Mittheilungen aus der Praxis der Gerichte hinsichtlich der Anwendung der Vorschriften des Handelsgesetzbuches auf die Geschäftsführung der Apotheker

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Titel: Mittheilungen aus der Praxis der Gerichte hinsichtlich der Anwendung der Vorschriften des Handelsgesetzbuches auf die Geschäftsführung der Apotheker
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1883, Nr. 9, Seite 86–92
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Mittheilungen aus der Praxis der Gerichte hinsichtlich der Anwendung der Vorschriften des Handelsgesetzbuches auf die Geschäftsführung der Apotheker.

1. Beschluß des vormaligen Handelsappellationsgerichtes zu Nürnberg vom 23. April 1863.[Bearbeiten]

Das k. H.A.G. erließ an das k. H.G. A. den Auftrag, die in seinem Bezirke befindlichen Apotheker zum Eintrage ihrer Firmen [87] in das Handelsregister aufzufordern und die erfolgten Anmeldungen ordnungsgemäß zu bescheiden und zu behandeln. Diese Entschließung ist motivirt, wie folgt:

Nach Art. 19 des a. d. H.G.B. ist jeder Kaufmann verpflichtet, seine Firma bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirke seine Hauptniederlassung sich befindet, behufs der Eintragung in das Handelsregister anzumelden, und nach Art. 15 ist unter Firma der Name, unter welchem ein Kaufmann im Handel seine Geschäfte treibt und die Unterschrift abgibt, zu verstehen. Von dieser Bestimmung des Art. 19 hat Art. 10 zwar insoferne eine Ausnahme statuirt, als hienach die Vorschriften des Gesetzbuches über Firmen, Handelsbücher und Prokuren auf Höcker, Trödler und dergleichen Handelsleute von geringem Gewerbsbetriebe, dann auf Wirthe, gewöhnliche Fuhrleute, gewöhnliche Schiffer und Personen, deren Gewerbe nicht über den Handwerksbetrieb hinausgeht, keine Anwendung finden. Der Gewerbsbetrieb eines Apothekers, selbst eines solchen auf dem Lande, kann aber weder mit dem der Höcker oder Trödler, noch mit dem Handwerksbetriebe auf eine und dieselbe Stufe gestellt werden, da derselbe nicht nur höhere Vorbereitung und Bildung erfordert, um den die Abgabe der vorräthigen Stoffe in der Regel bedingenden ärztlichen Vorschriften entsprechen zu können, sondern auch das Halten größerer, zum Theil kostbarer Vorräthe an Arzneistoffen voraussetzt. Daß die letzteren vom Apotheker nur in kleinen Quantitäten zu festgesetzten Preisen verabreicht werden, ändert an dessen Eigenschaft als Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches nichts, da ja der Apotheker im Einkaufe seiner Arzneistoffe an keinen Preis gebunden ist, vielmehr gerade aus dem billigeren Einkaufe gegen den taxmäßigen Verkaufspreis seinen Gewinn zieht, übrigens auch nicht gehindert ist, Arznei und andere Stoffe in größeren Quantitäten zum Absatze an andere Abnehmer herzustellen. Ebensowenig ist der Umstand, ob der Geschäftsbetrieb eines Kaufmanns, der nicht zu den im Art. 10 des a. d. H.G.B. bezeichneten Ausnahmen gehört, bedeutend oder unbedeutend ist, für die Frage nach der Eintragung der Firma in das Handelsregister von Bedeutung, da das Gesetz die Eintragung bei Personen der fraglichen Kategorie ohne alle Rücksicht auf den Umfang des Geschäftsbetriebes vorgeschrieben hat. Vielmehr ist daraus, daß das Gesetz die Apotheker ungeachtet ihrer allerdings eigenthümlichen Stellung nicht von der Bestimmung des Art. 19 ausgenommen hat, – obwohl an dieselben gedacht wurde, – mit Grund zu folgern, daß es deren Stellung nicht für unvereinbar mit den allegirten Vorschriften über die Firmen erachtete. Dies wird auch durch die Geschichte der Entstehung der Art. 4 und 271 des a. d. H.G.B. bestätigt, indem in Art. 2 des preußischen [88] Entwurfes eines H.G.B. die Eigenschaft eines Kaufmanns in den gewerbmäßigen Kauf von Waaren zum Zwecke der Weiterveräußerung in Natur oder in verarbeitetem Zustande gestellt, in den Motiven hiezu ausdrücklich erwähnt wurde, daß Apotheker hierunter begriffen seien (vgl. S. 6 daselbst), und dieser Begriff auch von Seite der Kommission zur Berathung eines a. d. H.G.B. Aufnahme in das Gesetzbuch fand.

(Zeitschrift f. Gesetzgebung u. Rechtspflege des Königreichs Bayern Bd. X. S. 523 u. 526.)

2. Zu Art. 19 des allgem. Handelsgesetzbuches.[Bearbeiten]

Die Frage, ob Apotheker berechtigt und verpflichtet seien, ihre Firmen zum Eintrage in das Handelsregister anzumelden, wurde im Allgemeinen bejahend entschieden, da der Geschäftsbetrieb der Apotheker sich unzweifelhaft mit Handelsgeschäften im Sinne des Art. 271 Ziffer 1 des Gesetzbuches befasse, ein Apotheker daher als Kaufmann im Sinne des Art. 4 ebendaselbst erscheine und eine Nichtanwendung der gesetzlichen Bestimmungen über die Firmen bei einem solchen Geschäfte nach Art. 10 des Gesetzbuches sich blos ausnahmsweise bei ganz geringem Gewerbsbetriebe rechtfertigen würde.

(Zeitschrift f. Gesetzgebung u. Rechtspflege etc. etc. Bd. X. S. 757 u. 758.)

3. Beschluß des Landgerichtes München I, Ferienkammer für Handelssachen, vom 17. Juli 1882.[Bearbeiten]

In Erwägung,

daß sich sowohl die Theorie wie die Judikatur der deutschen und österreichischen Gerichte überwiegend und mit durchschlagenden Gründen dahin ausgesprochen haben, daß die Apotheker Vollkaufleute und deshalb firmenpflichtig sind, und daß es zur Vermeidung von Wiederholungen genügt, auf die desfallsigen Erkenntnisse und Abhandlungen hier Bezug zu nehmen;
(Centralorgan für den deutschen Handelsstand 1862, S. 18 und 269,
Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege etc. etc. Bd. X S.524 und 757,
Busch, Archiv, Bd. I S. 477, Bd. III S. 51, Bd. V S. 495, Bd. VII S. 1 und flgde., Bd. VIII S. 156, Bd. XXVIII S. 416),

in Erwägung,

daß die Apotheker in neuerer Zeit noch viel mehr als früher auf einen kaufmännischen Betrieb hingewiesen sind, weil nach dem jetzigen Standpunkt der medizinischen Wissenschaft die Arzneien nicht mehr so häufig und in so großen Mengen verordnet werden; [89]

in Erwägung,

daß der hiedurch entstandene Ausfall dadurch gedeckt wird, daß der Handverkauf in allen Apotheken und speziell hier in München einen ganz bedeutenden Umfang angenommen hat,

in Erwägung,

daß dieser Handverkauf sich notorisch mit einer Reihe von kosmetischen Artikeln, mit natürlichen und künstlichen Mineralwassern, mit Wein, Thee, mit sogenannten Geheimmitteln aller Art, mit fabrikmäßig hergestellten Pulvern und Pillen und dgl. befaßt,

in Erwägung,

daß der gewerbsmäßige An- und Verkauf dieser Handelsartikel allein schon den Apotheker als Kaufmann im Sinne des Art. 4 des H.G.V. erscheinen läßt,

in Erwägung,

daß auch der sonstige Betrieb des Apothekengeschäftes, insoweit nämlich die Anschaffung von Droguen und dgl. im Großen und der Verkauf dieser verarbeiteten Stoffe in Betracht kommt, alle Merkmale des Handelsgeschäfts an sich trägt, und daß es demgegenüber für die Frage der Firmenpflichtigkeit der Apotheker ganz gleichgiltig ist, daß das Gewerbe derselben konzessionspflichtig und im öffentlichen Interesse einer polizeilichen Aufsicht unterstellt ist;

in Erwägung,

daß aus Art. 364 und 365 der bayerischen Prozeßordnung ein Argument für oder gegen die Firmenpflichtigkeit der Apotheker nicht abgeleitet werden kann, weil bei der Berathung dieser Gesetzesstellen an die hier zur Entscheidung gestellte Frage nicht gedacht worden ist;
(vgl. Schmitt, Kommentar zur Prozeß-Ordnung Bd. I S. 678.)

in Erwägung,

daß selbstverständlich auch die wissenschaftliche Vorbildung der Apotheker bei der Beurtheilung der Frage, ob ihr Geschäft als ein kaufmännisches zu erachten, ganz belanglos ist, da in gegenwärtiger Zeit auch andere Kaufleute eine solche Vorbildung nicht entbehren können,
aus diesen Gründen ergeht zur Entscheidung:

I. Der von G. E. und Genossen erhobene Einspruch wird unter Verurtheilung derselben in die jeden einzelnen treffenden Kosten zurückgewiesen.

II. G. E. und Genossen werden beauftragt, binnen zwei Wochen bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe von je 20 ℳ. ihre Firmen zum Handelsregister anzumelden. [90]

4. Beschluß des Oberlandesgerichts München vom 27. September 1882.[Bearbeiten]

„Die Beschwerde des G. E. und 21 Genossen gegen den Beschluß des k. Landgerichts München I Ferienkammer für Handelssachen vom 17. Juli 1882 wird unter Verurtheilung der Beschwerdeführer in die Kosten des Beschwerdeverfahrens verworfen

und zwar in der Erwägung,

1) daß die Firma-Eintragspflicht im Sinne der Art. 15 und 19 des H.G.B. in jedem einzelnen Falle von dem Thatumstande abhängt, ob Jemand als Vollkaufmann mit gewerbsmäßigem Betrieb von Handelsgeschäften anzusehen ist Art. 4, 271 des H.G.B.,

2) daß die Controversfrage, ob Apotheker überhaupt unter die Vollkaufleute zu zählen sind, im Anschlusse an die Entstehungsgeschichte der Art. 4. 271. loc cit., an die Anschauung verschiedener Rechtslehrer und an eine Reihe von Gerichtsaussprüchen – (cfr. die erstrichterlichen Allegate, Makower Aufl. 4 S. 34 not. 2. Scheffer und Groß Repertorium S. 10) – zu bejahen ist, indem selbst jene Apotheken, welche nur auf ärztliche Anordnung arbeiten und verkaufen, immerhin Waaren gewerbsmäßig anschaffen, um sie – sei es im Naturzustand oder nach Verarbeitung – weiter zu veräußern, was Alles thatsächlich auch bei dem Apothekenbetrieb der Beschwerdeführer geschieht und dieselben unter die Vollkaufleute einreiht,

3) daß abgesehen hievon die fraglichen Apotheker in die Kategorie der Vollkaufleute deshalb zählen, weil ihr Geschäftsbetrieb sich nicht auf die gewerbsmäßige käufliche Abgabe ordinirter Heilmittel beschränkt, sondern gerichtsbekannt und unwidersprochenermassen die gewerbsmäßige Anschaffung, Lagerung und Weiterveräußerung sonstiger Kaufmanns- und Droguen-Waaren z. B. natürlicher und künstlicher Mineralwasser, Pillen, Thees, Geheimmittel, Seifen, Räucheressenzen und Parfüms, reiner und mit Medikamenten versetzter Weine, Leberthran, Malz- und Fleischextrakte, Bonbons, Kindermehl etc. etc. umfaßt,

4) daß hiebei die Beschwerdeführer sich auf die Ausnahmsbestimmung des Art. 10 des H.G.B. nicht berufen können, da sie sämmtlich nach dem unbestreitbar bedeutenden Umfang ihres Geschäftsbetriebes zu den Handelsleuten von geringem Gewerbsbetriebe, oder zu den Personen, deren Gewerbe nicht über den Umfang des Handwerksbetriebes hinausgeht, nicht gehören,

5) daß alle vorgebrachten Gegengründe als unerheblich keine Beachtung verdienen, denn

a) der Umstand, daß die bayerische Apothekerordnung vom 27. Januar 1842 sammt den hiezu erschienenen späteren Ergänzungs-Verordnungen vom 15. März 1866 und 25. April 1877 [91] aus Rücksichten der Gesundheit und des öffentlichen Wohls den Apothekerstand besonderen Ausnahmszuständen unterwirft z. B. das Apothekergewerbe als concessionspflichtig erklärt, dem Personal die Erfüllung gewisser Vorbedingungen auflegt, eine Medizinaltaxe für die spezifisch pharmazeutischen Waaren einführt, die Lagerhaltung bestimmter Medikamente, die Zwangspflicht zur Abgabe von Medikamenten und deren unentgeltliche Abgabe an conskribirte Arme einführt, die Beschaffenheit und Lagerung der pharmazeutischen Waaren der Visitation der Medizinalpolizei unterstellt etc. etc., ist für die Qualifikation des Vollkaufmanns begrifflich (cfr. Art. 11 des H.G.B.) ohne Bedeutung, was schon daraus hervorgeht, daß auch für andere Kaufleute, namentlich Droguisten bezüglich einzelner Artikel z. B. Gifte, Pulver, sonstiger explosibler Stoffe Petroleum etc. etc. ähnliche staatspolizeiliche Beschränkung und Aufsicht besteht und wobei noch hervorzuheben ist, daß die Apothekerordnung die oben konstatirte Handelschaft der Beschwerdeführer mit verschiedenen nicht spezifisch pharmazeutischen Waaren überhaupt nicht berührt,

b) eine landesgesetzliche Verordnung, welche die Bestimmungen des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs über die Firmen, Handelsbücher und Prokura für die Apotheken gemäß Art. 10 Abs. 3 des H.G.B. außer Anwendung bringt, besteht nicht, – namentlich ist die nicht von allerhöchster Stelle ausgegangene Regierungs-Entschließung vom 3. März 1871 hierunter nicht zu zählen und selbst diese Entschließung berührt durch die Bejahung der Frage, daß die Apotheker, die im Apothekergremium ihr besonderes Vertretungsorgan besitzen, zu den Kosten der Exigenz der Handels- und Gewerbekammer nicht beizuziehen sind, die Kaufmannsqualität der Apotheker direkt nicht, wie denn auch das Firmenregister-Gericht durch angebliche konstante gegentheilige Ansicht der Administrativbehörden und durch den Umstand, daß die Beschwerdeführer seit dem Erscheinen des allgemeinen deutschen Handels-Gesetzbuches bis jetzt zur Firmenanmeldung nicht angehalten wurden, nicht behindert ist, nunmehr die Vorschriften des Art. 19 des allg. d. H.G.B. und des Art. 10 des bayerischen Einführungs-Gesetzes vom 10. November 1861 zur Anwendung zu bringen,

c) der Inhalt der Art. 364, 365 der bayerischen Prozeß-Ordnung von 1869 läßt sich für die Anschauung der Beschwerdeführer nicht verwerthen, indem – ganz abgesehen davon, daß die frühere bayerische Prozeß-Ordnung durch die neue Reichs-Civil-Prozeß-Ordnung außer Wirksamkeit trat – der Entstehung der erwähnten Artikel (cfr. Dr. G. Schmitt Comm. Bd. I S. 678; 1863/65 Beil. Bd. 2 Gesetzgebungs-Ausschuß 2 S. 136; 1863/65 [92] Beil. Bd. 3 Gesetzgebungs-Ausschuß 2 S. 312) die bestimmte Absicht, jeden Apotheker, selbst einen solchen, der sein Apotheker-Gewerbe auf ein vollkaufmännisches Handelsgeschäft ausdehnt, von der Kategorie der Vollkaufleute auszuschließen, nicht zu Grunde lag,

d) der Umstand, daß durch bayerische Verordnungen (cfr. namentlich jene vom 25. April 1877) die Geschäftsführung der Apotheken geregelt und selbst die Anlegung von Tabellen und Büchern z. B. des Waarenbuchs, Arzneibestellbuchs, Elaborationsbuchs etc. etc. zur Pflicht gemacht ist, schließt die Einreihung der Beschwerdeführer unter die Vollkaufleute und ihre Anhaltung zur Erfüllung aller Pflichten der Volllaufleute (Art. 19 und 28 des H.G.B.) ebensowenig aus, als der Umstand, daß der Staat von dem Apothekerpersonal höhere Ausbildung verlangt, die Apotheker zu Vollkaufleuten unfähig macht und als etwaige größere Mühe und Ausgabe den Grund zur Befreiung von Firmeneintrag und von Führung förmlicher Handelsbücher bilden kann.