Melpomene/Band 1/015 Bei dem Grabe des jungen edlen Grafen von Illerfeld, der in einem Duell erstochen wurde

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[67]

15. Bei dem Grabe des jungen edlen Grafen von Illerfeld, der in einem Duell erstochen wurde.

Melod. III.

1. Hier endete sein junges Leben
Der edle Graf von Illerfeld,
Der selbst sich in den Tod begeben
Zu sterben als ein Ehrenheld.
Er opferte der falschen Ehre
Sein hoffnungsvolles Leben auf,
Und schloß durchbohrt vom Mordgewehre
Des Gegners, seinen Lebenslauf.

2. Er war der Eltern Augenweide
Und ihres Herzens höchste Lust,
Sie drükten ihn mit stiller Freude
An ihre hochentzükte Brust;
Er war voll edler Eigenschaften,
Voll Würde, Kraft und Majestät,
Und weihte sich den Wissenschaften
Auf einer Universität.

3. Nur war der wirklich große Fehler
In seinen eignen Augen klein:
Bisweilen seiner Freunde Quäler
Durch feinen Witz und Spott zu seyn.
[68] Zum Unglük wurde einst vom Weine
Sein sonst so kühler Kopf erhitzt,
Und vom Champagner Geiste seine
Verspottungswaffe scharf gespitzt.

4. Er zielte mit des Spottes Waffen
Auf seinen Herzensliebling Friz,
Der nicht gezögert zu verschaffen
Sich Satisfaktion durch Wiz.
Der Graf gerieth in Schamerröthen,
Und forderte nun auf der Stell,
Den Räuber seiner Ehr zu tödten,
Den Friz heraus auf ein Duell.

5. Der edle Friz war ganz betroffen,
Und sagte: beßter Freund! verzeih,
Du gehst zu weit; ich will nicht hoffen,
Daß es im Ernst gemeinet sey:
Allein der Graf blieb unbeweglich,
Und nannte seinen Gegner feig:
Dieß war für Frizen unerträglich
Als Sproß von einem edlen Zweig.

6. So will ich, sprach er zu dem Grafen,
Das Gegentheil beweisen dir,
Dir Satisfaktion verschaffen,
Wie du sie schuldig bist auch mir.
Die Glieder der Gesellschaft riethen:
Sie möchten doch versöhnen sich:
Allein so sehr sie sich bemühten,
Kam doch zu Stande kein Verglich.
[69]
7. Sie liessen sich den Kampf nicht wehren;
Dieß fordere ihr point d’honeur,
Sie könnten sich ja sonst mit Ehren
Vor dieser Welt nicht zeigen mehr.
Von dieser falschen Ansicht waren
Noch andere geblendet auch;
Denn, sich die Schande zu ersparen,
Sey dieß ein löblicher Gebrauch;

8. Denn besser sei es, nicht zu leben,
Als in Verachtung, Schand und Spott,
Und der Entehrung widerstreben
Sey Gottes- und Vernunft-Geboth;
Nur fügten sie dem Mörderbunde
Die schlüßliche Bedingung bei:
Daß nur auf eine leichte Wunde
Der Ehrenkampf zu führen sey.

9. Dieß schwuren auch die Duellanten
Mit einem feyerlichen Eid,
Und wählten ihre Sekundanten,
Und waren so zum Kampf bereit.
Sie zogen aus zu dem Duelle,
Der beiderseitigen Gefahr,
Das leider bald die bittre Quelle
Von millionen Thränen war.

10. Der Graf war sehr gewandt im Fechten,
Und voll der Siegeszuversicht,
Und hielt den Friz für einen schlechten,
Des Fechtens ungeübten Wicht:
[70] Doch Friz war auch ein guter Fechter
Voll nüchterner Besonnenheit;
Auch übertraf ihn sein Verächter
Bei weitem nicht an Fertigkeit.

11. So kamen beide Duellanten
Auf dem bestimmten Plaze an,
Mit ihren beiden Sekundanten,
Wo blutig das Duell begann:
Sie zogen ihre scharfen Klingen
Mit starken Armen aus der Scheid,
Einander Wunden beizubringen,
Nach feyerlich geschwornem Eid.

12. Der Graf begann mit heissem Grimme,
Und gieng auf seinen Gegner los,
Und gab in seinem Ungestümme
Sich seinem schlauern Gegner blos;
Und patsch! bekam er eine Wunde
Im unvertheidigten Gesicht,
Und war nach fest geschwornem Bunde
Besiegt nach Duellanten Pflicht.

13. Allein, anstatt sich zu ergeben,
Gerieth er in noch größre Wuth,
Und rief ergrimmt: Auf Tod und Leben!
Und focht mit wahrem Löwenmuth;
Sein Gegner war dadurch gezwungen
Sich muthig zu vertheidigen,
Und heftig auf ihn eingedrungen,
Trotz beider Sekundanten Fleh’n.
[71]
14. Der Graf kam in die Defensive,
Und Friz gewan die Oberhand,
Durchbohrte seine Herzenstiefe,
Und warf ihn mordend in den Sand.
Ein Strom von Blut entstürzte wallend
Des Grafen tief durchbohrter Brust:
Ich bin des Todes, rief er fallend,
Sich seiner kaum noch selbst bewußt.

15. Er fieng zu röcheln an, und schaute
Mit einem rachevollen Blik
Auf seinen Mörder; diesem graute
Nun selbst bei diesem Mißgeschik;
Er wurde blaß, wie eine Leiche,
Von Schreken ganz betäubt, und stand
Bewegungslos, wie eine Eiche,
Den blut’gen Degen in der Hand.

16. Die beiden Sekundanten riethen
Dem Friz die ungesäumte Flucht,
Weil die Geseze streng verbiethen
Des Zweikampfs todesschwangre Frucht.
Sie reichten ihm noch ihre Börsen,
Und schlichen jammervoll davon,
Er aber war auf leichten Fersen,
Wie ein verscheuchter Hirsch, entfloh’n.

17. In Bälde war der Tod des Grafen
Bekannt in der Gerichte Siz,
Die unverzüglich Anstalt trafen,
Zu suchen den verschwundnen Friz;
[72] Doch glüklich war es ihm gelungen,
Zu fliehen über Land und Meer.
Nun irret er, von Reu durchdrungen,
Als ein Verzweifelter umher.

18. Hier aber liegt die blut’ge Leiche
Des edlen Grafen schon im Grab;
Er fiel, wie eine junge Eiche,
Gefällt von einem Sturm, hinab;
Und seine Eltern und Geschwistern
Sind trostlos der Verzweiflung Raub,
Zerfallen ist ihr Glük, von düstern
Gefühlen unterwühlt, in Staub.

19. Denn er war ihre erste Stütze
Der Erbe ihres Ritterguts,
Und daß er ihre Rechte schütze
Voll hohen Sinns und edlen Muths;
Gerissen ist von ihrem Herzen
Der stärkste Zweig, der neue Stamm,
Und unter namenlosen Schmerzen
Dahingewürget wie ein Lamm.

20. So grenzenlos ist auch der Jammer
Der Eltern vom verschwundnen Friz,
Und grausam schlug der Leidens Hammer
Ihr armes Herz als wie der Bliz,
Sie sehen ihn entgegen gehen
Verzweiflungvoll dem Hungertod,
Und sollten sie ihn wieder sehen,
So wärs nur auf dem Echafaut.
[73]
21. So großes, grenzenloses Elend
Entsteht aus einem stolzen Wahn,
Wo das gesunde Urtheil fehlend
Nur blind und irrig schliessen kann:
Denn was beweisen die Duelle?
Sie zeigen uns nichts anders an,
Als wer mit mehr geübter Schnelle
Und mehr Gewandtheit fechten kann.

22. Daß aber der gewandtre Fechter
Auch reicher sey an Tugendkraft,
Hingegen der Besiegte schlechter,
Bleibt allemal noch zweifelhaft:
Sonst wäre jeder Strassenräuber
Zugleich der größte Ehrenheld,
Da er der Wandrer schwache Leiber,
Gewandt zu morden, überfällt.

23. Der Stolz kann sich beledigt finden,
Wo Niemand ihn beleidigt hat,
Und vor der Leidenschaft verschwinden
Der wahren Weisheit, Licht und Rath;
Und jeder ist sein eigner Richter
In eigner Angelegenheit;
So schließt ein ganz gemeiner schlichter
Verstand mit Folgerichtigkeit.

24. Und welche qualenvolle Hölle
Entsteht in eines Edlen Brust,
Wenn er des Bruders Lebensquelle
Durchsticht in schadenfroher Lust?
[74] Es muß des Mordes ihn gereuen,
Als wie den Brudermörder Kain,
Und statt des Lebens sich zu freuen,
Kann er nur voll Verzweiflung seyn.

25. Drum, edle Jünglinge und Männer!
Ihr, derer Blut für Ehre wallt,
O seydt der wahren Ehre Kenner
Nach ihrem inneren Gehalt,
Und suchet euern Seelenadel,
Anstatt durch Rache gegen Spott,
In einem Wandel ohne Tadel,
Gemäß dem göttlichen Geboth.

26. Verletzet nie der andern Ehre
Durch feinen Wiz und Spöttereyn,
Verfolget Jesu weise Lehre,
Und lernt von ihm dem Feind verzeihn;
Und hätt er grausam euch beleidigt,
So gibt euch die Religion,
Indem ihr schweigend euch vertheidigt,
Die beßte Satisfaktion.

27. Entflammet eher nicht im Grimme,
Und schonet eurer Herzen Blut,
Bis euch des Landesvaters Stimme
Zum Kampfe ruft, und Heldenmuth;
Dann schwinget eure Mörderwaffen,
Und stoßet sie mit Herzenslust,
Euch Ruhm und Freiheit zu verschaffen,
In der empörten Feinde Brust.
[75]
28. Hingegen übet gegen Brüder
Verzeihung, Sanftmuth und Geduld,
Und leget eure Waffen nieder
Auch vor der streng erwiesnen Schuld;
Denn so hat Paulus uns befohlen,
Was auch Vernunft und Ehr erlaubt,
Und seht: ihr sammelt feur’ge Kohlen
Auf des ergrimmten Feindes Haupt.

29. Und habt ihr etwas abzumachen,
Was eure Ehr nicht leiden kann,
So kämpfet nur, wer länger wachen,
Und länger nüchtern bleiben kann;
Denn könnt ihr besser euch besinnen,
Ersterben wird die Leidenschaft,
Des Wahnes Nebel wird zerrinnen,
Und siegen leicht der Liebe Kraft.

30. Nun ruhe sanft in deinem Grabe,
Du edler, unglückvoller Graf!
O daß dir Gott erlassen habe
Die leichtsinnvoll verdiente Straf.
Du aber, Friz! du magst wo immer
Befinden dich in dieser Welt,
Erheb der Reue Klaggewimmer,
Bis einstens dich der Tod befällt;

31. Dann kannst du noch Verzeihung hoffen;
Beim strengen, göttlichen Gericht,
Dann stehet dir der Eingang offen
Zu Gottes reinstem Gnadenlicht.
[76] Lasst uns den Duellanten beiden
Noch eine Mitleidsthräne weih’n,
Und weislich ihre Thorheit meiden,
Und unsern Feinden gern verzeih’n.

32. Laßt uns Beleidigungen dulden;
Wir bethen ja zu Gott dem Herrn:
Vergib unsre Sündenschulden,
Wie wir auch unsern Schuldigern.
So hat uns ja duch Wort und Leben
Gelehret Gottes eigner Sohn;
Dann wird er einstens uns erheben
Im Tod zu seinem Gnadenthron.

Anmerkungen (Wikisource)

Jungs Errata (Bd. 2, S. 293) wurden in den Text eingearbeitet.