Neuere Literatur zur Geschichte Englands im Mittelalter (DZfG Bd. 3)

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Autor: Felix Liebermann
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Titel: Neuere Literatur zur Geschichte Englands im Mittelalter
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 3, S. 185-239
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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[185]
Neuere Literatur zur Geschichte Englands im Mittelalter.
I. Besprechungen einzelner Werke.

J. Fred. Hodgetts, Older England, illustrated by the Anglo-Saxon antiquities in the British Museum, in a course of six lectures. 1884[1]. 8°. xv, 188 p. – Derselbe, Older England [etc., wie oben] lectures (to which is added – – a paper – – The myth of the [186] week [= Jl. Brit. archl. assoc. 3 I 1883]); II Ser. 1884. 8°. xvj 226 p. – Derselbe, The English in the M. A. from the Norman usurpation to the days of the Stuarts. Their mode of life, dress, arms, occupations and amusements, as illustrated by the mediaeval remains in the British Museum. 1885. 8°. xvj 210 p.

Im British Museum wiederholt vorgetragen, von dessen allezeit hilfreichen Beamten durch Vorzeigung von Alterthümern unterstützt, konnten diese Vorlesungen die Hörer, darunter England’s brightest womanhood, gefällig anregen. Denn der Verfasser stellt heiter, kräftig und klar dar, und verräth lebhaften Geist, künstlerisches Gefühl, entschiedenes Urtheil, Vaterlandsliebe, Freiheitsstolz und eine glühende Begeisterung für seines Volkes Tugenden, Eigenheiten und Alterthum, die er in weitesten Kreisen, namentlich der Jugend, entzünden möchte. Er mahnt, den Cicero fortzuwerfen und sich liebevoll in Germanisches Alterthum zu vertiefen, mit dem Citat: „Warum in die Ferne greifen, Wenn das Gute liegt so nah’?“ – durch ähnliche Ungenauigkeit und Uebertreibung entstellt er einen gesunden Grundgedanken öfters. Offenbar wäre er fähig sowohl Einzelnes anschaulich vorzuführen als ein brauchbares Lehrbuch zusammenzustellen. Dreissigjährige Abwesenheit von England, z. Th. als Professor in Moskau, verhinderte ihn aber, neuere Forschung zu verfolgen; so fehlen in der Liste der benutzten Literatur Stubbs, Freeman, Zeitschriften, fast alles nach 1861 oder ausser England Erschienene. In der von Ref. gelesenen Hälfte der drei Bände steht für Englische Geschichte nichts Neues das brauchbar wäre. Nordisches Alterthum zieht Verfasser häufig heran, bisweilen fehlerhaft; an den übrigen Stellen, die Ref. nicht zu beurtheilen vermag, mag Werthvolles stecken. Ebenso in den vom Ref. übergangenen Capiteln: Speer, Fibel, Ring, Glas und Beerdigung, Rune, Horn, Helm, Panzer, Friedenstracht, Vergnügungen. Die Ueberschriften, meist nach dem vorgelegten Gegenstand gewählt, lassen den Inhalt schwerlich errathen, wie denn Strafrecht unter „Münze“, Berserker und Stadt unter „Schild“, Hausbau und Ags. Laster (mit Italienischem verglichen) unter „Steinkrug“ vorkommen. Index, Illustrationen und meistens Citate fehlen. – Oft widerspricht Verfasser Anerkanntem, bezweifelt oder bespöttelt frühere Historiker, empfiehlt nagelneue Methoden, beruft sich auf Kenntniss von Mittel-, Nord- und Osteuropa, auf Sprach- und Alterthumsstudien Deutscher Schule. Er tritt also mit solchen Ansprüchen aus dem Kreise der Liebhaber heraus und blendet durch theilweise weit hergeholte Gelehrsamkeit. Desshalb ziehe ich hier ein Verzeichniss seiner aus jedem Handbuch widerlegbaren Irrthümer aus, das zugleich die Ueberschlagung der übrigen Hälfte des Werkes entschuldigen möge:

[187] Jedes auch im Nordischen vorkommende Wort und Ding bringe der Angelsachse aus Skandinavien mit. Umlaut und Ablaut seien Arten der Brechung. Die Rune thorn [vor 9. Jh. nicht nachweisbar] stehe in frühester Angelsächs. Schrift; dafür sei es ebenso falsch th [mit ältesten Hss.] wie y zu setzen. – Neben Pfennig komme auch Pfund von Pfant und bewahre im Deutschen das ursprüngliche f, das sich in pound früh verliere; Varro entlehne pondus für libra den Germanen; Mark und Schilling, der von skil Gedanke, Rechnungswerth stamme, seien Isländisch; sceatt [Schatz], sceat [Schooss], scot [Schŏss] und Russisches shott, Rechnungsrahmen, seien Ein Wort; money komme nicht von moneta [folgen ohne Quellenangabe zwei Zeilen aus Skeat, Etym. Dict. „mynt“], sondern von mynt „Deutsch Müntze“; Schach hänge mit Schächerer, schächern, sceacan zusammen; wer [vir] mit wehren; Hellebarte mit Hilda; Frauenzimmer mit weiblichem Bau; Schwert mit schwören; baldrick (Wehrgehenk) komme von Engl. bold und rich; spade von épée; guard (Stichblatt) sei rein Englisch; litera von Schmieren auf Pergament; tigel von tihan, wie Ziegel von ziehen; chester, in Ortsnamen, wovon caster nur orthographisch [dialektisch!] variire, nicht vom Latein, sondern von Ags. ceastre, die Einschliessende [?]; pot von botle, botel Haus, Wohnort, nämlich des Rauschgeistes, und eben daher sicher auch bottle [bouteille]; Odin von „odd“ unvergleichlich und „in“ einzig; Scylding von isld. skiðldung Schirmer, König und daher Shields; Senlac heisse Sang-lac vom Blutbade von 1066. – Eine Hs. der Ags. Annalen scheine unvollendet, weil zu mehreren Jahrzahlen [wie allen Hss.] Eintragung fehlt; des Werkes schlichte Tüchtigkeit erhelle aus a. 449–56 [aus Beda]; den Inhalt bezweifle Pseudokritik, weil [?] er trocken lautet, mit Unrecht; denn sie tadelt ja den Layamon, [s. o. II S. 482] „fast den lehrreichsten Geschichtschreiber, den ich kenne“ wegen [?] zu grosser Ausführlichkeit; die Chronistik des 12. Jhs. diene dem Raubritter, stehe an Zuverlässigkeit hinter Altengl. Balladen; die echte Gesch. Anglonorm. Zeit kümmere es nicht, ob Wilhelm I. zu Northampton oder Wilhelm II. im Trunk gestorben wäre; sie liege in Walter Map, der Vita Herewardi, dem Mönch [!] Layamon, den Englisch geschriebenen [so wenigen!] Heiligenleben. – Der schwächliche Kelte, den Rom vergeblich zum Manne zu bilden versuchte [!], weiche sofort [Green’s Conquest lehrt, nach welch zähem Widerstande] vor dem Angelsachsen; dieser biete dem Gaelen das Muster der Bewaffnung; er baue Stonehenge, was Strafstein bedeute, unmittelbar nach Hengist und Horsa als Odinstempel und Gericht; zur dortigen Versammlungscene verschwendet Vf. Costüm etwa von 10 Jahrhunderten. Der Germane der Völkerwanderung sei besser bewaffnet als Roms Legion. Jeder Angelsachse sei ein Skandinave und das heutige Englische Volk nicht gemischt, denn Sachsen verbänden sich nicht Britinnen, Engländerinnen nicht Normannen. Aus Furcht vor Zauber wähle der Kenter zur Begegnung mit Augustin [das Freie; Beda], wie der Skandinave zum Holmgang, eine Insel; Schmid Wieland sei Nordenglisch, die Spur der Sage entdecke W. Scott; Grendelsee sei Hartlepool. Der Angelsachse, roh aber rein [Bussbücher!], beflecke sich nur durch Trunksucht; das Lehnwesen, die Jury, die Redefreiheit der seit sechs Jhh. fast nicht [188] veränderten Repräsentativversammlung bringe er aus Skandinavien; Thanenland sei Baronie, Heregeatu Heersteuer. Mit dem Christenthum schwinde die Sitte der Krieger Armbänder zu tragen und mit kriegerischer Beigabe bestattet zu werden; das Mönchsthum, die Brutstätte des Lasters, der Blutsauger der Nation, Ags. Neigung widerstrebend [!], schreibe anfangs Englisch, allmählig mehr Lateinische Werke, die, unfruchtbar für die Bildung, nur Freude erwecken, dass so viel davon unterging, während die „Sächsischen“ Bücher [zuletzt nur von Mönchen!] trefflich seien; England protestire von Anfang an gegen gewisse Dogmen Roms, wie die Abendmahlslehre, und stelle in der Reformation die Kirche etwa der Zeit Aelfrics her. – Die Kette heimischer Literatur reiche mindestens 15 Jahrhunderte hinauf, Beowulf [dessen Vers 1–19 und 2337 mit sechs Fehlern übersetzt werden] ins 4. Jh.; die [Westsächs.] Genesis sei von Caedmon, ihren Anfang übersetze Beda, und nur den Beda Aelfred [dessen Quelle, das Northumbr. Originalgedicht bleibt unerwähnt]. – Der [Romanische] Bogen mit bauchiger Säule, die dem Thongefäss nacharte, gleiche dem Moscauer, der auf Rurik zurückgehe; die Wölbung bilde der Angelsachse nach der Baumlaube, und erfahre von Rom im Bau keinen Einfluss [Wilfrid, Benedikt Biscop!]; er lasse das Römische Gefäss ungebraucht [Exorzismusformeln für Ausgegrabenes!], trinke, weil das Horn [u. a. Gefässe] fusslos war, stets auf Einen Zug aus, benutze neben Sester ein Weingefäss chester; er achte den Schild wenig, hinterlasse ihn nie als Erbstück [im Heergeräthe!]; den Kettenpanzer im Beowulf entdecke erst Vf.; er kennt keinen Kriegsrock mit aufgehefteten Ringen. Das Ags. Münzsystem sei einheimisch [Franken!]; die Prägung folge nicht der hässlichen aus Roms Kaiserzeit, denn dazu beweise der Angelsachse in Dichtung und Zeichnung zu viel Kunstsinn. – Die Neustr. Normannen seien Norweger; Battle abbey, die Stelle wo Harold fiel, liege at Pevensey. Der Normanne in England verderbe nur die Sitten; das lockere Ritterthum stürze die Frau von der geweihten Höhe, die sie in Ags. Schriften Skandinav. Schule [Aethelberhts Gesetz!] einnehme; von den Franzosen [nicht auch Briten?] stamme die Frivolität der Chansons de geste. In der äusseren Erscheinung, selbst der Bewaffnung, entstehe durch die Eroberung keine Aenderung und in der Sprache nur ebenso geringe, wie bei anderen Germanen, die nie ein fremdes Idiom hörten, auch eintrat; der unterworfene Villan [verschiedenster, z. Th. freibäuerlicher Stellung] werde verachtet wie die untere Kaste in Indien; the two nations never mixed, until the Normans died out; danach kehre Altengland, sogar in der Tracht, wieder. Der Normannische Adel verliere durch die Kreuzzüge [an Einfluss gewiss nicht]; der Burgenbau fördere nur den Raubritterschuft [und die Festungen der Krone?], der Jeden einkerkern könne und, freudlos wie ein Bandit in der Höhle, stets den Aufruhr der Sachsen ringsum erwarte; das Jahrhundert nach der Eroberung, „grausam und ruchlos ohne gleichen“, zeige fast nur Raub, Mord und Trug [nicht ärger als um 1450]. In keinem Zweige steige Englands Cultur durch die Normannen; die Baukunst ruhe auf der Sächsischen [richtig ist nur die bekannte Wahrnehmung, dass Malerei um 1000 höher scheint als um 1100]. Die Anglonormann. Literatur wolle [?] eine [189] Mischsprache aus Englisch und Normannisch schaffen und dem Volke aufzwingen; aber dem verabscheuten [?] Französisch zum Trotz erblühe Englisch [um 1150?] um so kräftiger; Anselm verschleppe selten Lateinische Wörter in sein Englisch; Wilhelm’s und Heinrich’s Rechtsbücher seien echt; Robin Hood’s historische Wirklichkeit bezweifle nur der Pedant; Philipp von Thaun’s Thierbuch zähle zur Trouveur-Literatur; Chaucer’s echt Englische Sammlung von Charakteren gleiche – Aelfred!


Sir G. F. Duckett, Bart. Record-evidences, among archives of [the] ancient abbey of Cluni from 1077 to 1534; illustr. of the hist. of some of our early kings; and many of its English affiliated foundations. References to records and description from Delisle’s Catalogue of the National library of France. Printed for the author. 1886. 8°. 64 p. – Diese zu kurzen Auszüge von 101 Urkunden betreffen von Britischen Stiftern nur: Lewes, Lenton, Thetford, Bromholme, Montacute, Northampton, Pontefract, Paisley. [Die Angabe oben II, 224, betrifft das grössere Werk, Bibliogr. ’89, 3609.] Im Anhang sind vollständig abgedruckt: 1. die Gründungsurkunden von Lewes; 2. des Petrus Venerabilis Brief an seine Congregation [um 1156] über Heinrich I., der maiorem ecclesiam a rege Hispanorum Aldefonso [dem Verlobten einer Tochter Wilhelm’s I.] inchoatam consummavit, und über dessen Tochter Mathilde, in paterna hereditate succedens, Henrici magni Romanorum imperatoris coniux; quando apud Rothomagum eam adii, erbat sie Cluny’s Fürbitte, die der Abt hiermit anordnet; 3. ein Entschuldigungsbrief Stephan’s Priors von Pontefract an Cluny: die ihm aufgetragene Visitation sei verhindert durch den Aufenthalt des Hofes zu Pontefract [März 1322, behufs Verurtheilung des Thomas von Lancaster], wo er vor dem König [wohl wegen Begünstigung des Thomas] ohne Erfolg verklagt ward; er bedauert, dass laici oblationes in monte ubi decollatus fuerat Thomas infra parochiam meam de Pontefracto perceperunt [vgl. über den Cult Pauli, Gesch. v. Engl. IV, 275]; 4. Cluny ernennt den Prior von Lewes zum Vertreter für Britannien 1410; 5. der Prior von Lewes klagt [1416] Cluny, u. A. über Heinrich’s [von Beaufort] Uebergriffe in die Exemtion. – Die Vorrede behandelt, nach Delisle’s trefflicher Forschung, die Geschichte der Hss. Cluny’s und, nicht ganz auf der Höhe, die allgemeine Entwicklung der Congregation. Druckorte der Urkunden oder Verweisungen auf anderweitige Documente desselben Kreises zu geben, lag nicht im Plane der kleinen Schrift. Die Anmerkungen erhellen, bisweilen aus Archivalien, einiges zur Geschlechter- und Ortsgeschichte. Der gute Index erhöht die Brauchbarkeit des Werkchens. – Vollständigeren Abdruck des Stoffes erwartet man von A. Bruel, Recueil des [190] chartes de Cluny (Coll. des doc. inédits – – à l’hist. de France), in Bd. IV (1888, geht bis 1090); die Nrr. 3558–61 betreffen Lewes; RQH Jan. 1890, 243. [Vgl. oben p. 144.]


G. Paris, La littérature française au MA. (11–14 s. Paris 1888. 8°.) gibt weitaus die vollständigsten Nachweise zur Kenntniss der Werke, die Britannien in Französischer Sprache geliefert, oder aus Französischem Geiste geschöpft, und der Stoffe, die es dem Festlande geboten hat. Verfasser konnte das auf Britannien Bezügliche nicht überall zusammenordnen; der Englische Uebersetzer, an dem es hoffentlich nicht fehlen wird, mag im Index Anglonormann. und Walliser Namen besternen: auch äusserlich wird dann, mein’ ich, hervortreten, dass Britannien ausser im 8. und 18. Jahrhundert niemals so starken literarischen Einfluss auf das Festland übte, wie im 12. Zwar der Angelsächs. Stoffe, die Französische Bearbeiter finden, sind nur wenige: Waltheov, Havelok, Gui von Warwick, Horn, die hl. Könige Edmund und Eadward III., St. Alban, dessen Vie nicht mehr unter des Matheus Paris Namen geht. Um so glänzendere Gefolgschaft reiht sich bekanntlich der Walliser Sage an. Nicht Galfrid erfand Arthur’s Ruhm, nicht er allein war Quelle der Bretonischen Romane, die vielmehr Keltische Gesänge und Sage ohne Lateinische Vermittlung benutzen; aber er passte den Stoff dem Ritterwesen an und schmuggelte ihn in die wissenschaftliche Welt ein. Unter seinen Uebersetzern schöpfte Wace manches, wie Arthur’s Tafelrunde, unmittelbar aus britischer Ueberlieferung. Selbst die Angelsachsen ergötzte Britischer Sang, er heisst lai nach Ags. lag [?] und kommt durch Marie de France unter Heinrich II. in die Französ. Literatur. Béroul besingt in England um 1150 den Südwalliser (theilweise mythologischen und Arthur ursprünglich fremden) Tristan; der Anglonormanne Thomas, um 1170, beruft sich dafür auf den Britischen Erzähler Breri. Auch an der Verbreitung der Lanzelotsage hat England bedeutenden Antheil. Zwar dem Walter Map [der nicht vor Ende des 12. Jahrhunderts starb; Mon. Germ. 27, 62] gehört kein Graal oder Lanzelot. Aber Chrétien erhalte zu Lanzelot und Parzival den Stoff von Anglonormannen durch Marie, Tochter Eleonoren’s von Aquitanien, bez. Philipp von Flandern [dessen Anwesenheit in England nicht 1172 fällt, noch mit seinem Kriege gegen England zusammenhängt]. Ein Geisel Richard’s I. brachte den Anglonormann. Lanzelot nach Wien; die Hs. einer Italien. Lanzelot-Compilation gehörte Edward I. Früher als in der Heimath bemächtigt sich die Französ. Sprache auch des wissenschaftlichen Lebens in England, vermöge [?] ihrer aristokratischen Stellung gegenüber den Unterworfenen. Die Anglonormannen zuerst schreiben Geschichte Französisch. Dass die [191] Reimchronisten Gaimar, Wace, Benoît von der eigenen Zeit so wenig sagen, möchte ich erklären aus der inneren Schwierigkeit Zeitgenössisches selbständig zu schildern. Von streng historischen Werken wird Fantosme [93, fehlt im Index] zu wenig [Mon. Germ. 27, 53] hervorgehoben; die Conquête de l’Irlande dagegen hängt von Girald ab; über Garnier stimmt Verfasser mit meiner Ansicht Mon. Germ. 27, 19. 25 [gegen 590]. Politische Grössen erwähnt dies Werk mehrfach, darunter die Könige Alfred und Heinrich I., deren Namen man fälschlich der Engl. Fabelsammlung, bez. dem Urbain beilegte. Für die Ermordung des Normannenherzogs Wilhelm’s I. bewahrt Malmesbury die Spur eines Französischen Gedichts. Vor des Eroberers Heere erklang bei Senlac das Rolandslied, freilich nicht in der uns erhaltenen Fassung. Denn diese gedenkt schon König Wilhelm’s, wenn sie [was Anglolateiner des 12. und 13. Jahrhunderts nachsprechen; Mon. Germ. 28, 506] Karl als Eroberer Englands hinstellt, der „ad oes Saint Piedre en conquist le chevage“. Ueber Heinrich I. liess seine Wittwe Adelheid von Löwen, der auch ein Bestiaire und eine Vie de s. Brendan gewidmet wurden, eine Chanson durch David fertigen [Hofhistoriograph derselben Zeit, Herkunft und Deutschen Beziehung ist auch der Lateiner David. Identität wäre möglich]. Heinrich’s II. Verdienst um die Literatur ist bekannt. [In geschäftsmässigem Latein liess er genau Zeitgeschichte verzeichnen; also mehr zur leichten Unterhaltung sollten jene Reimchronisten dienen, dieselben, die ja bei Hofe Troja und Brutus besangen.] Richard’s Klage aus Deutscher Gefangenschaft wird hier nicht angezweifelt. Ueber Satiren von und gegen Anglonormannen s. S. 154 ff. Dass Französisch in England, lange nachdem hier seine Correctheit und der literarische Einfluss auf Frankreich geschwunden waren, zur Sprache der Urkunden und des Rechts wurde, war wenigstens zu erwähnen; jedoch hat Verfasser unbedingte Vollständigkeit überhaupt nicht beabsichtigt [es fehlt z. B. Chastel d’amur, aus Ordric: Luc de Barre] und bei voller Klarheit auf 292 S. bewundernswerth viel geboten. S. 241 verbessere: Gottfried führte das Katharinenspiel als Schulmeister zu Dunstaple auf vor 1119.


Poésies complètes de Bertran de Born publ. par Ant. Thomas. (Bibl. Méridionale – – sous – – la Faculté des lettres de Toulouse I, 1) Toul., É. Privat, 1888. 8°. lij, 212 p.

Zu Bertran’s Lebensgeschichte citirt Hrsg. Stimming und Clédat [warum nicht auch Diez „Troubadours“ hg. v. Bartsch, 148?]: Im Walde von Born, zwischen Limousin und Périgord, liegen Ruinen, wahrscheinlich vom Schlosse der Ahnen Bertran’s. Ueber diese begegnet die früheste Nachricht zu 1070. Bertran, um 1140 geboren, besass [192] mit einem Bruder das feste Hautefort mit einer nicht reichen Herrschaft (keine Vizgrafschaft); wie der mächtigere Nachbaradel, war er fast nur dem Namen nach dem Herzog unterthan. Obwohl zweimal verheirathet, liess er sich von verschiedenen Galanterien nicht abhalten. Doch ging diese Liebe nicht tief; in Leben und Kunst blieb er wesentlich Kriegsmann. Das früheste Ereigniss, auf das er sich im Rügelied bezieht, fällt 1181: damals trat er für Toulouse gegen Aragon ein. Darauf verjagte er seinen Bruder, dessen sich Richard [I.] dann kurze Zeit annimmt. Im December 1182 fand er Heinrich’s Königshof zu Argentan zu wenig lustig und freigebig, feierte aber den Liebreiz von dessen [damals hochschwangererl] Tochter Mathilde von Braunschweig. Er hetzte dann seinen Freund, den jungen König Heinrich (III.), und die Limousiner gegen Richard und beklagte es tief, als Heinrich (III.) 23. Juni 1183 starb. Einige Tage später belagert, musste er an Richard Hautefort übergeben, das zunächst sein Bruder erhielt. Als er es bald darauf wiederbekam, blieb er fortan Richard treu. (Dass er von Heinrich II. verspottet worden sei, mit halbem Geist, wie er gerühmt, werde er jetzt nicht reichen, dass er ihn dann durch die Klage um den jungen Heinrich gerührt und gewonnen habe [Uhland’s Gedicht], wird nur vom romanhaften Biographen zwei Menschenalter später erzählt.) Seit 1184 griff er Aragon aufs Neue in Rügeliedern an, vielleicht theilweise aus Künstlerneid, stachelte Richard zum Zwist mit dem Vater und zur Gewalt gegen die Vasallen, diese zum Aufruhr und 1187 König Philipp zur Verdrängung der Engländer. Nur zu Gunsten des Kreuzzugs empfahl er 1188 ausnahmsweise Frieden, stellte den Säumigen Montferrat vor Tyrus als Beispiel hin, blieb aber selbst zu Hause, wohl zu arm und gefährdet, um kostspielige Kreuzfahrt zu wagen. Den Kaiser Heinrich tadelte er 1193, weil derselbe Richard gefangen hatte. Als dieser 1194 zurückkehrte, hoffte Bertran für Aquitanien Kriegsleben und Rittersold. Lieder über spätere Ereignisse gehören nicht ihm, sondern z. Th., wie das über 1202, einem seiner gleichnamigen zwei Söhne. Er trat vor 1197 in das von seiner Familie beschenkte, Hautefort nahe, Cisterzerkloster Dalon. Dessen Chartular bietet Urkundliches über die Borns, das Hrsg. ganz abdruckt. Bertran starb dort zwischen 1202 und 1215. – Seine Dichtung galt seiner Zeit als stachelnde Macht [und er vertrat sie jedesmal ehrlich mit ganzer Person]. Aber seine historische Bedeutung überschätzte schon im folgenden Menschenalter der Provenzalische Biograph, dann Dante, der diesem folgte. Vollends bewusste Politik, etwa eines zu befreienden Aquitaniens, oder gar Französischen Patriotismus hegte Bertran nicht. Ihn trieb zu kriegerischer Kunst und That nur persönliche Vorliebe, die häufig [193] wechselte, Lust an offener, bunter Fehde [Verachtung der Feigen, Ruhmbegier S. 77, 2] und Gewinnsucht. [Er ficht doch aber auch für den ganzen Stand des ritterlichen Kleinadels, in mehrfach ausgesprochenem Hass gegen Bürger und Bauer; er sagt ausdrücklich S. 54, beim Zwist der Mächtigen gewännen Vasallen und Burgherren; der Name „poetischer Condottiere“ passt also m. E. nicht. Mir scheint er nicht der Führer aber der Typ des ordnungsfeindlichsten Elements, das Heinrichs Staat nur in England überwand, aber überall bekämpfte. Den weltweiten Gegensatz zwischen Monarchie und staatauflösender Feudalität ahnte wohl die Nachwelt, als sie Bertran’s Bedeutung übertrieb.] Hersg. hat Glossar und jedem Lied Einleitung und fleissige Noten zur Localgeschichte und Genealogie beigefügt, welche manche Zeitansetzung und Namenerklärung fördern, aber noch recht viel dunkel oder zweifelhaft lassen. [Valia S. 21 ist Wales, dessen Fusstruppen Heinrich II. mehrfach in Gallien dienten; der Schlachtruf „Arraz“ bezieht sich auf die Brabanzonen desselben. Die Tarentaiser Friedensliebe S. 72 spielt vielleicht darauf an, dass Peter von Tarentaise zwischen England und Frankreich 1173 zu Limoges, also Bertran nahe, vermittelte; vgl. Mon. Germ. XXVII, 67; 89. Ueber Algais ib. XXVIII, 115.]


Cartularium abbathiae de Rievalle ord. Cisterc., fundatae 1132 [ed. J. C. Atkinson], Surtees soc. 83, Durham 1889. 8°. cxiij 471 p.

Das Chartular von Rievaulx, Ms. Cotton Julius D I wird hier zum ersten Male gedruckt. [Der ursprüngliche Theil, S. 16–199, scheint nur bis Ende 12. Jahrhunderts zu reichen, falls S. 130 interpolirt ist. Ist es Abt Arnold, unter dem auch Melrose Annalistik begonnen hatte, zu verdanken? Von späterer Hand angehängt sind Stücke der Mitte 13. Jahrhunderts, darunter S. 203 Quittungen vom Juden Hagin, dem Attornatus des Römerkönigs Richard; und voran stehen Documente z. Th. 14. Jahrhunderts. Hersg. schiebt S. 91–106 eine Sammlung Originalien theilweise des 14. Jahrhunderts aus Lord Bolton’s Besitz mitten hinein.] Cartularium Rievallense steht als Kopf über den ganzen Band hin. Aber S. 205–358 sind entnommen aus Dodsworth’s Collectaneen in der Bodleiana [deren Originale doch sicher nicht alle verschollen sind!], aus Nordenglischen Chartularen, Diplomen des British Museum und Staatsrollen. Die Appendix enthält u. A. das Lateran-Concil „Alexandri I.“ [! Dass rē n̄ pt ratione non potest zu lesen war, lehrt jeder Abdruck], Stücke, die im 14. Jahrhundert in Julius D I interpolirt sind, Originalien der Bodleiana und Auszüge aus Staatsarchivalien von 1201–1360. Fast der ganze [194] Band ist Editio princeps: und damit ist gesagt, wie grossen Dank die Englische Geschichte des 12.–14. Jahrhunderts dem Hersg. schuldet. Reichste Fülle von Anmerkungen erhellt Familien- und Ortsgeschichte und bisweilen die Zeitbestimmung; und bis S. 265 steht am Rande eine kurze Englische Inhaltsangabe. Aber vergeblich sucht ein durch moderne Editionstechnik verwöhnter Leser eine Uebersicht der Urkunden nach Ort oder Zeit, ein festbegrenztes Datum für jedes Stück, Angaben über die Hs. oder die Methode der Edition und eine durchsichtige Abtliste. [Die S. lxxxvij gegebene berücksichtigt zu zaghaft die Irrthümer der Vorgänger und vernachlässigt recht viele Quellen, z. B. Lorenz von Durham über Abt Wilhelm (den man irrig für Bernhard’s Biographen hielt, laut Mon. Germ. XXVI, 91), die Heiligenleben Ailreds und Waltheovs von Melrose (der, weil er unter Ailred lebte, falsch in die Rievaulxer Liste gerieth, was auch die Verse des Nicolaus von Rievaulx, hinter Picard’s Will. Neuburg., widerlegen), die G. Henrici, Hoveden, Will. Neuburg. über Silvan und Arnold, Ann. monast. über Spätere. Für S. xlj war nicht Sigbert, sondern dessen Orcamper Fortsetzer zu citiren. Dass Silvan vor 1170 antrat, folgt aus S. 188 f. (aus Papstregesten 1167–9 zu datiren). Die Einleitung weist die Fabeln von der Verunglückung des Sohnes des Stifters Walter Espec ab und erklärt diesen für den Erben des Wilhelm Spech (épec norm. Specht) im Domesdaybook. Walter erhielt ausgedehnte Güter von Heinrich I., dem er gegen dessen rebellischen Vetter gedient hatte, z. Th. aus dem 1106 confiscirten Besitz des letzteren. 1122 setzte er Regularcanoniker in Kirkham ein. Später billigte er, dass der grössere Theil dieser letzteren, doch ohne den Prior, mit dem bedeutenderen Güterbesitz sich Rievaulx’s Cisterzern anschloss; doch blieb Kirkham Augustinisch. Der König der Insel Man bot Rievaulx Land zur Begründung eines Tochterstifts, besetzte aber schliesslich seine Abtei Russin mit Cisterzern aus Furness. Rievaulx leistete Tüchtiges in Landescultur; es hatte anfangs mit Armuth zu kämpfen, plante jedoch keine Auswanderung nach Stainton und ward von 1145 an reicher beschenkt. Gegen den begehrlichen Nachbaradel rief es die Hilfe Alexander’s III. an. [Hersg. verbindet dies mit der Feindschaft der Englischen Regierung gegen die Becket beherbergenden Cisterzer; die Bulle kann aber frühestens aus 1171 stammen. Ueber Rievaulx’s Beziehung zu Becket vgl. Hardy, Descr. Catal. II, 319.] Zu den Regesta pontificum findet sich hier eine reiche Nachlese; S. 185 steht Jaffé-Löwenfeld 10635, und wohl derselbe Bote erhielt den Brief S. 190. Den Ort, wo die Schotten Edward II. 14. Oct. 1322 überraschten, hält Hersg. für Rievaulx, nicht Byland [?]. Sechs Siegel Rievaulx’s sind abgebildet; auch ein langer Index ist [195] beigegeben, der Päpste unter Papa, Könige unter Rex, Priester unter Presbyter u. s. w. versteckt, sämmtliche oben angeführte Namen auslässt, ebenso wie den „magister Vacarius“, der 1175 in Nordengland Schiedsrichter (S. 83), also wohl der berühmte Einführer des Römischen Rechts war. Johann von Salisbury bezeugt die Königsurkunde S. 144 [1155 oder 1157] als Clericus archiepiscopi [Theobaldi].


Geo. T. O. Bridgeman. The hist. of the church and manor of Wigan (Lancaster). I. Chetham Soc. (New series 15) Manch. 1888. 4°. vij 180 p.

Die Kirche kommt im Domesdaybuche vor; aber die Liste der Pfarrer ist erst seit 1199 bekannt. 1242–6, als Wigan’s Patron und Oberlehnsherr, der Lord von Newton, minorenn in Vormundschaft des Königs war, erhielt den Rectorat Johann Mansel, der von Heinrich III. reich bepfründet und oft zu Staatsgeschäften gebraucht ward, z. B. 1238 zur Besoldung der dem Kaiser [vor Brescia] gesandten Hilfstruppen, 1252 neben Richard von Cornwall zur Versöhnung des Abts von Westminster mit dessen Convent, 1256 zur Vorbereitung der Wahl Richard’s in Deutschland, 1257 zur Gewinnung Siciliens für Edmund [vergl. Mon. Germ. XXVIII, 144; 325–367]. Die fleissige Biographie S. 4–30 bringt aus Ungedrucktem einiges Neue für Persönliches und Locales. Mansel erlangte 1246 von der Krone die Erhebung Wigan’s zum Borough mit Kaufgilde (und 1257 Marktrecht) und gab ihm ein Privileg, wonach die Bürger u. A. alle drei Wochen Portmot (Stadtversammlung) halten und durch 12 [Geschworene] urtheilen. 1323 ward der Pfarrer von Wigan, Robert de Clyderhou, wegen Unterstützung des Thomas von Lancaster gegen Edward II., eingekerkert und mit Geld bestraft; er erbat es später vergeblich von Edward III. zurück und klagte gleichzeitig bei Hofe, die Bürger brächten ihn um seinen Marktzoll, ward aber vor das ordentliche Gericht verwiesen. Johann von Winwick (1359 Grosssiegelbewahrer) erlangte vom König 1350 mit der Kirche Wigan Freiheiten, die für eine Pfarre beispiellos sind: der Pfarrer besass fortan das Ritterlehen sammt Polizei, und Gericht über Land und Leute in Stadt und Herrschaft und schloss die Gewalt des Sheriffs und sogar der Königsbank aus. Er verlieh seinen Boden, sofern er ihn nicht in Domäne behielt oder auf Zeit verpachtete, theils an Lehensleute, theils an die Bürger. Durch Sinken des Geldwerthes verlor der dafür geschuldete Zins jede Bedeutung und ward schliesslich erlassen: erst damit endete das überlieferte Streben der Wiganer, ihrem Pfarrer sein Recht möglichst zu beschränken. – Die Darstellung ist annalistisch; die allgemeinen Zustände (Ehe des Klerus p. 68), die hier durch einzelne [196] Beispiele erhellt werden, sind manchmal in der Anmerkung erörtert. Hoffentlich wird ein Sachverzeichniss ermöglichen, das über Localgeschichte hinaus Wichtige herauszufinden.


Shtaroth. Publ. of the Anglo-Jewish historical exhibition[2]. London, Jewish Chronicle. xvj 394 p.

[Nachtrag zu Bd. II dieser Ztschr. p. 231.] Diese, fast sämmtlich ungedruckten, Urkunden, aus dem Staats-A., Brit. Mus. u. Westminster, enthalten auch Quittungen, Schenkungen (nicht Testamente!), Bürgschaften, Zinsgeschäfte (unter Juden durch legale Fiction verdeckt, über deren Erlaubtheit das Beth-din befragt wird), die Aussage einer Jüdischen Jury über den Werth eines Londoner Grundstücks u. s. w. Im Hebräischen Text sind viele Wörter aus dem Latein nur transliterirt [keines aus dem Angelsächs., manches aus dem Französ., wie „gul d’Aaut, Tut-seins“: auch hierin spricht sich der Zusammenhang der Englischen Juden mit der Normannen-Herrschaft aus]. Für Deutschland finde ich in dem genauen Index nichts; Richard, der spätere Römerkönig, der überhaupt viele Geldgeschäfte mit Juden machte [s. o. S. 193], erscheint 1251 als Patron eines Juden; Nr. 23. Davis hat das Hebräische (das Ref. nicht versteht) ganz abgedruckt, aber nicht alles übersetzt, sondern z. Th. nur umschrieben oder ausgezogen. Einiges war schon von Fowler und Neubauer genau übertragen. Von den zugehörigen Lateinischen Breven ist nur der Inhalt angegeben. Ein chronologisches Verzeichniss wäre erwünscht, da im Text die Stücke nach den Ausstellungsorten geordnet sind. Die frühesten Urkunden sind Lincolner von 1182. Darunter zeigt eine im Gegensatz zum meist trockenen Geschäftston grimmen Humor: sie übersetzt den Namen des Malebys (der 1190 zu York den blutigen Aufruhr der Adlichen gegen ihre Jüdischen Gläubiger anführte, „vero agnomine Malabestia“ Will. Newb. IV, 10) als „böses Thier“. In Nr. 156 versorgt eine Wittwe ihre noch nicht heirathsfähige Tochter durch eine Verlobung und Ausstattung mit einer genau in ihrem Werth beschriebenen Bibel mit Commentar; und so erscheinen manche Culturbilder innersten Lebens, das freilich die grosse Politik nicht beeinflusst hat.


Catalogue of Anglo-Jewish exhibition, 1887, Royal Albert hall [von Jos. Jacobs und Luc. Wolf], and of supplementary exhibitions held at the Public Record office [von C. Tr. Martin], British Museum [von E. M. Thompson und Rieu], South Kensington Museum. Lond., Will Clowes & Sons, 1887. 8°. xxvj 206 p.

Von den 2626 Nummern des Hauptkatalogs betreffen sehr viele nichtenglische Juden und etwa 2100 Neuzeit. Den „historischen Reliquien und Urkunden“ geht eine unparteiische Einleitung voraus: Bis zur Vertreibung (1290) bildete die Englische Judenschaft einen Theil des Staatsfinanzsystems; ihr Glaube allein bestimmte ihre anomale Stellung. [Dies ist nur wahr für [197] die Lehre der Kanonisten, nicht für die Recht und Leben beeinflussende Volksanschauung, nach der sie auch schutzbedürftige Fremde sind.] Alle Erwähnungen von Juden in Angelsächs. Zeit können aus festländischen Schriften copirt sein. Die Normannische Krone bezweckt mit der Einführung der Juden, Kapitalmarkt behufs Steinbauten zu erhalten und sie das Land auswuchern zu lassen, um sie bei eigenem Bedarf wieder auszupressen. Folglich musste sie die Juden bei Geldreichthum erhalten. Diese sassen keineswegs bloss in wenigen Grossstädten, sondern weithin verbreitet; 1290 machten sie fast ein Prozent der Bevölkerung aus. Und doch konnten sie in Gilden, Bürgerschaften oder christliche Gesellschaft nicht eintreten. Den Hass schürte Kreuzzugsfieber, das eine Parallele findet im Zuge von 300 Rabbinern Englands und Frankreichs nach Palästina 1211, ausserdem der Minoritenorden, das Lateranconcil 1215, die Gewinnung einiger Proselyten. Ihre Stellung wurde unhaltbar, sobald sich bei anderen Classen, besonders Oberitalienern, Capital fand, und das Wucherverbot auf sie ausgedehnt ward: anderes Gewerbe und [zuletzt] Landeigenthum war ihnen verschlossen. Doch, abgesehen von dem der Regierung trotzenden Pöbelaufruhr, wurden sie gegen andere Unterthanen gerecht geschützt und von den Königen, ausser von Johann, gut behandelt. Von den Culturschöpfungen jener Juden ist wenig erhalten, z. B. früheste Steinhäuser (zu Lincoln, St. Edmunds, Norwich) und Hebräische Schriften: des Moses Hanasiah Grammatik um 1250 [ed. Collins 1883] und „Hebr. Poesien des Meir ben Elia“ aus Norwich (hrsg. v. Berliner, London 1887. fol. [gottesdienstlich]); des Spaniers Abraham ibn Ezra Werke sind z. Th. „geschrieben [1158] im Winkel der Erde“ [= Angleterre; hrsg. u. a. von Creizenach 1840]. Vereinzelt kommen Juden in England im 14. u. 15. Jh. vor: das Haus der Gemeinen klagt 1376, unter angeblich Lombardischen Bankiers bärgen sich Juden, und der Spanische Gesandte 1498, vertriebene Spanische Juden fänden in England Zuflucht. [Hierzu vgl. Bibl. Anglo-Jud. Nr. 202–8. 234–7.] – Für allgemeine Englische Geschichte sind die meist nur zu kurzen Beschreibungen der ausgestellten Urkunden wichtig. S. 9. 176 ist die auf der Essex-Forstrolle von 1277 hingeworfene Caricatur des wegen Hindinhetze verklagten Aaron, filius diaboli, Colecestrensis, mit dem Taffetfleck in Form der Gesetztafeln rechts auf der Brust, facsimilirt. – Die Nebenkataloge sind für MA. bedeutender; das Archiv hatte einige der noch fast ganz ungedruckten Judenrollen des Exchequer ausgestellt und eine der für 1331–1608 vorhandenen Rechnungsrollen über die königliche Domus conversorum [Judaeorum] in London (S. 177, vgl. S. 2. 8), die erst unter Karl II. verschwand. Wissenschaftlich am brauchbarsten ist aber die Arbeit des British Museum: 28 Privaturkunden für das Jahrhundert nach c. 1181 sind mit allen Namen registrirt; zwei Mss. des 12. Jhs. aus Winchester und St. Albans zeigen Bilder von Juden.


Jos. Jacobs and Lucien Wolf, Bibliotheca Anglo-Judaica. A bibliograph. guide to Anglo-Jewish hist. (Publ. of the Anglo-Jewish exhibition 3.) Lond., Jewish Chronicle 1888. 8°. xxvij 231 p.

[198] Von den drei Perioden enthält I (–1290) 200 und II (–1656) 237 Nummern. In Abschnitt I folgt die Anordnung der Büchertitel (auch Zeitungsnotizen) dem Alphabet der Verfassernamen, ohne Quellen und Darstellungen zu scheiden. Die Stellen in grossen Werken, die als Hauptthema oft ganz anderen Stoff behandeln, sind nach Band und Seite citirt. [Nachträge: s. DZG I, 182; ferner: Ric. Anesty; Girald Cambr. Instr. princ.; Wörterbücher für Archaismen und Folklore, z. B. Halliwell; das Schott. und das Anglonormann. Gedicht und Chaucer’s Priorin über S. Hugo; an Engl. Darstellungen: C. Gross, Disraeli, Merryweather; zum 18. Jh.: Schaible, Deutsche in Engl. 427 über Falk; Concilien u. a. Kirchenrecht, z. B. Haddan u. Stubbs, Wilkins. Und kein Geschichtschreiber der Englischen Juden dürfte festländische Werke – z. B. Stobbe’s, Endemann’s, Roscher’s, Neumann’s – über Geschichte des Rechts, namentlich der Kirche, der Wirthschaft und der Juden im Allgemeinen übersehen: waren doch die Juden und die christlichen Ansichten über sie damals international.] Ist schon dieser Theil des Buches als erster Versuch lebhaft anzuerkennen, so noch mehr die Einleitung über Englisch-Jüdische Urkunden: A) Die Judenrollen im Staatsarchiv: 1. die des Exchequer of receipt beschrieb Schwab (Revue des études juives XI, 256); 2. die des Exchequer of pleas 1219—1286 sind noch unregistrirt; 3. von des Queen’s remembrancer Memoranden, von Heinrich II. bis nach 1290, liegt hs. Register im Rolls house, Calendar 22. 4 u. s. w.; B) Einzelurkunden im British Museum; C) in Westminster abbey; D) Zerstreutes. In diesem Wegweiser konnte natürlich nur die Zeit und ganz ungefähr der Inhalt der Acten-Convolute angegeben werden. [Vgl. auch Rye, Records p. 188 f., und besonders Gross, in den Papers (s. folg. Art.) S. 212–5.]


Papers read at the Anglo-Jewish historical exhibition, Royal Albert hall, London 1887. (Publ. of the Anglo-Jewish histor. exhib. 1.) Lond., Jewish Chronicle, 1888. 8°. 304 p.

Darin p. 20–52: Jos. Jacobs, The London Jewry, 1290. Das Judenviertel lag laut beigegebener Karte zwischen der heut noch Old Jewry gen. Strasse, Cheap [d. h. Markt], Woodstreet und Guildhall. Der Name, in Rouen Juiverie, stammt wie die Engl. Judenschaft aus dem Franco-Normannischen. Bei der Vertreibung fielen die Lond. Judenhäuser dem König heim. Dieser liess sie taxiren und vergab sie durch in Ms. Lansdowne 860 vorhandene Patente; der jährliche Werth, zusammen 65 £, schwankt bei dem einzelnen Haus zwischen ½ und 12 £. Die etwa sechs Synagogen, die hinter einander in London bestanden, wurden fast alle in Kirchen verwandelt. Allein die Juden hatten Grundbesitz nicht zu Eigenthum (sie konnten nicht Homagium dafür dem König leisten noch empfangen), sondern erwarben ihn als Pfand von zahlungsunfähigen Schuldnern, und behielten ihn nur so lange es dem König beliebte. Vom Friedhof erhielt sich der Name Jewin garden [Lyrestowe, das Vf. in dem Document von 1290 dafür findet, ist damaliges Englisch: Todesstätte]. Von den 1290 vertriebenen 15 060 Juden waren etwa 2000 Londoner; im ganzen sassen Juden in etwa 120 Orten Englands. [199] 1195 trugen zu König Richard’s Lösegeld für Kaiser Heinrich VI. 360 Juden 3333 £ bei, davon 31 Londoner 478 £. Vf. stellt annalenartig die äusseren Ereignisse der Juden zusammen – es sind Metzeleien und Besteuerungen – und bemerkt Einiges über ihr inneres Leben. Die drei „Episcopi“ waren Dajanim, Richter, die einmal beim König einkommen, durch ihren Bann die Beisteuer zur Erhaltung des Kirchhofs erzwingen zu dürfen. Mehrere der literarisch thätig Gewesenen gehören Einer Familie an; Historisches ist unter diesen Werken nicht. Einige der Vertriebenen sind 1294 in der Pariser Juiverie nachweisbar.

Luc. Wolf, The Middle age[3] of Anglo-Jewish hist. (1290 bis 1656), p. 53–80. Vf. nimmt hier nicht mehr den Glauben, sondern z. Th. den Stamm zum Merkmal des Juden: die Domus conversorum [s. o. S. 197] beherbergte 1308 noch 51, 1332 22, 1345 nur 11, später gewöhnlich 5 Personen. Dass Juden 1290 in England als Pseudochristen blieben oder nach Schottland flohen, ist nicht sicher. 1310 erbaten sechs Juden, darunter ein Arzt, Ansiedlungserlaubniss; 1376. 1498 s. o. S. 197; 1410 ward dem Elias Sabot aus Bologna erlaubt, in England die Heilkunst zu üben; vielleicht war David de Nigarellis von Lucca, Heinrich’s IV. Leibarzt 1412, ein Jude. Für Kryptojuden auf Englischen Märkten im 15. Jh. bringt Vf. nicht den Schatten eines Beweises. Dagegen sollen von den 1492 vertriebenen Spaniern viele [?] in London, York und Dover Synagogen gebaut und blühenden Handel getrieben haben.

Walter Rye[4], The persecutions of the Jews in England p. 136 bis 169 urtheilt über die wirthschaftliche Bedeutung der ma. Juden überaus günstig, die Vertreibung sei ein grober Fehler der Handelspolitik gewesen. [Allein eine tiefere Erklärung ist nicht versucht; Vf. scheint mir gegen Staat und Kirche ungerecht: beide traten der Mord- und Raublust des Pöbels und niederen Adels entgegen; wenn die Regierung Geld erpresste, so lag das an der Unvollkommenheit der Finanz, wenn der Klerus die Religion der Juden anfocht, an damals allgemeiner Verwechselung von Glauben und Wissen: Edward I. und Peckham erfüllen mit der Vertreibung was die Besten ihrer Zeit für Pflicht hielten. Ein sittlicher Makel trifft weder sie, noch, soviel ich sehe, die verblendeten Blutrichter.] Für Ermordung [200] eines Kranken büssten die Londoner Juden 1131 £ 2000; an die angebliche Kreuzigung des hl. Wilhelm zu Norwich, um 1144, knüpfte sich dann bis 1279 eine Reihe von acht Blutbeschuldigungen, die Vf., wo Einzelheiten bekannt, als unrichtig erweist, sonst als in sich widersprechend und niemals begründet betrachtet: die Juden selbst riefen stets zuerst das ordentliche Gericht an. Neu erscheint hier aus Urkunden die Klage der Juden gegen ungerechte und bestochene Richter, darunter die wohlbekannten Peter von Rievaulx, Stephan von Segrave und Robert Passelew [s. u. S. 215]. 1237 wurden Diebe, die Norwicher Judenhäuser angezündet hatten, bestraft. Dass wegen angeblicher Kreuzigung des hl. Hugo, 1253, 18 Juden gehangen und 80 eingekerkert wurden, weiss man aus Matheus Paris. Rye zeigt nun, wie über letztere, die im Londoner Tower sassen, eine Jury von 24 Rittern aus der Grafschaft und 24 Bürgern aus der Stadt Lincoln berufen ward, und wie die Urkunden, die über das Gut jener Gehängten verfügen, die Kreuzigung nur mit „ut dicitur“ erzählen. Die Minoriten traten für die Gefangenen ein, und der König verlieh ihnen bald darauf besonderen Schutz[5].

Der historisch weitaus wichtigste Aufsatz des Bandes ist Charles Gross[6], The Exchequer of the Jews of England in the Middle ages, p. 170–230. Die Normannische Regierung war so stark, dass sie die Juden gegen den Willen der Bürger in den Englischen Städten hielt und besteuerte und gegen den Willen des Clerus Jüdischen Wucher gesetzlich erlaubte. Namentlich aber war nur bei einem starken Königthum das Exchequer der Juden möglich. – Der dritte Kreuzzug, für den das Land bisher unerhörte Baarsummen schaffen musste, zeige die wirthschaftliche Wichtigkeit der Juden, ihre damalige Beraubung beweise die Nothwendigkeit königlichen Schutzes [der aber doch jeden Volksfremden (Herren- und Sippelosen) und die Juden bereits im Fränkischen Reich von Rechtswegen umfasst]; und aus diesem entstehe das Besteuerungsrecht [das doch der Frankenkönig, also der Normannenherzog, über Kaufleute hat] und aus dessen willkürlichem [201] Missbrauch [allein?] die Rechtsanschauung vom Obereigenthum des Königs an ihrem Besitz. [Aber schon den Leges Edwardi Cf. gilt die Kammerknechtschaft als altes Recht, ist wohl also aus der Normandie mitgebracht und begründet, nach German. Sklavenrecht, das freilich meist nicht ganz ausgeübte Recht des Herrn auf den Nachlass seines Unfreien. Und nach Dial. de Scaccario II, 10 gehört rechtlich der bewegliche Nachlass aller Juden dem Fiscus, nicht als Beschützter oder Fremder oder Besteuerter, sondern als Öffentlicher Wucherer „more Judaeorum“; dass der Nachlass auch christlicher Wucherer zum Exchequer floss, beweist Jacobs, Archl. R. II, 399 für 1171]. Doch passt kein damaliger oder heutiger Rechtsterminus für eine Classe auf die wirkliche Stellung der Juden. 1194 erliess Richard I. die Capitula de Judaeis; wahrscheinlich damals, sicher vor 1199, wurden Justitiare als Custodes Judaeorum eingesetzt. Diese (Vf. verzeichnet deren 45) sind die Hauptbeamten des Juden-Exchequer, je 2–5 hochgestellte Hofleute, (nur 1199 waren Juden darunter), die vor Schatzmeister und Baronen des Grossen Exchequer über die Kroneinkünfte aus jüdischer Quelle Rechnung legen. Unter den übrigen Beamten überwacht einer, meist ein Jude, das der Krone von Juden heimfallende Gut; hier sitzt auch der Oberrabbiner, eingeschworen „den königlichen Beamten zu berathen, die Gerechtsame des Königs[7] herauszudrücken“, der aber auch die von den Juden aufzubringende Steuer auf die einzelnen ausschreibt, für den König Gelder verwahrt (z. B. das den Flämischen Kaufleuten 1266 Confiscirte) und als Schiedsmann zwischen Juden und Fiscus dient. In den Provinzialstädten mussten die Juden (seit 1194) vor einer gemischten (und wenigstens später gewählten) Behörde ihre Schuldurkunden in mehreren Exemplaren aufnehmen lassen; deren eines wanderte in eine öffentliche Truhe, unter Verschluss jener Behörde, die ausserdem den Inhalt inrotulirte. Nur eine Schuld, deren Urkunde in jener Truhe lag, konnte eingeklagt werden; eine Quittung vom Juden galt nur, wenn sie dorch die Behörde ging. Im 13. Jh. wuchs die behördliche Aufsicht; fortan durften die Juden regelmässig nur wohnen und handeln in Städten, wo ein Zweig des Judenexchequer mit der Truhe bestand (Vf. zählt deren 26 auf); zu anderwärtigem Aufenthalt war königliche Sondererlaubniss nothwendig. Das Judenexchequer zog von Juden Geld und Gut unter mannichfachen Namen: ein Drittel vom Erbe, dann den wegen Verbrechen oder Erbenmangels heimgefallenen und willkürlich beschlagnahmten Grundbesitz, ferner Strafgelder, Gebühren, Concessionsbezahlungen, und das Wichtigste: beliebige Steuern, die Vf. auf etwa 6000 £, d. h. ein Zehntel der Gesammteinnahme Edward’s, jährlich schätzt. Deren Umlage geschah durch reiche Juden, die zur Execution helfen und für den Gesammteingang haften mussten. Wie scharf der Fiscus die Steuerschraube anziehen konnte, wusste er aus den manchmal in Westminster eingesehenen Schuldtruhen; dorther nahm er säumigen Steuerzahlern zunächst die Schuldscheine fort, [202] um für sich das Geld oder hypothecirtes Land einzuziehen, was den ärgsten Hass von Adel und Volk auf die Juden herabbeschwor. Genügte auch das nicht, so wurde sonstiges Judengut confiscirt, die Familie als Geisel verhaftet, der Steuerschuldner eingekerkert oder aus England vertrieben. – Das Judenexchequer richtete, unter Ausschluss kirchlicher und localer Justiz, über bürgerliche und Strafsachen der Juden und Verletzung des auf Juden bezüglichen Rechts. Im Ganzen war das Exchequer ein Segen für die Juden, denen es (ausser gegen den König) Gerechtigkeit gewährte, und für die Volkswirthschaft, deren Bankgeschäft es ordnete. Der Untergang des Judenexchequer brachte das Königthum in die Geldklemme, die dazu beitrug, es zur Gewährung der Verfassung von 1297 zu zwingen. – Im Anhang veröffentlicht Vf. ein Statut (oder amtlichen Entwurf) von 1276–90, dessen Ende fehlt, wonach (neben den gewohnten Verboten der Münzfälschung, des Handels mit verdächtigen oder kirchlichen Dingen, der Vorenthaltung der dem Exchequer von Juden gebührenden Heimfälle und Erbantheile, des Haltens christlicher Dienstboten, der Vermischung mit Christinnen) das Zinsverbot [von 1275] wiederholt wird, aber – als „Provision“ jährlich nur [!] 43⅓ Prozent vom geliehenen Kapital auf höchstens vier Jahre erlaubt wird [genau was der ehrliche Dial. de Scacc. II, 10 öffentlichen Wucher nennt. Die legalen Fictionen sind als Edward’s Schwäche bekannt; aber die Anschauung, so plump das Wachsen einer Schuld hindern zu können, ist wohl selbst für damalige Oekonomik zu kindlich.] Es folgt Edward’s Verordnung an den Exchequer 1290, wodurch er die Schulden der Christen an Juden und deren Rechtsnachfolger, den Fiscus, mit Ausnahme des wirklich einst durch die Juden vorgestreckten Kapitals, erlässt.

M. Gaster, Jewish sources [directe?] of and parallels to the Early English metrical romances of King Arthur and Merlin (S. 231–52). Diese Quellen seien Samuel II. und Salomo’s Dialog mit Asmodi und das Leben des Sirach. [Jüdische Quelle leugnet Ath. 20IV89, 502].

H. Adler, The Chief rabbis of England, S. 253–89, zeigt, wie die Bildung der Engl. Juden von Frankreich abhing. Zwei 1189/90 erschlagene Rabbiner finden sich in Neuhebrä. Quellen als „Märtyrer“. Vf. untersucht, im ganzen ohne sichere neue Ergebnisse, die Stellung des Presbyter und Episcopus Judaeorum, der mit dem Judenbischof in Cöln, Mainz, Worms nichts zu thun habe, versucht eine Liste ihrer Namen herzustellen und gibt ihre Lebensdaten seit 1178. Als Elias wegen Vergehen gegen Heinrich III. und König Richard von Deutschland abgesetzt ward, sollte fortan die Judengemeinde von England den Oberrabbiner wählen und vom König bestätigen lassen. Ausser von London ging rabbinische Literatur aus von York und Norwich [doch gibt Ath. a. a. O. eine Norwicher Schule jüdischer Bibelerklärer nicht zu]; s. o. S. 197.


Halmota prioratus Dunelmensis. Containing extracts from the Halmote court or Manor rolls of the prior and convent of Durham. 1296–1384. Surtees Soc. 82, Durham 1889, xliv 287 p.

W. H. Longstaffe hat diese für Sitten-, Verfassungs-, Rechts- [203] und Wirthschafts-Geschichte bedeutende Quelle zu drucken begonnen, J. Booth die Fortsetzung hinter S. 144 (a. 1378) geliefert und die lichtvolle Vorrede, wohl über fast sämmtliche Verhältnisse, die darin berührt sind. Wenn Booth versichert, dass nichts culturlich Wichtiges fortblieb, ist einem so verständnissvollen Manne voll zu trauen. Dagegen den überall Lateinischen Text hätte er lieber nicht grammatisch verbessern, und genau bezeichnen sollen, wo er etwas ausliess oder kürzte. Das Wort Hallemot, zuerst in den Leges Henrici I., bedeutet Versammlung der [Herrschafts-] Halle, Hofgericht über ursprünglich unfreie Gutsinsassen [vgl. u. S. 215]. Seine Protocolle sind die hier zuerst gedruckten Rollen, die noch im Durhamer Capitelschatz ruhen; meist 8 Fuss lang, bestehen sie aus Membranen, die man an der Schmalseite zusammennähte. Vor 1300 ist nur eine, erst seit 1365 die Reihe vollständig erhalten. Eine Fortsetzung der Ausgabe liegt im Plan, ihr soll ein Sachglossar folgen. (Auch das Bisthum Durham besitzt die Rollen seiner Gutsgerichtsprotocolle seit 1345 fast vollständig.) Der Prior erscheint, ohne Abhängigkeit von seinen Mönchen, als alleiniger Herr der Güter des Kathedralklosters. Bisweilen sitzt er selbst neben seinem Amtmann, Bursar oder Terrar dem Gutsgericht vor; Einzelvorsitz scheint vermieden. Meist wird dreimal jährlich Hallmot gehalten und fast für jede der 34 Ortschaften, die dem Domstift unterstanden, ein besonderes. Eine Jury der Ortsbauern dient zur Rüge, Enquête und Urtheilsfällung; sie wird bestraft, falls sie nicht zum Verdict gelangt oder Anzeige von Unordnung im Dorfe unterlässt. Sie wählt den Dorf-Praepositus, einige landwirthschaftliche Beamte, den Pacht- und Strafgeld-Einsammler, die Bierkoster. Die unterste Stufe der Bauern sind Nativi, die nur mit des Herrn Erlaubniss das Dorf verlassen dürfen und ihren Bondagiumbesitz nur so lang es jenem beliebt behalten, die oberste persönlich freie Pächter auf Lebenszeit, die dem Prior Mannschaft und Lehnseid schwören, die also der Person nach zum Freiengericht des Priors gehören, das mehrfach in ausdrücklichem Gegensatz zum Hallmot vorkommt; vermuthlich bannt sie ihr Besitz daneben auch in diesen niederen Kreis. Auf jedem Gut ist die Domäne, die an des Priors Exchequer zu Durham verrechnet wird, getrennt von dem ausgeliehenen Land, dessen Bauern der Domäne Ackerdienst schulden. Auch die ungünstigsten Besitzrechte zeigen schon den Zug zur rechtlichen Stetigkeit. Die Wittwe behält den Hof des Verstorbenen, darf aber ohne des Herrn Erlaubniss nicht wieder heirathen. Die Pachtsumme schwankte in dem hier betrachteten Jahrhundert von ½–1 Shilling für den Acre. Wo ein Einzelpächter sich für eine freie Hofstelle nicht findet, tritt die Dorfgemeinde ein. Das [204] Inventar scheint gering: oft leiht der Bauer vom Herrn die Pflugochsen. – Ausser der Uebernahme eines Guts durch einen neuen Pächter mit dem Antrittsgeld Gersuma, verzeichnen diese Protocolle Bestimmungen über Wege, Ackerpolizei, Brau-, Mühlen- und Wassergerechtigkeit. Mädchen werden oft wegen Leir (concubitus) mit ½ Shilling gestraft, einmal eine Vicarstochter; da jedoch oft Mercheta (Abgabe der Hörigen für Heirath der Tochter) dabei steht, mag es sich um Kiltgang handeln. Prügeln, Messerstechen, besonders oft Schmähen, namentlich der Weiber, wird geahndet; wer die Hörigen Rustici schilt, büsst diese Verbalinjurie mit 20 Shilling. Ausser Geldstrafen kommen Hiebe, Stock, Tauchbrett als Strafmittel vor. – Zu Afterpacht, Holzschlag und Kornverkauf ausser an den Herrschaftsspeicher bedarf es der Erlaubniss des Herrn.


The Philobiblon of Richard de Bury, bishop of Durham, Treasurer and Chancellor of Edward III. Ed. and translated by Ern. C. Thomas. Lond. 1888. 8°. lxxxvj 259 p.

Zur Textherstellung hat Hersg. die vielen Drucke (zuerst Cöln, 1473) und 28 von den 35 Hss. benutzt, doch zu Gunsten des bibliophilen Laien Rechenschaft über Befolgung der Lesarten unterlassen und die Orthographie classisch geändert; er selbst stellt einen kritischen Text erst der Zukunft anheim. In den fleissigen Anmerkungen recht ungleichen Werthes weist er manches Citat des Verfassers nach. Die neue Uebersetzung, die ich in Stichproben richtig fand, muss mühsam gewesen sein; die während seiner Arbeit erschienene frühere von Inglis tadelt Hersg. pag. x. Eine ausführliche Bibliographie zeigt die frühe und weite Verbreitung des Philobiblon auch auf dem Festland, so in Deutschen Hss. und Drucken. Hierin und in der Einleitung über Richard’s Leben fördert Thomas die Wissenschaft: Richard, 1287–1345, heisst de Bury alias de S. Edmundo nach dem Geburtsort, Aungervile nach der Familie [aus welchem der Normann. Angerville mit Burgruine?]. Auf deren Gut Willoughby (Leicesters.) beim Oheim, dem Pfarrer Johann, dann zu Oxford gebildet, ward er Erzieher Edward’s III. (geb. 1312) und alsbald Justiz- und Finanzverwalter in Chester und Bordeaux. Aus Gasconischen Staatseinkünften unterstützte er 1325 die abtrünnige Königin und floh vor Edward’s II. Statthalter zu den Pariser Minoriten. Nach der Thronumwälzung gehörte er zu den vornehmsten Kronräthen, erhielt höchste Staatsstellen, wichtige Gesandtschaften nach Avignon, Frankreich, Brabant und Schottland, beherbergte Edward III. mehrfach in Auckland bei Durham und begleitete ihn Aug. 1338 nach Coblenz. Seine Liste der Kronjuwelen ist gedruckt, die Rechnungen über die festländischen Gesandtschaften von 1333 u. 1338/9 liegen im Staatsarchiv. [205] Durch Hofgunst dem Papst empfohlen und schon vorher reich bepfründet, erhielt er, obwohl die Dommönche anders gewählt hatten, 1333 das Pfalz-Bisthum Durham, das er befestigte und vor Staatssteuern schützte. Aus seinem bischöflichen Actenregister zu Durham sind nur Theile gedruckt. Seit 1339 blieb er in Britannien, für die Regierung im Parlament und in Schottischen Verhandlungen beschäftigt. Besonders damals fand er Ruhe zum Sammeln von Büchern; deren Katalog ist verloren. [Liste der dem Philobiblon bekannten Literatur wäre um so erwünschter.] Die Benutzungsordnung hält Hersg. nicht der Sorbonner nachgebildet. Richard visitirte mit Anderen Cambridge und Oxford, wo er eine Halle und Bibliothek zu stiften plante. Allein das Durham-College entstand nicht unter Richard selbst; sondern Edward III. erfüllte damit das Gelübde vor Halidon Hill, falls die Schlacht glücke, ein Benedictinerhaus zu stiften; er verzichtete nämlich auf einen von Krone und Durham umstrittenen Patronat unter der Bedingung, dass der Bischof ein College auf dem Boden eines Durhamer Conventshauses zu Oxford stiften sollte; Richard’s Nachfolger führte dies aus. An der argen Verschuldung, in der Richard starb, scheiterte sein Stiftungsplan. Seine Bücher wurden veräussert, z. Th. an die Klöster, aus denen er sie, manchmal durch ungeistliche Mittel, erhalten hatte. – Petrarca, den er 1333 in Avignon sprach, schrieb ihm [vgl. Geiger, Petrarca 61. 265]; allein Richard theilte mit ihm nur den Eifer, Bücher, auch zur Benutzung durch andere Gelehrte, zu sammeln, nicht den Humanismus. Befreundet mit berühmten und z. Th. liberalen Theologen (p. xxxiij), darf er doch nicht Erasmus verglichen werden. Das Philobiblon, im damaligen Kirchenlatein, betrachtet die Artes nur als Mittel zur Theologie, wünscht die Philologie zwar auf Griechisch, Hebräisch, Arabisch zu erstrecken, liebt aber weder Bildung der Laien noch volkssprachlicbe Literatur, und entbehrt eigene Philosophie oder scharfe Kritik; vom neuzeitlichen Vorfrühling ist es nicht angehaucht. Einen Liber epistolaris, Lord Harlech’s Ms., hat Richard nicht verfasst, sondern höchstens gesammelt [vielleicht nur besessen]. Andere Werke sind ihm grundlos zugeschrieben. – E. M. Thompson entdeckte das Urtheil eines zwar gehässigen, aber kundigen Zeitgenossen über Richard, das sonst Bezeugtem theils gleich lautet, theils nicht widerspricht; „licet fuisset mediocriter literatus, volens tamen magnus clericus reputari, recollegit libros“. Ein mediocriter literatus konnte damals kein Philobiblon schreiben, wenigstens nicht ohne Hilfe eines Schriftstellers von Fach. Nun melden einige Hss., deren Verwandtschaft leider Hersg. nicht erforschte, schon im 14. Jahrhundert: der berühmte Caplan Richard’s, Robert Holcot edidit (composuit, compilavit) Philobiblon nomine [206] (persona) episcopi. Manche Literarhistoriker (Denifle) schreiben demgemäss das Werk Holcot zu. Thomas findet jedoch den Stil des letzteren verschieden vom Philobiblon, das ja auch stark autobiographischen Charakter trägt. [Wäre letzteres durch die Maske erklärlich, so würde doch selbst unter ihr ein Dominicaner, wie Holcot war, den Predigerorden schwerlich tadeln, wie Cap. 6 thut.] Er sagt, die frühesten Hss. nennen als Verf. nur Richard in der Ueberschrift und alle nur ihn im Explicit [s. dagegen p. lxxv]; vielleicht sei Holcot der Schreiber gewesen [oder der Herausgeber? Zum Schluss gibt sich nämlich der Tractat, offenbar in der Sprache des Verfassers, als „completus in manerio nostro de Aukeland 24. Jan. 1344/5, aetatis nostrae 58, pontificatus nostri 11“. Trotzdem kann der vorhergehende Satz „Explicit Philobiblon Ricardi quondam episcopi Dunelmensis“ erst nach dessen Tode, schon 14. April 1345, geschrieben sein]. Vgl. Pollard, Ac. 27IV89, 281; CBl. 1889, 1081; DZG II, 550; C. R., Ath. 15VI89, 752 zweifelt nicht an Richard’s Verfasserschaft; Thomas (*The library 1889, 335) lehnt sie jetzt ab; CBl. f. Bibl. 6, 521; G. Kaufmann, der ib. 337 das Philobiblon literarisch analysirt, halt Holcot’s grösseren Antheil daran für wahrscheinlich.


Kurze Mittheilungen über die Literatur von etwa 1887–89, zur Geschichte Englands von der Normannischen Eroberung bis auf Edward I.
Ein Stern vor dem Titel bedeutet, dass Ref. das Buch nicht selbst eingesehen hat. Die Angaben über Format und Seitenzahlen sind wie in der Bibliographie behandelt. Bei manchen Zeitschriften, wie Ath., ist das Datum angegeben in der Form 2XI89 für 2. Nov. 1889.

Bibliographie. Allgem. Urkundennachweis. Chronologie. Mme. N. N. Oursel, Nouvelle biographie Normande (3 Bde. Par. ’86) gibt 6500 Nummern, unter denen zwar viele die Zeit der Verbindung mit England betreffen, aber theilweise (nach Stichproben: Guillaume, Henri) auf veralteter Literatur beruhen. Immerhin ein Fortschritt gegen Frère! Dankenswerth für die Historiker Englands ist das Buch wegen Angabe der Schriften grosser Normann. Alterthumsforscher, wie z. B. L. Delisle’s. – Artikel über den Französ. Besitz Engl. Könige werden katatalogisirt von de Lasteyrie et Lefèvre-Pontalis, Bibliographie génér. des travaux histor. et archéolog. publiés par les sociétés savantes de la France. I: Ain–Gironde. Paris ’88. 4°. – Die British record society will Phillimore’s Index Library, worin 220 000 Archiv-Citate gesammelt wurden, fortsetzen; Ath. 2XI89, 601; vgl. p. 709. – T. D. Hardy, Syllabus in English of Rymer’s Foedera, III: Appendix and Index (’85 nach dem Tode des Vfs. erschienen), enthält eine alphabet. Liste der Namen (und dazwischen einiger Gegenstände), die im Syllabus vorkommen. Dieser (’69.73) gab kürzeste Auszüge aller in Rymer’s 20 (bez. 9) Folianten stehenden Urkunden von 1066–1654. Zum Texte dieser letzteren selbst einen Index anzufertigen, wäre allerdings kaum ausführbar; was nun aber vorliegt, ist nicht viel [207] mehr, als ein Register der Absender, Empfänger, Ausstellorte und für jede Urkunde Eines Stichnamens, und auch dies nur sofern neben dem Amte der Eigenname vorkam. Diesen zu suchen oder nach Ordnungszahlen zu bestimmen, hat man sich wenig Mühe gegeben. Wissenschaftlich werthvoller ist die vorangehende Verbesserung von über 300 Datirungen Rymer’s und höchst beachtenswerth der summarische Katalog aller Archivalien-Abschriften, die für die Neuausgabe des Rymer in Britannien und auf dem Festland (auch in Deutschland und Rom) gefertigt, ungedruckt und nur theilweis in Appendix to the Report on Rymer’s Foedera verzeichnet, jetzt im Public record office benutzbar liegen. Sie umfassen c. 1060–1722, betreffen häufig festländische Geschichte, auch des Deutschen Reiches. – *Ancient charters, royal and private, prior to 1200. Ed. J. Hor. Round (Pipe roll soc., ’88, leider nur für Mitglieder), druckt 70 Originale, die er sorgfältig datirt und gelehrt erklärt. Davon betreffen zwei Verpfändung, andere Familien-Fideicommiss, Landübertragung des Mannes an die Gattin, Entwicklung der Ritterlehen, Jüdischen Wucher, den Streit mit den Bischöfen 1139. Hersg. handelt auch über Inrotulirung und Duplicate königlicher Urkunden in der Kanzlei und über Fälschungen. So Law quart. rev. Oct. ’89, 434; Ath. 20VII89, 96. [Round ist jetzt der vorzüglichste Erforscher Anglonorm. Gesch.: er entdeckt Wichtigstes, wirft bedeutende Fragen auf, prüft die Literatur scharf, schreibt kurz und genau, meist in Zeitschriften, und verschmäht Wiederholung des Bekannten.] – Ch. V. Langlois, Les documents rel. à l’hist. de France au Public record office à Londres (Paris, Leroux; Extr. des Arch. des Missions, 3 s. XIV; 25 p.) ist allen, nicht bloss Französ. Benutzern des Engl. Staatsarchivs [neben oben II, 482] zu empfehlen. Er verwerthet neueste Literatur und vermerkt, wo man Wegweiser, Kataloge und Register der Riesensammlangen findet; von den 48 Folianten Annual reports of – – Records hat er dazu grossentheils den Inhalt classificirt. Manche Abschriften oder Auszüge in Hss. weist er aber auch ausserhalb des Archivs zu London nach. Ferner überblickt er die Arbeiten von Bréquigny und Delpit, als deren Nachfolger er 1888 für die Französische Regierung im Londoner Archive arbeitete. – Im Record office liegen die Abschriften der Britannien betreffenden Urkunden seit dem 13. Jh. aus dem Vatic. Archiv, namentlich päpstlichen Regesten, und Rom. Bibll.; einiges Nähere s. EHR Oct. ’89, 810. – J. B. card. Pitra, Analecta novissima spicilegii Solesmensis; altera continuatio I. De epistolis Roman. pontificum (Tusc. ’85) bespricht p. 307 diese Abschriften und druckt Innocenz’ III. Befehl, die Engl. Klöster (exemte unter Aufsicht des B. von Durham und des Abtes von St. Edmund’s) zu reformiren, vom 15II1202, und Brief an Englands Klerus betreffend Peterspfennig, vom 31XII1205, und p. 512, Privileg für St. Andrews 1206. II. Tusculana (’88) bringt p. 321 Notizen zu des Odo von Châteauroux Untersuchung behufs Heiligsprechung des Richard von Chichester, p. xlij einen Brief des Abtes Odo von Ourscamp an Thomas Becket mit einem Geschenk (einem geistlichen Werk des Schreibers?), worin der Wunsch: „möget ihr bald Euren Satan (Heinrich II.) zertreten!“ – Hauréau, Journ. Sav. ’88, 609 bespricht aus [208] diesem II. Bande die Werke Bertran’s de la Tour. Diesem mit Unrecht werde zugeschrieben ein Speculum laicorum, dessen Vf., Johann von Hoveden, Kaplan der Mutter Edward’s I., in einigen Hss. genannt sei. – Die Stuart-Ausstellung im British Museum zeige aus dem MA. Briefe Jacob des II. und des III. an Karl VII., bez. den Kühnen, Siegel der Könige seit 1371 und ihrer Ahnen seit Walter, filius Alani dapifer (= stuart) regis 1170, Gedichte Jacob’s I. von Schottland; Ath. 5189, 17. – Ein Index der Namen der Englischen Parlamentsmitglieder von 1213–1702, mit Nachtrag bisher vergeblich gesuchter, steht in einem *Blaubuch, das Antiq. July ’88, 33 erwähnt. – *W. D. Selby, The jubilee date book. The regnal years of the kings and queens of England from William the Conqueror to Victoria (’87) bringt auch Kalender, Heiligentage, Königstitel, Siglen der Urkunden [Tr. Bristol archl. soc. 11, 183] und wird als nützliches Handbuch gerühmt von L. T. S[mith] Ac. 17VIII89, 103, die auch einen Nekrolog auf den Verfasser [vgl. DZG II, 537] gibt.

Urkundensammlungen einzelner Gegenden. Für die Provinzialurkunden Grafschaftsarchive zu errichten, schlug die Incorporated law society vor; Ac. 23III89, 202. – Th. F. Kirby, The alien priory of Hamble [Tironenser bei Southampton] mit Urkk. v. 12.–14. Jh., Archaeola. L (’87) 262. – R. Sims, [17] Cartularies of religious houses… of Lewes [Battle, Durford, Bayham, Boxgrove, Sele] (Jl. Brit. archl. ass. 42, 355) in London und Oxford, vom 12.–15. Jh. Von den Urkunden für Lewes druckt Verf. 20, Brighton und Atlingworth betreffende, von Ende 11. bis Anfang 14. Jh., ab aus Ms. Cotton Vesp. F. XV, 1444 geschrieben. – *J. P. Yeatman, Sir G. R. Sitwell and C. J. S. Foljambe, The feudal hist. of the county of Derby, chiefly 11–13 cties, beginnen (laut Tr. Bristol archl. soc. 11, 174) mit Abdruck der Staatsarchivalien, auch ungedruckter. – *Im Journal of the Derbyshire archaeol. and nat. hist. soc. VII–X (’87) erschien Calendar of the Fines for the county of Derby from… Richard I. – 42 Henry III. (in Band IX) ed. W. H. Hart. Es sind Landübertragungen, in Form der Beilegung eines Scheinstreites, vor dem Königsgericht. Sie dienen der Orts-, Familien-, Rechts- und Beamten-Geschichte. – J. A. Sparvel-Bayly, Hadleigh castle, Essex (Antiq. 19, 202) ward erbaut von Hubert de Burgh, Graf von Kent, stark erneuert unter Edward III. Mit Uebersetzung von Archivalien 1227–1552. – *Th. Dickson, Register of Lindores abbey, a 13th. cty. Scottish ms. at Caprington castle, Proc. Soc. Antiq. Scot., 1887, 148. – *Commission of histor. mss. XI, app. 3 classificirt die Mss. von King’s-Lynn seit 13. Jh., die wichtig für Gesch. der Parlaments- und Stadtrathswahl, wegen deren Kosten und Aufregung die Krone, z. B. Heinrich V., interveniren muss. – A. Holt, The old palace of Westminster, Archl. R. I, 143 gibt Auszüge aus den Rollen 1243–1469, die die verschiedenen Gebäude, Gemächer und innere Einrichtung des Palastes betreffen. – W. Sp. Simpson druckt und erklärt Inventories of the Cathedral of London 1245 and 1402 (Archla. L, ’87, 439), knüpft an den Baculus stultorum eine Erörterung über das Narrenfest zu Innocentes. Für Ritualschmuck und Liturgie, die Bischöfe von London und [209] fürstlichen und literarischen Donatoren ist manches hier zu schöpfen. Unter ersteren begegnen Beatrix von Provence und Thomas von Flandern (Mutter und Oheim der Königin), unter letzteren Richard Fitz Neal, Diceto, Peter von Blois, Swereford. – *Calendar of wills proved and enrolled in the court of Hustings, London. Ed. Reg. R. Sharpe. I: 1258–1368. (for the Library committee, Guildhall) ’89. [Vgl. DZG 2, 231.] Der Gerichtshof entstamme der Dänenzeit, führe seinen Namen (Hausding) zwar im Gegensatz zum Thing im Freien, wird aber jetzt meist angewandt für Parlamentswahlversammlungen im Freien. [Ath. 13VII89, 61 kennt eine Landübertragung „coram hustingo in domo“ unter Heinrich I.; anders erklärt u. A. Dasent.] Andere Städte haben dasselbe Gericht [nach Ath.: Winchester z. B. nicht durch Uebertragung Londoner Verfassung, und Oxford neben dem Portmannimot]. Die Entstehungszeit[WS 1] kann aus der [um 1300 interpolirten] Stelle in Leges Edwardi Cf. nicht gefolgert werden [liegt aber jedenfalls vor Heinrich I., dessen Charta Lond. 8 f. Hustings neben Folkesmot erwähnt]. Stubbe hält es für eine Bürgerversammlung, dagegen die meisten mit Sharpe für das Grafschaftsgericht. Es war Londons einzige Court of record. Die erste Inrotulirung von Urkunden datirt von 1252. Schon damals dient das Gericht der Kundmachung von Landübertragungen; die Verhandlungen betreffen Geschäfte und Rechtsstreite über Grundbesitz (sie reichen von 1272–1724). Hauptsächlich aber wurden hier Testamente auf Eid zweier unterschriebener Zeugen publicirt; über 4000 solcher Testamente sind inrotulirt, von 1258–1688; dieser Band excerpirt etwa 2500. Die Reihe ist fast die älteste unter Englands Testamenten. [Mindestens einige waren vorher vom kirchlichen Gericht eröffnet; und da viele der Stücke nur Auszüge aus Testamenten mit Bezog auf London sind, so war die Hustings-Inrotulirung vielleicht keine richterliche Anerkennung (Probate), sondern nur vergleichbar der Inrotulirung der das Lehen angehenden Testamentsauszüge auf Lehenshofrollen; Ath.] Im Jahr des Schwarzen Todes 1348/9 erscheint eine besonders hohe Zahl von Testamenten, manchmal von Vater und Sohn, Mann und Frau zugleich; ganze Familien starben also aus. Die Testirfreiheit war für den Bürger länger als für andere beschränkt (mindestens ein Drittel des beweglichen Vermögens erhielt die Frau, mindestens ein Drittel die Kinder); er durfte aber Jahrhunderte vor anderen Engländern über Land gleichwie über Fahrhabe verfügen, sogar an die todte Hand. Neben der Orts-, Gesellschafts- und Stiftsgeschichte (Oxforder Collegien sind 1289 und 1325 bedacht) gewinnt die Genealogie hier mancherlei: Kaufleute von Lucca und Florentiner Fulberti kommen vor. Richard Chaucer, der 1349 starb, scheint des Dichters Stiefgrossvater. Die Aldermanschaft war im 13. and 14. Jh. ein Recht, das man vermachen und verkaufen konnte: Sharpe zeigt dies am Farringdon-Ward. [Sat. R. 22VI89, 770 geht auf die Familie Farndon und andere Londoner Genealogie und Namensgeschichte ein und rühmt, wie Ath., Einleitung und Textherstellung, Ac. auch den Index. Der Gerichtshof tagte zuletzt 1886, kommt jetzt ausser Brauch, so dass die Stadt neuerdings vorschlug, ihn abzuschaffen; Ac. 1VI89, 374.] – *F. C. Hingeston-Randolph, Registers of the diocese of Exeter: [210] Walter Bronescombe, Peter Quivil [1280–91], Thomas Bytton [1257–1307] bishops, (’89) wird gelobt Ath. 24VIII89, 254 wegen stoffreicher, sorgfältiger Erklärung und kritischer Schärfe. Nach diesem wichtigen Register, dem frühesten Exeters, erhielt Henry de Brattone, der Verfasser des Rechtsbuchs Bracton schon 1259 bezw. 1261 die Pfründen Combe und Bideford. Archl. Jl. 46, 290 betont die Wichtigkeit des Werks für G. Cornwall’s, Devon’s und der Cultur. Dublin R. July ’89, 223 rühmt Index und Itinerar der Bischöfe; manche jetzt verfallene Kirche und sonst vergessene Heilige kommen hier im 13. Jh. vor; der Bischof entfaltete grosse Thätigkeit: Walter weihte in 9 Jahren 88 Kirchen. – Schon vorher druckte derselbe *Hingeston: The register of Edm. Stafford bishop of Exeter 1395–1419. Laut Tr. Bristol archl. soc. 16, 342 enthält es Bepfründungen, Weihen, Testamente, Privilegien, Bullen, Untersuchungen, Besteuerung zum Kathedralbau, Erlaubniss für Kirchengründung, Heirath, Abwesenheit vom Amt. Hrsg. ordnet die Auszüge aus dem Register alphabetisch nach Personen und Gegenständen und gibt Wichtiges wörtlich. – *Records of the borough of Nottingham I–IV ed. W. H. Stevenson, laut Ch. Elton Ac. 12X89, 229 Auszüge aus dem Stadtarchiv mit trefflichem Glossar von Raine, das manche Alterthümer der Selbstverwaltung erhellt. Elton führt die verschiedenen Ansichten über das Verhältniss zwischen Gilde und Stadtgemeinde an; die Vorrede erweise eine Anzahl von Beispielen ihrer wenigstens schliesslichen Identität. So heisst auch in Nottingham die Versammlung, die über Verwaltung und Gesetz der Stadt entscheidet: Kaufgilde. Eine Demokratie beherrschte Jahrhunderte lang die Stadt, bis 1446 ein oligarchischer Rath, ursprünglich ein Bürger-Ausschuss, die Macht erhielt; ihm traten die 4 durch die Krone 1399 patentirten Friedensrichter bei, die dann zu Aldermen wurden. Ueber den 12 lebenslänglichen Rathsmitgliedern steht der Mayor.

Siegel. *A. B. [†] u. All. Wyon, Great seals [vgl. DZG 2, 223; 322] laut Archl. Jl. 45 (’88), 97 aus über 2000 Charters zusammengestellt. Durch Uebergabe des Grosssiegels setzt der Monarch den Kanzler ein; dieser ist für den Gebrauch, der Siegelbewahrer nur unter ihm für die Aufbewahrung des Siegels verantwortlich. Unter Elisabeth verschmelzen beide Aemter. Die Ordnungszahl hinter dem Königsnamen des Siegels erscheint unter Heinrich VIII. Die Reihe beginnt mit Offa, Coenwulf, Eadgar [die nicht hierher gehören] und ist ununterbrochen seit Edward dem Bek., der sich Basileus betitelt. Dei gracia führt der [auch sonst pomphafte] Wilhelm II. ein; nur [der titulare] Heinrich (III.) entbehrt es. Der Monarch erscheint vorn sitzend, seit 1217 auf einem Thron, seit 1327 mit Baldachin, und auf der Rückseite zu Pferd. Das Siegel der Mathildis D. g. Romanorum regina (s. DZG 1, 463) sei Deutsch beeinflusst und kunstvoller als Stephan’s. Heraldik beginnt mit Richard I., dessen Leoparden wahrscheinlich der Grossvater Gottfried von Anjou geführt hatte. Bisweilen scheint Porträt versucht: Wilhelm I. zeigt den Hängebauch, Richard I. die schwere Kinnlade, Heinrich III. anfangs Knabenzüge, dann die Schönheit, die auf Torelli’s Denkmal bisher als Idealisirung galt. Dominus Hibernie steht seit [211] Johann im Titel. Während die Barone das Grosssiegel besassen, brauchte Heinrich III. ein kleineres. Seit 1360 tritt Gothische Schrift auf; unter Edward das Absenzsiegel neben Präsenzsiegel. Die Kette für das Schwert auf dem Brustpanzer, die um 1350 aus der Tracht verschwand, bleibt auf dem Siegel noch um 1450. Am schönsten ist das Siegel von 1360, das mit Aenderungen bis 1408 dient und spätere Formen bis 1461 beeinflusst. Bisweilen ward ein besonderes Siegel nur für Eine Gelegenheit angewendet, so von Richard II. für die Quittung über Isabellen’s Mitgift 1396. – A. C. Bickley Antiq. 19, 100, zieht Wyon aus. – All. Wyon, The Great seals of Scotland (Jl. Brit. archl. ass. ’89, 95; 111; 235). Das frühest bekannte stammt von Duncan II. (seit 1094). Von Anfang an hängen die Siegel, seit 1107 sind sie zweiseitig (Gegensiegel). Der König heisst stets Rex Scottorum, anfangs Deo rectore, während später Dei gratia, von Johann Balliol eingeführt, von Bruce [als Englisch?] aufgegeben, seit David II. stetig bleibt. Auf dem Reitersiegel trägt der König anfangs die Lanze, seit 1214 das Schwert. Auf dem Thronsiegel hält Eadgar ein Schwert in der Scheide und heisst Basileus: beides Züge vom Siegel des letzten der Westsachsenkönige [denen Eadgar’s Mutter, die überhaupt Schottland Englisch reformirte, entstammte]. Der steigende Löwe erscheint als Wappen unter Alexander II., und der jetzige Saum erst um 1290. Im 13. Jh. tritt der Einfluss Engl., dann Französ. Kunst, 1364 auch Italienischer auf; damals arbeiten zwei Florentiner Stecher in der Schott. Münze. Das Grosssiegel von 1414 diente 125 Jahre lang (das Englische von Brétigny nur 111). Edward I. von England braucht ein besonderes Sigillum ad regimen regni Scocie deputatum. – [J. Wordsworth] Bishop of Salisbury, Seals of the bishops of Salisbury, Archl. Jl. 45 (1888) 22, seit Mitte 12. Jhs. Das Rationale (λογεῖον), das Metallschild unter dem Halse des Bischofs, begegnet seit 1189 ein Jahrhundert lang, ein Baldachin und die Krönung Mariä (sonst in England seit 1237 nachweisbar) seit 1289, [im Maasswerk Eselsrücken und Fischblase seit etwa 1330]. Sobald Edward III. [1339] Frankreichs Lilien ins Wappen aufnahm, liess der Bischof auf seinem Siegel solch ein Schild, am Cathedralpfeiler hängend, darstellen: ein Compliment vor dem König.

Kirche nach 1066. D. L., The [Anglonorman] church after the conquest (Dublin R. Apr. ’87, 306) behandelt vorzüglich die Hierarchie; er stellt übertreibend Lanfranc’s Nachgiebigkeit im Staatskirchenrecht als die Vorbereitung zur Trennung von Rom hin. — [Derselbe ?] Anonymus bespricht (Jan. ’88, 224) *Alb. Du Boys, L’église et l’état en Angleterre depuis la conquête des Normands jusqu’à nos jours (Lyon ’87), worin Lanfranc, Anselm, Thomas von Canterbury biographisch behandelt sind. – D. L., „Stubbs [Seventeen lectures on – – mediaeval – – hist. ’86, höchst bedeutend, auch für Methodologie] on English ecclesiastical law“ (Dublin R. Oct. '87, 360), übertreibt erst Stubbs’ Ansicht von der Romfreiheit und Einheitlichkeit des Englischen Rechts, um sie dann anzugreifen. Dass Angelsächs. Urkundenwesen auf Röm. Formen fusst, Römisches Recht im Rom. Britannien galt, theoretisch im 12. Jh. in England eindrang und [212] später in Kanzlei-, Admiralitäts- und Kriegsgericht herrschend ward, bestreitet Niemand. Dass die Schreiber Ags. Urkunden oder die Beamten der ersten Normannenkönige Römisches Recht studirten oder gar befolgten, geht daraus keineswegs hervor. Frucht brächte hier nur der Nachweis im Einzelnen, wieweit Römisches Recht in das staatliche Englands eindrang (s. DZG 2, 211). Gänzlich misslingt der Angriff auf Stubbs’ meisterhafte Ansicht von Heinrich II. [Fournier, Officialités au moyen âge, 1881, wird in England nicht benutzt.] Dass Roms canonisches Recht (also mit Appell an die Curie) im kirchlichen Gericht Englands namentlich seit dem 13. Jh. galt, dass kirchliche Heisssporne es als souverän behandelten, leugnet ebenfalls Niemand. Stubbs kann nur meinen, dass der Staat, wenn auch stillschweigend, das Recht behielt, die Geltungsgrenze der fremden Gewalt in England zu bestimmen, wie er es ja thatsächlich gegen Rom öfters übte. Dagegen ist (gegenüber dem allzu Anglicanischen *„Report of the commissioners appointed to inquire into the – – ecclesiast. courts“) D. L. zuzugeben, dass Roms Decretalen im inneren, den Staat nicht berührenden kirchlichen Leben Englands souverän (d. h. ohne nationale Bestätigung) galten, dass im Besondern Canterbury 1281 frühere Beschlüsse der Legaten nur wiederholen, nicht erst ratificiren durfte. Das Provinciale Lyndwood’s (unter Heinrich V.) galt als Privatsammlung aus bestehendem Recht, nicht als Codex, geschweige dass es Recht geschaffen hätte. – Henry Ch. Lea, A hist. of the Inquisition of the MA [vgl. DZG 2,232; 282. 3, 148] berührt nur nebenbei England, wo die Inquisition nie rechten Boden fand. Der Glaube an Ueberirdisches in unchristlicher Form blieb dem Volke auch hier, u. a. weil die Kirche nur unvollkommen Heidenthum und Beschwörungen überwunden hatte: Gregor I. liess Tempel und Feste nur äusserlich katholisiren, und Patrick’s „Lorica“ galt als Zauberschutz (III, 400). Angelsächs. Gesetze bestrafen zwar die Hexerei (413) und später sogar theilweise [doch wohl nur die angeblich todbringende] mit Tod (420), schweres Verbrechen mit Einziehung des Vermögens (I, 503; 523), die unfreie Diebin mit Verbrennung (235). Dennoch kommt im 12. Jahrh. nichts von verbrannten Ketzern oder Hexen vor. [Wilhelm’s I. Benutzung einer Zauberin gegen Ely (III, 420) ist Sage.] Heinrich II. bewies 1166 gegen Ketzer [doch keine grosse] Strenge, um seinen kirchlichen Gegnern keine Blösse zu geben (I, 114) und erliess zu Clarendon das (hier seit Roms Fall erste) weltliche Gesetz gegen Ketzer. Juristen stellten allerdings im 13. Jh. den Feuertod als Ketzerstrafe hin; allein er traf nur [1210 Jemanden und] 1222 einen Apostaten und blieb dem Common law noch fremd. Synoden verdammten zwar 1277, 1286, 1368 theologische Irrlehren, fanden aber wahrscheinlich Niemanden zu verurtheilen (I, 352). Auch die Zauberei verschwand aus dem Strafrecht über zwei Jahrhunderte (III, 427), bis der kirchliche Kyteler-Process 1325, da Zeugniss durch die Peitsche erpresst ward, mit Scheiterhaufen endete, während weltliches Gericht die der Zauberei Bezichtigten noch freisprach (458). Die päpstliche Inquisition hatte in der königl. Assise zwar ein Prototyp (I, 311); aber nur einmal, gegen die Templer, arbeitete sie in England durch ihre Tortur mit Erfolg; das Landrecht, dessen Strafprocess den Angeklagten schirmte (I, 447; 488), [213] hätte ihnen nicht wehgethan (III, 298 ff.), und Edward II. machte ausdrücklich die Kirche für diese Verfolgung verantwortlich, begehrte dann aber einen Beute-Antheil (331). Erst gegen Ende des 14. Jhs. kommt der Umschwung: freilich erbat der emancipirte Staat nicht mehr Roms Inquisition gegen Wiclif’s Nachfolger, sondern forschte von sich aus nach Ketzern. Die Lancasters beginnen dann die Gesetzgebung „De haeretico comburendo“, theilweise um den Klerus ihrem Thronraub zu versöhnen (I, 352). Erst allmählig fügt sich das Landrecht auch der Hexereiklage; meist dient diese noch der Politik (III, 466), so gegen Johanna Darc (338). Von Englischen Literaten citirt Vf. den Johann von Salisbury, Peter von Blois (418), Gervas von Tilbury (494), Adam de Marisco, Bacon, Wiclif [Berengar’s und Roscelin’s Beziehung zu Wilhelm I. und II. und Gerhard von York sind nicht erwähnt]. – Nissl, Der Gerichtsstand des Klerus im Fränk. Reich (Innsbr. ’86; vgl. Luschin v. Ebengreuth MIÖG 8, 321) p. 48 zeigt, dass die Kleriker in weltlichen Strafsachen weltlicher Strafgewalt im Frankenreich unterstanden, dass also im 12. u. 13. Jh. in Frankreich und England der Staat nicht gegen ein schon bestehendes kirchliches Privileg kämpft, sondern nur sein Mangels Uebung vergessenes Recht vertheidigt. Erst aus diesem Kampf entwickelt sich die Exemtion der Geistlichen von weltlicher Strafgewalt. Dass der im kirchlichen Gericht Degradirte nun auch weltliche Strafe, selbst den Tod, litt [was Becket nicht dulden will, weil es doppelte Strafe sei], erscheint ebenfalls als Fränkisches Recht p. 84; 130.

Verfassung und Recht. *Boutmy, Le développement de la constitution et de la société polit. en Angleterre ’87. – *The origin and hist. of the High court of Justiciary [im Schott. MA.], Jl. jurisprud. and Scottish law XXXI, Febr.–Apr. 1887. – *E. A. Freeman, Ueber den Unterschied zwischen City und Borough in Macmillan’s Magazine May ’89. – Zur Stadtentwicklung, besonders Carlisle’s, seit 12. Jh. erforscht Einzelnes Rich. S. Ferguson, Municipal offices, Antiq. XIV, July–Dec. ’86. – J. H. Round, The suitors of the County court, Archl. R. II, 66, stimmt Maitland [s. o. II, 230] zu, dass die Pflicht im Grafschaftsgericht zu erscheinen nicht an allem, sondern an gewissem Freehold haftete. Aber auch diese Güter trugen die Last nicht, weil sie Freehold waren, sondern vermutlich, weil auf sie devolvirte die einstige Pflicht jedes Dorfes, zum Grafschaftsgericht vertreten zu sein entweder durch den Herrn (bezw. dessen Amtmann) oder durch den Dorfpfarrer mit Schulz und vier Abgeordneten. Diese zwei Elemente des Grafschaftsgerichts, das baroniale, persönliche, und das bäuerliche vertretende, sind scharf zu unterscheiden; nur das erstere fungirte als Richter; und zu ihm zählt der Libere tenens um 1215–1231, der also höher steht als der spätere Freeholder (Freisass) und vielmehr Rechtsnachfolger ist der Barones comitatus qui liberas in eis terras habent in Leges Henrici I, 29, 1. – G. H. Blakesley, Manorial jurisdiction (Law QR Apr. ’89, 113) knüpft an F. W. Maitland’s[8] Einleitung zur Ausgabe der *Placita in curiis magnatum Anglie [214] (Lond. for the Selden soc. ’89) an. Noch im 14. Jahrhundert braucht das Manerium nicht, wie das heutige Manor, nothwendig, mindestens zwei Freisassen als Lehensleute zu haben. Der Lehensherr besass Gerichtsbarkeit nicht weil sein Gut ein Manerium war, sondern weil das Lehnrecht theoretisch dem Herrn Gerichtsbarkeit über den Mann verleiht. [Umgekehrt: die Theorie ist später! Wo Vf. Festländisches berührt, fehlt die neuerer Literatur zu verdankende Klarheit.] Freilich wirkte dieser Theorie entgegen 1. häufige Rechtsunkenntniss des Herrn, 2. die Krongerichtsbarkeit, die zuerst Strafrecht, Berufung, Processeinleitung an sich zog, 3. Pflicht und Recht der Lehensleute im Lehenhof mitzuwirken [er meint: Urtheiler zu sein, im Unterschied vom Gerichtsherrn]. Vf. führt Quellen seit 11. Jh. an zum Beweis, dass die Gerichtsbarkeit an jedem Herrenverhältniss und nicht an dem Manerium hänge, und erörtert p. 127, wie im 13. Jh. sich der heutige Sinn von Manor entwickelte. Er billigt Maitland’s Ergebniss, die Court baron habe rein feudalen Ursprung. Dann seien aber Court leet und Customary court für die Nicht-Freisassen nicht feudalen, sondern erst nachfeudalen Ursprungs, da hier nicht die Pares Richter sind. [Sicher schloss die mittelengl. Gerichtsbarkeit des Herrn über die Bauern theilweise an das schon Angelsächs. Hofgericht an.] – Ch. V. Langlois, Les origines du parlement de Paris, RH 42, 74, vergleicht das Französ. Königsgericht mit dem früheren Englands, das er aus bester Literatur darstellt. Im MA. datirt [fast] jeder Verfassungsfortschritt Englands von einer bewussten Handlung, während in Frankreich die Uebergänge sich unmerklich, namenlos vollziehen: die Neigung zur willkürlichen Aenderung der Zustände war also damals grösser in England als in Frankreich. Die Allmacht der Anglonormann. Krone ermöglicht die frühe Organisation des Königsgerichts, dem sein guter Process Freunde wirbt, die gerne dafür zahlen. Das Gericht über Johann 1202, dessen Urtheiler wir nicht kennen, war wahrscheinlich eine gewöhnliche Assise des Franz. Königsgerichts. Freilich beginnen damals höhere Pairs zu fordern, dass nur Urtheiler ihres Ranges (nicht oder nicht bloss königl. Beamte) im Königsgericht über einen von ihnen richten. Allein nicht die Krone schuf sich selbst solche Beschränkung; und nicht von 1202 datirt das Pairsgericht, geschweige die Zwölfzahl der Pairs. Seit 1264 ist Aquitanien als Pair nachweisbar. Das Wort Parlament (und Pairie, d. i. Anspruch auf Antheil daran) kommt in Frankreich und England fast gleichzeitig auf; dort bedeutet es Sitzung der kgl. Justiz, hier des Nationalraths: so verschieden wie diese Bedeutung verläuft die Verfassungsgesch. seit dem 13. Jh. dort und hier. – Der Normanne trägt seinen Geschmack für Processwesen und Aufzeichnung von Gerichtsprotokollen und Rechtsbüchern nach England, das Frankreich daher hierin [ebensowie mit dem Institut der Reiserichter] um ein Jahrhundert voraufgeht. Anglonormann. Gerichtsschreiberbrauch zieht nach Frankreich ein, als dies die Normandie annectirt. Merkwürdigerweise werden gleichzeitig das Pariser Parlament und Common [215] pleas von Bagatellsachen 1278 entlastet; ebenso ähneln die Französ. Verordnungen von 1274/8 dem Statut von Westminster 1275. In beiden Ländern geht die Rechtsprechung der Krone nicht ganz durch das Erstehen regelmässiger Gerichte verloren: der König übt weiter daneben eine ausserordentliche Rechtsprechung mit seinem Geheimen Rathe. Aus diesem zweigt sich später in England das Kanzleigericht, in Frankreich die Commission des Grand conseil unter Vorsitz des Kanzlers ab, beide dem ordentlichen, älteren Königsgericht übergeordnet und feindlich. In England aber entzog sich letzteres (Common pleas und Königsbank) seitdem dem Vorsitz des Königs ganz, während in Frankreich das Lit de justice noch im 18. Jh. möglich blieb. Aus Höflichkeit für Edward I., der in Paris sich durch Fr. Accurs vertreten liess (wie Heinrich III. durch Passelewe), wohnt Philipp III. 1279 dessen Processe bei. – Halimot erklärt W. H. Stevenson (Ac. 29VI89, 449, gegen neuere Ableitung von Holymoot, Lehnshof des heiligen Kirchenpatrons) wie bisher als Hallenversammlung; das i (y) sei das Ags. ge. Seit Anfang 13. Jhs. begegnet dies Lehnshofgericht häufig und keineswegs bloss auf Kirchengut. Auch die Londoner Bäckergilde tritt im Halimot zusammen, das schon in irriger Etymologie als Curia sanctimotus übersetzt wird. Wie Leet ursprünglich Ostanglisch, sei Halimot vielleicht nur Westsächsisch-Mercisch [? s. o. p. 202]. – Die Anglonormann. Landübereignung, wonach der Donator die Qualität des erworbenen Besitzrechts bestimmt, so dass z. B. wenn er nicht der Urkunde „haeredibus“ hinzufügt, die Gabe nach dem Tode des Beschenkten ihm zurückfallt, behandelt Brunner, Landschenkungen der Merowinger, Berl. Ak. SB. ’85, 1176. Diese von Glanvilla bis Littleton belegte Germanische, nicht lehenrechtliche Donatio ist also ein weiterer Begriff als die Röm. Schenkung, sie begreift neben dieser auch die allein auf die Person des Beschenkten beschränkte Gabe in sich. – L. Owen Pike, Feoffment and Livery of Incorporeal hereditaments [Theilbefugnissen an Land], Law QR Jan. ’89, 29: obwohl Bracton an solchen Rechten Belehnung und Auflassung nicht zugibt, waren dennoch auch Renten im 14. Jh. deren Gegenstand. Wohl schieden schon die Rechtsbücher des 13. Jhs. die Uebertragungsform der körperlichen Dinge von der der unkörperlichen allein noch ohne klare Definition. Auch Nutzungsrecht an der Gemeinweide und Patronat konnten aufgelassen werden. – Dass Pike’s Hauptsatz ganz bewiesen sei, leugnet Mitglied der Seiden soc., Law QR. Apr. ’89, 219. – Fred. W. Hardman, The law of escheat (Law QR. 1888, 300) betrachtet die Gesch. des Heimfalls im Lehnrecht und der Verwirkung an das Staatsoberhaupt im Strafrecht seit 13. Jh. – F. W. Maitland, The beatitude of seisin [Besitz-Schutz] Law QR. IV (’88), 24. 286. Das 13. Jh. besass ein System von Besitzklagen, das schon bei Britton verwirrt, im Common law des 14. Jhs. nur spurenhaft erhalten ist. Die Selbsthilfe des Grundeigenthümers gegen den Occupanten seines Landes war, umgekehrt wie man erwarten würde, im 12. Jh. beschränkter als im 15., nämlich durch Heinrich’s II. Einführung dreier nicht germanisch-volksthümlicher Besitzklagen. Der König wollte damit vielleicht Geld ziehen und die Lehnsgerichte und das Band zwischen Herren und Vasallen [216] schwächen, indem der Besitzer seine Sicherheit königlichem Gesetz und Gericht verdankte; doch half ihm dabei die Volksmeinung, eingenommen für Ruhe und schnellere und leichtere Rechtspflege. Das Verfahren auf „neuerliche Entsetzung“ war summarisch scharf und konnte laut Bracton vom Entsetzten gegen den Eigenthümer nach bloss 4 Tagen ungestörter Occupation mit Erfolg angerufen werden. (Zu vergleichen ist [?] die Deutsche[9] Sessio triduana, die dreitägige Frist, innerhalb der die Lex Salica dem Verfolger seines gestohlenen Viehes das Beweisrecht zuspricht, und die Londoner Gilde den Eigenthümer von verirrtem Vieh entschädigt.) Der „Eindringling“ beim Todesfall des Besitzers erlangt dies Klagerecht gegen den rechtmässig nachfolgenden Eigenthümer erst, wenn er Jahr und Tag von diesem ungestört sass. Beschränkt war die Besitzklage von Anfang an auf Liberum tenementum, womit die Zeit Heinrich’s II. nur meinte den Gegensatz gegen Bauergut, das die Krone noch nicht der Patrimonialjustiz zu entziehen wagte; aber später verstand man liberum enger und schuf Raum für Einreden. Und Bracton schon schiebt als Sinn jener viertägigen Frist unter, der besitzlose Eigenthümer leide für seine Nachlässigkeit, dass er nicht wenigstens animo solo zu besitzen fortfahre (was er aus Missverständniss der Römischen Lehre möglich hielt); er bahnt den Weg zur späteren Auffassung, die zur Anwendung der „Neuen Entsetzung“ gegen den Eigenthümer einen immer strengeren Rechtstitel des Liberum tenementum fordert, bis endlich der Besitzer fast nie mehr sich damit gegen den Eigenthümer schützen kann. Dies erläutern Beispiele aus Gerichtsprotokollen von 1292–1376. Indem die Richter, verführt durch Anwaltkniffe, die Besitz schützende Klage auf „Neue Entsetzung“ aus dem Common law verschwinden liessen, ward man Ende 14. Jhs. durch Landoccupation aus Privatgewalt so beunruhigt, dass seit 1381 häufig Gesetze dagegen auftreten. Vf. untersucht zum Schluss scharfsinnig die Ursachen des Missbrauchs und Verfalls jener Besitzklage. – F. W. Maitland, Possession for year and day (Law QR July ’89, 253). Vf. entscheidet zwar nicht die Frage, wie der Rechtssatz entstand, dass der Jahr und Tag (d. h. bis zum Ding nach 1 Jahre) ungestörte Besitz zu Eigenthum werde oder doch Processvortheile gewähre, zeigt aber, dass Englisches Recht der Anschauung widerspreche, als hätten die Germanen vor Römischem Einfluss eine allgemeine einjährige Usucapio an Land gekannt: bei den Angelsachsen begegnet kein Jahr und Tag, keine Verjährung, im Common law keine kurze und keine absolute; Heinrich II. schützt Besitz ohne Rücksicht auf Jahr und Tag. Und die Rechtssätze mit Jahr und Tag, deren Vf. mehr als Coke verzeichnet, sind z. Th. nicht sehr alt, z. Th. deutlich aus Gesetz und Verordnung, nicht aus Volksbewusstsein geflossen: die Befreiung des Villans durch ruhiges einjähriges Stadtbewohnen entspringe z. B. dem Privileg der städtefreundlichen Krone. Freilich aber kommt Jahr und Tag in den sog. Gesetzen Wilhelm’s und Heinrich’s um 1100 und Stadtrechten des 12. Jhs. vor [vgl. Stubbs zu Roger Hoveden II, xxxviij]; dass Privilegien nach c. 1260 Jahr und Tag [217] nicht mehr erwähnen, liege daran, dass schon das Common law zu Bracton’s[WS 2] Zeit sogar den ungerichtlichen Besitz gegen Gewalt mächtig schütze. Vf. verzeichnet nun diese Jahr- und Tagsätze der Stadtrechte, erklärt sie aber so, dass sie nur den Besitz schützen, welcher im Stadtgericht aufgelassen sei. Auch diese Sätze seien also schwerlich ein Rest Angels. Rechts, vielleicht sogar erst Französ. Stadtrechten nachgebildet; auch hier entspringe der Schutz einjährigen Besitzes gegen Gewalt und Klage erst aus der nicht uralten Landauflassung im Gerichtsbann. – F. Cypr. Williams, The terms real and personal in English law (Law QR ’88, 394), bespricht die Abstammung und Bedeutungs-Abweichung der Englischen Namen „Real- und Personalklage“ von der Römischen Actio in rem vel in personam seit Bracton. Bei der Englischen Realklage verfügt das Recht über die beanspruchte Sache selbst, insbesondere Grundeigenthum, bei der persönlichen nur über Schadenersatz. Der Executionsprocess bei dinglicher Klage findet sich bei Glanvilla, aber jene Distinction nicht. – John W. Salmond, The history of contract (Law QR ’87, 166): die Vertragstheorie des Englischen Rechts (12.–15. Jh. wird betrachtet) entwickle sich, nachdem Bracton’s Versuch Römische Rechtsgrundsätze darauf anzuwenden gescheitert, aus den drei Klagen auf Schuld, urkundl. Vertrag und Assumpsit (formloses Versprechen auf Causa hin). – Edw. Fry, Specific performance and Laesio fidei (Law QR Juli ’89, 235). Die specif. perf. (Versprechens-Erfüllung) ist einklagbar im Billigkeits-Gericht, während das gemeinrechtliche Gericht nur Schadenersatz für Vertragsbruch zuspricht. Vf. sieht im christlichen Verbot des Treubruchs den Ursprung kirchlicher Competenz für Klagen auf Erfüllung eines Treuworts. Es kam vor bei Heirath, Mitgiftland (nur gegen den Ausstatter verwendbar), Vertrag auf Eides- und Treuwort, beim Versprechen späteren Erscheinens für den beim Termin Entschuldigten, Versprechen späterer Zahlung ans Exchequer, bei politischen Versprechungen (Verfassungseiden, Thronfolgezusage Edward’s an Wilhelm I.). Ursprünglich stand das Treuwort neben dem Eide oder statt desselben; aber häufige Verbindung bewirkte, dass affidavit (einst = hat Treuwort gegeben) heut bedeutet: er hat schriftliche Erklärung beschworen. Ausser jenem Exchequer-Fall gehört der Bruch obiger Treuversprechen dem kirchlichen Gericht, das allen Verkehr, sobald ein Versprechen auf Treuwort dabei vorkam, an sich zu ziehen strebte. Seit den Clarendoner Constitutionen wehrt sich der Staat dagegen. Glanvilla erlaubt dem kanonischen Recht wohl geistliche Strafen gegen den Treubrecher, aber nicht die Entscheidung über den durch Treubruch occupirten Laien-Besitz. Vf. citirt Fälle in denen Grundbesitz, obwohl auf Treubruch hin vom Kläger im kirchlichen Gericht einzuklagen versucht bezw. sogar erlangt, dennoch durch staatliches Gericht dem Gegner verbleibt. Also erst das Kanzleigericht, seit Ende 14. Jhs., ermöglichte, auf Erfüllung eines Treuversprechens zu klagen. – A. le Poittevin, Des droits de la fille ou du mariage avenant dans la coutume de Normandie [1583] NRH de droit 13 (’89), 257. Maritagium competens ist das Recht der durch die Brüder vom Erbe ausgeschlossenen Schwester auf Aussteuer durch jene. Dies betrifft Englisches Recht, nicht bloss weil dies theilweise eine Tochter des Normann. [218] ist; sondern Vf. citirt auch ausdrücklich Vergleiche mit England, so die Curtesy (Recht des Wittwers auf lebenslänglichen Niessbrauch vom Gute der Gattin, wo ein Kind geboren) und die Suspension der Personalität der Frau im Ehegatten. – Rud. Wagner, Handbuch des Seerechts I (Lpz. ’84), 43 ff.; 67 ff. bestätigt Twiss’ Forschung, dass nicht Richard I. das Seerecht von Oléron aus dem Mittelmeer mitbrachte. Es sei inhaltlich rein Germanisch, aus dem Oléroner Seegericht, wahrscheinlich im 12. Jh., entstanden. Die Englischen Zusätze entstammen dem Admiralitätsgericht und vielleicht Königsgesetzen des 13.–14. Jh. Sonstige Engl. und Schott. Seerechtsquellen des MAs. verzeichnet Wagner p. 72, die ältere Literatur darüber p. 101 f., 106, die neuere p. 109. – [Levin] Goldschmidt, Lex Rhodia und Agermanament; Z. f. Handelsrecht 35 (’89), 37, 321, zeigt, dass vielleicht schon im ältesten German. Rechtsgebiet Römisches Recht auf das Havereirecht einwirkte; eine Contributionspflicht findet sich aber auch im Norden, vielleicht originär. Für die Gesetze Wilhelm’s I. 37 f. führt auch Verf. 370 die unmittelbare Quelle nicht an; ein Schiffsrath, wie er (in German. Rechtsquellen seit 13. Jh.) den Schiffswurf erst legalisirt, begegnet hier noch nicht.

Römisches Recht. Conrat (Cohn), Röm. Recht [s. ο. II, 275] I, 14; 60; 224; 232 leugnet mit Recht dessen Spuren in Angelsächs. Gesetzen, oder in Lanfranc’s Werken, weist einige nach in Bussbüchern, Bonifaz und der Synode von „Calchut“ [Chelsea; (Haddan and) Stubbs, Counc. III, 445, übergeht manches, was ich oben II, 212 erwähnte], führt die der Leges Henrici I. [welche er zu spät ansetzt] auf Epitome Aegidii aus dem Breviarium Alarici zurück, und behandelt im Anschluss an Haenel die Rechtscompilation, die Wilhelm von Malmesbury aufnahm [s. DZG 2, 469; hier war Stubbs’ Ausgabe I, cxxxj zu citiren.] Wenn Beda sagt: Aethelberht decreta iudiciorum iuxta exempla Romanorum cum consilio sapientium constituit, denke er an das Beispiel des Röm. Senats. [Weshalb soll Beda die Beistimmung des Witena gemot für Römisch gehalten haben? Savigny erkannte richtig: die Codification ist das Nachgeahmte.] – Law QR II 1886, 97 erklärt in einer Kritik über Scrutton (s. DZG 2, 211) die Thatsache, dass, nachdem doch Bracton Römischer als Sachenspiegel und Beaumanoir gewesen, Römisches Recht aufhörte, das Englische wesentlich zu beeinflussen, gerade als es Nordfrankreich und Deutschland zu erobern begann, daraus dass England früh ein thätiges und mächtiges Parlament und noch früher ein centralisirtes Rechtsprechungssystem erlangte. – Zur Kenntniss Römischen Rechts in England vor Vacarius ist wichtig Gaudenzi, Un ms. di „Ulpianus de edendo“, Atti – – della r. deputazione di storia – – di Romagna, 3 ser. III (1885) 474. In dem Ordo iudiciorum, einem Theil der Englischen Rechtscompilation Quadripartitus von etwa 1115, den ich Z. der Savigny St. f. Rechtsgesch. Germ. V, 198 nicht zu identificiren vermochte, erkennt Vf. den sog. Ulpian. Dass dieser Tractat vom Vf. des Quadripartitus nur aufgenommen, nicht verfasst ist, ist nicht bloss möglich, sondern m. E. ganz sicher: das Rahmenwerk des Quadripartitus zeigt ganz andere Schule als der Ulpian. Dass Ulpian den Gratian [219] benutzte, habe Haenel nicht bewiesen; dass Ulpian von Vacar verfasst sei [wogegen sich Conrat (Cohn) I, 61 erklärt], wie Haenel [nur mangels besseren Namens] vermuthete, bleibe nur möglich, wenn Vacar erst als Greis nach England kam. [Vacar war noch 1175 am Leben (s. o. p. 195), folglich weit jünger als Ulpian.] Verf. billigt die Annahme der Abfassung in Frankreich, er räth auf Orléans, und meint, Ulpian entstand[WS 3] an einem kirchlichen Gericht. [Dagegen hält Caillemer (Droit civil dans les provinces Anglonorm. au XII s. p. 17) den Ulpian für Anglonormannisch.]

Auswärtige Beziehung. Krieg. D. Wolfg. Michael, Die Formen des unmittelbaren Verkehrs zwischen den Deutschen Kaisern und souveränen Fürsten, vornehmlich im 10., 11. und 12. Jh. (Hamb. ’88), bespricht Richard’s und Philipp’s Zusammenkunft 1199 auf der Seine: der Fluss galt neutral und war Unterredungsort gemäss German. Sitte. Man bestimmte in verschiedenen Jahren gern denselben Tag. Im Briefstil erscheint der höhere Rang des Deutschen noch mehr über dem Englischen als über dem Französischen König. Im frühesten Brief, der hochwichtig, obwohl in England unbeachtet ist, redet der sonst so stolze Wilhelm II. zu Heinrich IV. von „nostra humilitas“. Die anderen Schreiben von 1157/9 und 1188 sind bekannt. Vgl. W. A[rndt], CBl. 1889, 1404; E. Bernheim DLZ 11, 60; oben II, 254. – Felix Wissowa, Polit. Beziehungen zwischen England und Deutschland bis zum Untergange der Staufen (Bresl. Diss. ’89) zeigte ich MHL XVII, 333 an. – *G. v. Köhler [s. o. II, 224; 277] behandelt eingehend und mit militärischer Sachkenntniss den „Englisch-Französ. Krieg des 14. Jh.“ u. den „Feldzug Heinrich’s V. in Frankreich“. Krebs, GGA 1887, 626 bezeichnet das Werk als bedeutenden Fortschritt der Kriegsgeschichte. – *H. Delpech, La tactique au 13e s. (2 Bde. Par. ’86) betrifft meist Englisch-Französ. Schlachten; auf Bouvines bezieht sich M. Baltzer’s Anzeige MIÖG VII, 492. Damit beginnt das Hauptthema nach Rückblick auf Hastings, Tinchebray, Brémule, Lincoln, auf die Förderung der Taktik durch Gottfried von Anjou und seinen Sohn Heinrich II. und auf Richard’s Kreuzzug; Maury, Jl. des Sav. ’87, 135; 294. G. Köhler, GGA ’86, 513, greift Delpech hart an.

Verfassung und Recht einzelner Landschaften. *Burrows, Cinque ports [s. o. II, 228] drängt die Gesch. von 40 Orten der sö. Küste auf 254 p. geschickt zusammen. Dass Edward d. Bek. den Bund privilegirt habe, gibt das früheste erhaltene Charter, Edward’s I., an. Die Institution selbst spreche für Angelsächs. Ursprung. [? Nur] Spuren der Immunität neben Schiffsdienstpflicht bietet Domesday für Sandwich, Dover, Romney; 1190 erhalten Rye und Winchelsea die Processprivilegien der Barones von Hastings und den Fünf Häfen. 1278 privilegirt der König: des Bundes Shepway- (später Warden’s) Gericht, Brodhull (d. i. Versammlung mit Aufsicht u. a. über den Markt von Yarmouth), Guestling (Incorporirung von Seaford, Pevensey, Fordwich, Deal, Folkestone, Faversham, Lydd, Tenterden). Verf. erzählt die Seesiege von 1217, 1293 u. s. w. Doch schon der Ruhm von Sluys (1346) gehört nicht den Häfen allein. Durch Rückweichen der See ward Winchelsea trotz mehrfacher Verlegung der Stadt, dann auch [220] die anderen seit dem 15. Jh. bedeutungslos. So Edith Thompson EHR Apr. ’89, 374. – J. H. Round, Communal house demolition (Archl. R. Dec. ’89, 366). In den Cinque ports reisst die Gemeinde, laut Custumale von Sandwich, dem zum Major oder Jurat Erwählten, der die Amtsannahme weigert, sein Haus nieder. Diese Strafe begegnet in Stadtrechten Frankreichs, und für genau dasselbe Vergehen zu Amiens. Die Verfassung der Cinque ports bilde wohl überhaupt die Commune der Picardie nach und entstehe nicht vor Heinrich I. – Burrows, The Cinque ports charters, Archl. R. Jan. ’90, 439, hält die Ags. Entstehung dadurch nicht widerlegt: in der Picardie verbinden sich mächtige Gemeinden, hier eignen Sonderlebens unfähige; „Cinque“ mag der ja überhaupt Normannisirte Bekenner eingeführt haben; die Kaufgilde fehlt Engl. Gemeinden auch sonst, so London; Mayor und Jurati seien vielleicht nur Normannische Namen für ältere Institute; der Warden der Cinque ports entspricht Französ. Beamten nicht; der Vergleich der Hauszerstörungsstrafe[WS 4] trifft nicht in allen Stücken zu. – Will. Page, The Northumbrian Palatinate and regalities, Archla. LI, [’88] 143, meint, aus der Landeshoheit des [Mark-, Pfalz-] Grafen, die im 10. Jh. an die Stelle des Northumbr. Königthums trat und die Englische Krone von Gericht, Verwaltung und Finanz im Norden auch ferner ausschloss, seien in Normannenzeit die jura regalia der dortigen Baronieen entstanden. [Gewiss nicht sämmtliche.] – T. F. Tout: The Welsh shires (Y Cymmrodor IX, ’88, 201) sind Verwaltungsbezirke, nicht organische Stammesländer, und bezeichnen die Einführung Englischer Selbstverwaltung; doch entsprechen einige Keltischen Landgrenzen. Die Grafschaften der heutigen Englischen Grenze reichten als Marken zur Domesday-Zeit weit in Wales hinein, waren aber, obschon theilweise von Welschen bewohnt, nicht Wallisisch. Erst seit Wilhelm’s II. Zeit erobern Normannische Barone selbständig von der Grenze her das südöstl. Wales, das sie dann von der Englischen Krone zu Lehen nehmen. Unter diesen Marchers-Territorien sind die ältesten Walliser Shires: Pembroke, Glamorgan. Sie sind feudal-markgräflich, stark militärisch organisirt: der Sheriff vertritt z. B. hier den Grafen, nicht den König. Doch gab es Localgerichte der Freien, und Walliser Grundbesitzrecht blieb theilweis trotz dem Normannischen Recht des Herrn erhalten. Pembroke, das unter Heinrich I. um Milford Haven Flämische Ansiedler erhielt, wird 1138 Grafschaft des Gilbert Clare und vererbte dann an die Familie des Marschall. – Standish O’Grady, The last kings of Ireland, EHR Apr. ’89, 286. Seit dem 11. Jh. entwickelt Irland (im Kampf nicht der Stämme oder der Grundsätze, sondern der Dynastien, und nicht durch Wahl) seine Monarchie. Im 10. Jh. gewann Brian Ború (d. h. mit den Tributen), bisher Vasall der Dänen Limericks, von seiner Shannon-Veste aus ringsum allmählich Gewalt und ward endlich als Imperator Scotorum in das Buch von Armagh eingetragen. Sein dritter Nachfolger im Oberkönigthum nahm den aus England vertriebenen Harold auf; dessen Nachfolger correspondirt mit Lanfranc; und dessen Sohn Murty tritt, nach anfänglichem Bund mit Norwegen, zu Heinrich I. über. 1106 setzt er in Connaught den König ab und seinen Neffen ein. Dieser aber, Turlough, [221] verhalf Ulster dazu, den O’Brians das Oberkönigthum abzugewinnen, das er 1121 selbst übernahm. Der Kirche, besonders Clonmacnois, freundlich, erfolgreich gegen Feinde und Dänische Raubritter, gut gebildet und zur Regierung begabt, übte er gegen Besiegte Milde, indem er sie zu Mönchen schor, statt sie zu blenden oder zu tödten, baute Brücken und Burgen und soll Münzen geschlagen haben: man nannte ihn Augustus. 1127 stand er im Zenith: da war er Oberkönig Irlands, unmittelbarer König von vier Provinzen und der Dänen von Dublin, Herr der Vasallenkönige zu Breffney und Meath, Vater des Königs von Leinster; und andere Fürsten waren durch ihn eingesetzt. Indem er so die Irischen Kleinstaaten an einen fremden Oberherrn gewöhnte, bereitete er den Boden für Heinrich II.

Wilhelm I. und II. *Duméril, La conquête de l’Angleterre par les Normands; Ann. de la Faculté des lettres de Bordeaux ’89, 2. Laut RQH ’89, Oct. 646 vergleicht er Thierry [!] und Freeman und hält die Eroberung für friedlicher und weniger drückend, als man früher annahm. – In Michel’s Chroniques Anglo-normandes III (’40), 39 steht das Gedicht des 12. Jh. vom roi Guillaume d’Engleterre, ein Abenteuer-Roman, der nichts mit einem Anglonormann. Herrscher und mit England nur einige Städtenamen gemein hat. Als Verf. nennt sich Crestiiens, d. i. der Trouvère Christian von Troyes laut Förster, R. Müller und Wilmotte, Moyen âge, 1889, p. 189. – L. Schwabe, Studien zur Geschichte des 2. Abendmahlstreits (Lpz. ’87), berührt Lanfranc und Wilhelm den Er.; er verwerthet neueste von Franke und Bishop entdeckte Acten umsichtig. [Loofs, GGA ’88, 563 gibt in eingehender Kritik zu, dass sich das Schwanken der Curie aus Politik erkläre.] Der Streit entstehe [werde öffentlich; Loofs] zuerst und allein durch Berengar’s Brief an Lanfranc über Joh. Erigena [-Ratramnus]. Lanfranc, eifersüchtig auf Tours’ Schulruhm, schmiede daraus Ostern 1050 zu Rom Ketzereianklage. Wahrscheinlich nur dazu reise er zum Papst; jedenfalls weile er nicht schon zufällig vorher 1049 bei Leo IX., sondern dessen Weihe von Remiremont falle Oct. 1050. Unwahr behaupte Lanfranc: er habe sich selbst vom Verdacht des Erigenismus durch jene Anklage reinigen müssen, Berengar habe unerlaubt agitirt, und schon zu Vercelli, Oct. 1050 erscheine dessen Abendmahlslehre; diese weist Verf. als erst später geklärt nach. Da 1050 die Curie Frankreich, Normandie, Flandern, Blois, Anjou angreife [hierzu vgl. Bröcking, Französ. Politik Leo’s IX. (Berl. Diss. ’89), der Schwabe mehrfach widerspricht], bereite Anjou ein Gegenbündniss, obwohl freilich 1050/1 noch mit der Krone und Normandie im Kriege (die schwierige Zeitfolge ist p. 54 untersucht); dafür spreche: 1) Euseb von Angers schreibt (Guido von Reims?) Frühling 1051 [Sommer 1050 Loofs], und 2) Berengar besuche Préaux und (gleich?) Wilhelm von der Normandie [Loofs bezweifelt, dass Berengar hier politisch gegen den Papst agitirt habe], der sich aber zu Brionne gegen ihn erkläre. Da Anjou Maine erwirbt, während der bisher gefangene Bischof von Le Mans Normann. und Französ. Hilfe suche, und nun Versöhnung mit der Curie erstrebt, gebe April 1054 Hildebrand zu Tours dem Berengar nach, wie dieser richtig [222] gegen Lanfranc erzähle. Anjou verbinde sich damals auch die Krone; da aber Heinrich I. gegen Wilhelm 1054 nichts ausrichte, erlaube er ihm, dem Gottfried Maine zu entreissen. Auch ein neuer Bund Frankreichs mit Anjou unterliegt 1059 an der Dive. Ostern 1059 musste Berengar zu Rom orthodoxe Abendmahlslehre beschwören: dass er bestach, sei Lanfranc zu glauben, aber nicht, dass er meineidig seine Lehre abschwor. Berengar schrieb darüber Verlorenes, wahrscheinlich nach 1061 [Loofs: erst nach Jaffé 4546, um 1065]; Lanfranc erwidere kurz vor 1070, weniger wundersüchtig und bedeutender als die sonstigen Orthodoxen, und werde allein einer Antwort Berengar’s, nach 1073, gewürdigt. Dass Nov. 1078 mit Petrus Damiani Gregor VII. sich für Berengar gegen Lanfranc erklärt habe, citirt Verf. aus Berengar’s letzter Schrift [die Literatur verbindet damit Lanfrancs Kühle gegen Gregor]; diese werbe mehr Mitleid als Beifall. Der Augenzeuge Bernold ruhe auf Lanfranc und Guitmund. Richtig erscheint Gregor VII. mehr als Realpolitiker denn als Dogmatiker. – Die um 1070 verfasste Expositio zum Liber Papiensis erwähnt zu drei Langobardischen Gesetzen (ed. Mon. Germ. Leg. IV, 402; 404; 566) Rechtsaussprüche eines Lanfrancus, der zu Wido 6, 23 „archiepiscopus“ heisst. Man identificirt ihn mit dem Erzbischof von Canterbury, der allerdings um 1035 zu Pavia Rechtslehrer war; Schröder Dt. R.-Gesch. I, 233. – *Duchess of Cleveland, The Battle abbey roll with some account of the Norman lineages (3 Bde. ’89) wird von Ath. 27IV89, 530 und Sat. R. 22VI89, 766 als gelehrte, aber unkritische Sammlung aus vielen, theilweise werthlosen, genealog. Büchern bezeichnet. Die Rolle der Mitkämpfer des Eroberers bei Senlac, das an der jetzt der Verfasserin gehörigen Stelle des späteren Battle lag, ist in Wirklichkeit nachweisbar erst seit dem 14. Jh. [früheste Ueberlieferung (vgl. Hardy, Descr. Cat. II, 2 ff.; Sims, Genealogist 13) scheint dabei unbenutzt]; hier aber gelte sie gegen alte wohlbegründete Zweifel wieder als im Wesentlichen authentisch. [Auch Quart. R. Oct. ’89, 385 glaubt, beweislos, an ein echtes ursprüngl. Document.] Dagegen sprechen schon die mit „Fitz“ (filius) beginnenden Namen, die erst im folgenden Jh. zu Familiennamen erstarrten. Nur Familien nennt die Rolle [was schon späte Abfassung beweist!]; vielleicht [?] also wolle sie nur eine Liste der Familien sein, die zur Zeit der Abfassung, wohl unter Edward I., von den Miteroberern abzustammen behaupteten. Sie wird bis Ende 14. Jh. interpolirt. Werthvoll seien die Familiengeschichten in dem Buche, von Aumale bis Waloys. Ueber diese Romance of feudalism spricht Blackwood’s Edinb. Mag. Aug. ’89, 223. – Sir H. Barkly, The Otto Family, Tr. Bristol archaeol. soc. XI, 233. Der Goldschmid Otto trug 1086 Lehen von Königin Mathilde aus Flandern, wo er wahrscheinlich herstammte. Auch seine Nachkommen sind als königliche Goldschmiede nachweisbar. – Ortsnamen im Domesdaybuch erklärt *Andresen Z. für Roman. Philol. XII, 527. – Vom Domesdaybuch von Exeter gibt Palaeographical society, Plate 70 f. Facsimile. – Für Englands Verhältniss zum päpstlichen Schisma 1084–1100 sammelt Bekanntes O. Köhncke, Wibert von Ravenna (Lpz. 1888), p. 119 ff., 92 f. 96. [Eadmer’s Nachrichten finden überall Bestätigung. Bei Wilhelm von [223] Malmesbury ist schon die Legende von Anselm entwickelt.] – K. W. Church, St. Anselm *’88 sei nur Wiederholung der 2. verb. Auflage von 1870 ohne Benutzung Freeman’s und Rule’s; Görres Jahrb. X (89), 198. – L’Huillier, Vie de S. Hugues abbé de Cluny 1024–1109, Par. ’88, bringt p. 332 ff. zur Englischen Beziehung Cluny’s nichts Neues. Wann Warmund (später, 1077, Erzbischof von Vienne) Cluny’s Gebetsbrüderschaft dem Eroberer überbrachte, bleibt fraglich; Abt Hugo’s Weigerung, dem König Cluniacenser zu überlassen, ist bekannt. Die Urkk. Wilhelm’s von Warenne über seine Stiftung der ersten Engl. Cluniacenserpriorei zu Lewes [s. o. 2, 224] gelten alle hier als echt. Die Filialen Cluny’s in England sind p. 346 aufgezählt [statt Montaigu lies Montacute]. Verf. meint, Anselm habe St. Sepulchre’s, Canterbury nach dem Muster Marcignys und zur Aufnahme seiner Schwester, die in Marcigny Nonne war, gestiftet [?] Im Uebrigen wird der mächtige Einfluss der Gregorianer auf den Englischen Investiturstreit nicht einmal angedeutet, noch auch zur persönlichen Beziehung zwischen Hugo und Anselm eine neue Einzelheit beigebracht. Neuere Literatur zur Englischen Geschichte (Freeman!) könnte manchen Nachtrag liefern. Die hier zuerst gedruckte, von Hildebert überarbeitete Epistola Gilonis de vita s. Hugonis (um 1113) enthält p. 588 Nachrichten über des Eroberers häufige Gesandtschaften an Hugo und seine und seiner Frau Geschenke (u. a. einer Cappa mit goldenen Glöckchen). Dass der kriegerische und wilde Wilhelm [II.] am 2. August [1100] auf der Jagd ins Herz getroffen[WS 5] ward von einem Pfeil, den ein befreundeter Ritter auf einen Hirsch abzielte, kündete Hugo zu Marcigny, bei der Unterhaltung mit Anselm, dessen Begleitern Balduin, Eustach von Bec und Eadmer voraus. [Aus des letzteren V. Anselmi könnte Gilo’s Nachricht höchstens theilweise stammen. Eine vielleicht noch andere Form der Visio Hugonis de Willelmo II. ist ungedruckt: Hardy, Descr. Catal. II, 49.] Pag. 616 wird die Vision des Fulgentius von Afflighem über die etwa gleichzeitig verstorbenen Hugo und Anselm erzählt, ebenso wie vom Afflighemer (Mon. Germ. SS. IX, 417), doch in anderen Worten. – Wilhelm II. erbaute eine mächtige Königshalle zu Westminster, vielleicht, da die Edward’s des Bek. hölzern gewesen sein kann, die erste in Stein. Die neuerdings zu Tage gekommenen Reste beschreibt Micklethwaite, Archaeologia L (’87), 5. – Der darauf folgende Aufsatz von Clarke beschreibt spätere mittelalterliche Theile von „Westminster-Hall“.

Finanzen. Wirthschaft, Juden. J. H. Round, Scientific hist., Ath. 26X89 warnt vor den Irrthümern, als habe Wilhelm II. eine Grafschaft Cumberland oder Heinrich I. einen Grafen von Carlisle eingesetzt. – H. Round, The early custody of Domesday book II (Antiquary, July ’87, 8). Weihnachten 1085/86 angeordnet, ward das Buch 1086, nur vielleicht, fertig. Die Menge der statistischen Zettel, die aus den verschiedenen Grafschaften eingingen und dem Werke den Stoff lieferten, ist verschwunden. Es sollte zum Nachschlagen dienen und erhielt daher [?] Buchform; Rotulus Wintoniae bedeute also wahrscheinlich etwas anderes, vielleicht jene Menge Zettel [?]. Der Name Liber de Wintonia [224] u. a. lässt vermuthen, dass es ursprünglich zu Winchester, also in der Schatzkammer der Königsburg, bewahrt ward. 1108–13 begegnet der erste Fall eines Rechtsstreits, in dem Liber de thesauro, und zwar zu Winchester, entscheidet. Domesday gilt noch 1178 als Theil des Schatzes. Dieser war unbestritten noch 1141 zu Winchester. Aber es gab auch unter Heinrich II. nicht [?] etwa neben dem Schatz zu Winchester einen dauernden Exchequer-Schatz zu Westminster; vielmehr ward im 12. Jh. das Exchequer nur einige Tage lang Ostern und Michaelis gehalten an beliebigen Orten, lieferte jedesmal seine Eingänge nach Winchester ab und erhielt dorther mit anderen Requisiten auch das Domesdaybuch geschickt [?]. Westminster werde erst allmählich gewöhnlicher Exchequer-Sitz. – Hubert Hall (Antiquary, Oct. ’87, 162) lehnt Round’s Annahme der Schatzcentralisation in Winchester ab: die Provinzialhauptburg hatte schon ihren Schatz [?] und der Sheriff[WS 6] war Provinzialzahlmeister. Aus den vielen Localschätzen [?] ragen aber Winchester und Westminster hervor: der Dialogus de Scaccario ist so zu verstehen, dass Exchequer und Schatz (sammt Inhalt, u. a. Domesday) regelmässig in Westminster sind. [1178 war ein Gebäude zu Westminster längst als Exchequersitz bekannt; denn nur so konnte der Schatzmeister seinen Dialogus de Scaccario beginnen: Cum sederem ad fenestram speculae quae est juxta fluvium Tamensem, ohne hier Westminster zu nennen. Ein jährlich zweimaliges Hin- und Hersenden des Schatz-Archivs zwischen London und Winchester hätte der genaue Darsteller nicht verschweigen können. Der Beweis gegen Round liegt in Dial. I, 15: Domesday „sigilli regii comes est individuus in thesauro“ und I, 5: das Schatzsiegel „ab Inferiore ad Superius scaccarium defertur“. Das Exchequer ist 1178 bereits eine dauernde Einrichtung; mit dem Schatz schlechthin meint der Dialogus zunächst den Exchequerschatz. Dass der ältere und einst einzige Schatz zu Winchester daneben bestand, ist sicher.] – Hub. Hall, The site of the ancient Exchequer at Westminster, Archl. R. II, 386, will die Curia regis als localisirtes Gericht nicht für älter gelten lassen als das Exchequer: jene bezog erst im 13. Jh. ständig die Grosse Halle, die Wilhelm II. erbaut und jeder König dann nur vorübergehend benutzt hatte. Die Oberbeamten des Exchequer, grossentheils auch der Curia regis angehörig, erschienen zwar auch nur zur kurzen Sitzung; allein im unteren (Empfangs-) Exchequer blieb ein Pförtner ständig in Westminster, ebenso das Archiv der Curia regis und des Exchequer (nicht der Geldschatz). Nur ausnahmsweise folgen noch nach Heinrich II. Exchequer und Schatz mit Metallvorrath und Archiv zum augenblicklichen Königssitz. Da nun Round gegen ihn behauptet hatte, der regelmässige Exchequersitz sei Winchester, so stellt Hall aus den Pipe-Rolls ein Itinerarium von Schatz und Exchequer 1156–87 auf. Daraus folgt: 1) Zu Winchester lag regelmässig bis 1173 gemünzter Schatz, 60 Jahre länger der Regalienschatz, dort ist aber kein Exchequer nachweisbar. 2) Zu Westminster fand 1164 Exchequer statt. Dort sass es schon vor 1177 ständig, im Verein mit dem Hauptschatz. Bisweilen wird „Schatz“ von und nach London (Westminster) vor 1164 versendet. Der Rest des Aufsatzes handelt von der früheren Lage der Baulichkeiten des [225] Exchequer. – S. H. Leonard, The Customs-revenue, Antiq. Dec. ’87, 259, zieht Hub. Hall’s grosse Gesch. der Englischen Zölle ausführlich aus. – In Westergoetland müssen Engländer um 1200 oft erschienen sein; der Nachlass dort Verstorbener ward dem Erben ein Jahr lang aufbewahrt; Lud. Beauchet, Loi de Vestrogothie, NRH de droit XI (1887), 356. – Wm. Cunningham, The formation and decay of craft gilds, Tr. roy. hist. soc. N. S. III, 371, theilt die Handwerksgilden in die vom Gutsherrn, die von der Stadt und die vom König (oder Parlament) bestätigten. Zur ersten Art zählt das Messerschmiedgewerk zu Sheffield, dessen Geschäft einen Theil des Court leet (Patrimonialgericht) des Lehnsherrn bildet. Dagegen von Mayor und Baronen bezw. Aldermen der Stadt London bestätigt sind die Statuten der Sattler und der Schuster von London. Als Typus endlich der Gilde mit königlichem Privileg dienen die Londoner Weber, die Heinrich II. bestätigt. Das Gewerk habe innere Polizei und gute Arbeit zum Besten des Publicums und der Arbeiter sichern wollen, sei keine Schutzanstalt gegen patricischen Druck: festländische Zunftkämpfe dürften nicht für England angenommen werden. Im 15. Jh. ist eine Dreitheilung nach dem Range in Lehrling, Geselle, Meister klar. Der letztere gewinnt an Einfluss und Ausschliesslichkeit. Seit dem 15. Jh. wird geklagt, dass die Zünfte ihre Macht zum Schaden des Publicums missbrauchen. Vf. gibt wichtige Winke über die Wirthschaftspolitik des 14. u. 15. Jh. – Jos. Jacobs, Notes on Jews from the Pipe-Rolls of the 12. cent. (Archl. R. II, 396) sammelt 172 Eintragungen von 1130–99. Die Rollen nach 1166 sind fast ganz ungedruckt; Vf. sah sie im Original durch. Das Exchequer zog regelmässigen Gewinn vom Juden, sobald er gerichtlich klagte, verklagt ward, ein Compagniegeschäft einging, Vormund ward, aus oder nach England reiste, heirathete, die Ehe verweigerte oder schied, und namentlich, wenn er starb, abgesehen von der willkürlichen Besteuerung, nach der z. B. 1187 die Judenschaft £ 60 000, das übrige England nur £ 70 000 zahlte. Oft bestach auch der Schuldner den König, damit dieser dem Juden den Rechtsweg sperre. Der Stoff betrifft nicht bloss die G. der Juden und des Fiscus, sondern die Cultur-G. allgemein. Vf. bemerkt die wichtigen Punkte, u. a. dass Nachlass von Wucherern, auch christlichen, Schatzfund und Vermögen der Juden, die sich taufen, dem Könige heimfallen, dass Frauen Rechtsgeschäfte vollziehen, Juden Land besitzen, dass Fiscus die Schulden, deren Scheine zu York beim Judenmord verbrannten, dennoch eintrieb. Eine Stadt zahlt Strafe, weil sie Gerüfte bei Erschlagung eines Juden unterliess, Nr. 115. Juden nehmen von Juden Zins, indem sie einen Christen als Strohmann einschieben. Zur Anglo-Jüd. Literatur dienen Nr. 3. 33. 41. 119. – *D. Kaufmann, Four of the oldest epitaphs after the settlement of the Jews in England; Jewish QR. ’89, II. – J. Jacobs (Ac. 22XII88,404) weist als „ersten Russen in England“ den in der Pipe-Rolle 1181 unter Hampshire wegen [unerlaubten] Geldwechseln Strafe zahlenden Juden „Ysaac de Russie“ nach. Dieser sei identisch mit Rabbi Iza von Tschernigoff, der als Gewährsmann erwähnt wird in des Engl. Juden Moses ben Isaac „Onyxbuch“. Moses war also 1181 erwachsen; er starb vor 1215, wenn auf ihn der so bezeichnete [226] früheste hebr. Grabstein zu beziehen ist, der den Baronen 1215 zur Befestigung Ludgates gegen König Johann diente. [Dass dieser Grabstein jenem Grammatiker gehöre, leugnet Ath. 20IV89, 502: der blühte um 1240.] – Henry C. Lea (EHR IV, 231) sammelt die Gerüchte über die durch Juden angeblich verübten Morde von Christenkindern: 1141 und 1235 zu Norwich, 1171 zu Gloucester, 1189, 1255 zu Lincoln. [Es gibt dafür Zeugnisse von mehr gleichzeitigen Autoren.]

Kunst und Kirchenbrauch. *V. Ruprich-Robert, L’architecture Normande au 11. et 12. s. en Normandie et en Angleterre (Paris, Motteroz, 240 francs). – J. R. Allen, On the Norman doorway at Alne in Yorks., Jl. Brit. archl. ass. 42, 143, mit Thiersymbolen, die an der Hand von Bestiarien und Physiologus des 10–12 Jh. erklärt werden. – John Hope, English medieval mazers (Maserholzbecher seit 13. Jh.), Archaeologia L (’87), 129 gibt Bilder, die kunstgeschichtlich, und Inschriften, die literarisch wichtig sind; so p. 140 über Guy von Warwick. – E. S. Dewick, An ankerhold [Anachoretenzelle] at the church of St. Martin, Chipping Ongar, Essex, Archl. Jl. 45 (’88), 286. – J. T. Micklethwaite, An ankerhold at Bengeo church, Hertford, Archl. Jl. 44 (’87), 26. Beide hatten ein Fenster zur Kirche (des 12. Jh.), ein anderes zur Aussenwelt hin. – Edw. Peacock, Were nuns ever immured? (Dublin R. 21, ’89, 43) verneint dies. Der irrige Glaube daran entstehe durch Verwechslung mit Vestalinnen, durch den Brauch, Todte in Kirchenmauern aufrecht beizusetzen, durch die festländische Strafe des Lebendigbegrabens [besonders von Weibern; aber auch Englisch 1190: Hoveden III, 36] und durch Volkssage. [Wohl hauptsächlich durch Missverständniss des Immurare d. i. in engen Kerker ohne Thür einschliessen, besonders Ketzer; so zu Oxford 1222; vgl. u. p. 235.]

Literatur. Paul Meyer, Notice sur le ms. II, [vielmehr Ji] 6, 24 de l’univ. de Cambridge, Notices et extraits des mss. 32, 2 (’88), 37. In der Normandie, wahrscheinlich zu Caen um 1260 geschrieben, enthält die Hs. 1) eine zu Caen fortgesetzte Redaction der von Labbe und Bouquet gedruckten Ann. Fiscannenses [als welche sie Pertz, Mon Germ. SS. XVI, 482 excerpirte; ich weiche hier von Delisle etwas ab], sodann in Französ. Sprache: 2) eine Normann. Chronik bis 1214, nächst verwandt der von Michel, Chron. de Norm. (1839) p. 4 gedruckten, beginnend mit Dudos Geographie; Meyer druckt lange Stellen (so das Ende über Bouvines) und citirt viele verwandte Hss. [Manches war schon in Mon. Germ. XXVI, 702 notirt, wo Michel’s Hs. excerpirt ist.] 3) eine Französ. Bearbeitung der Abbreviatio Mon. Germ. IX, 395, von Troja–1215; 4) Turpin übersetzt; 5) Chronik Englands von Wilhelm I. bis Richard I., die dem Phil. Mousket vorlag, und die Verf. vollständig abdruckt [sie ist für 1125–54 schon sagenhaft]; 6) des Honor von Autun Elucidarius, übersetzt durch Gilbert von Cambres (bei Rouen, nicht Cambray). – Rich. Howlett’s Ausgabe der „Chronicles of Stephen, Henry II. and Richard I.“, 3 Bde (Rolls ser.), ’84–86, zeigte ich MHL XVII, 331 an. – Nicht allein durch Galfrid von Monmouth fand die Artussage Verbreitung in Roman.-German. Literatur: schon Ende 11. Jh. begegnet der Name Artus in Italien. Vgl. Morf (DLZ [227] 16II89, 237), der „*Christian von Troyes, II: Löwenritter Yvain“ hsg. durch W. Förster anzeigt. Letzterer bekämpft G. Paris’ Ansicht [s. o. p. 190] von Keltisch-Anglonormann. Entwickelungsphasen der Französ. Artusromane. – K. Othmer, Das Verh. von Christian’s von Troyes Erec et Enide zu dem Mabinogion des Rothen Buches von Hergest Geraint ab Erbin (Bonner Diss., Köln 1889). Christian sei Quelle des Wallisers; gegen die Ansicht, dass umgekehrt, freilich durch Anglonormann. Vermittlung, das Französ. Epos dem Mabinogion folge, wendet sich nochmals Förster, der diese Arbeit veranlasste, auf p. 3: Höfische Manier, Ritterthum, Turnierwesen, Frauendienst, Abenteuersucht, Französ. Namen und Worte kann der Walliser allerdings nur aus Frankreich haben. Er muss dessen Feinheit für seine Hörer vergröbern. – W. H. Carruth, Chevalier au lion (Mod. lang. n. 1889, 326) des Christian von Troyes sei nicht Quelle des Mabinogion, wie Förster meint. – v. Druffel vertheidigt GGA ’88, 20, gegen *G. Hüffer, Bernhard von Clairvaux, Walter Map’s Zweifel (Mon. Germ. XXVII, 65) an Bernhard’s Wundern. [Ich betonte, was den Spott gewichtiger macht, dass Map Mirabilien und Wunder eines anderen Cisterzers gläubig aufnimmt; Anglonorm. GQ. 216.] – Walter Map, Mon. Germ. XXVII, 64 zeigt Parteilichkeit für Abailard, den Bernhard in Ep. 189 als einen kriegerischen Goliath schmähte. Seitdem (so meint G. Paris, BECh L, 259) werde Golias zum Parteinamen des Rom und Bernhard feindlichen Pariser Klerus und später seiner Satirenperson in den Vagantenliedern. Die irrige Ableitung von gula erscheine zuerst bei Girald Cambrensis. – W. Vietor, Virgil in the Middle ages, Academy 6VII89, 10 verzeichnet mehrere der (namentlich auch von den Engländern um 1160–1220 erzählten) Sagen. [Eine Anzahl Nachträge in Mon. Germ. XXVII, 584.] – De saint Laurent, poème Anglo-Normand du 12e s., publié pour la première fois d’après le ms. unique de Paris [19525] par Werner Söderhjelm. Par. ’88. 4°. Die Sprache zeigt Normannischen Dialekt, höchst wahrscheinlich eines Anglonormannen um 1150–75. Er benutzte Acta Sixti und Passio Laurentii und kannte wahrscheinlich des Philipp von Thaun „Cumpoz“. – *Sir John Bowring, The life and writings of Josephus Iscanus, Trans. Devon assoc. IV, 244. – Joseph von Exeter, Dichter des Trojanerkrieges, 1188 von seinem Oheim, Balduin von Canterbury, vor dessen Reise nach Palästina, zum Dichter des 3. Kreuzzuges bestimmt (Gir. Cambr. I, 79) stand in Briefwechsel (ed. Migne, Patr. Lat. 211, 1305 ff.) mit Wibert von Gembloux. Ueber diesen handelt H. Delehaye, RQH Juli ’89, 84; er hält obige Identität nicht für sicher; [vgl. aber die von Chevalier, Sources hist. 1305. 2697 angeführten Schriften, Weissenborn, bei Ersch und Gruber, und Stubbs, Epist. Cantuar. p. xxxvj.] – Quelle für Konrad von Würzburg’s Trojanerkrieg war des Benoit de St. More Roman de Troie. Da Konrad aber mit dem Mittelengl. Gedicht Seege of Troye über den uns vorliegenden Benoit hinaus übereinstimmt, so schliesst *Emil Th. Granz, Ueber die Quellengemeinschaft des Mittelengl. Gedichtes „Seege – – of Troye“ und – – des Konrad von Würzburg, Lpz. Diss. 1888, beiden liege eine erweiterte Fassung Benoit’s vor; R. Wülker, Anglia XI (’88) 327 stimmt dem bei. – [228] Archaistische Absichten in der Englischen Sprache in den Jahrhunderten nach der Eroberung [vgl. Earle, Landcharters cviij] meinte Schröer, der „Die Winteney-Version der Regula s. Benedicti“ aus einer Hs. vom Anfang des 13. Jh. herausgab, in dieser zu erkennen. Dagegen behauptet Morsbach, GGA 1888, 1013, der Mischmasch von Formen verschiedener Sprachzeitalter sei überhaupt nie so gesprochen worden, sondern entstanden, indem der Schreiber ohne Absicht oder Consequenz die eine Form seiner Ags. Vorlage copirte, die andere modernisirte. – Fr. Lauchert, Engl. Stud. XII, 459 meint, Vollhardt (s. o. II, 487) habe von dem Nachweis Lat. Quellen 12. Jhs. in den Old English homilies nur bewiesen den Zusammenhang mit Bernhard; was dann aber gegen Angelsächs. Vorlage auch für die anderen Homilien spreche. Also das Gesammtresultat nimmt er an, erschüttert aber mehrere einzelne Beweise. So verwirft er die Benutzung des Radulfus Ardens, und bezweifelt die des Anselm. Den Zusammenhang mit Hugo v. St. Victor entdeckte auch Konrath. – Die Cantus b. Godrici, einige Englische Verse, die der Einsiedler in wunderbaren Visionen gedichtet haben will, stellt Zupitza, Engl. Studien, hsg. Kölbing XI (’88) 401, sorgfältig her und erzählt das Leben des Heiligen ausführlich. Er benutzt die Biographie des Geoffrey (vor 1196), welche beruht auf Reginald, der vor 1166 anfing, und auf Prior Germanus von Durham († 1189). Die von Godric und nach ihm durch Reginald erzählten Wunder hält er für ehrliche Selbsttäuschung.

Universitäten. *Gregorovius, Die Stadt Athen im MA. I, erklärt sich gegen die Meldung der Chronisten, dass Engländer im 12. Jh. hätten in Athen Bildung suchen können; CBl 1889, Sp. 1009. – Zur Universitätsgeschichte[WS 7] von Oxford und Cambridge [vgl. oben II, 228] im 13. Jh. weist Denifle, HJb. X (’89), 75, Quellen und Literatur nach. – G. Kaufmann, Zur Gesch. der mittelalterlichen Universitäten (HJb X, 351) betont nochmals die Unechtheit der Oxforder Urkunde von 1201. Trotz allem Streit ist er mit Denifle darin einig, dass Oxford und Cambridge nicht aus Kirchen- und Klosterschulen unmittelbar hervorgingen, ihr Ursprung aber dunkel bleibe; Radulf de Diceto rede zu 1169 noch nicht von den vier Nationen zu Paris p. 368. – Für die Oxford hist. society edirte *And. Clark 1889 A. Wood’s Survey of the antiq. of – – Oxford. – Diese Universität führt im Wappen u. a. ein Buch. Ein Buch findet sich um 1120 als Attribut der hl. Fritheswyth auf dem Siegel ihres Klosters, der jetzigen Kathedrale von Oxford. Man legte ihr Heil- und Tonkunst bei. Also (meint Harrison im Archl. instit. 6XII88 laut Ath. 15XII88, 817) wäre vielleicht dies Kloster, das theilweise Mercische Könige erbauten, ein frühester Sitz der Gelehrsamkeit. Mit Recht betont dagegen Rashdall (Ac. 8XII88, 365), dass höchstens Elemente vielleicht dort, wie in vielen anderen Klöstern gelehrt wurden, dass die Frage bleibe, wieso gerade Oxford und Cambridge Universitäten wurden; übrigens waren diese stets weltgeistlich. Mönche mussten erst in artibus graduiren, bevor sie in Theologie graduirten. Er lobt im Ganzen *Mullinger „Universities“ in Encyclop. Britann., hauptsächlich wegen Ausnützung Denifle’s. Auch [229] Mullinger bezweifelt jetzt, dass (wie Gervas berichtet) Vacar in Oxford lehrte. – H. Rashdall, The first Oxford school (Ac. 25V89, 360), führt Briefe des Theobald von Étampes an, der sich „magister Oxenefordiae“ nennt, an Abt Fariz von Abingdon, Roscellin von Compiègne, Thurstan von York (dieser Brief entstammt Ms. Bodley 561). Also bestand eine Schule zu Oxford um 1120, wohl im Canonikerhaus der h. Frideswyde. Aus dieser oder der des Pullus, um 1133, gehe das der Marienkirche anhängende Studium generale [Universität] nicht hervor; vielmehr gingen jene Schulen vermuthlich unter [? Cricklade vermittelt doch beide Phasen; s. o. II, 229], und die um 1170 wieder nachweisbaren neuen Schulen erwuchsen wohl aus Einwanderung fremder Scholaren. – *Mullinger, A hist. of the university of Cambridge (Epochs of church hist.), ist eine Condensirung seines grossen Werks. Das Mittelalter, in dem auch Cambridge nicht viel bedeutet, wird weniger betont als die Renaissance. Die Einwanderung aus Oxford habe einen Studienmittelpunkt schon vorgefunden, nach Rashdall (Ac. 8XII88, 366) erst geschaffen.

Stephan; Mathilde. *Leadman, Yorkshire archaeol. Jl. 39, behandelt die Standartenschlacht 1138. Ath. 5X89, 459 bemerkt dazu, wie die Schotten an Rüstungen gegenüber den Anglonormannen Mangel litten und alte aus Frankreich borgten. – Fred. R. Surtees, William d’Ypres, Earl of Kent, Antiq. Nov. ’87, 211, führt den im früheren Hafen zu Rye erhaltenen Ipres-Tower [Wiper’s Tower nach Edith Thompson, EHR April ’89, 374] zur Küstenvertheidigung u. a. als Beweis an, dass Wilhelm in Kent den Staat [?] nach aussen zu vertheidigen hatte, also [?] Graf von Kent war, was J. H. Round, Antiq. XIV, ’86, 230 bezweifelt hatte. Dass er bei den Antiquaren seit dem 16. Jh. so heisst, ist unbestritten. Allein Round bemerkt mit Recht, zuletzt Antiq. Jan. ’88, 39, dass eine gleichzeitige Gewähr dafür fehle. [Im folgenden Menschenalter schrieben aber Historiker des sö. England Wilhelm die gräfliche Gewalt in Kent unter K. Stephan, vielleicht ohne den Titel, zu: so Gervas von Canterbury, Wilhelm Fitzstephen, Chronik von Battle.] – 1139 schrieb Mael-Brigte, Nachkomme des Mael-Uanaig, zu Armagh den Codex Harley 1802 des British Museum und nannte sich und die ihm zeitgenössischen Irischen Könige. Wh. Stokes druckt und übs. daraus The Irish verses, notes and glosses, R. Celt. VIII (’87), 346. – Dass[WS 8] Heinrich’s II. Grossvater Fulk von Anjou 1130 oder 1131 König von Jerusalem ward und 1143 oder 1144 starb, erweist Archer, EHR Jan. ’89, 93. – Um 1130 erscheint die Liebes- und Feen-Epopöe von Arthur’s Tafelrunde, und bald darauf siegt das Erbrecht der Frau auf Thron und Lehen in der Kaiserin Mathilde. Beide Thatsachen verbindet H. d’Arbois de Jubainville R. Celt 10 (’89), 143, anknüpfend an Nutt’s Holy Grail; s. o. II, 221. – A. W. Crawley-Boevy, Milo de Gloucester [† 1143] and the Forest of Dene, Tr. Bristol archl. soc. 11, 293. Milo erhielt den Wald von der Kaiserin 1139, sein Sohn Roger besass ihn, bis 1155 Heinrich II. ihn an die Krone zurückbrachte. – M. Hauréau, Notice sur le nr. 647 des mss. latins de la Bibl. nationale [Paris], Not. et extraits des mss. 32, 2, 167 druckt die [230] Widmung des De opere 6 dierum, einer Schrift von Dietrich von Chartres, durch dessen Schüler an eine Kaiserin: Beatrix (1156) oder Mathilde, die Wittwe Heinrich’s V.

Heinrich II. Hauréau, *Ac. des Inscr. 23X89, schreibt das Moralium dogma philosophorum dem Wilhelm von Conches zu, der es auf Bitten seines einstigen Schülers, Heinrich’s II., verfasste; R. Crit. 1889, 316. – *Ch. Jourdain, Commentaires de Guillaume de Conches et de Nicolas Triveth sur – – Boèce in Excursions histor. et philosoph. à travers le MA.; publ. posthume, Paris ’88, p. 42. – Breven Hadrian’s IV. und Alexander’s III. für Anskitil, bez. Walter de Ridale (Riddell) edirte Bates, Archaeologia Aeliana, publ. Soc. of antiq. of Newcastle on Tyne ’87, 191. – *The Pipe-Rolls [Exchequerrechnungen, meist ungedruckt] for – – Cumberland, Westmoreland and Durham during – – Henry II., Richard I. and John erschienen unter Public. of the Soc. of antiquaries of Newcastle on Tyne. 1886. 8. – *The Great roll of the Pipe for 1164/5, Publ. of the Pipe roll soc. 1887. Laut Tr. Bristol archl. soc. 11, 360 waren die 300 frühesten Kanzlerrollen, seit 1162, früher im British Museum. Die Pipe Rolle für 1164 war stets im Archiv (was ihr den legalen Werth des Public record verleiht); sie ist hier mit der Kanzlei-Abschrift collationirt. – P. V[inogradoff] betont in *The Great roll of the Pipe for [1165/6] (Publ. Pipe roll soc. IX, 1888), die er Law Q. R. Jan. ’89, 79 anzeigt, den rechtsgeschichtlichen Werth. Stubbs’ Einleitung bezeichne die Wichtigkeit des Jahres: damals begann Heinrich’s Versuch, die Strafjustiz der Krone volksmässig zu begründen. Die Pipe-Rolle enthält viel für Strafprocess, Process auf Neuerliche Besitzentsetzung, Strafjuries, Weigerung als Geschworener zu dienen, Einziehung von Verbrechergut, das gefährliche Wasser- und Zweikampfsordal; die Zehntschaften der Freibürgschaft müssen für Angeklagte bürgen und, wenn diese der Justiz entfliehen, zahlen; die Lehnsherrschaft des Nachbaradels saugt die unmittelbar unter dem König freien Sokmannen auf; selbstherrliche Justiz mit Ordal ohne königlichen Beamten wird bestraft. – J. H. Round, Ath. 281X89, 421, fand Bruchstücke der ursprünglichen Antworten auf die Sheriffs-Enquête von 1170, die sich nicht bloss auf Beamte und Fiscus bezog, sondern auch auf Gelder, welche Gutsbesitzer ihren Hintersassen abgepresst hatten. – Die oben II, 226 erwähnte poetische *Vie de s. Thomas stammt aus Ms. Goethals-Vercruysse, 14. Jh.; Jl. Brit. archl. ass. 43, 295. – A. Will. à Becket bemerkte an den Knochen, die man in der Becket-Capelle der Domkrypta zu Canterbury nahe der Mordstelle ausgegraben hat, zwei Schwerthiebe über den Schädel und die ausnahmsweise Länge des Skeletts, und P. Thornton am Schädel Grösse und phrenologische Merkmale für Klugheit und Willenskraft [!] Das Capitel hat anerkannte Archäologen sich äussern lassen, ob dies des h. Thomas Gebeine seien; dieselben verneinten es; Antiq. March 1888, 175; Oct. 1888, 170. – *Rob. Anchor Thompson, Thomas Becket, martyr patriot, (’89), laut Sat. R. 30III89, 388 radical parteilich gegen die Krone, will Thomas menschlicher auffassen: er habe nicht aus unversöhnbaren Gegensätzen bestanden oder Heiligkeit in pomphafter [231] Askese erstrebt. Letztere sei übertrieben geschildert worden und gehe Thomas’ Wesen nichts an [?]. Er erscheine nicht als Candidat für das Martyrium, sondern von Anfang bis zu Ende als Staatsmann [?], als erfolgreicher Patriot auf Kosten seines Lebens; er sterbe für Freiheit und Recht zunächst seiner Persönlichkeit, dann der Menschheit, der er auf diesem Wege voranschreite. Die kirchlichen Privilegien verfechte er als die einzige dem Engl. Volke noch übrige Freiheit und schaffe das Geschlecht der Magna Charta. – W. von Giesebrecht [†], Gesch. der Deutschen Kaiserzeit, V, 2 (Lpz. ’88) beleuchtet zum ersten Male die Deutsch-Englischen Beziehungen 1165–81 weltgeschichtlich und besonders den Becketstreit vom päpstlichen Schisma aus. Seit 1171 berühre Englands Politik in Deutschland fast nur noch Heinrich den Löwen. Heinrich’s II. Versprechung 1165, Paschal anzuerkennen, scheint mir nicht ernst gemeint, sondern (wie 1166/8, p. 514. 594) ein Fechterstreich, um Alexander zu ängstigen: die Unmöglichkeit, die Prälaten von letzterem abzuziehen (p. 499), sah der König gewiss voraus. Er war „zweideutig, unzuverlässig“, aber nicht „treulos“; dass er „die Achtung des Abendlandes niemals besessen“ habe, stimmt nicht zu seinem Verhältniss zu Spanien, Sicilien, Jerusalem und zum Inlande. Erwähnung hätten verdient der Englisch-Deutsche Handel, die Aufmerksamkeit Heinrich’s und seines literarischen Kreises auf die Reichsgeschichte, der Plan, Savoyens Alpenpässe (vgl. p. 594) den Plantagenets zu gewinnen, und der Flandrische Versuch, 1173 im sö. England Fuss zu fassen. – C. M. Church, Reginald bishop of Bath 1174–91, Archla. L (’87), 295, ist wichtig für die Geschichte der Kirche in Somerset (Thomas Agnellus und Peter von Blois waren dort Archidiakone), besonders des Doms und der Stadt Wells. Reginald hiess vom Ort der Geburt oder Erziehung Lumbardus; er stand mit seinem Vater Jocelin, Bischof von Sarum, gegen Becket zum König und diente diesem als Beamter und Rath, in Frankreich (wo ihm 1164 Ludwig VII. die Abtei Corbeil gab) und Rom auch als Diplomat. Er vermittelte 1173 die Savoyische Verlobung und hielt sich (vielleicht in Folge dessen, und) um den Karthäuser s. Hugo von Avalon (später B. von Lincoln) für England zu gewinnen, in St. Jean de Maurienne auf, wo er 1174 geweiht ward. In St. Lo, im Côtentin, wo seine Familie von Bohun heimisch, und sein Oheim Diöcesan war, weihte er am 5. Aug. die erste Kirche dem h. Thomas: auch dies ein Zeichen, wie die Englische Regierung dem Märtyrer sich schnell versöhnte. Ende 1191 ward Reginald, von Heinrich VI. durch Vermittlung ihres gemeinschaftlichen Verwandten Savaric einpfohlen, für Canterbury erwählt, starb aber am 29. Dec. Vf. hat manche Kirchenarchivalien benutzt und einige gedruckt, darunter wichtige Acten der Könige und Alexander’s III., 26. Febr. 1179. Vgl. u. p. 233. – Hauréau, Jl. Sav. 1888, 292 bespricht *G. Milchsack, Hymni et sequentiae (Halle 1886) und meint, die Todtenklage „Lux mundi labitur“ gehe auf Heinrich II., nicht Gottfried von Bretagne.

Irland unter Anglonormannen. O. Pfülf, Hadrian IV. und die Schenkung Irlands (Stimmen aus Maria Laach 36, 382). Hadrian’s Leben wird [mit groben Fehlern] erzählt, mit der Absicht, ihn gegen Vorwürfe, [232] besonders der Begünstigung Englands, zu vertheidigen: nicht einmal St. Alban’s habe er bevorzugt [?]; dass er Irland verschenkt, sei zu bezweifeln [?], weil [!] von vielen Zeitgenossen nicht ausdrücklich erwähnt. Dass Rom die Eroberung begünstigte, gibt Vf. zu. – Die Echtheit der Bulle Hadrian’s vertheidigt, mit Malone (Dublin R. 1884 I, 316), *G. T. Stokes, Ireland and the Anglo-Norman Church: a hist. of Ireland and Irish Christianity from the Anglo-Norman conquest, ’89, laut SatR. 22II90, 241; Dublin R. Jan. 90,216 lebendige Vorlesung, nicht für Gelehrte. – J. Jacobs, A Jew finances the conquest of Ireland, Archl. R. III, 215, bezieht die Geldstrafe, welche der Jude Josce von Gloucester laut Pipe-Rolle von 1170 dem Exchequer „schuldete für Gelddarlehen an die gegen des Königs Willen nach Irland Gefahrenen“, auf Richard Striguil’s (Strongbow’s) Zug Aug. 1170, der Waterford und Dublin gewann und dem König die Angst einflösste, er möchte in Irland ein unabhängiges Königreich gründen. Dass Striguil verschuldet, Geldmittel leihen musste, dass er gegen des Königs Willen auszog und Ende 1170 mit Güterconfiscation gestraft ward, wissen wir anderweit. Vgl. Ac. 11V89. – *John T. Gilbert, Calendar of ancient records of Dublin I [seit 1171] ’89. – H. Gaidoz, R. Celt. VIII, 168, weist in dem zu Lémenc bei Chambéry verehrten Erzbischof von Armagh S. Concord den dort 1175 auf der Rückreise von Rom verstorbenen Conchobar Mac Concoille nach. – *Ball, Ireland [s. o. II, 227] sei laut W. O’Connor Morris, EHR Oct. ’89, 789, als Verfassungsgesch., soweit Statuten und Gerichtsurkunden reichen, vortrefflich, die Gesch. der Ideen aber ungleich; die allgemeine polit. od. sociale Auffassung vermisst oder missbilligt M. Das Irische Parlament war und blieb eine Gründung des fremden Eroberers. Wie sein Vorbild in England aus dem Concilium regis entwickelt, erwarb es nach 1300 das Vertretungsprincip. Aber seine Macht reichte nur zum Pale, nicht über die Kelten dahinter; es war also eigentlich bloss ein Obergericht einer nur in Leinster gefestigten Colonie, es zog eine dunkle Scheidelinie zwischen Anglonormannen und Iren. Der Supremat des Engl. Parlaments tritt schon im 14. Jh., da Iren bisweilen zu Westminster erscheinen, dann deutlich unter den Lancasters hervor, als Irland zu den Yorkisten stand. Besonders Poynings nahm 1494 dem Irischen Parlament die Selbständigkeit.

Richard I. *F. A. Archer, The crusade of Richard I. [vgl. oben II, 254], (English hist. by contemp. writers ed. F. York Powell) biete genaue Einzelheiten, tüchtige Bibliographie und benutze Orientalische Literatur. Hauptquelle sei das Itinerarium. [Dies aber ruht auf Ambroise’s Französ. Gedicht, Mon. Germ. XXVII, p. 532.] So Sat. R. 9III89, 297. Ath. 11V89, 598 rühmt die allgemeinen Urtheile, wie genealogische und topographische Ausführungen. – Ueber den ersten Mayor von London, Henry fitz Aylwin handelt J. H. Round Antiq. XV (’87), 107. – Round, Richard I. change of seal, Archl. R. I, 135. Das zweite Siegel (und mit ihm Englands Wappen der drei Löwen) ward 1198, zwischen 1. April u. 22. Mai, eingeführt (nicht, wie Hoveden sagt, 1194): als die Kirche December 1197 Steuern weigerte, erpresste der König Geld, indem er seine Privilegien [233] neu besiegeln, d. h. nochmals bezahlen hiess. Doch kamen die Empfänger nur allmählig darum ein, und, da 1199 Richard starb, gibt es solcher Bestätigungsurkunden nur wenige. Diese erwähnen als Grund der Siegeländerung, dass das erste Siegel aliquando [1191] perditum fuit et, dum capti essemus in Alemannia, in aliena potestate constitutum. – Die eingehenden Untersuchungen von Round und Stevenson (EHR. Jan. ’89, 105 bezw. 108) ergeben, dass der Name Carucagium [vgl. oben II, 228] seit 1199 begegnet, und wahrscheinlich als etwas Neues, also vermuthlich die 1194 eingeführte Steuer bezeichnet und nicht nothwendig auf das Pfluggespann, sondern ebensogut auf das durch einen Pflug bestellbare Land als Schätzungseinheit deutet. Nur Gewinnes wegen entschloss sich das Exchequer zur Anfertigung einer neuen Steuergrundlage: statt der an Werth and Umfang ungleichen Hide des bisherigen Dänengeldes besteuerte man jetzt den wirklichen Pflug [Landes]. Die Reform war keine bloss nominelle, sondern drückte, da man den Pflug zu nur 100 Acres schätzte, während ihn Fleta (Ende 13. Jh.) zu 160–180 Acres annimmt. – C. M. Church, Savaric bishop of Bath 1192–1205, Archla. LI (’88) 73, bringt zwar für dessen Verwandtschaft und Verhandlungen mit Heinrich VI. nichts Neues und benutzt Deutsche Literatur nicht [zuletzt sammelte ich Mon. Germ. XXVII das Hauptsächliche; dazu Winkelmann „Philipp“ 488; „Otto IV.“ 535; Sternfeld „Arelat“ 10], erhellt aber, theilweise aus Ungedrucktem, das Leben Savaric’s (der 1180–92 neben „Dalmatius seneschallus Lugdunensis“, wohl einem Freunde seiner (mütterlichen?) Heimath, urkundet), besonders die Annexion der Abtei Glastonbury, die sich darch den in Rom einflussreichen Mailänder Martin de Summa vertheidigte und 1218 wieder frei ward, und die Privilegirung von Wells zum freien Borough 1201. – Venables, The eastern termination of Lincoln minster as erected by St. Hugh (Archl. Jl. 44, ’87, 194) 1192, mit dem Architekten Gottfrid von Noyers. – *G. Bourbon, Négociations à Vernon en 1199 entre Philippe-Auguste et Richard, Soc. libre d’agricult. de l’Eure 4 sér. VI. ’87, nach neu entdeckter Chronik; Le moyen-âge ’88, 67. – R. Davidsohn, Philipp II. August von Frankreich und Ingeborg, Stuttg. ’88 [angezeigt von Bloch, MHL XVII, 245 und Luchaire, RH ’89, 407], bespricht die mit dem Ehehandel des Königs verknüpfte Englische Politik eindringend und lebendig. Da die werthvollen Inedita, die er bringt, England nicht betreffen und die Weltverhältnisse jener Zeit neuerdings (Winkelmann) erschöpfend durchforscht waren, so konnte sich für England nur zur Historiographie, besonders zur Beurtheilung Hovedens, Neues ergeben. Die Benutzung veralteter Ausgaben scheint dem Text nicht geschadet zu haben. Allein mit Unrecht bezweifelt Verf. Hovedens Grund für die Wahl des Hochzeitsorts Ludwig’s (VIII.) und die Nachricht vom Französ.-Schott. Heirathsplan [E. Will. Robertson, Scotland I, 417], die an zwei Stellen Hovedens nachgetragen ist. Andererseits glaubt er dem geistreichen, im Einzelnen (wie Verf. selbst hier und p. 52 nachweist) ungenauen Wilhelm von Newborough zu bereitwillig, als Ingeborg’s Aussteuer habe Philipp 1193 das alte Dänische Recht auf England gefordert [dies war vielleicht blosse Combination der vor- und nachher auch sonst nachweisbaren [234] Tagespolitik; vgl. Dial. de Scaccario I, II; Math. Paris IV, 92], und baut darauf die Vermuthung, Philipp habe ein solches Recht vorschützen wollen, als er Ingeborg 1213 zur Zeit des Angriffs auf England wieder annahm. Hier wie zur Freilassung Richard’s, die Verf. ebenfalls von Dänisch-Französ. Politik beschleunigt erscheinen lässt, leuchten mir bisherige Erklärungen eher ein. Auch dass Johann 1200 Otto gern im Stiche liess, gebe ich nicht zu. Trivet ist zu 1198 nicht zu citiren: der wirrt Potthast Nr. 1074 hinein. P. 202 lies „Aussteuer“ statt „Morgengabe“.

Johann. Das Blackbook of Carmarthen, einer Priorei in Süd-Wales, das jetzt Wynne zu Peniarth gehört [vgl. oben II, 227] ist nach Evans 1148 [zu früh]–1216, wohl unter Französ. Einfluss, geschrieben. [Mir erscheinen die Schriftzüge der 54 Doppelseiten genau wie die der Engl. Chroniken von etwa 1200]. Nach Thompson ist kein Theil vor Ende 12. Jh., einiges vielleicht später geschrieben. Evans übersetzt die Prophezeiung vom „Kampf zwischen Vater und Sohn [1173], nie kann Befreiung für Normandie sein“. Dies kann doch erst nach 1206 geschrieben sein. Somit beziehe ich auf 1212, nicht mit Hrsg. auf Heinrich (III.), die Worte „Vom König Nicht-König nach Heinrich werden Wirren kommen“. [Heinrich (III.) war nicht nach Heinrich II; am Königthum Richard’s I. zweifelte Niemand auch trotz dessen Gefangenschaft.] Man vergleiche des Peter von Wakefield damalige Prophezeiung über Johann’s Verlust der Krone. – Von Roger de Wendover, s. o. I, 463, erschien 1887 Bd. II, 1230 endend. Man vermisst sachliche Anmerkungen und, gegen den Brauch der Rolls series, Angabe des Inhalts, der Daten, der Bibel- und Dichtercitate am Rande und Sonderung des Entlehnten oder Urkundlichen durch kleineren Druck. Und doch war all’ diese Arbeit von Coxe, Luard und für Deutsche Theile von mir, Mon. Germ. XXVIII bereits gethan. Die Noten in M. G. 42 g, 43 c, 47 l, 49 h, 63 o beweisen, dass hier Hewlett nachlässig collationirte, 46 s, dass er den Text willkürlich verderbte, 48 k, dass er ohne Urtheil Fehler späterer Hss. aufnahm, ohne auch nur anzumerken, dass die frühere des Matheus Paris das Richtige bewahrt, 63 k, dass er Correcturen übersah, 50 o, p, dass er nicht zu verstehen versuchte, was er druckt. Man darf also Hewlett nicht ohne Luard und Mon. Germ, benutzen. – Eine Landschenkungs-Urkunde des Walliserfürsten Madauc Sohn Mailgun’s [† 1212], für die Abtei Cumhyr druckt d’Arbois de Jubainville, Revue Celt. VII (’86), 86. – D. Chambers, Divine worship in England in the 13. 14 centuries contrasted with and adapted to that in the 19th. (New ed. fully illustrated. 1877. 4°; Supplement 1886), ein Leitfaden des praktischen Cultus mit ritualistischer Absicht, der den Gottesdienst um 1300 als die vollendetste Form preist, aber oft auch auf früheres MA. Bezug nimmt, z. Th. mit Benutzung von Hss. und seltenen Büchern. – Die Magna Charta vergleicht Ranke, Weltgeschichte VIII, 340, mit Friedrich des II. Constitution von 1232: Jene beschränkt die Willkür der Krone (wie diese die Gewalt des Staats), schafft aber nicht einzelne Landesherren, sondern schliesst die Gesammtheit der Unterthanen erst recht zum Einheitsstaat zusammen. [Am klarsten liesse sich der Gegensatz am Rechtsleben [235] zeigen, das sich in England seitdem einheitlich national entwickelt.] – W. de Gray Birch, Will of king John (Jl. Brit archl. ass. 43, 335) d. i. der bekannte Text des letzten Auftrags des vom Tod überraschten Königs an seine Räthe.

Heinrich III. Herm. Hoogeweg, Der Kreuzzug von Damiette, MIÖG IX (’88), 249, 414 betrifft u. a. die Grafen von Gloucester und Salisbury, der [S. 270] oft mit Saarbrücken verwechselt werde. – A. S. Cook, Cardinal Guala and the Vercelli book, Mod. lang. notes VI, 123. 424, tritt für die Ansicht ein, dass Wala den berühmten Schatz Ags. Poesie in sein Bisthum mitnahm, und citirt Urkunden über die von Heinrich III. der Andreasabtei zu Vercelli geschenkte Priorei zu Chesterton. – Sir H. Barkly, A domestic outrage in Gloucestershire about 1220, Tr. Bristol archl. soc. 11, 331 enthüllt aus den Close- und Assisen-Rollen den Ehebruch und Gattenmord einer Giffard, die sich weigert der Jury ihrer Nachbaren zu stehen und vom Königsgericht verurtheilt wird, Nonne zu werden. Dafür verbürgen sich ihre Verwandten, der höchste Adel des Landes. – Das undatirte Statutum de catallis felonum (Confiscation von Verbrechergut) war Bracton bekannt und entstammt wohl der ersten Hälfte von Heinrich’s III. Regierung; Law QR Apr. ’89, 227. – F. W. Maitland, The deacon and the Jewess; or apostasy at Common law (Law QR II, ’86, 153) behandelt die Verbrennung eines aus Liebe zu einer Jüdin Jude gewordenen Diakons auf der Synode zu Osney unter Erzbischof Stephan Langton 1222: ein Fall, der ausser einem von 1210, bis 1400 die einzige Ketzerverbrennung in England blieb und, von Bracton berichtet, die alleinige Stütze für die Meinung bildet, Englisches Gemeines Recht könne Ketzer oder wenigstens Apostaten verbrennen. Allein (nachdem der Erzbischof, gemäss dem Lateranconcil von 1215 und den besten Quellen, den abtrünnigen Geistlichen nur degradirt, nicht zum Tode verurtheilt hatte) vollzog die Verbrennung der Staat, vertreten durch den Sheriff der Grafschaft Oxford, wahrscheinlich sofort, ohne Laienurtheil oder königliches Breve, die wenigstens Ende des Jahrhunderts zur legalen Hinrichtung nothwendig erschienen. Mindestens einige Zeitgenossen sahen in dieser Hast einen Zug persönlicher Grausamkeit: der Sheriff, Faukes de Breauté, ist als gewaltsamer Blutmensch auch sonst bekannt. Jedoch wäre eine gerichtliche Thätigkeit zwischen Schuldspruch der Synode und Hinrichtung blosse Formalität gewesen; denn Feuertod galt dem damaligen England als gerechte Strafe sicher für Apostasie und wahrscheinlich für Ketzerei. Einmauerung verhängte dieselbe Synode, ohne Antheil staatlicher Justiz, über zwei Laien wegen geistlicher Schuld; und dies, im Unterschied vom Todesurtheil, erschien Niemandem als Uebergriff geistlicher Gerichtsbarkeit. – Maitland (ib. p. 525) citirt einen Process aus der Coram rege-Rolle 1236/7, wonach Hurerei zwischen einem Juden und einer Christin mit Verbannung des ersteren und Busse und Stadtverweisung der Christin bestraft, also vom Laiengericht beurtheilt wird. – J. Chevalier, *Évêques de Valence 1226–61 (Bull. d’hist. ecclés. du dioc. de Val.) ’89 betrifft die in England wichtigen Savoyer Wilhelm u. Bonifaz. – F. W. Maitland, The introduction of English law into Ireland (EHR Juli ’89, 516) [236] druckt Heinrich’s III. Verordnung an Irland (Canterbury, 1227, Nov. 10 [?}), dass dessen Richter Englands Process-Einleitungs-Formulare, deren Register er übersendet, anwenden sollen. – H. d’Arbois de Jubainville druckt Rev. Celt. VII (’86) 81, vier Urkunden der Könige von Connaught und Nord-Munster um 1230–1268, die Cîteaux Geldrenten, zahlbar durch die Aebte von Mellifont und Mayo, schenken. – Interessant für die Geschichte der Percies ist der Brief des W[ilhelm] von Percy an den Prior von Mottisfont, der ihm Landbestätigungen König Johann’s zu einem Process vor den Reiserichtern zu Leicester schicken soll, Archl. Jl. 46 (’89), 73. [Das dort gegebene Datum 1199–1216 scheint um ein Menschenalter zu früh.] – Die Rôles Gascons der Coll. des doc. inédits bleiben seit Michel’s Tode liegen: die Ausgabe würde 30 Quartanten füllen; Langlois, Doc. rel. à l’hist. de France 10 [gegen oben II, 231]. – *Will. Lockhart, The church of Scotland in the 13. century: the life and times of David de Bernham [Bischof] of St. Andrews 1239–53 with a hist. of churches dedicated by him (Edinb. ’89). Dies Verzeichniss der 1240–9 geweiheten 140 Kirchen entstammt dem Pontificale, das Chr. Wordsworth um 1885 herausgab, Ath. 10VIII89, 188; Scottish R. July 89, 207. [Ueber die Bernhams vgl. Stubbs, Will. Malmesb. I, lxxj.] Das Buch tadeln als werthlos Ath. und Ac. 13VII89, 22. – *W. H. Hutton, The misrule of Henry III. 1236–51; *Ders. Simon de Montfort 1251–65, Extracts from chron., ’88 (ed. Powell, s. oben p. 232, Z. 36). – Sir Henry Barkly, A Gloucestershire jury list of [1258], Tr. Bristol archl. soc. 10 (’86) 293, druckt aus den Placita coronae Rollen die früheste Geschwornenliste der Grafschaft. Aus Heinrich’s III. Zeit sind zwei andere Reiserichterrollen vorhanden, aber unvollständig. Auch der Sheriff mit zwei Unterbeamten und die Coroners sind genannt. Unter den meist je 12 (selten 13, 14, zweimal 6) Geschwornen der 24 Hundertschaften, 9 Städte, 3 Manors und 1 Forstes werden 2 als Electores bezeichnet, d. h. als die Ritter, welche nach dem Gesetz von 1198[WS 9] gewählt waren durch 4 von den königlichen Richtern ernannte Ritter, um 10 andere zur Hundertschaftsjury zu cooptiren. Im Ganzen sind an 450 Männer genannt, darunter auch auf dem Lande eine Anzahl sicher nicht Ritter. Die Verbindung so vieler Provinzialen mit der Staatsbehörde zu nicht bloss gerichtlicher, auch fiscaler Arbeit erzog zur politischen Selbständigkeit im Parlament. – Von etwa 1257–1290 nahm der Englische Sterling den Platz des damals an Werth sinkenden Kölnischen Denar im Verkehr an Rhein und Mosel ein. Im 14. Jh. hiessen Trierer Sechsdenare, weil an Silbergehalt dem Englischen Sterling nahe, „Engels“[ch]; Lamprecht, Deutsches Wirthschaftsleben II, 426, 452. – Scheffer-Boichorst, Zur Gesch. Alfons X. von Castilien. MIÖG IX (’88) 226, bespricht dessen Frieden mit England 1254: danach bat Heinrich III. die Curie vergeblich, sein Kreuzzugsgelübde durch einen Zug mit dem Castilier gegen Marocco erfüllen zu dürfen. Die Geneigtheit Frankreichs für Alfons’ Erwerbung des Römischen Königthums 1256 sei zu Gunsten Richard’s von Cornwall umgeschlagen, weil Alfons sich das gegen Karl von Anjou empörte Marseille verbündete. – Rich. Sternfeld, Karl von Anjou [s. o. II, 255], fördert Englische Geschichte, die er natürlich oft berührt, besonders bei der Aufhebung von Edmund’s Sicilischem Königstitel [237] (1262/5), den Alexander IV. treu aufrecht erhalten hatte, und bei Heinrich’s III. Ansprüchen auf Mitgift und verpfändete Burgen der Provence. Vf. dient auch mehrfach der Kritik des Matheus Paris. Er vermuthet: Karl sah gern, dass Heinrich III. 1263 durch die Barone beschäftigt und daher an der Unternehmung auf Sicilien behindert war. [Montfort’s Verhältniss zu Karl lässt sich vielleicht genauer fassen: jener vermuthlich dictirte 1264 Heinrich’s III. Brief an Karl, dass Ludwig IX. nicht die Englischen Barone angreifen möge. Nicht bloss durch Eid erschienen Simon und Karl verbunden, sondern durch Schwurbrüderschaft: vielleicht eine Spur der altgermanischen Einrichtung, über die vgl. Pappenheim, Altdän. Schutzgilden 38; Goldschmidt, Agermanament in Zs. f. Handelsr. 35, 347. Wohl nur durch diese erklärt sich Karl’s Freundschaft für Simon, gegen welche doch seine Schwägerschaft, Neigung zur Despotie, damalige Gefügigkeit vor dem Papstthum, Gemeinschaft mit Frankreichs König- und Fürstenthum sprachen. Und vielleicht desshalb schützte Karl Simon’s Söhne, auch als sie 1271 kirchenschänderische Meuchelmörder an dem Sohn des Römerkönigs Richard geworden, um ihren Vater zu rächen: Schwurbrüderschaft bedingte Rachepflicht.] Dass 1253 der Französische Adel von Simon gegen Heinrich III. geführt sein wollte, bezweifle ich: Simon suchte damals Englische Hofgunst, und Matheus bespricht die etwaige Annahme des Französischen Seneschallats nicht als Verrath, sondern als vielleicht der Missdeutung fähig. Dass Innocenz Sicilien gleichzeitig, nach ähnlichen Briefen an Richard von Cornwall und Alfons von Poitou, jenem und Karl antrug, erklärte Ficker, m. E. richtig, so: der zweite Auftrag galt nur, wenn der erste scheiterte; Verf. meint, die Curie wollte die Schreiben auch gleichzeitig bestellen, also den im Stich lassen, der später annähme [?], ihr Nuntius habe vielleicht mit den Franzosen schon vor der Englischen Reise unterhandelt. – Innocenz’ IV. Brief über den Protest Heinrich’s III. und seines Bruders Richard gegen die Ergreifung der Provençalischen Erbschaft durch Frankreich 1245 citirt Berger, RC 1889, 486. – Fr. Delaborde druckt BECh 49, 6 Ludwig’s IX. Instruction für die Gesandtschaft an Alexander IV. 1259 [nicht 1258; RH 40, 180], die um Unterstützung des Französischen Interesses bat bei dem mit Heinrich III. zum 25. Nov. zu ratificirenden Frieden, der dann 4. December 1259 geschlossen ward. – F. Kaltenbrunner, Die Briefsammlung des Berardus de Neapoli (MIÖG VII, 21. 555) erwähnt England betreffende päpstliche Schreiben S. 71. 80. 90. 92 [1352/60][WS 10]. Urban IV. belobt Johann Mansel Nr. 10, S. 557, bedauert Heinrich III. wegen Englands Wirren 29; Gregor X. fordert Geld vom Englischen Clerus zu Edward’s Kreuzzug 165. 185. 195, rügt des Bischofs von Hereford Pfründenbesetzung 198: all’ dies nicht bei Potthast, Reg. pont. Oft gibt K. nur Adresse und Anfang, so regine Anglie 203 u. s. w. Auch unter den späteren Nachträgen ist für England Wichtiges: S. 595 für Edward III. Das durch Rymer dem Engl. Archiv entnommene Material, das Vf. bei Berard und im Vatican. Register wiederfand, für 1263–84, verzeichnet p. 601. Berard sollte 1265 mit der Königin von England, wahrscheinlich für Karl von Anjou, verhandeln, S. 604; kurz vorher hatte ihm Urban IV. eine Pfründe in der Diöcese Winchester zugewendet, 605; er schreibt selbstbewusst regi Anglie Nr. 756. [238] Ihn bat T. thesaurarius Anglie um Verwendung bei der Curie; diesen Brief concipirte Stephan de S. Georgio, der erst dem Engl. Königshause, dann dem Engl. Cardinal Hugo von S. Lorenzo in Lucina diente, S. 115. – Jos. Bain, Notes on the Trinitarian or Red friars in Scotland, and – – charter of Alexander III. confirming the foundation of Houstoun by Cristiana Fraser, widow of Sir Roger de Mowbray [6. Jan. 1272], Proc. Soc. Antiq. Scotland XXII (’88) 28.

Literatur u. Kunst des 13. Jhs. Krautwald’s [so verbessere o. II, 482] Layamon besprach H. Klinghardt, Engl. Stud. 13, 84. – J. A. Bennett, The architect of Salisbury cathedral (Arch. Jl. 44, ’87, 365) sei Elias de Derham, der in Urkunden seit 1205 vorkommt als Geschäftskleriker des Königs und mehrerer Prälaten. 1215 war er nach einigen Jahren klerikaler Parteihaltung wieder im Königsdienst. 1220 arbeitete er am Schreine des hl. Thomas Becket. Ferner baute er in Salisbury, auch am Dom, wo er Domherr und a prima fundatione rector novae fabricae ecclesiae war; um 1230–5 baute er die Königshalle zu Winchester; er starb 1245. – Stephan Langton theilte um 1200 die Bibel neu in Kapitel ein. Roger Bacon meint irrig, die Fehler im Exemplar Parisiense der Vulgata seien erst im 13. Jh. eingeschwärzt; sie sind aber älter; H. Denifle, Die Hss. der Bibel-Correctorien des 13. Jhs., A. f. Lit.- u. KG d. MA. IV, 263. – *Martin, Muséon 1888, behandelt diesen Tadel Bacon’s gegen die Latein. Uebersetzung der Bibel, die er durch das Papstthum corrigirt wünschte; ZKTh 12, 587; 13, 406. – *L. Doublier, Roger Bacon, eine culturgeschichtl. Studie (Progr. O.realsch. auf der Wieden in Wien 1885). – W. L. Courtney, R. Bacon, Fortnightly R. Aug. ’89, 254, hebt einige philosophische Sätze und naturwissenschaftl. Entdeckungen Rogers, besonders verglichen mit Francis Bacon, hervor. [Bibliographie und Lebensgeschichte vervollständigt Mon. Germ. 28, 569.] – C. E. Plumtre, On Roger Bacon’s Cure of old age (Antiq. July ’87, 12), excerpirt De retardandis senectutis accidentibus. – *Ch. Jourdain, Discussion de quelques points de la biographie de Roger Bacon in Excursions s. o. 230, Z. 8. – In England galt für die Orthographie der Schule von St. Alban’s als bezeichnend die Einschiebung des c hinter x vor e (excercere). Holder-Egger, N. Archiv XIV (’89) 139 weist dies als in Deutschen und Engl. Hss. Ende 13. bis 14. Jh. überaus häufig nach. – Matheus Paris hat in seine Werke mehrere festländische Weissagungen aufgenommen. Diese untersucht O. Holder-Egger, Italienische Prophetieen des 13. Jhs., N. Archiv XV, 145. 167. 171. 175. 177. Ueber die bei Barthol. Cotton s. eb. 144 f. – Ch. Jourdain, Doutes sur l’authenticité de quelques écrits contre la cour de Rome attribués à Robert Grossetête évêque de Lincoln [s. über die Frage oben I, 185] ist neu gedruckt in Excursions, s. o. 10 Z. vorher. – F. K. Haase, Die Altengl. Bearbeitungen von Grosseteste’s „Chasteau d’amour“ verglichen mit der Quelle, Anglia XII, 311. Der Bischof von Lincoln behandelt Sünde und Erlösung in einer Allegorie, die Dichtergabe, scholastische Gelehrsamkeit [nicht nothwendig aus Paris!] und Benutzung anderer didaktischer Werke zeigt. [Zeitgesch. berührt er nirgends, wenn er nicht p. 347 bei dem aus seinem Lande vertriebenen Kaiser von [239] Rom an Friedrich II. dachte, dessen Absetzung er 1245 untersiegelte; vgl. oben I, 186. Zweifel an der vollen Verfasserschaft Grossetestes, der nach Felten, Robert Grosseteste 88, vielleicht nur Stoff und Anlass des Werkes gab, hegt Vf. nicht.] Von den Bearbeitern führt der eine Naturschilderung u. a. liebevoll aus, der andere, ein Mönch von Sallay des 14. Jh., zeigt sich als moralisirender Theolog. – Fred. Spencer, The Old French mss. of York minster library (Modern lang. notes Dec. ’89, 488). Sie beschreiben u. a. Heiligenleben in Anglonormann. Poesie, darunter Vie de St. Brendan, 13. Jh. [d. i. Hardy, Descr. Catal. Nr. 459]. – Aus des Thomas von Kent Geste d’Alisandre erschienen Auszüge in *Paul Meyer, Alexandre-le-Grand (IV und V der Bibl. franç. du Moyen-âge) I.

Berlin, Januar 1890.

F. Liebermann.     

Anmerkungen

  1. Die Herren Verleger Whiting & Co, London, schickten Ende 1889 diese drei Werke zur Besprechung. – Des Vfs. „Richard IV Plantagenet, a son of Richard III“, 1888, ist Jugendschrift.
  2. Ref. dankt Herrn San.-Rath S. Neumann, der ihm die von hier bis S. 202 besprochenen Bücher lieh.
  3. Der Name leitet irre: Vereinzelte Fremde machen keine Geschichte, und Mittelalter erweckt die falsche Vorstellung, als gäbe es zwischen den 1290 Vertriebenen und den 1656 Eingewanderten innere Verbindung; ausserdem bildet die Anglo-Jüd. Gesch. ein nicht einmal wichtiges Glied der allgemein Jüdischen, darf also ihr Mittelalter nicht mehrere Jahrhunderte später als diese beginnen. Die Zeit 1070–1290 heisst in diesem Kreise Pre-Expulsion period (also nach ihrem Untergang!); warum nicht Anglo-Norman?
  4. Derselbe bringt in *Norfolk antiq. miscell. I, 312 die Geschichte des Kindes [eines getauften Juden] Odard, das die Juden in Norwich 1230 beschnitten haben sollten, mit den für diesen Process zuerst erhaltenen Urkunden.
  5. Als Florenz von Worcester darf nicht der von Thorpe unpassend hinter ihm gedruckte Fortsetzer aus Bury St. Edmund’s citirt werden, vgl. Mon. Germ. XXVIII, 584. Dass Jocelin’s Werk über St. Robert so kurz spricht, liegt daran, dass er Miracula s. Roberti [ib. XXVII, 325] verfasst hatte, nicht etwa daran, dass er dieses Martyrium, ebenso wenig wie Richard von Devizes das von 1192, bezweifelt hätte! – Die (literarisch ja wundervolle) Rede des Joceus (d. i. Jomtob aus Joigny) zu York 1190 ist doch nur Newburgher Erzeugniss.
  6. Vf., aus Troy (New-York), auf Deutschen Hochschulen gebildet, promovirte 1883 zu Göttingen auf die treffliche Untersuchung „Gilda mercatoria… zur Engl. Städteverfassung“. Hoffentlich wird er später einmal festländische Verhältnisse zum Vergleich heranziehen z. B. die (zwei Menschenalter später als in England) in Köln für die Juden abgesonderte freiwillige Gerichtsbarkeit.
  7. So ist m. E. S. 193 „ad justitiam regis consulendum et iura regis exprimendum“ zu verstehen, nicht „to look after justice and to explain the king’s laws.“
  8. Was dieser, jetzt der erste Erforscher Anglonormann. Rechts, an hochbedeutenden Quellen in den letzten Jahren veröffentlichte, ebenso die für Landwirthschaftsgesch. wichtigen Arbeiten über das Domesdaybuch hoffe ich nächstens im Zusammenhange anzudeuten.
  9. Vf. bekennt Heusler’s „Gewere“ viel zu verdanken.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Enstehungszeit
  2. Vorlage: Bracten’s
  3. Vorlage: enstand
  4. Vorlage: Hauszerstörungstrafe
  5. Vorlage: getoffen
  6. Vorlage: Sherif
  7. Vorlage: Univertitätsgeschichte
  8. Vorlage: Das
  9. Vorlage: Handschriftliche Korrektur auf 1194!
  10. Vorlage: Handschriftliche Korrektur auf [1252/60]