elisabeth.
Wer ist die Lady? (Ein allgemeines Schweigen)

Leicester.
– Du bist zu Fotheringhay, Königin.

Elisabeth.
(stellt sich überrascht und erstaunt, einen finstern Blick auf Leicestern richtend)
Wer hat mir das gethan? Lord Lester!

Leicester.
Es ist geschehen, Königin – Und nun
Der Himmel deinen Schritt hieher gelenkt,
So laß die Großmuth und das Mitleid siegen.

Schrewsbury.
Laß dich erbitten, königliche Frau,
Dein Aug’ auf die Unglückliche zu richten,
Die hier vergeht vor deinem Anblick.

(Maria rafft sich zusammen und will auf die Elisabeth zugehen, steht aber auf halbem Weg schaudernd still, ihre Gebärden drücken den heftigsten Kampf aus.)

Elisabeth.
 Wie, Milords?
Wer war es denn, der eine Tiefgebeugte
Mir angekündigt? Eine Stolze find’ ich,
Vom Unglück keineswegs geschmeidigt.

Maria.
 Sey’s!
Ich will mich auch noch diesem unterwerfen.
Fahr hin, ohnmächt’ger Stolz der edeln Seele!
Ich will vergessen, wer ich bin, und was
Ich litt, ich will vor ihr mich niederwerfen,
Die mich in diese Schmach herunterstieß.

(Sie wendet sich gegen die Königin.)

Der Himmel hat für euch entschieden, Schwester!
Gekrönt vom Sieg ist euer glücklich Haupt,
Die Gottheit bet’ ich an, die euch erhöhte!

(Sie fällt vor ihr nieder.)

Doch seid auch ihr nun edelmüthig, Schwester!
Laßt mich nicht schmachvoll liegen, eure Hand
Streckt aus, reicht mir die königliche Rechte,
Mich zu erheben von dem tiefen Fall.

Elisabeth (zurücktretend)
Ihr seid an eurem Platz, Lady Maria!
Und dankend preis’ ich meines Gottes Gnade,
Der nicht gewollt, daß ich zu euren Füßen
So liegen sollte, wie ihr jetzt zu meinen.

Maria (mit steigendem Affekt).
Denkt an den Wechsel alles Menschlichen!
Es leben Götter, die den Hochmuth rächen!
Verehret, fürchtet sie, die schrecklichen,
Die mich zu euren Füßen niederstürzen –
Um dieser fremden Zeugen willen, ehrt
In mir euch selbst, entweihet, schändet nicht
Das Blut der Tudor, das in meinen Adern,
Wie in den euren fließt – O Gott im Himmel!
Steht nicht da, schroff und unzugänglich, wie
Die Felsenklippe, die der Strandende
Vergeblich ringend zu erfassen strebt.
Mein Alles hängt, mein Leben, mein Geschick,
An meiner Worte, meiner Thränen Kraft,
Lößt mir das Herz, daß ich das eure rühre!
Wenn ihr mich anschaut mit dem Eisesblick,
Schließt sich das Herz mir schaudernd zu, der Strom
Der Thränen stockt, und kaltes Grausen fesselt
Die Flehensworte mir im Busen an.

Elisabeth (kalt und streng).
Was habt ihr mir zu sagen, Lady Stuart?
Ihr habt mich sprechen wollen. Ich vergesse
Die Königin, die schwer beleidigte,
Die fromme Pflicht der Schwester zu erfüllen,
Und meines Anblicks Trost gewähr ich euch.

Dem Trieb der Großmuth folg’ ich, setze mich
Gerechtem Tadel aus, daß ich so weit
Herunter steige – denn ihr wißt,
Daß ihr mich habt ermorden lassen wollen.

Maria.
Womit soll ich den Anfang machen, wie
Die Worte klüglich stellen, daß sie euch
Das Herz ergreifen, aber nicht verletzen!
O Gott, gieb meiner Rede Kraft, und nimm
Ihr jeden Stachel, der verwunden könnte!
Kann ich doch für mich selbst nicht sprechen, ohne euch
Schwer zu verklagen, und das will ich nicht.
– Ihr habt an mir gehandelt, wie nicht recht ist,
Denn ich bin eine Königin wie ihr,
Und ihr habt als Gefangne mich gehalten,
Ich kam zu euch als eine Bittende,
Und ihr, des Gastrechts heilige Gesetze,
Der Völker heilig Recht in mir verhöhnend,
Schloßt mich in Kerkermauern ein, die Freunde,
Die Diener werden grausam mir entrissen,
Unwürd’gem Mangel werd’ ich preiß gegeben,
Man stellt mich vor ein schimpfliches Gericht –
Nichts mehr davon! Ein ewiges Vergessen
Bedecke, was ich grausames erlitt.
– Seht! Ich will alles eine Schickung nennen,

Ihr seid nicht schuldig, ich bin auch nicht schuldig,
Ein böser Geist stieg aus dem Abgrund auf,
Den Haß in unsern Herzen zu entzünden,
Der unsre zarte Jugend schon entzweyt.
Er wuchs mit uns, und böse Menschen fachten
Der unglückselgen Flamme Athem zu.
Wahnsinn’ge Eiferer bewaffneten
Mit Schwert und Dolch die unberufne Hand –
Das ist das Fluchgeschick der Könige,
Daß sie, entzweyt, die Welt in Haß zerreißen,
Und jeder Zwietracht Furien entfesseln.
– Jetzt ist kein fremder Mund mehr zwischen uns,

(nähert sich ihr zutraulich und mit schmeichelndem Ton)

Wir stehn einander selbst nun gegenüber.
Jetzt Schwester redet! Nennt mir meine Schuld,
Ich will euch völliges Genügen leisten.
Ach, daß ihr damals mir Gehör geschenkt,
Als ich so dringend euer Auge suchte!
Es wäre nie so weit gekommen, nicht
An diesem traur’gen Ort geschähe jetzt
Die unglückselig traurige Begegnung.

Elisabeth.
Mein guter Stern bewahrte mich davor,
Die Natter an den Busen mir zu legen.
– Nicht die Geschicke, euer schwarzes Herz
Klagt an, die wilde Ehrfurcht eures Hauses.

Nichts feindliches war zwischen uns geschehn,
Da kündigte mir euer Ohm, der stolze,
Herrschwüthge Priester, der die freche Hand
Nach allen Kronen streckt, die Fehde an,
Bethörte euch, mein Wappen anzunehmen,
Euch meine Königstitel zuzueignen,
Auf Tod und Leben in den Kampf mit mir
Zu gehn – Wen rief er gegen mich nicht auf?
Der Priester Zungen und der Völker Schwerdt,
Des frommen Wahnsinns fürchterliche Waffen,
Hier selbst, im Friedenssitze meines Reichs,
Blies er mir der Empörung Flammen an –
Doch Gott ist mit mir, und der stolze Priester
Behält das Feld nicht – Meinem Haupte war
Der Streich gedrohet, und das eure fällt!

Maria.
Ich steh’ in Gottes Hand. Ihr werdet euch
So blutig eurer Macht nicht überheben –

Elisabeth.
Wer soll mich hindern? Euer Oheim gab
Das Beispiel allen Königen der Welt,
Wie man mit seinen Feinden Frieden macht,
Die Sankt Barthelemi sey meine Schule!
Was ist mir Blutsverwandtschaft, Völkerrecht?
Die Kirche trennet aller Pflichten Band,

Den Treubruch heiligt sie, den Königsmord,
Ich übe nur, was eure Priester lehren.
Sagt! Welches Pfand gewährte mir für euch,
Wenn ich großmüthig eure Bande löste?
Mit welchem Schloß verwahr’ ich eure Treue,
Das nicht Sankt Peters Schlüssel öffnen kann?
Gewalt nur ist die einz’ge Sicherheit,
Kein Bündniß ist mit dem Gezücht der Schlangen.

Maria.
O das ist euer traurig finstrer Argwohn!
Ihr habt mich stets als eine Feindin nur
Und Fremdlingin betrachtet. Hättet ihr
Zu eurer Erbin mich erklärt, wie mir
Gebührt, so hätten Dankbarkeit und Liebe
Euch eine treue Freundin und Verwandte
In mir erhalten.

Elisabeth.
 Draußen, Lady Stuart,
Ist eure Freundschaft, euer Haus das Pabstthum,
Der Mönch ist euer Bruder – Euch, zur Erbin
Erklären! Der verrätherische Fallstrick!
Daß ihr bei meinem Leben noch mein Volk
Verführtet, eine listige Armida
Die edle Jugend meines Königreichs
In eurem Buhlernetze schlau verstricktet –

Daß alles sich der neu aufgeh’nden Sonne
Zuwendete, und ich –

Maria.
 Regiert in Frieden!
Jedwedem Anspruch auf dieß Reich entsag’ ich.
Ach, meines Geistes Schwingen sind gelähmt,
Nicht Größe lockt mich mehr – Ihr habts erreicht,
Ich bin nur noch der Schatten der Maria.
Gebrochen ist in langer Kerkerschmach
Der edle Muth – Ihr habt das äußerste an mir
Gethan, habt mich zerstört in meiner Blüthe!
– Jetzt macht ein Ende, Schwester. Sprecht es aus,
Das Wort, um dessentwillen ihr gekommen,
Denn nimmer will ich glauben, daß ihr kamt,
Um euer Opfer grausam zu verhöhnen.
Sprecht dieses Wort aus. Sagt mir: „Ihr seid frey,
Maria! Meine Macht habt ihr gefühlt,
Jetzt lernet meinen Edelmuth verehren.“
Sagts, und ich will mein Leben, meine Freiheit
Als ein Geschenk aus eurer Hand empfangen.
– Ein Wort macht alles ungeschehn. Ich warte
Darauf. O laßt michs nicht zu lang erharren!
Weh euch, wenn ihr mit diesem Wort nicht endet!
Denn wenn ihr jetzt nicht segenbringend, herrlich,
Wie eine Gottheit von mir scheidet – Schwester!

Nicht um dieß ganze reiche Eiland, nicht
Um alle Länder, die das Meer umfaßt,
Möcht ich vor euch so stehn, wie ihr vor mir!

Elisabeth.
Bekennt ihr endlich euch für überwunden?
Ists aus mit euren Ränken? Ist kein Mörder
Mehr unterweges? Will kein Abentheurer
Für euch die traur’ge Ritterschaft mehr wagen?
– Ja es ist aus, Lady Maria. Ihr verführt
Mir keinen mehr. Die Welt hat andre Sorgen.
Es lüstet keinen euer – vierter Mann
Zu werden, denn ihr tödet eure Freier,
Wie eure Männer!

Maria (auffahrend).
 Schwester! Schwester!
O Gott! Gott! Gieb mir Mäßigung!

Elisabeth. (sieht sie lange mit einem Blick stolzer Verachtung an)
Das also sind die Reizungen, Lord Lester,
Die ungestraft kein Mann erblickt, daneben
Kein andres Weib sich wagen darf zu stellen!
Fürwahr! Der Ruhm war wohlfeil zu erlangen,
Es kostet nichts, die allgemeine Schönheit
Zu seyn, als die gemeine seyn für alle!

Maria.
Das ist zu viel!

Elisabeth (höhnisch lachend).
 Jetzt zeigt ihr euer wahres
Gesicht, bis jetzt war’s nur die Larve.

Maria. (von Zorn glühend, doch mit einer edeln Würde)
Ich habe menschlich, jugendlich gefehlt,
Die Macht verführte mich, ich hab’ es nicht
Verheimlicht und verborgen, falschen Schein
Hab’ ich verschmäht, mit königlichem Freimuth.
Das ärgste weiß die Welt von mir und ich
Kann sagen, ich bin besser als mein Ruf.
Weh euch, wenn sie von euren Thaten einst
Den Ehrenmantel zieht, womit ihr gleißend
Die wilde Glut verstohlner Lüste deckt.
Nicht Ehrbarkeit habt ihr von eurer Mutter
Geerbt, man weiß, um welcher Tugend willen
Anna von Boulen das Schaffot bestiegen.

Schrewsbury (tritt zwischen beide Königinnen).
O Gott des Himmels! Muß es dahin kommen!
Ist das die Mäßigung, die Unterwerfung,
Lady Maria?

Maria.
 Mäßigung! Ich habe
Ertragen, was ein Mensch ertragen kann.

Fahr hin, lammherzige Gelassenheit,
Zum Himmel fliehe, leidende Geduld,
Spreng endlich deine Bande, tritt hervor
Aus deiner Höhle, langverhaltner Groll –
Und du, der dem gereizten Basilisk
Den Mordblick gab, leg’ auf die Zunge mir
Den gift’gen Pfeil –

Schrewsbury.
 O sie ist außer sich!
Verzeih der rasenden, der schwer gereizten!

(Elisabeth, für Zorn sprachlos, schießt wüthende Blicke auf Marien.)

Leicester. (in der heftigsten Unruhe, sucht die Elisabeth hinweg zu führen)
 Höre
Die Wüthende nicht an! Hinweg, hinweg
Von diesem unglücksel’gen Ort!

Maria.
Der Thron von England ist durch einen Bastard
Entweiht, der Britten edelherzig Volk
Durch eine list’ge Gauklerin betrogen.
– Regierte Recht, so läget Ihr vor mir
Im Staube jetzt, denn ich bin euer König.

(Elisabeth geht schnell ab, die Lords folgen ihr in der höchsten Bestürzung.)

Fünfter Auftritt.


Maria. Kennedy.

Kennedy.
O was habt ihr gethan! Sie geht in Wuth!
Jetzt ist es aus und alle Hoffnung schwindet.

Maria (noch ganz außer sich).
Sie geht in Wuth! Sie trägt den Tod im Herzen!

(der Kennedy um den Hals fallend)

O wie mir wohl ist, Hanna! Endlich, endlich
Nach Jahren der Erniedrigung, der Leiden,
Ein Augenblick der Rache, des Triumphs!
Wie Bergeslasten fällts von meinem Herzen,
Das Messer stieß ich in der Feindin Brust.

Kennedy.
Unglückliche! Der Wahnsinn reißt euch hin,
Ihr habt die Unversöhnliche verwundet.
Sie führt den Blitz, sie ist die Königin,
Vor ihrem Buhlen habt ihr sie verhöhnt!

Maria.
Vor Lesters Augen hab’ ich sie erniedrigt!
Er sah es, er bezeugte meinen Sieg!
Wie ich sie niederschlug von ihrer Höhe,
Er stand dabey, mich stärkte seine Nähe!

Sechster Auftritt.


Mortimer zu den Vorigen.

Kennedy.
O Sir! Welch ein Erfolg –

Mortimer.
 Ich hörte alles.

(Giebt der Amme ein Zeichen sich auf ihren Posten zu begeben, und tritt näher. Sein ganzes Wesen drückt eine heftige leidenschaftliche Stimmung aus.)

Du hast gesiegt! Du tratst sie in den Staub,
Du warst die Königin, sie der Verbrecher.
Ich bin entzückt von deinem Muth, ich bete
Dich an, wie eine Göttin groß und herrlich,
Erscheinst du mir in diesem Augenblick.

Maria.
Ihr spracht mit Lestern, überbrachtet ihm
Mein Schreiben, mein Geschenk – O redet, Sir!

Mortimer. (mit glühenden Blicken sie betrachtend)
Wie dich der edle königliche Zorn
Umglänzte, deine Reize mir verklärte!
Du bist das schönste Weib auf dieser Erde!

Maria.
Ich bitt’ euch, Sir! Stillt meine Ungeduld.
Was spricht Milord? O sagt, was darf ich hoffen?

Mortimer.
Wer? Er? das ist ein Feiger, Elender!
Hofft nichts von ihm, verachtet ihn, vergeßt ihn!

Maria.
Was sagt ihr?

Mortimer.
 Er euch retten und besitzen!
Er euch! Er soll es wagen! Er! Mit mir
Muß er auf Tod und Leben darum kämpfen!

Maria.
Ihr habt ihm meinen Brief nicht übergeben?
– O dann ists aus!

Mortimer.
 Der Feige liebt das Leben.
Wer dich will retten und die seine nennen,
Der muß den Tod beherzt umarmen können.

Maria.
Er will nichts für mich thun!

Mortimer.
 Nichts mehr von ihm!
Was kann Er thun, und was bedarf man sein?
Ich will dich retten, ich allein!

Maria.
Ach, was vermögt ihr!

Mortimer.
 Täuschet euch nicht mehr,
Als ob es noch wie gestern mit euch stünde!
So wie die Königin jetzt von euch gieng,
Wie dieß Gespräch sich wendete, ist alles
Verloren, jeder Gnadenweg gesperrt.
Der That bedarfs jetzt, Kühnheit muß entscheiden,
Für Alles werde Alles frisch gewagt,
Frei müßt ihr seyn, noch eh der Morgen tagt.

Maria.
Was sprecht ihr? diese Nacht! Wie ist das möglich?

Mortimer.
Hört, was beschlossen ist. Versammelt hab’ ich
In heimlicher Kapelle die Gefährten,
Ein Priester hörte unsre Beichte an,
Ablaß ist uns ertheilt für alle Schulden,
Die wir begiengen, Ablaß im voraus
Für alle, die wir noch begehen werden.
Das letzte Sakrament empfingen wir,
Und fertig sind wir zu der letzten Reise.

Maria.
O welche fürchterliche Vorbereitung!

Mortimer.
Dieß Schloß ersteigen wir in dieser Nacht,
Der Schlüssel bin ich mächtig. Wir ermorden
Die Hüter, reissen dich aus deiner Kammer
Gewaltsam, sterben muß von unsrer Hand,
Daß niemand überbleibe, der den Raub
Verrathen könne, jede lebende Seele.

Maria.
Und Drury, Paulet, meine Kerkermeister?
O eher werden sie ihr letztes Blut –

Mortimer.
Von meinem Dolche fallen sie zuerst!

Maria.
Was? Euer Oheim, euer zweiter Vater?

Mortimer.
Von meinen Händen stirbt er. Ich ermord’ ihn.

Maria.
O blut’ger Frevel!

Mortimer.
 Alle Frevel sind
Vergeben im voraus. Ich kann das Ärgste
Begehen, und ich wills.

Maria.
 O schrecklich, schrecklich!

Mortimer.
Und müßt’ ich auch die Königin durchbohren,
Ich hab’ es auf die Hostie geschworen.

Maria.
Nein, Mortimer! Eh’ so viel Blut um mich –

Mortimer.
Was ist mir alles Leben gegen dich
Und meine Liebe! Mag der Welten Band
Sich lösen, eine zweite Wasserfluth
Herwoogend alles athmende verschlingen!
– Ich achte nichts mehr! Eh’ ich dir entsage,
Eh’ nahe sich das Ende aller Tage.

Maria (zurücktretend).
Gott! Welche Sprache Sir, und – welche Blicke!
– Sie schrecken, sie verscheuchen mich.

Mortimer. (mit irren Blicken, und im Ausdruck des stillen Wahnsinns).
 Das Leben ist
Nur ein Moment, der Tod ist auch nur einer!
– Man schleife mich nach Tyburn, Glied für Glied
Zerreisse man mit glühnder Eisenzange,

(indem er heftig auf sie zugeht, mit ausgebreiteten Armen)

Wenn ich dich, Heißgeliebte, umfange –

Maria (zurücktretend).
Unsinniger, zurück –

Mortimer.
 An dieser Brust,
Auf diesem Liebe athmenden Munde –

Maria.
Um Gotteswillen, Sir! Laßt mich hinein gehn!

Mortimer.
Der ist ein Rasender, der nicht das Glück
Festhält in unauflöslicher Umarmung,
Wenn es ein Gott in seine Hand gegeben.
Ich will dich retten, kost’ es tausend Leben,
Ich rette dich, ich will es, doch sowahr
Gott lebt! Ich schwör’s, ich will dich auch besitzen.

Maria.
O will kein Gott, kein Engel mich beschützen!
Furchtbares Schicksal! Grimmig schleuderst du
Von einem Schreckniß mich dem andern zu.
Bin ich geboren, nur die Wuth zu wecken?
Verschwört sich Haß und Liebe, mich zu schrecken?

Mortimer.
Ja glühend, wie sie hassen, lieb’ ich dich!
Sie wollen dich enthaupten, diesen Hals,
Den blendend weißen, mit dem Beil durchschneiden.
O weihe du dem Lebensgott der Freuden,
Was du dem Hasse blutig opfern mußt.

Mit diesen Reizen, die nicht dein mehr sind,
Beselige den glücklichen Geliebten.
Die schöne Locke, dieses seidne Haar
Verfallen schon den finstern Todesmächten,
Gebrauchs, den Sklaven ewig zu umflechten!

Maria.
O welche Sprache muß ich hören! Sir!
Mein Unglück sollt euch heilig seyn, mein Leiden,
Wenn es mein königliches Haupt nicht ist.

Mortimer.
Die Krone ist von deinem Haupt gefallen,
Du hast nichts mehr von ird’scher Majestät,
Versuch’ es, laß dein Herrscherwort erschallen,
Ob dir ein Freund, ein Retter aufersteht.
Nichts blieb dir als die rührende Gestalt,
Der hohen Schönheit göttliche Gewalt,
Die läßt mich alles wagen und vermögen,
Die treibt dem Beil des Henkers mich entgegen –

Maria.
O wer errettet ich von seiner Wuth!

Mortimer.
Verwegner Dienst belohnt sich auch verwegen!
Warum versprützt der Tapfere sein Blut?
Ist Leben doch des Lebens höchstes Gut!

Ein Rasender, der es umsonst verschleudert!
Erst will ich ruhn an seiner wärmsten Brust –

(Er preßt sie heftig an sich.)

Maria.
O muß ich Hülfe rufen gegen den Mann,
Der mein Erretter –

Mortimer.
 Du bist nicht gefühllos,
Nicht kalter Strenge klagt die Welt dich an,
Dich kann die heiße Liebesbitte rühren,
Du hast den Sänger Rizzio beglückt,
Und jener Bothwell durfte dich entführen.

Maria.
Vermessener!

Mortimer.
 Er war nur dein Tyrann!
Du zittertest vor ihm, da du ihn liebtest!
Wenn nur der Schrecken dich gewinnen kann,
Beim Gott der Hölle! –

Maria.
 Laßt mich! Raset ihr?

Mortimer.
Erzittern sollst du auch vor mir!

Kennedy (hereinstürzend).
Man naht. Man kommt. Bewaffnet Volk erfüllt
Den ganzen Garten.

Mortimer. (auffahrend und zum Degen greifend)
 Ich beschütze dich!

Maria.
O Hanna! Rette mich aus seinen Händen!
Wo find’ ich Ärmste einen Zufluchtsort?
Zu welchem Heiligen soll ich mich wenden?
Hier ist Gewalt und drinnen ist der Mord.

(Sie flieht dem Hause zu, Kennedy folgt.)


Siebenter Auftritt.


Mortimer. Paulet und Drury, welche außer sich hereinstürzen. Gefolge eilt über die Scene.

Paulet.
Verschließt die Pforten. Zieht die Brücken auf!

Mortimer.
Oheim, was ist’s?

Paulet.
 Wo ist die Mörderin?
Hinab mit ihr ins finsterste Gefängniß!

Mortimer.
Was giebt’s? Was ist geschehn?

Paulet.
 Die Königin!
Verfluchte Hände! Teuflisches Erkühnen!

Mortimer.
Die Königin! Welche Königin?

Paulet.
 Von England!
Sie ist ermordet auf der Londner Straßen!

(Eilt ins Haus.)


Achter Auftritt.


Mortimer. Gleich darauf Okelly.

Mortimer.
Bin ich im Wahnwitz? Kam nicht eben jemand
Vorbei und rief: Die Königin sey ermordet?
Nein, nein, mir träumte nur. Ein Fieberwahn
Bringt mir als wahr und wirklich vor den Sinn,
Was die Gedanken gräßlich mir erfüllt.
Wer kommt? Es ist Okell’. So schreckenvoll!

Okelly (hereinstürzend).
Flieht, Mortimer! Flieht! Alles ist verloren.

Mortimer.
Was ist verloren?

Okelly.
 Fragt nicht lange. Denkt
Auf schnelle Flucht.

Mortimer.
 Was giebt’s denn?

Okelly.
 Sauvage führte
Den Streich, der rasende.

Mortimer.
 So ist es wahr?

Okelly.
Wahr, wahr! O rettet euch!

Mortimer.
 Sie ist ermordet,
Und auf den Thron von England steigt Maria!

Okelly.
Ermordet! Wer sagt das?

Mortimer.
 Ihr selbst!

Okelly.
 Sie lebt!
Und ich und ihr, wir alle sind des Todes.

Mortimer.
Sie lebt!

Okelly.
Der Stoß gieng fehl, der Mantel fing ihn auf,
Und Schrewsbury entwaffnete den Mörder.

Mortimer.
Sie lebt!

Okelly.
 Lebt, um uns alle zu verderben!
Kommt, man umzingelt schon den Park.

Mortimer.
 Wer hat
Das rasende gethan?

Okelly.
 Der Barnabit’
Aus Toulon war’s, den ihr in der Kapelle
Tiefsinnig sitzen saht, als uns der Mönch
Das Anathem’ ausdeutete, worin
Der Pabst die Königin mit dem Fluch belegt.
Das nächste, kürzeste wollt’ er ergreifen,
Mit einem kecken Streich die Kirche Gottes
Befrein, die Martyrkrone sich erwerben,
Dem Priester nur vertraut’ er seine That,
Und auf dem Londner Weg ward sie vollbracht.

Mortimer. (nach einem langen Stillschweigen)
O dich verfolgt ein grimmig wüthend Schicksal,

Unglückliche! Jetzt – ja jetzt mußt du sterben,
Dein Engel selbst bereitet deinen Fall.

Okelly.
Sagt! Wohin wendet ihr die Flucht? Ich gehe,
Mich in des Nordens Wäldern zu verbergen.

Mortimer.
Flieht hin und Gott geleite eure Flucht!
Ich bleibe. Noch versuch’ ichs, sie zu retten,
Wo nicht, auf ihrem Sarge mir zu betten.

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