Melpomene/Band 2/006 Bei dem Grabe der Frau Kronenwürthin in Kelmünz, die im Wochenbette starb

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aus: Melpomene
Seite: Band 2, S. 29-34
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6. Bei dem Grabe der Frau Kronenwürthin in Kelmünz, die im Wochenbette starb.

Melod. IX.

1. Wir schluchzen im klagenden Tone,
Und weinen, denn leider! es war
Die Würthin zur goldenen Krone
Beerdiget hier in der Bahr.
Sie war in der Hoffnung; es rückte
Die Stunde heran, und sie war
Voll schrecklicher Ahnung, und blickte
Entgegen der Lebensgefahr.

2. Sie fühlte die heftigsten Wehen,
Und seufzte entgegen der Lust,
Den lebenden Säugling zu sehen
An ihrer ernährenden Brust;
[30] Doch leider! sie mußte empfinden
Der Wehen vereitelten Schmerz,
Und sah die Erwartung verschwinden:
Zu drücken den Säugling ans Herz.

3. Man harrte zwei schreckliche Tage
Mit sichtlicher Lebensgefahr,
Weil immer die widrige Lage
Des Kindes nicht förderlich war;
Man hollte daher zur Vollendung
Die Hülfe des Arztes herbey,
Er machte die künstlichste Wendung,
Die nöthig zur Förderung sey.

4. Man pflückte durch schmerzliches Wenden
Mit nichten die köstliche Frucht;
Es wurde mit kräftigen Händen
Umsonst die Entbindung versucht;
Man brauchte die Hülfe der Zange,
Wozu man genöthiget war;
Da lief in dem heftigen Zwange
Das Leben des Kindes Gefahr.

5. So war es gewaltsam gebohren,
Doch gieng in der helfenden Hand
Das Leben des Kindes verlohren,
Noch eh es den Lebenshauch fand.
So wurde die Mutter entbunden
Indem sie gewaltsam gebahr,
Und glaubte: es wäre verschwunden
Die eigene Lebensgefahr.

6. Doch leider! kaum eilte vorüber
Ein Hoffnung versprechender Tag,
[31] Als sie schon, vom heftigsten Fieber
Ergriffen, im Wochenbett lag:
Man hat ihr, zu retten ihr Leben
Beständig die beßte Arznei
Mit ängstlicher Sorge gegeben,
Und hoffte Genesung dabei.

7. Doch ward es in kurzer Zeit schlimmer,
Und größer die Lebensgefahr,
Bis endlich verschwunden auf immer
Die Hoffnung zur Besserung war:
Sie fühlte die heftigsten Schmerzen
Mit immer vergrösserter Wuth;
Es stockte im bebenden Herzen
Das heftig entzündete Blut.

8. Sie ahnte ihr nahendes Ende,
Und legte den ehlichen Ring
Dem zitternden Mann in die Hände
Der ihn unter Thränen empfieng,
Und sagte: nimm wieder zurücke
Das Zeichen der ehlichen Treu,
Damit es dir wieder zum Glücke
Bei deiner Verehlichung sey.

9. Erziehe mit schonender Güte
Thereschen, das liebliche Kind,
In derer so sanftem Gemüthe
Die Keime der Tugenden sind;
Vergiß auch der Mutter zu pflegen
Im traurigen Wittwestand nicht,
Und weiche nicht ab von den Wegen
Der Tugend und christlichen Pflicht.
[32]
10. Vergiß auch der Waisen und Armen
Bei deinem Vermögen doch nicht,
Dann findest du sicher Erbarmen
Beim göttlichen Gnadengericht.
Dann wirst du im Guten bestehen,
Und glücklich seyn schon in der Zeit;
Dann hoff ich dich wieder zu sehen
Im Reiche der ewigen Freud.

11. Nun both sie zum Abschied dem Gatten,
Dem Kind und der Mutter die Hand;
Als diese ergriffen sie hatten,
So schlug sie zum sicheren Pfand
Die Hände derselben zusamen
Zum treuen und ewigen Bund,
Bis heftige Zuckungen kamen
Zu schliessen den sterbenden Mund:

12. Die glüenden Wangen verblichen,
Die Kräften erlagen dem Schmerz,
Bis daß sich, von tödtlichen Stichen
Verwundet, verblutet ihr Herz;
Der Athem erstarb in der Kehle,
Es welkte der grauende Blick,
Es floh die belebende Seele,
Und kehrte zum Schöpfer zurück.

13. Am Bette der Sterbenden stehen
Der Gatte, die Mutter, das Kind;
Sie wollen vor Leiden vergehen,
Und weinen beinahe sich blind:
Sie nahen sich ihr, und umklammern
[33] Die Leiche verblichen im Tod,
Und schreien und klagen und jammern,
Und sind von Verzweiflung bedroht.

14. Das liebliche Töchterchen schlinget
Die goldenen Locken in Flor,
Und heftiger Klageruf schwinget
Sich hoch in die Lüfte empor;
Sie folgen mit brechenden Füssen
Der schätzbaren Leiche zum Grab,
Und über ihr Angesicht fliessen
Die häufigsten Thränen herab.

15. Doch tröstet euch über ihr Sterben,
Du Mutter und Vater und Kind!
Weil alle das Himmelreich erben,
Die gütig und tugendhaft sind;
Sie war ja beständig bereitet
Durch Wohlthun und Tugend zum Tod,
Und gründliche Hoffnung begleitet
Sie sicher hinüber zu Gott.

16. O sehet die Thränen der Armen,
Der Wittwen und Waisen doch an,
Und was sie voll milden Erbarmen
Denselben hier Gutes gethan;
Dort wird sie nun sicher empfangen
Für diese Wohlthaten den Lohn,
Und ewiges Leben erlangen
Bei Gottes allgnädigem Thron.

17. Und gönnet dem Kinde den Himmel,
Den Jesus den Kleinen verhieß,
[34] Noch eh es vom Erdengetümmel
Zur Sünde verführen sich ließ.
Seyt immer durch Tugend bereitet
Zu einem glückseligen Tod,
Damit ihr am Ende erbeutet
Das ewige Leben in Gott.

18. Nun ruhe, geliebteste Schwester!
Im Frieden und ewigem Heil,
Denn nun ist der Himmel dein beßter,
Auf ewig erworbener Theil;
Bald werden wir wieder dich sehen
Im seligen Geisterverein,
In jenen erhabenen Höhen,
Und deiner uns ewig erfreun.

Anmerkungen (Wikisource)

Der Markt Kellmünz liegt wenige Kilometer von Jungs Pfarrstelle in Kirchdorf entfernt, auf der anderen Seite der Iller.

Jungs Errata (Bd. 2, S. 294) wurden in den Text eingearbeitet.