Monarchia (Drittes Buch)

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Textdaten
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Autor: Dante Alighieri
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Titel: Monarchia
(Drittes Buch)
Untertitel:
aus: aus Dantes prosaischen Schriften mit Ausnahme der Vita Nova – 2. Teil, S. 59 – 91
Herausgeber: Karl Ludwig Kannegießer
Auflage: o. A.
Entstehungsdatum: ca. 1316
Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: F.A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: Karl Ludwig Kannegießer
Originaltitel: Monarchia
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Das dritte Buch über die Monarchie
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[59]

Drittes Buch.
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Auf welche Weise das Amt eines Alleinherrschers oder Kaisers von Gott unmittelbar abhängt.



Verschlossen hat er die Mäuler der Löwen, und sie haben mir nicht geschadet, weil vor ihm Gerechtigkeit an mir erfunden ist. Im Anfange dieses Werkes sind drei Fragen, soweit der Stoff es erlaubte, zu beantworten aufgestellt. Von den beiden ersten ist nun in den vorigen Büchern, wie ich glaube, hinlänglich die Rede gewesen. Es bleibt jetzt die dritte zu betrachten übrig. Wenn ich mich hierüber der Wahrheit gemäß auslasse, fürchte ich, weil dies, ohne Einige schamroth zu machen, nicht geschehen kann, mir einigen Unwillen zuzuziehen. Aber weil von ihrem unwandelbaren Thron herab die Wahrheit in mich dringt, Salomo auch, in den Wald der Sprüchwörter hineinschreitend, uns belehrt, daß man in Zukunft der Wahrheit sich zu befleißigen und dem Zwang seinen Abscheu zu bezeugen habe, und der Philosoph als Lehrmeister der Sitten das Seinige der Wahrheit aufzuopfern räth im Vertrauen auf die vorangeschickten Worte Daniel’s[1], [60] in welchen die göttliche Macht als ein Schild für die Vertheidiger der Wahrheit gepriesen wird, laut der Mahnung des Paulus, den Krebs des Glaubens anziehend, in der Glut jener Kohle, welche einer der Seraphim von dem himmlischen Altar nahm und die Lippen des Jesajas berührte, will ich in die gegenwärtige Kampfbahn hineinschreiten, und im Arme Dessen, er uns aus der Gewalt der Finsterniß mit seinem Blut befreite, will ich den Frevler und Lügner im Angesichte der Welt aus den Schranken hinaustreiben. Was habe ich zu fürchten? Spricht doch der mit dem Vater und Sohn gleich ewige Geist durch den Mund David’s: In ewigem Andenken wird der Gerechte sein, und Verleumdung wird er nicht fürchten. – Die gegenwärtige Frage nun, welche zu beantworten sein wird, bewegt sich zwischen zwei großen Lichtern, nämlich dem römischen Papste und dem römischen Kaiser; und es fragt sich, ob das Ansehen des römischen Alleinherrschers, der ein rechtmäßiger Monarch der Welt ist, laut der Beweise im zweiten Buche, unmittelbar von Gott abhange, oder von irgend einem Stellvertreter Gottes oder Diener, worunter ich den Nachfolger Petri verstehe, der in Wahrheit der Schlüsselträger des Reiches der Himmel ist.

Zur Untersuchung der gegenwärtigen Aufgabe bedarf es nun, wie es auch bei den früheren der Fall war, eines Urgrundes, um kraft dessen die Sätze zur Eröffnung der Wahrheit zu bilden. Denn ohne einen solchen Urgrund festzustellen, was nützt es da nach der Wahrheit zu forschen, da er allein die Wurzel der vermittelnden Beweissätze ist? So werde denn diese unumstößliche Wahrheit vorausgeschickt, daß gegen Das, was der Absicht der Natur widerstreitet, Gott Widerwillen hat. Denn wenn dies nicht wahr wäre, wäre das Gegentheil nicht falsch, nämlich, daß Gott nicht Widerwillen habe gegen Das, was der Absicht der Natur widerstreitet. Und wenn dies nicht falsch ist, so ist es auch Das nicht, was daraus [61] folgt. Denn es ist unmöglich, daß in nothwendigen Folgerungen eine Folgerung falsch ist, wenn der Vordersatz nicht falsch ist. Aber aus dem nicht Widerwillen haben folgt eins von beiden nothwendig, entweder zu wollen oder nicht zu wollen, sowie aus dem nicht hassen nothwendig folgt entweder zu lieben oder nicht zu lieben, denn nicht lieben und hassen ist keineswegs gleich; und so ist auch das nicht Wollen und das Widerwillen haben nicht gleich, wie einleuchtet. Wenn dies nicht falsch ist, wird auch das Folgende nicht falsch sein: Gott will, was er nicht will, ein Satz, über dessen Unrichtigkeit nichts geht. Die Wahrheit desselben beweise ich aber so: es ist offenbar, daß Gott den Zweck der Natur will, sonst würde er[WS 1] den Himmel zwecklos bewegen, was sich nicht annehmen läßt: wenn Gott das Hinderniß des Zweckes wollte, so wollte er auch den Zweck des Hindernisses, sonst würde er zwecklos wollen. Und da der Zweck des Hindernisses das Nichtsein der verhinderten Sache ist, so würde folgen, daß Gott das Nichtsein des Zweckes der Natur wolle, er, von dem gesagt wird, daß er das Sein dieses Zweckes wolle. Denn wenn Gott das Hinderniß des Zweckes nicht wollte, so folgte, sofern er es nicht wollte, aus dem Nichtwollen, daß er sich nicht um das Hinderniß kümmere, möchte es sein oder nicht sein; aber wer sich nicht um das Hinderniß kümmert, der kümmert sich auch nicht um die Sache, welche verhindert werden kann, und hat folglich keine Willensneigung dafür, und wofür Jemand keine Willensneigung hat, das will er auch nicht. Wenn demnach der Zweck der Natur verhindert werden kann, was doch geschehen kann, so folgt nothwendig, daß Gott den Zweck der Natur nicht will; und so folgt auch das Frühere, nämlich daß Gott will, was er nicht will. Der Urgrund oder erste Satz ist also gewiß und wahr, aus dessen Gegensatz so Ungereimtes folgt.

Gleich dem Eingang muß man hinsichtlich dieser [62] Frage bemerken, daß die Wahrheit der ersten Frage weit mehr ins Licht gesetzt werden mußte, um die Unwissenheit als um den Zwiespalt wegzuräumen. Aber bei der zweiten Untersuchung kam es darauf an, wie und auf welche Weise sie sich zur Unwissenheit und zum Zwiespalt verhalte. Denn über Vieles, was wir nicht wissen, streiten wir nicht. Die Meßkunde zum Beispiel kennt die Quadratur des Kreises nicht, streitet jedoch nicht darüber. Auch der Gottesgelehrte weiß die Zahl der Engel nicht, ohne darüber zu streiten. Der Aegypter kennt das Bürgerthum der Scythen nicht, streitet aber auch darüber nicht. Die Wahrheit dieser dritten Untersuchung hat aber so viel Streit und Zwiespalt in sich, daß, wenn in andern Fällen die Unwissenheit die Ursache des Streites zu sein pflegt, hier der Streit die Ursache der Unwissenheit ist. Denn großen Männern, welche mit dem Blick der Vernunft der Neigung voranfliegen, begegnet es oft, daß sie übel gestimmt mit Hintansetzung des Lichtes der Vernunft in dieser Stimmung sich gleichsam blind hinreißen lassen und ihre Blindheit hartnäckig leugnen. Daher geschieht es oft, daß nicht blos die Falschheit die Oberhand gewinnt und Mehrere, ihre Grenzen verlassend, fremde Lager durchschwärmen, ohne sich selbst zu verstehen und ohne verstanden zu werden. Und so reizen sie Einige zum Zorn, Andere zum Aerger, Andere zum Gelächter. Gegen die Wahrheit, welche gesucht wird, stehen nun hauptsächlich drei Arten von Menschen auf. Nämlich der allerhöchste Papst, unsers Herrn Jesu Christi Stellvertreter und Petri Nachfolger, dem wir nicht so viel wie Christo, sondern so viel wie Petro schuldig sind, vielleicht aus Eifer für die Schlüssel, und mit ihm andere Hirten der griechischen Christen, und Andere, welche meines Bedünkens blos aus Eifer für die Mutter Kirche dazu bewogen werden, widersprechen der Wahrheit, welche ich darstellen werde, vielleicht aus Eifer (wie ich gesagt habe), nicht aus Stolz. Einige Andere aber, deren [63] widersetzliche Begierde das Licht der Vernunft auslöschte, und welche sich, während sie den Teufel zum Vater haben, Söhne der Kirche nennen, erregen nicht allein bei dieser Untersuchung Zwiespalt, sondern aus Abscheu, wenn sie nur das hochheilige Kaiserreich aussprechen hören, leugnen sie die Grundbegriffe dieser sowie der vorigen Untersuchungen mit Unverschämtheit. Es gibt noch eine dritte Klasse von Menschen, welche den Namen Dekretalisten führen und der Theologie und Philosophie durchaus unkundig und unwissend, auf ihre Dekretalen (welche ich für wahrhaft verehrungswürdig halte) mit ganzer Macht gestützt, aus Hoffnung, glaube ich, auf deren Vorrang, das Kaiserthum verkleinern. Auch ist das nicht zu verwundern, da ich einen von ihnen schon habe sagen und keck behaupten hören, daß die Ueberlieferungen die Grundlage des Glaubens seien. Dies ist dann freilich ein Frevel. Mögen sie in der Meinung der Menschen Die heruntersetzen, welche vor der Ueberlieferung der Kirche an den kommenden oder gegenwärtigen oder schon gelitten habenden Sohn Gottes, Christus, glaubten und gläubig auf ihn hofften, und hoffend in Liebe entbrannten, und welche die Welt für seine in Liebe entbrennenden Miterben gewißlich hält. Und damit dergleichen Menschen von der gegenwärtigen Kampfbahn völlig ausgeschlossen werden, muß man bemerken, daß es eine Schrift gibt vor der Kirche, eine andere mit der Kirche, und eine andere nach der Kirche. Vor der Kirche nämlich gab es das alte und neue Testament, ein ewiges Gebot, wie der Prophet sagt: denn diese sind es, wovon die Kirche spricht, wenn sie zu dem Bräutigam sagt: Ziehe mich nach dir! Mit der Kirche zugleich aber sind entstanden jene verehrungswürdigen ersten Kirchenversammlungen, bei welchen Christus gegenwärtig war, wie Niemand zweifelt, da wir wissen, daß er kurz vor seiner Himmelfahrt zu seinen Schülern gesagt hat: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“, wie [64] Matthäus[2] bezeugt. Es gibt auch Schriften der Gelehrten, des Augustinus und Anderer, deren Unterstützung durch den heiligen Geist nur Der bezweifelt, der dir Früchte derselben entweder gar nicht gesehen, oder, wenn er sie sah, doch nicht geschmeckt hat. Nach der Gründung der Kirche aber gibt es Ueberlieferungen, welche man Dekretalen nennt, die, wenn gleich nach apostolischem Ausspruch hochzuachten, dennoch der ihnen zur Grundlage dienenden heiligen Schrift zweifelsohne nachzusetzen sind, da Christus selbst einmal die Priester wegen entgegengesetzen Verfahrens schalt. Denn als sie fragten: Warum übertreten deine Schüler die Satzung der Alten? (denn sie vernachläßigten die Handwaschung) antwortete ihnen Christus laut Matthäus[3]: „Warum übertretet denn ihr Gottes Gebot euerer Satzung wegen?“ Hiemit deutet er hinreichend an, daß die Ueberlieferung nachzusetzen sei. Wenn nun die Ueberlieferung der Kirche erst nach Gründung der Kirche entstanden sind, so empfangen die Ueberlieferungen nothwendigerweise Ansehen von der Kirche, und nicht umgekehrt. Daher sind Die, welche blos auf die Ueberlieferungen halten, von dem Kampfplatz, wie gesagt, auszuschließen. Denn Diejenigen, welche dieser Wahrheit nachtrachten, müssen die Quellen, aus welchen das Ansehen der Kirche fließt, bei der Untersuchung zum Grunde legen. Nachdem diese ausgeschlossen sind, müssen demnächst Die ausgeschlossen werden, welche, mit Rabenfedern bedeckt, als weiße Schafe in der Heerde Christi gelten wollen. Das sind die Kinder der Bosheit, die, um ihre Schandthat auszuüben, die Mutter preisgeben, die Brüder austreiben und endlich keinen Richter haben wollen. Denn warum sollte gegen sie die Vernunft aufgeboten werden, da sie, durch ihre Begierde zurückgehalten, die Beweisgründe nicht einsehen? Daher bleiben als Gegner Die allein übrig, welche von einem irgend wie [65] beschaffenen Eifer für die Kirche geleitet, die Wahrheit, welche in Frage steht, verkennen. Mit diesen beginne ich denn, gestützt auf jene Ehrerbietung, welche der fromme Sohn seiner Mutter, fromm gegen Christus, fromm gegen die Kirche, fromm gegen den Hirten, fromm gegen alle Bekenner der christlichen Religion, in diesem Buche den Kampf für das Heil der Wahrheit.

Diejenigen aber, an welche diese ganze Auseinandersetzung gerichtet ist, werden bei ihrer Behauptung, daß das Ansehen des Kaiserthums von dem Ansehen der Kirche abhänge, gleichwie der niedere Arbeiter von dem Baumeister, von verschiedenen Gründen geleitet, welche sie theils aus der heiligen Schrift, theils aus gewissen Handlungen sowol des Papstes als des Kaisers selbst entnehmen; sie bemühen sich aber auch um einen Ausspruch der Vernunft. Denn erstlich sagen sie zufolge des Buches von der Schöpfung, daß Gott zwei große Lichter machte, ein größeres, das dem Tag, und ein kleineres, das der Nacht vorgesetzt sei. Dies wollten sie nun gleichnißmäßig ausgelegt haben als zwei Herrschgewalten, die geistliche und die weltliche. Sodann, gleichwie der Mond, als das kleinere Licht, sein Licht nicht anders als durch die Sonne empfängt, so habe das weltliche Reich keine andere Gewalt, als soweit es diese mit dem geistlichen Reiche empfange. Um diesen und andere ihrer Gründe zu beseitigen, ist zuvor zu bemerken, daß, nach der Meinung des Philosophen über die spitzfindigen Beweisführungen, die Wegräumung des Beweisgrundes die Darlegung des Irrthums ist. Und weil der Irrthum im Stoff oder in der Form des Beweises sich finden kann, so findet auch ein zweifaches Versehen statt, nämlich durch Annahme von etwas Falschem, oder durch Mangelhaftigkeit des Schlusses. Beides warf der Philosoph dem Parmenides und Melissus vor, nämlich, daß sie Falsches annähmen und nicht die Gesetze des Schlusses beobachteten. Falsches nehme ich hier im weiteren Sinne und verstehe [66] darunter auch das Unvereinbare, was in einem wahrscheinlichen Stoffe die Natur eines Vernunftschlusses an sich hat. Wenn nun der Fehler in der Form liegt, so ist der Schlußsatz von Dem, der ihn aufheben will, dadurch zu vernichten, daß er zeigt, die schlußmäßige Form sei nicht beobachtet. Liegt der Fehler im Stoffe, so besteht er darin, daß ohne Weiteres etwas Falsches angenommen ist, oder daß es in Folge von etwas Anderem falsch ist. Wenn, ohne Weiteres, oder einfach, so muß es durch Vernichtung der Annahme, wenn in Folge, durch Unterscheidung aufgehoben werden. Nachdem dies eingesehen ist, muß man zu größerer Verdeutlichung dieser und anderer weiterhin folgenden Lösungen darauf achten, daß es hinsichtlich des mystischen oder verborgenen Verständnisses einen doppelten Irrthum gibt, indem man ihn entweder sucht, wo er nicht ist, oder ihn anders auffaßt, als er aufgefaßt werden muß. Hinsichtlich des ersten sagt Augustin im Gottesstaat: Freilich nicht Alles, was erzählt wird, ist für bedeutend zu halten; aber wegen der Dinge, die etwas bedeuten, werden auch die, welche nichts bedeuten, hinzugefügt. Die Pflugschaar allein ist es, welche das Erdreich zerschneidet, aber damit dies geschehen könne, sind auch die übrigen Theile des Pfluges nöthig. Hinsichtlich des zweiten sagt Derselbe in dem Buch über die christliche Lehre, daß Derjenige, welcher die heiligen Schriften anders verstehen will als Diejenigen, welche sie schrieben, sich eben so täuscht wie Derjenige, welcher den rechten Weg verläßt und im Kreis umherirrend dennoch endlich dahin gelangt, wohin jener Weg führt, und fügt hinzu: Damit wollte ich anzeigen, daß die Gewohnheit, den rechten Weg zu verlassen, den Wanderer zwingt, kreuz und quer umherzuirren. Nachher deutet er auch die Ursache an, warum man sich vor solchem Verfahren mit der heiligen Schrift hüten müsse, indem er sagt: der Glaube wird schwankend und wankend, wenn das Ansehen der heiligen Schrift auf unsichern [67] Füßen steht. – Ich aber sage, wenn hiebei Unwissenheit zum Grunde liegt, so muß man nicht ablassen zu schelten und dann Nachsicht haben, sowie man mit Dem Nachsicht haben würde, der vor einem Löwen in den Wolken Angst hätte. Wenn dagegen Absicht zum Grunde liegt, so soll man mit Irrenden dieser Art es nicht anders machen als mit Wütherichen, die das öffentliche Recht nicht zum gemeinschaftlichen Nutzen verwalten, sondern es aus Eigennutz verdrehen. O Schandthat aller Schandthaten, selbst wenn es Jemandem im Traum widerführe, die Absicht des heiligen Geistes zu misbrauchen; denn nicht wird damit gesündigt gegen Moses, gegen David, gegen Hiob, gegen Matthäus, noch gegen Paulus, sondern gegen den heiligen Geist, der aus ihnen redet. Denn wenn gleich der Schreiber des göttlichen Wortes viele sind, so gibt es doch nur Einen, der es ihnen in die Feder sagt, und das ist Gott, der uns werth gehalten hat, uns seinen Willen durch die Kiele vieler Schreiber zu enthüllen. Nach diesen Vorbemerkungen hinsichtlich des oben Ausgesprochenen komme ich auf die Wegräumung jener obigen Behauptung, daß die beiden Lichter bildlich die beiden Herrschgewalten bedeuten; denn in diesem Ausspruche besteht der Nerv des Beweises. Daß aber diese Auslegung nicht zu gestatten ist, läßt sich auf doppelte Weise darthun. Denn erstlich da dergleichen Herrschgewalten eine Zuthat bei dem Menschen sind, so schiene Gott die Sache auf den Kopf gestellt zu haben und die Zuthat eher geschaffen zu haben als den Gegenstand selbst; und das hieße Gott eine Ungereimtheit zutrauen. Denn jene beiden Lichter sind am vierten Schöpfungstage hervorgebracht, der Mensch aber am sechsten, wie die Schrift lehrt; ferner, da diese Herrschgewalten von der Art sind, daß sie dem Menschen gewisse Schranken anweisen sollen, wie sich unten zeigen wird, so hätte ja der Mensch im Stande der Unschuld, dem ihm von Gott ursprünglich verliehenen, dergleichen Zurechtweisungen nicht bedurft. [68] Es sind dergleichen Herrschgewalten folglich Mittel gegen die menschliche schwächliche Hinneigung zur Sünde. Da also der Mensch am vierten Tage noch nicht sündhaft, sondern überhaupt noch gar nicht vorhanden war, so wäre es zweifelsohne unnütz gewesen, Mittel hervorzubringen; dies ist gegen die Güte Gottes. Denn das wäre ein thörichter Arzt, der vor der Geburt eines Menschen ihm für ein künftiges Geschwür ein Pflaster bereiten wollte. Es läßt sich also nicht behaupten, daß Gott am vierten Tage diese beiden Regierungsarten machte, und folglich konnte die Absicht des Moses nicht die sein, welche jene Menschen ihm unterschieben. Es kann dieses falsche Vorgehen auch auf eine duldsame Weise durch Unterscheidung weggeräumt werden. Denn dieses Verfahren der Unterscheidung ist glimpflicher gegen den Gegner, denn er erscheint dann nicht als vorsätzlicher Lügner, in welchem Lichte ihn das vernichtende Verfahren erscheinen läßt. Ich sage demnach, daß, wenn gleich der Mond nicht hinlänglich Licht hat, sofern er es nicht von der Sonne empfängt, daraus doch nicht folgt, daß der Mond von der Sonne entsprungen sei. Daher muß man wissen, daß das Wesen des Mondes und seine Kraft und seine Wirkung verschiedene Dinge sind. Was das Wesen anbetrifft, so hängt der Mond keineswegs von der Sonne ab, auch hinsichtlich der Kraft und der Wirkung an sich nicht, weil seine Bewegung von einem eigenen Beweger und sein Einfluß von seinen eigenen Stralen ausgeht. Denn er hat einiges Licht von sich selbst, wie dieses bei seiner Verdunkelung zu sehen ist; aber zur bessern und kräftigeren Wirkung empfängt er einiges Licht von der Sonne, nämlich ein reichliches, durch dessen Hinzutritt er dann kräftiger wirkt. So sage ich also, daß das weltliche Reich sein Wesen nicht von dem geistlichen erhält, noch auch seine Kraft, das heißt, sein Ansehen, noch seine Wirkung an sich, sondern ersteres empfängt freilich von letzterem etwas, um kräftiger zu wirken durch [69] das Licht der Gnade, das der Segen des Papstes ihm im Himmel und auf Erden zukommen läßt. Und deshalb irrte der Beweis in der Form, weil die Aussage des Schlußsatzes nicht der zweite Begriff im Obersatze ist, wie erhellt. Nämlich so: Der Mond empfängt Licht von der Sonne, als der geistigen Herrschaft: die weltliche Herrschaft ist der Mond: also empfängt die weltliche Herrschaft Ansehen von der geistlichen. Denn der zweite Begriff im Obersatz ist das Licht, die Aussage des Schlußsatzes aber das Ansehen: diese beiden sind aber verschieden nach Gegenstand und Weise, wie oben gezeigt wurde.

Sie nehmen auch einen Beweis her aus Mosis Schriften, indem sie sagen, daß aus den Lenden Jakob’s das Gleichniß dieser beiden Obrigkeiten gekommen sei in der Person des Levi und Juda, von denen der Eine der Vater des Priesterthums, der Andere der der weltlichen Herrschaft war; und folgern dann so: Gleichwie sich Levi zu Juda verhielt, so die Kirche zum Kaiserthum. Levi ging Juda voran in der Geburt laut der Schrift, folglich hat die Kirche den Vorrang vor dem Kaiserthum an Ansehen. Das läßt sich nun leicht widerlegen; denn wenn sie sagen, daß Levi und Juda, die Söhne Jakob’s, diese beiden Obrigkeiten vorbilden, so kann ich dies auf ähnliche Weise durch Wegräumung widerlegen; aber es mag einmal zugegeben werden. Sie schließen so: Sowie Levi in der Geburt vorangeht, so die Kirche im Ansehen. Ich sage auf ähnliche Weise, weil Aussage des Schlußsatzes und zweiter Begriff des Obersatzes verschieden sind. Denn Ansehen und Geburt sind verschieden im Gegenstand und in der Weise: es ist also in der Form ein Versehen. Das wäre etwa wie folgt: a geht b voran in c und d; e verhält sich wie a und b; also geht d dem e voran in f; f und d sind aber verschieden. Und wenn sie den Einwurf machten, daß f dem c folgt, das heißt, das Ansehen der Geburt; und daß man für das Vorhergehende das Nachfolgende setzen kann, z.B. Thier [70] für Mensch, so erkläre ich dies für falsch. Denn es gibt viele ältere Personen, die an Ansehen nicht nur nicht den Jüngern vorangehen, sondern umgekehrt, wie sich ergibt, wenn Bischöfe den Jahren nach jünger sind als die unter ihnen stehenden Archipresbyters. Und so scheint der Einwurf darin zu irren, daß sie Etwas als Ursache annehmen, was es nicht ist.

Auch nach dem Buchstaben des ersten Buches der Könige führen die Wahl und Absetzung Saul’s an, und sagen, daß Saul auf den Thron gesetzt und des Throns entsetzt wurde von Samuel, der statt Gott dies Amt verwaltete laut der Schrift. Und daraus folgern sie, daß, wie jener Stellvertreter Gottes das Recht hatte, die weltliche Herrschaft zu geben und zu nehmen, und auf einen Andern zu übertragen, so auch jetzt der Stellvertreter Gottes, der als allgemeiner Vorsteher der Kirche das Recht hat, den Stab der weltlichen Herrschaft zu geben, zu nehmen und auch zu übertragen. Hieraus würde ohne Zweifel folgen, daß das Ansehen des Kaiserthums abhängig wäre, wie sie sagen. Hierauf dient zur Antwort, um die Behauptung hinwegzuräumen, daß Samuel der Statthalter Gottes gewesen sei, daß er dies nicht als Statthalter, sondern als besonderer Gesandter für diesen Zweck, oder als ein Bote in besonderem Auftrage des Herrn that. Dies leuchtet ein, weil er nichts weiter als Gottes Befehl ausrichtete und überbrachte. Daher ist zu bedenken, daß zwischen einem Statthalter und einem Boten oder Diener ein Unterschied ist, sowie ein Lehrer und ein Ausleger auch nicht verwechselt werden müssen; denn ein Statthalter oder Stellvertreter ist Der, dem die Gerichtsbarkeit, sei es eine gesetzmäßige oder eine willkürliche, übertragen ist, und deswegen kann er innerhalb der Grenzen dieser gesetzmäßigen oder willkürlichen Gerichtsbarkeit etwas vornehmen, wovon der Herr durchaus nichts weiß. Der Bote kann das aber nicht, sofern er Bote ist; sondern gleichwie der Hammer blos vermöge [71] der Kraft des Schmids wirkt, so kann auch der Bote blos nach dem Gutünken Dessen handeln, der ihn schickt. Es folgt also nicht, daß, wenn Gott dies durch den Samuel als Boten that, daß der Statthalter Gottes dies auf gleiche Weise könne. Denn Vieles hat Gott durch Engel gethan, thut es und wird es thun, was der Statthalter Christi und Nachfolger Petri nicht thun könnte. Daher ist der Beweis dieser Menschen vom Ganzen auf den Theil so zu stellen: der Mensch kann hören und sehen, also kann das Auge hören und sehen. Das geht nun nicht. Aber es würde auf widerlegende Weise so gehen: der Mensch kann nicht fliegen, folglich können die Arme des Menschen nicht fliegen. Und gleichfalls so: Gott kann durch seinen Boten nicht bewirken, daß Geborenes nicht geboren ist, nach Agathon’s Meinung; folglich kann es auch der Statthalter nicht.

Sie führen auch nach dem Buchstaben des Matthäus das Geschenk der Magier an, und sagen, er habe zugleich Weihrauch und Gold empfangen, um damit anzuzeigen, daß er Herr und Verweser der geistlichen und weltlichen Angelegenheiten sei. Daher meinen sie, daß der Statthalter Christi Herr und Verweser derselben Dinge sei und folglich Gewalt über beiderlei habe. Hierauf antwortend lasse ich den Buchstaben des Matthäus und den Sinn desselben gelten; aber Das, was sie daraus herleiten, hat einen Fehler im Begriffe. Denn sie schließen so: Gott ist Herr der geistlichen und weltlichen Dinge: der Papst ist Statthalter Christi: folglich ist er Herr der geistlichen und weltlichen Dinge; denn beide Vordersätze sind wahr, aber der Mittelbegriff ist nicht derselbe, und das Ganze hat also vier Begriffe, was bei einem Schlusse nicht angeht: was aus der Lehre vom Schlusse einfach hervorgeht. Denn Gott im Obersatze und der Statthalter Gottes im Untersatze sind etwas Verschiedenes. Und wenn Jemand einwürfe, daß der Statthalter gleich gelte, so wäre dieser Einwurf unstatthaft, denn kein [72] Statthalteramt, sei es göttlich oder menschlich, kann dem Ansehen des Herrn gleichgelten. Dies beweist Levi; denn wir wissen, daß der Nachfolger Petri dem göttlichen Ansehen nicht gleichgilt, wenigstens in der Wirksamkeit der Natur. Denn er könnte doch nicht machen, daß der Erdboden in die Höhe stiege oder das Feuer nach unten aufflamme vermöge des ihm anvertrauten Auftrages: auch könnte ihm nicht Alles von Gott übertragen werden, z. B. die Macht zu erschaffen und desgleichen zu taufen, wie überzeugend darzuthun ist, wenn gleich der Meister das Gegentheil im vierten Kapitel sagt. Wir wissen auch, daß der Stellvertreter eines Menschen diesem nicht gleichgilt, insofern er Stellvertreter ist, weil Niemand weggeben kann, was nicht sein ist. Das fürstliche Ansehen gehört dem Fürsten blos zum Gebrauch; denn kein Fürst kann sich selbst das Ansehen geben: annehmen kann er es aber und zurückgeben: aber einen Andern erschaffen kann er nicht, weil die Schöpfung des Fürsten nicht vom Fürsten abhängt. Wenn dies so ist, so leuchtet ein, daß kein Fürst einen Stellvertreter an seine Stelle setzen kann, der ihm in Allem gleichgölte; weil der Einwurf kein Gewicht hat.

Desgleichen führen sie nach dem Buchstaben desselben Verfassers die Worte Christi zu Petrus an: „Und Alles, was du auf Erden gebunden hast, das wird auch im Himmel gebunden sein; und Alles, was du auf Erden gelöset hast, das wird auch im Himmel gelöst sein“; welche Worte auch an alle übrigen Apostel gerichtet sind. Desgleichen bringen sie die Worte des Matthäus und Johannes bei und schließen daraus, daß der Nachfolger Petri mit Bewilligung Gottes sowol binden wie lösen könne. Und daher meinen sie, daß er die Beschlüsse und Gesetze des Kaiserthums lösen und die Gesetze und Beschlüsse für die weltliche Macht binden könne; woraus denn allerdings Das folgen würde, was sie behaupten. Hi bei ist nun zu unterscheiden und der Obersatz anzugreifen, [73] dessen sie sich bedienen. Denn sie schließen so: Petrus konnte Alles lösen und binden: der Nachfolger Petri kann Alles, was Petrus konnte; also kann der Nachfolger Petri Alles lösen und binden; daher behaupten sie, daß er das Ansehen und die Beschlüsse des Kaiserthums lösen und binden könne. Den Untersatz gebe ich zu: den Obersatz aber nicht ohne Unterscheidung. Und daher sage ich, daß dieser allgemeine Begriff Alles, das Sämmtliche, was er in sich schließt, niemals die ihm zugetheilten Schranken verändert und überschreitet. Denn wenn ich sage: Alles Thier läuft, so schließt der Begriff Alles das Sämmtliche ein, was man unter Thiergeschlecht zusammenfaßt. Wenn ich aber sage: Jeder Mensch oder Alles, was Mensch ist, läuft, so bezieht sich dies Alles nur auf den Begriff des Menschen. Und wenn ich sage: Jeder Grammatiker, oder Alles, was Grammatiker ist, so wird der Begriff des Alles noch mehr beschränkt. Daher muß man stets darauf merken, was der allgemeine Begriff in sich schließt; daraus geht dann leicht hervor, wie weit sich die Schranken erstrecken, nämlich durch die Beschaffenheit und den Umfang des Begriffes. Wenn nun der Begriff Alles, der in dem Satz: Alles, was du bindest, sich findet, unbeschränkt genommen würde, und es wahr wäre, was sie sagen, so würde der Papst nicht blos das Genannte thun können, sondern er könnte auch die Frau von dem Manne lösen, uns sie mit einem andern verbinden bei Lebzeiten des ersten, was doch gar nicht angeht. Er könnte mich auch lösen, wenn ich nicht bereute, was doch Gott selbst nicht im Stande wäre. Da sich dies so verhält, ist es offenbar, daß der Begriff nicht allgemein, sondern bezüglich zu fassen ist. Diese Beziehung ist aber klar genug, wenn man betrachtet, was durch diesen Begriff eingeräumt wird. Denn Christus sagt zu Petrus: Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben, d. h. dich zum Pförtner des Himmels machen. Nachher fügt er hinzu: Und was immer, das [74] heißt, Alles, was: das heißt, Alles, was dies Amt betrifft, wirst du lösen und binden können. Und so beschränkt sich der allgemeine Ausdruck des Was immer – auf das Amt des himmlischen Schlüsselträgers. Und so genommen ist der Satz wahr, unbeschränkt genommen aber nicht, wie klar ist. Und deshalb sage ich, daß, obgleich der Nachfolger Petri nach der Befugniß des ihm anvertrauten Amtes lösen und binden kann, nicht jedoch daraus folgt, daß er die Beschlüsse der Kaisergewalt, oder die Gesetze, wie sie behaupten, lösen oder binden kann, wenn nicht etwa weiter bewiesen würde, daß dies zum Schlüsselamte gehöre, dessen Gegentheil späterhin dargethan werden wird.

Sie greifen auch den Ausspruch des Lukas auf, nämlich wo Petrus zu Christus sagt: Siehe, hier sind zwei Schwerter – und behaupten, daß unter den beiden Schwertern die beiden genannten Herrschgewalten verstanden werden, und da Petrus sich des Ausdruckes hier bediene, d. h. bei ihm, dem Petrus, so schließen sie daraus, daß diese beiden Herrschgewalten dem Ausspruche zufolge bei dem Nachfolger Petri sind. Hier läßt sich nun der Sinn, den sie den Worten unterlegen, wegräumen. Denn ihre Behauptung, daß unter den beiden Schwertern des Petrus die beiden Herrschgewalten zu verstehen sind, ist geradehin zu verneinen: theils weil jene Antwort der Absicht Christi nicht entsprochen haben würde, theils weil Petrus nach seiner Weise plötzlich antwortete und dabei nur an das nächste Vorliegende dachte. Das Erstere, daß die Antwort der Absicht Christi nicht entsprochen haben würde, geht aus der Betrachtung der vorhergehenden Worte und der Ursache derselben hervor. Man muß nämlich wissen, daß dies am Tage des Abendmahles vorfiel, was Lukas mit den Worten anzeigt: „Es kam nun der Tag der süßen Brote, auf welchen man mußte opfern das Osterlamm. Bei diesem Abendmahle hatte Christus vorausgesagt sein nahes Leiden, wobei er [75] von seinen Schülern werde getrennt werden.“ Ferner muß man wissen, daß bei diesen Worten alle zwölf Jünger gegenwärtig waren; denn Lukas sagt gleich darauf: „Und da die Stund kam, setzte er sich nieder, und die zwölf Apostel mit ihm.“ In dem weitern Gespräch heißt es dann: „So oft ich euch gesandt habe ohne Beutel, ohne Tasche und ohne Schuhe, habt ihr auch je Mangel gehabt?“ Sie sprachen: „Nie keinen.“ Da sprach er zu ihnen: „Aber nun, wer einen Beutel hat, der nehme ihn, desselbigen gleichen auch die Tasche. Wer aber nicht hat, verkaufe sein Kleid und kaufe ein Schwert.“ Hieraus geht die Absicht Christi aufs deutlichste hervor; denn er sagte nicht: Kauft oder nehmt zwei Schwerter, oder gar zwölf, da er zu seinen zwölf Jüngern sprach: Wer nicht hat, kaufe, damit Jeder eins habe. Auch wollte er sie mit diesen Worten an die künftigen Drangsale und an die künftige ihnen zu Theil werdende Verachtung mahnen, als ob er sagte: So lange ich bei euch war, waret ihr sicher; nun aber werdet ihr vertrieben werden, sodaß ihr euch mit Dem versehen müßt, was ich euch bisher zu thun abgehalten habe, und zwar wegen der zukünftigen Noth. Wenn daher die Antwort Petri hierauf in jener Absicht gegeben wäre, so hätte sie der Absicht Christi wenigstens nicht entsprochen und nicht auf den ihm von Christus gemachten Vorwurf gepaßt; wie er ihn denn oft wegen ungeschickter Antworten schalt. Hier aber that er das nicht, sondern beruhigte ihn mit den Worten: „Es ist genug“, als ob er sagen wollte: Zur Noth, meine ich, wenn nicht Jeder eins haben kann, so genügen zwei. – Und daß Petrus nach seiner Weise obenhin sprach, beweist seine rasche und nicht zuvor überlegte Rede, wozu ihn nicht blos sein lauterer Glaube antrieb, sondern auch meines Bedünkens seine natürliche Reinheit und Herzenseinfalt. Diese seine Vorschnelligkeit bezeugen alle Geschichtschreiber Christi. So sagt Matthäus, daß auf Christi Frage an die Jünger: Wer sagt ihr, daß ich sei? [76] Petrus vor den Andern geantwortet habe: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Er schreibt ferner, daß, als Christus zu seinen Jüngern sagte, er müsse nach Jerusalem gehen und viel leiden, Petrus ihn vorschnell angefahren habe mit den Worten: Das sei ferne von dir, Herr, das wird dir nicht geschehen! worauf Christus sich tadelnd an ihn wandte und sagte: Gehe hinter mir, Satanas! – Desgleichen schreibt er, daß er auf dem Berge der Verklärung im Angesichte Christi, Mosis und Elias und der beiden Söhne des Zebedäus sagte: Hier ist gut sein; wenn du willst, so machen wir hier drei Hütten, dir eine, dem Moses eine und dem Elias eine. Desgleichen schreibt er, daß, als die Jünger bei der Nacht im Schiff waren, und Christus auf dem Wasser ging, Petrus zu ihm sagte: Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. – Desgleichen, als Christus seinen Jüngern das Aergerniß vorhersagte, antwortete Petrus: Wenn gleich Alle sich an dir ärgerten, werde ich mich nie an dir ärgern. Und weiterhin: Wenn ich mit dir zugleich sterben soll, werde ich dich nicht verleugnen. – Und dies bezeugt auch Markus. Lukas aber schreibt, daß Petrus auch kurz vor den Worten wegen der Schwerter zu Christus gesagt habe: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängniß und in den Tod zu gehen. Johannes aber führt, als Christus dem Petrus die Füße waschen wollte, die Worte des Petrus an: Herr, du wäschest mir die Füße? Und weiterhin: Du wirst sie mir in Ewigkeit nicht waschen. Es sagt auch, daß Petrus sogar einen Knecht des Hohenpristers verwundet habe, was übrigens alle vier bezeugen. Johannes sagt auch, daß Petrus gleich in das Grabgewölbe hineingegangen sei, als er einen andern Jünger an der Thür stillstehen sah. Und ferner, daß, als Christus nach der Auferstehung sich am Ufer befand, und Petrus gehört hatte, es sei der Herr, sich gürtete (denn er war nackt) und ins Meer stieg. Und zuletzt, daß Petrus, [77] als er den Johannes gesehen hatte, zu Jesus sagte: Was soll er thun? Es freut mich nämlich, dies von unserm Erzhirten zum Lobe seiner Reinheit zusammenzutragen, woraus deutlich hervorgeht, daß er mit seinen Worten von den beiden Schwertern in aller Einfachheit Christo antwortete. Will man jene Worte Christi und Petri sinnbildlich nehmen, so sind sie doch nicht auf Das, was meine Gegner sagen, zu beziehen, sondern auf die Bedeutung jenes Schwertes, von welchem Matthäus schreibt: Glaubet nicht, daß ich in die Welt gekommen bin, den Frieden zu bringen: nicht bin ich gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Sohn vom Vater zu trennen u. s. w. Dies geschieht aber sowol mit dem Worte als mit der That. Deswegen sagt Lukas zum Theophilus: Was Jesus anfing zu thun und zu lehren. Ein solches Schwert befahl Christus zu kaufen, und daß dergleichen zwei da wären, antwortete Petrus. Denn zu Wort und That waren sie bereit, um damit nach Christi Worten zu thun, nach den Worten, daß er gekommen sei, um mit dem Schwert zu handeln, wie gesagt ist.

Einige sagen überdies, daß der Kaiser Konstantin nach seiner Reinigung vom Aussatze auf Fürbitte des damaligen Papstes Sylvester den Sitz des Reiches, nämlich Rom, der Kirche zum Geschenk machte, nebst vielen andern Würden des Kaiserthums. Hieraus beweisen sie, daß späterhin Niemand diese Würden empfangen konnte, ausgenommen von der Kirche als Eigenthümerin derselben. Und hieraus würde allerdings folgen, daß Ein Ansehen von dem andern abhänge, wie sie wollen. Nachdem wir nun die Beweisgründe gelöst und beseitigt haben, welche ihre Wurzeln in göttlichen Aussprüchen zu haben schienen, bleiben jetzt diejenigen zu beseitigen und zu widerlegen übrig, welche in den menschlichen Thaten und in der menschlichen Vernunft wurzeln. Hievon hat nun der erste, welcher vorangeschickt wird, folgende Schlußform: [78] Das, was der Kirche gehört, kann Niemand mit Recht erhalten, es sei denn von der Kirche, und dies wird eingeräumt. Die römische Herrschaft gehört der Kirche: also kann sie Niemand mit Recht besitzen, es sei denn durch die Kirche. Den Untersatz beweisen sie durch Das, was oben von dem Konstantin berührt ist. Diesen Untersatz streiche ich nun, und den Beweis nenne ich einen Nichtbeweis, weil Konstantin die kaiserliche Würde weder verschenken noch die Kirche sie annehmen durfte. Und wenn sie hartnäckig darauf bestehen, so erkläre ich mich folgendermaßen: Niemandem ist es erlaubt, vermöge eines ihm übergebenen Amtes Etwas zu thun, was gegen dieses Amt ist, weil sonst eines und dasselbe, sofern es dieses ist, sich selbst entgegen wäre, was unmöglich ist. Aber es ist gegen das dem Kaiser übertragene Amt, das Kaiserthum zu zerspalten, da es dessen Pflicht ist, das menschliche Geschlecht Einem Wollen und Einem Nichtwollen unterthan zu erhalten, wie im ersten Buche klärlich zu ersehen ist. Das Kaiserthum zu zerspalten ist also dem Kaiser nicht erlaubt. Wenn also durch Konstantin einige Würden, wie sie sagen, von dem Kaiserthum entfremdet und in die Gewalt der Kirche übergegangen wären, so wäre das unzertrennbare Gewand zerrissen, das Diejenigen nicht zu zerreißen wagten, welche den wahren Gott Christus mit der Lanze durchbohrten. Ueberdies sowie die Kirche ihren Grund hat, so auch das Kaiserthum den seinen; denn der Grund der Kirche ist Christus, daher der Apostel an die Corinther schreibt: Einen andern Grund kann Niemand legen als welcher gelegt ist, nämlich Christus Jesus. Er selbst ist der Fels, auf dem die Kirche gebaut ist. Der Grund des Kaiserthums aber ist das menschliche Recht. Und so sage ich, daß, wie es der Kirche nicht erlaubt ist, ihrem Grunde zuwiderzuhandeln, sondern sie immer auf ihn sich stützen muß, laut der Worte des Hohenliedes: Wer ist die, die heraufgehet aus der Wüste, von Süßigkeiten triefend, gelehnt auf ihren Freund? – [79] so auch dem Kaiserthum es nicht erlaubt ist, etwas gegen das menschliche Recht zu thun; aber gegen das menschliche Recht wäre es, wenn das Kaiserthum sich selbst zerstörte; also sich selbst zu zerstören ist dem Kaiserthum nicht erlaubt. Wenn nun das Kaiserthum zerspalten und es zerstören dasselbe ist, insofern das Kaiserthum in der Einheit der allgemeinen Alleinherrschaft besteht, so darf der Verweser des Ansehens des Reiches offenbar das Kaiserthum nicht zerspalten. Daß aber das Kaiserthum zu zerstören gegen das menschliche Recht sei, erhellt aus Obigem. Ueberdies ist alle Gerichtsbarkeit früher als der Richter. Denn der Richter wird zur Rechtspflege bestellt, nicht aber umgekehrt. Aber dem Kaiserthum gehört die Gerichtsbarkeit oder Rechtspflege, welche alle weltliche Gerichtsbarkeit in sich schließt; also ist sie früher als ihr Richter, der Kaiser, weil der Kaiser dazu bestellt ist, und nicht umgekehrt. Hieraus erhellt, daß der Kaiser damit keine Aenderung vornehmen kann, sofern er Kaiser ist, da er von ihr seine Wesenheit empfängt. Ich meine nämlich so: Entweder war er Kaiser, als er der Kirche etwas verliehen haben soll, oder er war es nicht: im letztern Falle ist es deutlich, daß er nichts vom Reiche verleihen konnte. Wenn er es aber war, so durfte er es als Kaiser auch nicht, da eine solche Verleihung eine Verringerung der Gerichtsbarkeit war. Ferner, wenn Ein Kaiser irgend einen Theil von der Gerichtsbarkeit des Kaiserthums abreißen konnte, so konnte es auf dieselbe Weise auch ein anderer Kaiser. Und da jede weltliche Gerichtsbarkeit begrenzt ist, und alles Begrenzte aus begrenzten Abschnitten besteht, so würde folgen, daß die erste Gerichtsbarkeit vernichtet werden könnte, was unvernünftig ist. Ueberdies da der Verleihende und der Empfänger in dem Verhältnisse des Handelnden und des Leidenden stehen, wie der Philosoph lehrt im vierten Buch an den Nikomachus, so wird zu einer Verleihung nicht blos die Neigung des Verleihers, sondern auch die des [80] Empfängers gefordert. Denn es scheint in dem Leidenden und Geneigten die Handlung der Handelnden zu sein; aber die Kirche war völlig abgeneigt, Zeitliches anzunehmen, vermöge des ausdrücklichen Verbotes, wie wir es im Matthäus haben: „Wollet nicht Gold besitzen, noch Silber, noch Geld in euerm Gürtel, noch eine Tasche unterwegs u. s. w.“ Und wenn sich gleich bei Lukas eine gewisse Beschränkung dieses Verbotes findet, so habe ich doch nicht finden können, daß nach jenem Verbote der Kirche eingeräumt sei, Gold und Silber zu besitzen. Wenn die Kirche daher die Gabe Konstantin’s nicht in Empfang nehmen durfte, angenommen, daß ihm diese zu verleihen verstattet gewesen wäre: so war doch jene Handlung nicht möglich hinsichtlich der Neigung des Empfängers. So ist denn klar, daß weder die Kirche etwas als Besitz in Empfang nehmen, noch jener etwas durch Verleihung zum Eigenthum eines Andern machen konnte. Dennoch konnte der Kaiser zum Schirm der Kirche ein Erbgut und Anderes hingeben, doch so, daß das Recht des ersten Besitzers unangetastet blieb, dessen Einheit die Theilung nicht zuläßt. Und so konnte auch der Statthalter Christi es in Empfang nehmen, nicht als Besitzer, sondern als ein Vertheiler der Zinsen an die Kirche und an die armen Christen, wie wir denn wohl wissen, daß es die Apostel thaten.

Noch führen sie an, daß der Papst Hadrian Karl den Großen sich und der Kirche zu Frommen berief zur Zeit des Desiderius, des Königs der Longobarden, und daß Karl von ihm die Kaiserwürde empfing, ungeachtet Michael zu Konstantinopel Kaiser war. Sie sagen deswegen, daß alle nachherigen römischen Kaiser, sowie er selbst, von der Kirche berufen waren und von der Kirche berufen werden müssen. Daraus würde auch jene Abhängigkeit folgen, welche sie daraus ableiten wollen. Um dies zu widerlegen, sage ich, daß sie nichts sagen; denn angemaßtes Recht ist kein Recht. Denn in diesem Fall [81] könnte man auch beweisen, daß das Anshen der Kirche von dem Kaiser abhange, insofern Kaiser Otto den Papst Leo wiedereinsetzte und den Benedikt absetzte und in die Verbannung nach Sachsen schickte.

Vernunftgemäß aber schließen sie so. Sie nehmen zu dem Ende aus dem zehnten Buch der ersten Philosophie den Satz: Alles, was Einer Art ist, läßt sich auf Eins zurückführen, und dies ist das Maß aller der Dinge, welche zu dieser Art gehören. Nun sind alle Menschen von Einer Art: also lassen sie sich auf Eins zurückführen als das Maß aller Menschen. Und da der höchste Kirchenvorsteher und der Kaiser Menschen sind, so müssen alle Menschen, sofern der Schluß wahr ist, sich auf Einen Menschen zurückführen lassen. Und da der Papst nicht auf einen andern zurückzuführen ist, so bleibt nichts übrig, als daß der Kaiser sammt allen übrigen auf ihn zurückzuführen, und wie auf ein Maß und eine Regel zu beziehen ist. So folgt denn Das, was sie wollen. Zur Widerlegung sage ich nun, daß sie mit ihrer Behauptung: Alles, was Einer Art sei, müßte auf eins von dieser Art als das Maß derselben bezogen werden, Recht haben, sowie auch mit der zweiten, daß alle Menschen Einer Art sind. Und Dem gemäß schließen sie richtig, daß alle Menschen auf Ein Maß innerhalb ihrer Art zurückzuführen sind. Aber wenn sie bei diesem Schluß den Papst und den Kaiser einschieben, so täuschen sie sich in Hinsicht des Zufälligen oder der unwesentlichen Nebenbestimmung. Um sich hievon zu überzeugen, muß man bedenken, daß die Begriffe Mensch und Papst, und ebenso Mensch und Kaiser nicht gleich sind, und daß Mensch und Vater und Herr nicht verwechselt werden dürfen. Denn ein Mensch ist Das, was er ist, durch die wesentliche Form, wodurch er Art und Geschlecht gewinnt, und durch welches er unter die Bestimmung eines Wesens fällt. Ein Vater ist aber Das, was er ist, durch die zufällige Form, das [82] heißt, die Beziehung, durch welche er eine gewisse Art und Geschlecht gewinnt, und unter das Geschlecht hinsichtlich auf Etwas, das heißt, der Beziehung, fällt. Sonst würde alles auf die Bezeichnung des Wesens zurückgeführt werden, da keine zufällige Form durch sich selbst besteht ohne die Unterlage einer bestehenden Wesenheit: was falsch ist. Wenn also Papst und Kaiser Das, was sie sind, durch gewisse Beziehungen sind, nämlich des Pabstthums und des Kaiserthums, welche Beziehungen sind, das eine auf den Begriff der Väterlichkeit, das andre auf den Begriff der Herrschaft, so ist deutlich, daß der Papst und Kaiser in dieser Hinsicht unter den Begriff des Verhältnisses fallen und folglich auf etwas in jener Gattung sich Befindende bezogen werden müssen. Ich meine also, verschieden ist das Maß, auf welches sie als Menschen von Dem, auf welches sie als Pabst und Kaiser zu beziehen sind, und zwar als Menschen auf den besten Menschen, der das Maas aller übrigen und, so zu sagen, das Gedankenbild ist, und wer auch jener sein möge, doch auf Einen in seiner Gattung Vorhandenen, wie aus den letzten Büchern an den Nikomachus zu ersehen ist. Sofern sie aber gewisse Bezüglichkeiten sind, wie es klar ist, so sind diese entweder auf den Richter zurückzuführen, sofern eins mit dem andern wechselt, oder sie haben vermöge der Beziehung als Artbegriffe Verwandtschaft miteinander, oder sie beziehen sich auf etwas Drittes, worauf sie zurückgeführt werden, wie auf die gemeinschaftliche Einheit. Aber es läßt sich nicht sagen, daß es Wechselbegriffe wären, denn dann ließe sich das Eine von dem Andern aussagen, was falsch ist; denn der Kaiser Decius ist nicht Papst und umgekehrt. Eben so wenig läßt sich sagen, daß sie als Artbegriffe Verwandtschaft hätten, da die Beschaffenheit des Papstes eine andre ist, als die des Kaisers, soweit dies ein Jeder ist. Folglich werden sie auf Etwas zurückgeführt, worin sie sich vereinigen. Nun muß man wissen, daß, sowie [83] sich die Beziehung zur Beziehung, so das Bezügliche auf das Bezügliche verhält. Wenn also das Papstthum und Kaiserthum, da sie Beziehungen eines Oberbegriffs sind, sich beziehen lassen hinsichtlich dessen, unter welchen sie mit ihren Unterschieden gehören: so lassen sich Papst und Kaiser als bezügliche Begriffe auf etwas Eines beziehen, in welchem sich die Hinsicht, oder die Bedeutung des Oberbegriffs ohne weitere Unterschiede findet. Und dies wird entweder Gott selbst sein, in dem sich jede Rücksicht sammt und sonders vereint, oder eine unter Gott stehenden Wesenheit, in welcher die Rücksicht auf den Oberbegriff durch den Untschied des Oberbegriffs von der einfachen Rücksicht sich hinaberstreckend, zur Besonderheit wird. Und so ist klar, daß Papst und Kaiser, als Menschen, auf Einen Menschen zurückzubeziehen sind, als Papst und Kaiser aber auf etwas Anderes, und zwar ohne Zweifel auf die Vernunft.

Nach Beseitigung und Entfernung der Irrthümer, auf welche sich vorzugsweise Diejenigen stützen, welche meinen, daß das Ansehen der weltlichen römischen Herrschaft von dem römischen Oberhirten der Kirche abhänge, wenden wir uns wieder an die Darstellung der Wahrheit dieser dritten Untersuchung, welche von Anfang an als Gegenstand aufgestellt wurde, welche Wahrheit sich hinlänglich zeigen wird, wenn ich nach festgestelltem Grundgedanken für die Untersuchung dargethan haben werde, daß das obgenannte Ansehen unmittelbar von dem Gipfel alles Seins abhänge, welcher Gott ist. Und dies wird geschehen, entweder wenn das Ansehen der Kirche von jenem geschieden wird, da über das andere kein Zwist ist, oder wenn augenfällig bewiesen wird, daß es unmittelbar von Gott abhängt. Daß aber das Ansehen der Kirche nicht der Grund des kaiserlichen Ansehens ist, läßt sich so beweisen: Dasjenige, bei dessen Nichtvorhandensein oder Nichtwirksamsein ein Andres seine ganze Kraft hat, ist nicht die Ursache jener Kraft: das Kaiserthum [84] hatte aber während des Nichtvorhandenseins oder Nichtwirksamseins der Kirche seine ganze Kraft: also ist die Kirche nicht die Ursache der Kraft des Kaiserthums, und folglich auch nicht des Ansehens desselben, weil Kraft und Ansehen gleichbedeutend sind. Es sei die Kirche a, das Kaiserthum b, das Ansehen oder die Kraft des Kaiserthums c. Wenn nun, ohne das a da ist, c in b ist, so kann a unmöglich die Ursache sein, daß c in b ist, weil es unmöglich ist, daß die Wirkung der Ursache eines Seins vorangehe. Ferner, wenn, ohne Wirkung des a, c in b ist, so folgt nothwendig, daß a nicht die Ursache Dessen sei, daß c in b ist, da es nothwendig ist, daß zur Hervorbringung einer Wirkung die Ursache und zumal die, welche das Beabsichtigte bewirkt, zuvorwirke. Der Obersatz dieses Beweises ist hinsichtlich seiner Begriffe erklärt. Den Untersatz bestätigt Christus und die Kirche, Christus durch seine Geburt und seinen Tod, wie oben gesagt ist; die Kirche, da Paulus in der Apostelgeschichte zu Festus sagt: „Ich stehe vor des Kaisers Gericht, da soll ich mich lassen richten.“ Auch der Engel des Herrn sagt bald darauf zu Paulus: „Fürchte dich nicht, Paulus, du mußt vor den Kaiser gestellt werden.“ Und weiterhin sagt wiederum Paulus zu den Juden in Italien: „Da aber die Juden dawider redeten, ward ich genöthigt, mich auf den Kaiser zu berufen, nicht, als hätte ich mein Volk etwas zu verklagen, sondern um meine Seele vom Tode zu erretten.“ Wenn nun der Kaiser nicht schon damals das Recht gehabt hätte, weltliche Händel zu richten, so hätte weder Christus uns davon überzeugt, noch der Engel jene Worte gesprochen, noch Jener, welcher sagte: „Ich wünsche aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein“ – einen ungeziemenden Richter angerufen. Wenn auch Konstantin das Recht und Ansehen nicht gehabt hätte, Schirmvogt der Kirche zu sein, hätte er der Kirche Das, was er ihr zutheilte, nicht mit Recht zutheilen können; [85] desgleichen hätte die Kirche sich jener Erweisung unrechtmäßigerweise bedient, da Gott will, daß erwiesene Geschenke unbefleckt seien, laut des Ausspruchs im dritten Buche Mosis: „Jedes Opfer, das dem Herrn dargebracht wird, soll ohne Sauerteig sein.“ Wenngleich diese Vorschrift an die Darbringer gerichtet zu sein scheint, so ist sie es der Folge wegen nichtsdestoweniger an die Empfänger. Denn es ist thöricht zu glauben, daß Gott die Annahme billige, wenn er die Darbringung verbietet, wie denn auch in demselben Buch den Leviten geboten wird: „Beflecket eure Seelen nicht und rühret nichts davon an, um euch nicht zu verunreinigen.“ Aber zu sagen, daß die Kirche das ihre zugetheilte Erbgut misbrauche, ist sehr unpassend: Daher war Das falsch, woraus dies folgte.

Ferner, wenn die Kirche die Kraft hätte, den römischen Kaiser zu bevollmächtigen, so hätte sie diese entweder von Gott, oder von sich selbst, oder von irgend einem Herrscher, oder von der allgemeinen Zustimmung der Menschen, oder wenigstens von den vornehmsten derselben. Ein andrer Ausweg bleibt nicht übrig, auf welchem diese Kraft der Kirche zufließen sollte. Aber sie hat sie von keinem der Angeführten: folglich hat sie die erwähnte Kraft nicht. Und daß dies so ist, erhellt aus Folgendem. Denn wenn sie sie von Gott empfangen hätte, so wäre dies geschehen entweder durch ein göttliches oder durch ein natürliches Recht. Was man von der Natur empfängt, das verändert sich nicht. Aber es ist nicht durch ein natürliches Gesetz geschehen; denn die Natur legt ein Gesetz nicht anders auf, als durch die Wirkungen, da Gott nicht unvermögend sein kann, wo er ohne vermittelnde Kräfte etwas ins Dasein ruft. Da nun die Kirche nicht eine Wirkung der Natur ist, sondern Gottes, welcher spricht: „Auf diesem Fels werde ich meine Kirche erbauen“ – und an einem andern Ort: „Ich habe das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, [86] damit ich es thue:“ so ist offenbar, daß ihr die Natur das Gesetz nicht gegeben hat. Aber auch nicht durch göttliches Gesetz; denn alle göttlichen Gesetze sind enthalten im Schooße der beiden Bunde oder Testamente, in welchem Schooße ich aber nicht finden kann, daß die Sorge für das Zeitliche dem ersten oder letzten Priesterthume anvertraut sei. Vielmehr finde ich, daß die ersten Priester von der wetlichen Macht auf Befehl abgesetzt sind, wie aus dem erhellt, was Gott zu Moses: und die Priester der letzten Zeit aus Dem, was Christus zu den Jüngern sagte. Nun ist es nicht möglich, daß ihnen diese Sorge genommen sei, wenn das Ansehen der weltlichen Herrschaft ein Ausfluß des Priesterthums wäre, da die Sorge der Obwaltung wenigstens in der Bevollmächtigung läge, und sodann auch die fortwährende Sicherstellung, daß der Bevollmächtigte nicht von dem rechten Pfade abweiche. Daß sie diese Kraft nicht aber von sich selbst erhalten hat, erhellt auf diese Weise: Man kann nicht geben, was man nicht hat. Nun muß alles Wirkende in seiner Wirksamkeit so Etwas sein, was das Wirken beabsichtigt, wie dies die Schriften über das einfache Wesen ausweisen. Aber es versteht sich, daß, wenn die Kirche sich diese Kraft gab, sie dieselbe nicht eher hatte, als bis sie sich dieselbe gab. Und so hätte sie sich Etwas gegeben, was sie nicht hatte, was unmöglich ist. Daß sie diese aber nicht von einem Herrscher empfing, ist aus dem vorher Bewiesenen deutlich. Daß sie ihr endlich nicht durch die Zusammenstimmung aller oder der vornehmsten Menschen zu Theil wurde, bezweifelt wohl Niemand, da nicht nur alle Asiaten und Afrikaner, sondern auch der größere Theil der Bewohner Europas dem widerstrebt. Denn es ist widerlich, die sonnenklarsten Dinge noch zu beweisen.

Desgleichen: Das, was gegen die Natur eines Dinges ist, gehört nicht zu der Zahl seiner Kräfte, da die Kräfte eines jeden Dinges der Natur desselben zur Erreichung [87] des Zweckes folgen. Aber die Kraft, die Herrschaft unsrer Sterblichkeit unter ihre Vollmacht zu nehmen, ist gegen die Natur der Kirche. Also gehört diese Kraft nicht zu der Zahl ihrer Kräfte. Um den Untersatz zu beweisen, muß man wissen, daß die Natur der Kirche ihre Form ist. Denn obgleich Natur auf Stoff und Form bezogen wird, so gebraucht man diesen Ausdruck doch gewöhnlich von der Form, wie bewiesen ist im zweiten Buch von der Natur. Die Form der Kirche aber ist nichts Anderes als das Leben Christi, das sich sowol in seinen Reden als in seinen Handlungen darstellt. Denn sein Leben war das Vorbild und Muster der streitenden Kirche, besonders der Hirten, und zumal des Oberhirten, dessen Pflicht es ist, die Schafe und Lämmer zu weiden. Daher sagt er selbst, indem er in Johannes die Form seines Lebens zurückließ: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit, gleichwie ich euch gethan habe, auch ihr thuet.“ Und insbesondere zum Petrus sagte er, als er ihm das Amt des Hirten anvertraute, wie wir in ihm denselben haben: „Petrus, folge mir!“ Aber Christus wies eine Herrschaft dieser Art, als er vor Pilatus stand, von sich. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt, – sagte er; wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so würden meine Diener ja für mich streiten, daß ich den Juden nicht überliefert würde; mein Reich ist aber nicht von hier.“ Dies ist nicht so zu verstehen, als ob Christus, welcher Gott ist, nicht der Herr dieses Reiches sei, da der Psalmist sagt: „Sein ist das Meer, er selbst hat es gemacht, und seine Hände haben das Trockene gegründet“ – sondern weil er als Vorbild der Kirche für dieses Reich keine Sorge trug, gleichwie wenn ein goldener Siegelring von sich selbst sagte: Ich bin kein Maß in irgend einem Geschlecht; welche Rede keine Geltung hat, insofern er Gold ist, da Gold das Maß in dem Geschlecht der Metalle ist, sondern insofern es zum Abdruck eines Zeichens bestimmt ist. Zur Form der Kirche gehört es [88] aber nicht anders zu sprechen als zu meinen. Anders denken als meinen ist der Form entgegen, wie offenbar ist, oder der Natur, denn das ist dasselbe. Hieraus folgt, daß die Kraft, das weltliche Reich unter seine Vollmacht oder Vormundschaft zu nehmen, gegen die Natur der Kirche ist. Denn der Widerspruch zwischen Meinung und Rede folgt aus dem Widerspruch in der gesprochenen oder gemeinten Sache, sowie das Wahre und Falsche des Seins oder Nichtseins in der Rede sich hervorthut, wie in der Lehre von den Aussagen gezeigt wird. Die obigen Beweise erscheinen demnach unstatthaft, und hieraus erhellt sattsam, daß das Ansehen des Kaiserthums von der Kirche mit nichten abhänge.

Obgleich in dem vorhergehenden Kapitel durch Aufweisung der Unstatthaftigkeit dargethan ist, daß das Ansehen der kaiserlichen Herrschaft in dem Ansehen des Oberbischofs seinen Grund nicht habe, ist doch noch nicht eigentlich bewiesen, daß sie unmittelbar von Gott abhänge, es sei denn aus Dem, was daraus folgt. Die Folge nämlich ist, daß, wenn sie selbst von Gottes Statthalter nicht abhängt, sie von Gott abhänge. Und daher muß also zur vollkommnen Erreichung meines Vorhabens augenfällig bewiesen werden, daß der Kaiser oder der Monarch der Welt ein unmittelbares Verhältniß habe zu dem Fürsten des Weltalls, welcher Gott ist. Um dies einzusehen, muß man wissen, daß allein der Mensch in der Reihe der Wesen die Mitte einnimmt zwischen dem Vergänglichen und Unvergänglichen. Deswegen wird er mit Recht von den Philosophen mit dem Gesichtskreise verglichen, der die Mitte macht zwischen deinen beiden Halbkugeln. Denn wenn der Mensch nach seinen beiden wesentlichen Theilen, der Seele und dem Leibe, betrachtet wird, so ist es vergänglich; wenn er aber nur nach dem Einen Theile, nämlich nach der Seele, betrachtet wird, so ist er unvergänglich. Deswegen sagt der Philosoph trefflich von ihr, sofern sie unvergänglich ist, im zweiten [89] Buche von der Seele: „Nur so allein läßt sie sich trennen, wie das Fortdauernde von dem Vergänglichen.“ Wenn also der Mensch in der Mitte steht zwischen dem Vergänglichen und Unvergänglichen, so muß er, da alles in der Mitte Stehende die Natur der beiden Enden an sich hat, eine jede von diesen beiden Naturen an sich haben. Und da alle Natur zu einem gewissen letzten Zweck eingerichtet ist, so folgt, daß es für den Menschen einen doppelten Zweck gibt, daß, wie er unter allen Wesen allein an der Unvergänglichkeit und Vergänglichkeit Theil hat, er so auch allein von allen Wesen für ein doppeltes Letztes bestimmt ist, wovon das Eine der Zweck des Vergänglichen, das Andre der Zweck des Unvergänglichen ist. Zwei Zwecke also bestimmte jene unaussprechliche Vorsehung dem Menschen, um danach zu streben, nämlich die Seligkeit dieses Lebens, welche in der Uebung der eigenen Kraft besteht, und durch das irdische Paradies abgebildet wird, und die Seligkeit des ewigen Lebens, welche in dem Genusse des göttlichen Anschauens besteht, wozu die eigene Kraft sich nicht erheben kann ohne den Beistand des göttlichen Lichtes, welche durch das himmlische Paradies zu verstehen gegeben wird. Zu diesen Seligkeiten muß man nun, wie zu verschiedenen Endpunkten, durch verschiedene Mittel gelangen. Zur ersten nämlich gelangen wir durch philosophische Unterweisung, wenn wir ihr folgen und nach den sittlichen und erkennenden Kräften handeln; zur zweiten aber durch geistliche Unterweisung, welche die menschliche Vernunft übersteigt, wenn wir ihr folgen und nach den schriftmäßigen Kräften handeln, nämlich nach Glauben, Hoffnung und Liebe. Diese Endpunkte nun und Mittel, obgleich sie uns aufgestellt sind, die einen von der menschlichen Vernunft, die uns durch die Philosophen ganz aufgethan ist, die andern von dem heiligen Geist, der durch Propheten und heilige Schriftsteller, der durch den ihm gleichewigen Sohn Gottes, Jesus Christus, und durch dessen [90] Schüler die übernatürliche und uns nothwendige Wahrheit offenbart hat, würde die menschliche Begierde mit dem Rücken ansehen, wenn nicht die Menschen, gleichwie Pferde, die in ihrer thierischen Unvernunft umherschwärmen, auf ihrem Wege durch Zaum und Gebiß gebändigt würden. Daher bedurfte der Mensch hinsichtlich seines doppelten Zweckes einer doppelten Leitung, nämlich des Oberbischofs, der der Offenbarung gemäß das menschliche Geschlecht zum ewigen Leben führte, und des Kaisers, der nach philosophischer Unterweisung das menschliche Geschlecht dem zeitlichen Glücke zulenkte, damit, da zu diesem Hafen entweder keine oder wenige Menschen, wenngleich mit zu großer Schwierigkeit gelangen können, und nur nach Besänftigung der Fluten der blinden Leidenschaft, das menschliche Geschlecht frei in sanftem Frieden ausruhe. Dies ist die Fahne, nach welcher der Walter des Erdkreises insbesondere streben muß, er, welcher der römische Kaiser genannt wird, sodaß auf dem Gefilde der Menschheit Freiheit und Friede herrsche. Und da die Einrichtung dieser Welt der Einrichtung folgt, welche dem Kreisschwunge der Himmel innewohnt, so müssen dazu, daß die nützliche Unterweisung zur Freiheit und zum Frieden den Orten und Zeiten bequem angepaßt werde, diese vertheilt werden von jenem Walter, der die vollständige Einrichtung der Himmel allgegenwärtig anschaut. Dieser aber ist jener Eine, der diese vorausordnete, daß er dadurch vorausschauend durch seine Ordnungen Alles miteinander verknüpfte. Wenn Dem so ist, so erwählet allein Gott, so bestätigt er allein, da er Keinen über sich hat. Hieraus kann weiter entnommen werden, daß weder Diejenigen, welche jetzt, noch Andere, welche sonst irgend Churfürsten genannt worden sind, so genannt werden dürfen, sondern vielmehr als Herolde oder Verkündiger der göttlichen Weisheit zu betrachten sind. Daher geschieht es, daß bisweilen ein Zwiespalt entsteht unter Denen, welchen die Würde der Kundmachung verliehen [91] ist, weil entweder alle oder doch einige derselben, von dem Nebel der Begierde umdunkelt, das Antlitz der göttlichen Verwaltung nicht unterscheiden. So erhellt also, daß das Ansehen der weltlichen Monarchen ohne irgend eine Mittelperson aus dem Quell des allgemeinen Ansehens sich auf ihn herabsenkt, welcher Quell in dem Bronnen seiner Ungetheiltheit vereinigt in vielfache Bäche sich vertheilt nach dem Ueberschwang der göttlichen Güte.

Und so glaube ich denn nun das vorgesteckte Ziel erreicht zu haben. Denn enthüllt ist die Wahrheit jener Untersuchung, welche die Frage betraf, ob die Monarchie zum Heile der Welt nothwendig sei, sowie die zweite, ob das römische Volk sich mit Recht die Herrschaft angeeignet habe, und die dritte und letzte, ob das Ansehen des Monarchen von irgend einem Andern oder von Gott unmittelbar abhange? Das Ergebniß der letzten Untersuchung ist freilich nicht so strenge zu nehmen, daß der römische Kaiser sich in keinem Punkte dem römischen Oberbischof unterwerfe, da das irdische Glück sich gewissermaßen dem himmlischen Glücke zuordnet. Daher erweise der Cäsar dem Petrus jene Ehrerbietung, welche dem Vater von dem erstgeborenen Sohne zukommt, damit er, durch das Licht der väterlichen Gnade erleuchtet, um so kräftiger den Erdkreis bestrale, dem er von jenem allein vorgsetzt ist, der da ist aller geistlichen und weltlichen Dinge Regierer.

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  1. 6, 22.
  2. 28, 20.
  3. 15, 1-3.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ee