Melpomene/Band 1/078 Bei dem Grabe einer alten frommen Jungfrau

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aus: Melpomene
Seite: Band 1, S. 246–247
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78. Bei dem Grabe einer alten frommen Jungfrau.

Melod. V.

Tiefe Trauer füllet unsre Herzen
Bei dem Grabe unsrer Schwester hier.

1. Schon nach zweien Krankheitstagen
Hat ihr letzter Puls geschlagen,
Und in tiefer Trauer klagen wir.

2. Denn sie war durch schlechte Säfte
Ganz beraubet aller Kräfte
Und es fehlten Stärkungsmittel ihr.

3. So erschlafften alle Glieder,
Und sie sank in Ohnmacht nieder,
Und verlor Bewußtseyn und Gefühl;

4. Und so war ihn wen’gen Stunden
Jeder Hoffnungstrahl verschwunden,
Und es nahte sich ihr Lebensziel.

5. Aber ohne Furcht und Beben
Gab sie willig hin ihr Leben,
Und das Sterben war für sie Gewinn.

6. Denn sie blieb von zarter Jugend
Bis ins Alter treu der Tugend,
Und in Unschuld lebte sie dahin.

7. Über Alles Gott zu lieben,
Und sich im Gehorsam üben,
Es war ihr steter Wanderstab.
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8. Voll der reinen Tugendwürde
Nahm sie so die edle Zierde
Ihrer Jungfrauschaft mit sich ins Grab.

9. Wenn sie auch bisweilen fehlte,
So bereute sies, und wählte
Wieder die verlassne Tugendbahn.

10. Sie empfieng vor ihrem Ende
Noch die Sterbesakramente,
Und so kam sie bei dem Richter an.

11. Dieses Alles läßt uns hoffen:
Daß sie dort den Himmel offen,
Und in ihm den Lohn der Tugend fand.

12. Denn wer stets die Tugend übet,
Gott und seinen Nächsten liebet,
Der gelangt ins wahre Vaterland.