Napoleon IV

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Titel: Napoleon IV.
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 664
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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[664] Napoleon IV. Der Sohn des dritten Napoleon, der Kaiser der Zukunft, zeigte sich, so lange er lebte, als eine Art von jugendlicher Idealgestalt in etwas unbestimmter Beleuchtung: man hörte von seinen wohlbestandenen Prüfungen in Woolwich, und hier und dort tauchte sein Bild auch in den Versammlungen von Chislehurst auf. Seine Betheiligung an der englischen Expedition gegen die Kaffern in Südafrika und sein Tod durch die Wurfspieße der schwarzen Männer konnten nur dazu beitragen, den jungen Prinzen mit einem romantischen Nimbus zu umgeben. Der Sohn eines Vaters von solcher geschichtlichen Bedeutung, einer Mutter von bestechender Schönheit, mußte ja überhaupt den Zeitgenossen in einem verheißungsvollen Lichte erscheinen, sodaß sich nach seinem Tode ein wehmüthiges Erinnern an seinen Namen knüpfte. Selten indeß, so lange er lebte, wurde die Frage aufgeworfen, was Frankreich wohl erwarten durfte, wenn er als Vertreter der Napoleonischen Dynastie noch einmal auf den Thron zurückkehren würde, den sein Großonkel und sein Vater mit unleugbarem Glanz umgeben hatten. Jetzt ist diese Frage beantwortet von Fidus in seinen „Erinnerungen eines Imperialisten“, in seinem „Journal de dix ans“, in welchem er die zehn Jahre schildert, die dem Tode des Prinzen vorausgingen: denn dieser Tod bildet den Abschluß der Aufzeichnungen; der Prinz ist der eigentliche Held derselben, besonders im zweiten Bande. Doch je begeisterter Fidus von ihm spricht, mit je glänzenderen Farben er das Bild desselben ausmalt: desto mehr muß jeder Unbefangene die Ueberzeugung gewinnen, daß der Prinz als Kaiser Napoleon IV. ein Unglück für Frankreich geworden wäre. Wohl war er geistig geweckt und beschäftigte sich angelegentlich mit den Fragen der Politik, aber in der Gedankenrichtung seiner Mutter, von der ja Napoleon III. selber erklärt hatte, sie sei eine Legitimistin. Fidus berichtet, daß der Prinz auf zehn Folioseiten die politischen Grundsätze entwickelt hatte, denen er huldigte und die er als Kaiser befolgen wollte. An der Spitze seines Programms steht die Aufhebung des allgemeinen Stimmrechtes, desjenigen Princips, welches die Grundlage der Napoleonischen Ideen des Vaters bildete; die Vorliebe für diesen Grundsatz rechnete der Sohn zu den Schwächen desselben.

Prinz Viktor, der Sohn des rothen Prinzen, der jetzt aus Frankreich mit den andern Prätendenten verbannt wurde, erklärt in seinem Manifest, er werde festhalten an den Principien des Kaiserreichs, wie Napoleon I. und III. sie aufgestellt haben, wie der Prinz sie befolgt hat, dessen Tod er beweine, und zählt zu diesen durch Volksabstimmung bestätigten Grundsätzen auch die Souveränetät des Volkes und die Organisirung der Demokratie. Hat er denn die Memoiren von Fidus nicht gelesen? Der von ihm beweinte Prinz dachte gar nicht daran, ein solches Programm mit nach Frankreich zu bringen, wenn er dorthin zurückkehrte: er war ein entschiedener Gegner dieser Grundsätze; er wollte die Preßfreiheit unterdrücken, ebenso die Macht der Deputirtenkammer; er wollte dem Klerus die größten Zugeständnisse machen, mit einem Wort, ein uneingeschränktes Regiment einführen: er glaubte sich berufen, Alle zu züchtigen, welche in dem verhängnißvollen September des Jahres 1870 in Paris zum Sturze der Napoleonischen Dynastie beigetragen: die bigotte Mutter hatte solchen Größenwahn in ihm genährt. Und was wäre die Folge gewesen, wenn es ihm mit Hilfe einzelner Generale, wie er hoffte, gelungen wäre, sich der Herrschaft zu bemächtigen? Früher oder später eine neue Revolution; denn nach einem so veralteten System der Regierung, welches blinden Autoritätsglauben verlangt, hätte sich das französische Volk nicht lange beherrschen lassen.

Natürlich sprach der Prinz den Jargon der Prätendenten mit großer Geläufigkeit: er war bereit zu kommen, wenn Frankreich ihn rufen würde; ja im Grunde war er auch bereit ungerufen zu kommen. So erklärte ja vor Kurzem der ausgewiesene Graf von Paris, in der Stunde der Entscheidung würde er bereit sein, und Prinz Viktor sagte in seiner Abschiedsrede, er würde, wenn die Stunde der großen Krisen schlägt, den Pflichten nachkommen, welche sein Patriotismus ihm auferlege. So hat auch Graf von Chambord gesprochen. Die eintönige Repetiruhr dieser Phrasen macht nur einen melancholischen Eindruck; einer dieser Prätendenten parodirt den andern. †