Melpomene/Band 1/081 Bei dem Grabe des alten blinden Joseph Simler, Bauers von Kirchdorf

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aus: Melpomene
Seite: Band 1, S. 254–256
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[254]

81. Bei dem Grabe des alten blinden Joseph Simler, Bauers von Kirchdorf.

Melod. II.

1. Hier schlummert er, der alte Gute,
Und kühle Erde decket ihn;
Er gab in hoffnungvollem Muthe
Dem Höchsten dieses Leben hin,
Voll Zuversicht auf Gottes Wort:
Er finde wahren Frieden dort.

2. Beinah auf ein und achtzig Jahre
Erstrekte sich sein Lebensziel,
Beständige Gesundheit ware
Für ihn das glücklichste Gefühl;
Er dankte Gott aus voller Brust
Für diese nie verdiente Lust.

3. Doch endlich kam nach vielen Jahren
Auch Schwäche und Gebrechlichkeit;
[255] Entkräftung, ach! und Blindheit waren
Die Folgen seiner Lebenszeit,
Und in sechs Jahre langer Nacht
Hat er sein Leben zugebracht.

4. Und ach! wie elend ist ein Blinder
Dem nimmermehr die Sonne scheint;
Elender aber ist ein Sünder,
Der seine Sünden nie beweint;
Zwar jener sieht die Sonne nicht;
Doch diesem fehlt das Gnadenlicht.

5. Doch als ihm diese Welt verschwunden
In grauenvoller Leibesnacht,
So hat er alle Lebensstunden
Im Geisteslichte zugebracht,
Für seine Seele nur gelebt,
Und nur nach Tugenden gestrebt

6. Und ohne Zweifel ward erfüllet
Sein einz’ger Wunsch in jener Welt,
Wo sich der Schöpfer unverhüllet
Den Seligen vor Augen stellt,
Und zeigt in seinem Gnadenlicht
Von Angesicht zu Angesicht.

7. Denn lange schon war auf die Stunde
Des bittern Todes er gefaßt,
Bereute stets mit Herz und Munde
Der vielen Sünden schwere Last,
Empfieng das Lebensunterpfand,
Und gab sich hin in Gottes Hand.

[256] 8. Dieß Alles also läßt uns hoffen,
Daß als sein Herz und Auge brach,
Ihn dort ein gutes Loos getroffen,
Als Jesus ihm das Urtheil sprach,
Und er dort ein ins Leben gieng,
Und seinen Tugendlohn empfieng.

9. Soll dieser Trost uns einst erfüllen,
Wenn uns befällt der bittre Tod,
So laßt uns thun, was Gottes Willen,
Und Jesu Lehre uns geboth,
Dann wird auch unsern Seelen Heil,
Und höchste Seligkeit zu Theil.

Anmerkungen (Wikisource)

Jungs Errata (Bd. 2, S. 294) wurden in den Text eingearbeitet.