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Nubien (Das Ausland, 1828)

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Titel: Nubien (Das Ausland, 1828)
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aus: Das Ausland, Nr. 121; 125; 132; 138; 140; 144 S. 481-482; 497-498; 527-528; 549-550; 558-560; 600-602
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Forschungsreise zu den Quellen des Nils
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[481]

Nubien.

[1]
Ansicht von Nubien. Die Barâbra. Der Nilfall von Uâdy-Halfa

Asuan, das alte Syene, am Fuß des ersten Nilfalls, ist Egyptens Grenzstadt gegen Nubien.

Hier nimmt die Landschaft einen ganz neuen eigenthümlichen Charakter an. Sie wird wild, unfruchtbar, gebirgig. Die Ansicht des Flusses ist imposant und phantastisch. Eine Menge Granitblöcke, schwarz und wie Metall glänzend, zwischen denen der Nil schäumend sich durchwindet, ragen aus dem hellen Wasserspiegel empor. Man sieht sich mitten unter jene gewaltigen Massen versetzt, aus welchen die alt-egyptische Kunst ihre Tempel und Obelisken, ihre Sarkophage und Pyramiden schuf.

Den Weg bis Asuan hatten wir auf dem Nil gemacht; von hier setzten wir die Reise auf Kameelen fort, weil wir Eile hatten, um den in Dongola vordringenden Ismaëel Pasche, dessen Expedition wir uns anschließen wollten, noch zu erreichen. Sonst hat die etwas langsamere Wasserfahrt in mancherlei Hinsicht entschiedene Vorzüge, wenn man die kleine Unterbrechung durch den Katarakt abrechnet, bei welchem man die Barken (die denselben hinunter übrigens ohne Gefahr paßiren) ausladen muß, damit sie leichter hinaufgezogen werden können.

Um nicht, dem mäandrischen Laufe des Flusses folgend, die Reise über Gebühr zu verlängern, schlugen wir den Weg durchs Gebirg ein. Im Hinaufsteigen nahmen wir mit einem Blicke links auf die herrlichen Denkmale der Insel Philä von Egypten Abschied. In einer Stunde waren wir oben, und nach dreistündiger Wanderung über den mit weißlichem zartkörnigem Sandstein bedeckten Bergrücken, dem die zerstreut umherliegenden sonnverbrannten Felsen ein vulkanisches Aussehen geben, standen wir auf der südlichen Abdachung der öden Höhen, von wo wir bald in das Thal hinabgelangten. Man darf sich aber nicht vorstellen, daß es nun den Nil entlang behaglich im Thal fortging. Denn da der Fluß an vielen Orten, selbst außer der Zeit der großen Ueberschwemmung, die ganze Niederung einnimmt, so war unsre Reise ein immerwährendes Bergauf- und Bergabsteigen, das die schwerbeladenen Kameele sehr ermüdete.

Nur ein schmaler Strich Landes an beiden Ufern des Nils ist urbar. Die Einwohner dieses Theils von Nubien sind so arm, daß sie es nicht verschmähen, auch ein Stück Feld von vier bis fünf Fuß im Quadrat, das mitten unter Felsen liegt, anzubauen. Das Hauptprodukt, das sie ihrem unergiebigen Boden abgewinnen, ist der Mais; doch pflanzen sie auch Hirse, Gerste, Taback, Baumwolle, Bohnen; aus den Samenkörnern des Wunderbaums (palma Christi) bereiten sie sich ein Oel; aus dem Holz der Akazie und des Maulbeerfeigenbaums machen sie sich große Flöße, auf welchen sie bisweilen ihre trefflichen Datteln, den einzigen Gegenstand, womit sie Handel treiben, bis nach Kairo verschiffen. Wie in Egypten bedienen sie sich zur Bewässerung ihrer Felder des Sakyehs [2], einer Maschine, deren Räder, aus so vielen Stücken sie auch bestehen, durch keine Nägel, sondern bloß durch lederne Riemen zusammen gehalten werden, ein Umstand, den die Seltenheit des Eisens begreiflich macht.

Die Lebensweise der Barâbra ist sehr einfach. Ihre Weiber nehmen Mais oder Hirse, zerreiben die Frucht in der Hand, und machen einen Teig daraus, den sie ungesäuert auf eine eiserne Platte legen und backen. Dieß ist ihr Brod, wozu sie gewöhnlich saure Milch, Datteln oder Bohnen essen. Sie halten Ochsen, Schafe und Ziegen, besonders letztere zahlreich, und auch Kameele; doch Fleisch genießen sie wenig; mit Kameelfleisch und fetten Heuschrecken, die sie im Feuer oder auf Kohlen braten, machen sie zuweilen eine Ausnahme. Tabak rauchen sie nicht, aber sie kauen Tabak, indem sie ihm einen Zusatz von Natrum geben, ein Stück Wolle oder Tuch darum wickeln und ihn so in den Mund stecken.

Eben so einfach ist die Tracht der Barâbra. Bei den Weibern besteht sie in leinenen Schürzen, welche auf beiden Seiten der Länge nach offen sind, nebst großen Beinkleidern von blauem oder weißem Zeug; oft hüllen sie das Gesicht noch in einen Mantel. Die Männer dagegen gehen den größten Theil des Jahrs nackt. Ihre Haare tragen sie kurz und gelockt oder geflochten, ölen sie [482] tüchtig an und stecken einen langen Schnipfel von hartem Holz hinein, dessen sie sich bedienen, um sich den Kopf zu kratzen. An dem linken Arm haben sie ein krummes Messer befestigt.

Ein Umstand, der dem Reisenden auffällt, ist das numerische Mißverhältniß beider Geschlechter, welches allenthalben bemerkt wird. Wenn man aber bedenkt, daß die Unfruchtbarkeit des Landes es ist, welche viele Männer bestimmt, nach Egypten in Dienste zu gehen, wo sie wegen ihrer Ehrlichkeit gerne, namentlich als Thürhüter gebraucht werden; während die im Durchschnitt sehr häßlichen Weiber, die kein Gegenstand für die Haremsjäger sind, nicht außer Landes kommen; so hat man nicht nöthig, um das Vorherrschen der letztern zu erklären, zu künstlichen Geburtstheorien seine Zuflucht zu nehmen.

Indessen scheint es, die Wüste habe im langsamen Lauf der Jahrhunderte ihr Gebiet über manche einst blühende Stätte ausgedehnt, seitdem jene künstlichen Dämme, durch welche die Alten das gute Erdreich gegen die Gewalt der Strömungen schützen, mehr und mehr in Verfall gerathen sind. Noch an verschiedenen Orten sieht man diese ungeheuren Steindämme dreißig bis fünfzig Schuh von beiden Ufern in den Fluß hinein sich erstrecken, und sie sind eben sowohl als die vielen prachtvollen [3] Ruinen, auf die man beinahe mit jedem Fußtritte stößt, ein sprechender Beweis, daß vormals ein besseres und beglückteres Geschlecht hier gewohnt habe.

Wo sind jetzt aber die Städte der Barâbra? Ihren Hauptort Derr nicht ausgenommen, gibt es überall nur unbedeutende Dörfer mit elenden Hütten, wozu der lehmige Nilschleim oder das steinreiche Gebirg das Baumaterial reicht, die Kunst nichts thut, als daß sie die aus dem Lehm gemachten und an der Sonne getrockneten Ziegel oder die aus dem Gebirg geholten, aber unbehauen gelassenen Steine auf einander legt, und dem Ganzen eine gewisse Pyramidalform gibt. Doch ist die Ansicht von einem solchen Dorfe ziemlich artig, indem die Hütten, meist auf einem erhöhten Standpunkte, einem Felsen, so liegen, daß jeder Eigenthümer mitten in seinem Gute, wie in einem Garten, wohnt.

Am 25 November hatten wir den Nilfall von Asuan verlassen, am 8 December waren wir in Uâdy-Halfa (21° 53’ 33" nörd. Br., 28°, 55’ 30" östl. L.).

Südlich, unweit von dem Dorf Uâdy-Halfa beginnt der Wasserfall [4] dieses Namens. Schon hier versperren grünbewachsene schwarze Felsen den Flußweg. Die Gegend, die wir jetzt betraten, heißt das Steinthal. Die Bergstraße führt längs dem Nil hinauf, wobei man den nahen Wasserfall immer im Gesicht behält. Der Strom bildete, als er sich durch das Gebirg Bahn brach, aus den Bruchstücken der Felsen eine Menge kleiner Inseln, auf deren mehreren sich der Anblick eines schönen Pflanzenlebens darbietet. Die von der starken Strömung getriebene Fluth sprudelt und windet sich rauschend durch die Klippen. Die dunkle Schwärze der Felsen, die vierzig Fuß hoch über den Wasserspiegel sich erheben, bildet einen schneidenden Contrast mit dem weißen Wogenschaum, dem rothen Sand und dem Grün der mit Gesträuch, blühenden Akazien und Datteln bewachsenen Inseln. Der Wechsel der Farben, der von den Strahlen der Sonne vergoldete Strom, das Brausen der Wasser mitten in der schweigsamen Einsamkeit, der unermeßliche Gesichtskreis, in dem das Auge sich verlieret, ein Schauspiel, an dem ich mich nicht satt sehen konnte!

In der alten Sage, daß die Anwohner der Katarakten von dem wilden Schlag der Wogen taub werden, liegt eine Andeutung der überwältigenden Macht dieses Eindrucks.

[497]
Das Steinthal. Dangola. Die Kolosse auf der Insel Argo.

Der Katarakt von Uâdy-Halfa, nicht wie der Rheinfall bei Schaffhausen ein jäher Sturz des Nils über einen einzelnen Felsen – erstreckt sich durch das ganze Steinthal. Auf dieser acht und zwanzig Stunden langen Strecke – die Eingebornen nennen sie Kindineto, die Araber Uâdy-Hadjar – unterbrechen zwei und vierzig Inseln, hemmen zahllose Klippen den Lauf des Stroms, der oft in ein so enges Bett zusammengedrängt wird, daß ein Flintenschuß das jenseitige Ufer erreicht.

Die Gegend ist fast eine völlige Wüste, wo man, ohne einen Menschen zu sehen, mehrere Tage reisen kann. Ueber steile Felsen, welche die Fluth vom Urgebirge losgerissen, an tiefen Abgründen vorbei, welche sie ausgespühlt hat, führt der schmale mühsame Pfad; aber die romantische Erhabenheit der Natur, die der Pinsel eines Salvator Rosa verherrlichen sollte, entschädigt den Wanderer reichlich für die Beschwerden der Reise. Es scheint jedoch, daß diese Gegend in frühern Zeiten ziemlich bewohnt war: eine Menge Ruinen, worunter viele von christlichem Gepräge, bekränzen den Saum der schwarzen unfruchtbaren Bergkette oder erhöhen die pittoreske Schönheit der aus dem wildbewegten Strome auftauchenden Inseloasen, die auch jetzt noch der Wohnsitz einiger armen Barâbra, oder, wie man sie hier heißt, Barbarins sind. Aber überall fühlt sich der Mensch glücklich in seinem Vaterlande. Glaubten ja die guten Leute, daß wir zu ihnen blos deswegen gereist wären, weil es uns nach dem Schatten ihrer Palmen und nach dem lieblichen Saft ihrer Datteln gelüstet hätte.

Als wir an dem Ufer hinaufzogen, zeigten uns manche Stellen noch Trümmer von jenen Schiffen, auf welchen Mehemed-Ali seinem nubischen Heer die Lebensmittel hatte nachführen lassen. Lange Zeit waren nicht blos Reisende, sondern selbst Eingeborne der Meinung, daß kein Schiff diesen Katarakt passiren könne.

Da berief der Pascha seinen Laghun-dschi-baschi (Vorsteher des Bergwesens) aus den Smaragdgruben des rothen Meeres in das Steinthal. Es wurden Minen angelegt, Felsen gesprengt, und so kam auf der östlichen Seite des Flusses eine leidliche Wasserstraße zu Stande, die freilich noch immer gefährlich genug war. Denn nicht nur ein großer Theil der Araber, welche die Transportschiffe an langen Tauen von Klippe zu Klippe und von Insel zu Insel ziehen mußten, sondern auch der dritte Theil der hundert und fünfzig Transportsschiffe des Pascha’s ging bei der erzwungenen Schifffahrt zu Grunde.

Es war bei dem Dorfe Dâl-Nâru (20° 57’ 15" nördl. Br. und 28° 20’ östl. L.), wo wir das Steinthal verließen. Das Gebirg, dessen Boden bald oberhalb Uâdy-Halfa mit dem Aufhören des Sandsteins eine primitive Formation annimmt, und fort und fort rauher und höher wird, flacht sich hier wieder ab und man tritt aus der Wildniß in ein angebautes Thal, die Provinz Sokkot. Aber erst jenseits des[WS 1] Katarakts von Hanneq (19° 41’ 30" nördl. Br.), welcher die Grenze zwischen Dâr el-Mahas und Dongola bildet, verliert die Landschaft das düstere Kolorit, welches die Ansicht von Egypten und Nieder -Nubien so monoton und melancholisch macht; denn statt der zerstreut stehenden Palmbäume, der schwarzen Felsen, des Sandes, der die Ebene zu verschlingen droht, sahen wir nun grüne Fluren, üppige Felder und große mit Akazien und Nebkas dicht bewachsene Waldungen. Je mehr wir uns der Region der periodischen Regen näherten, desto auffallender wurde diese Veränderung.

Die Provinzen Sokkot und Dâr el-Mahas welche seit langer Zeit Dependenzen von Egypten waren, standen unter Scheiks. In Dongola herrschten vor der Invasion der Mamelucken kleine Erbfürsten, Malek oder Melik genannt, die, bei der Katastrophe jener Eroberer wieder unabhängig geworden, ihre Unabhängigkeit von Neuem an Ismaël Pascha verloren. Jetzt besaßen sie nur noch den Schatten von Autorität, welchen ihnen der egyptische Gebieter gelassen hatte, weil er ihrer Dienste, um die Abgaben zu erheben, und das widerspenstige Volk im Zaum zu halten, benöthigt war. Man kann sich denken, daß diese mediatisirten Meliks ihr Interesse mit diesen neuen Verhältnissen auf eine Art zu vereinigen wußten, wodurch der Flor des Landes eben nicht sonderlich gefördert ward.

Hier beginnt der Länderkreis, über welchen sich der Einfluß der Könige von Sennâr erstreckt, deren tributpflichtige Vasallen die Meliks von Dongola waren. Da aber der entfernte Oberherr das Land nicht gegen die schlimme Nachbarschaft der räuberischen Schaykyehs zu schützen vermochte, so ist dasselbe, ungeachtet seines natürlichen Reichthums, dergestalt in Verfall gerathen, daß [498] weite Strecken ungebaut blieben, und die Einwohner in großer Anzahl nach Barbar und Schendy, ja bis nach Kurdofân und Dârfur auswanderten. Hatten auch die Mamelucken die äußere Sicherheit einiger Maßen hergestellt, so dauerte ihre Herrschaft zu kurze Zeit und war selbst zu precär, als daß die Segnungen des Friedens hätten wirklich sichtbar werden können. Und nun erschien die türkische Armee, welche ihren Weg mit Mord und Verwüstung bezeichnete.

Der Hauptort von Dongola ist die Stadt gleichen Namens. Sie liegt auf einem achtzig bis neunzig Fuß hohen Felsen neben dem Nil. Sie hat keine Ringmauer, aber die Häuser der Vornehmen sind so gebaut, daß sie einzelne Gruppen bilden, von denen jede mit hohen Mauern umgeben und durch viereckige Thürme gedeckt ist, so daß gleichsam mehrere kleine Festungen neben einander stehen: ein Umstand, woraus man auf die öffentliche Sicherheit des Landes schließen kann. Durch ihre hohe Lage den Sandwirbeln der Wüste ausgesetzt, gewährt die Stadt keinen angenehmen Aufenthalt. Seitdem die Mameluckenbeys den Sitz der Regierung nach Maraka verlegt haben, sind hier kaum noch dreihundert Einwohner. Man sieht übrigens, daß die Stadt in bessern Zeiten ziemlich bedeutend war: denn ihre Ruinen, die durchgehends auf die Kopten oder auf die Araber hinweisen, erstrecken sich tausend Schritte über ihren jetzigen Umfang hinaus.

Interessanter für uns war die Insel Argo, die größte Nil-Insel, die uns bis dahin vorgekommen war. Sie ist fünf Lieues lang und man zählt auf ihr ein und zwanzig Weiler. Da ich die Alterthümer daselbst sehen wollte, so machte ich dem Melik Tumbol, zu dessen Gebiet sie gehört, einen Besuch. Ich fand ihn auf seinem Divan mit der Pfeife im Mund; sein Anzug bestand aus einem feinen cottunenen Hemd, einer kleinen Mütze von abgenähtem Zitz und langen Sandalen von Leder. Neben ihm lag sein reich mit Silber belegter Säbel, und an seinem Hals und Ellenbogen hingen kleine[WS 2] lederne Beutel mit Talismanen. Dieß ist die Landestracht in Dongola, wobei die sonderbare Anomalie auffällt, daß, während bei den Barâbra die Männer, hier die Weiber nackt gehen. Wir litten sehr Mangel an Lebensmitteln und so bat ich den Melik um eine Anweisung an das in der Nähe befindliche Armeemagazin, in der Hoffnung etwas Mehl oder Zwieback zu bekommen. Wir mußten uns aber mit einem Sack Mais und mit dürren Bohnen begnügen. Indessen stand unserer Ueberfahrt auf der Insel kein Hinderniß im Weg. Die Araber, die uns überschifften, bedienten sich dießmal zum Rudern der Ruder, nicht, wie es bei Semne im Steinthal der Fall gewesen war, der Füße.

Der Ort, wo wir landeten, hieß Tura (19° 18’ 40" nördl. Br. und 26° 23’ östl. L.) Ungefähr drei Stunden von der südlichen Spitze der Insel fanden wir den Gegenstand unsrer Neugierde. Es sind zwei kolossale Memnonsstatuen aus grauem Granit. Von dem Tempel selbst, den sie einst zierten, ist keine Spur mehr; nur ein leerer mit Bruchstücken von Sandstein bedeckter Platz, in der Richtung von Osten nach Westen vier und achtzig Metres lang, und drei und fünfzig Metres breit, bezeichnet noch die Stelle, wo einst der Tempel stand. In den beiden Winkeln des westlichen Endes liegen die Bilder umgestürzt auf dem Boden. Nach ihrer Lage zu urtheilen, standen sie sich einander gegenüber und der Tempel hatte den Eingang auf der östlichen Seite. Ihre Höhe beträgt, das Fußgestell mit eingerechnet, sieben Metres und fünf und fünfzig Centimetres; sie sind aufrecht und gehend dargestellt. Schade, daß die Arbeit nicht vom besten Stil ist; beide Colosse sind nicht unbeschädigt: der nördliche ist in der Mitte entzwei gebrochen; dem südlichen [5] fehlen die Arme bis an die Schultern und ein Stück von der Nase. Wie würden sich aber doch die Liebhaber darum streiten, wenn diese Bilder in der Nähe von Kairo sich befänden!

[526]
Die Schaykyehs. Dâr Barbar. Die Ruinen von Meroe.

Betrachtet man den Nil von Egyptens Grenze bis Dongola hinauf, so erscheint er als eine krumme Linie, die sich stark gegen Westen neigt. In Dongola wird diese Neigung östlich, hierauf aber völlig nordöstlich, so daß der Fluß einen stumpfen Winkel bildet. An diesem Winkel liegt das Land der Schaykyehs, fünf und dreißig Stunden lang, höchstens eine Stunde breit.

Nach der Sage – die durch den Umstand an Wahrscheinlichkeit gewinnt, daß hier die arabische Sprache die Dialekte Unternubiens verdrängt hat – wären die Einwohner vor sechs hundert Jahren aus Arabien eingewandert, und hätten den Namen eines ihrer Vorfahren als Stammnamen angenommen.

In landwirthschaftlicher Beziehung steht das Land weit über Dongola: jede Erdscholle ist angebaut; aber zusammengedrängt auf den schmalen, wenn auch äußerst fruchtbaren Strich am Nil fand die zahlreiche Bevölkerung in der friedlichen Thätigkeit des Ackerbau’s und der Gewerbe [6] weder hinlängliche Beschäftigung, noch genügende Befriedigung ihrer Bedürfnisse, und eine natürliche Folge davon war die Fortpflanzung jenes alt-arabischen raubkriegerischen Geistes, der die Schaykyehs, wie die freien Beduinen der Wüste, zu gefährlichen Nachbarn und zu Feinden der Caravanen machte. Indessen sind sie nicht ohne Bildung; die meisten von ihnen können lesen; ja ihre Schulen haben einen gewissen Ruf, so daß sie von Zöglingen aus den angrenzenden Ländern besucht werden.

Die Schaykyehs lebten unter einer Art militärischer Republik, mit drei Meliks an der Spitze – sie hießen Chauß, Zibert und Omar – deren jeder seine drei Unterbefehlshaber hatte. Ihre Kriegsmacht besteht eigentlich blos aus Reiterei; ihre Hauptwaffen sind der Wurfspieß – in ihrer Hand ein gefährliches Instrument, da sie ihn nicht nur mit großer Sicherheit auf eine weite Entfernung schleudern, sondern auch, wenn sie fehlen, stets einen zweiten und dritten in Bereitschaft haben – ein langer Schild mit Krokodilshaut überzogen, und ein großer doppelschneidiger Säbel mit deutscher Klinge, wozu sie den Griff selbst machen. Feuergewehr ist äußerst selten. Ihre dongolischen Streithengste tummeln sie mit der Gewandtheit und der Behendigkeit der Mamelucken, mit welchen sie sich in der Ausführung der kühnsten und schwersten Reiterkünste messen können; sie haben, wie die Türken, die Gewohnheit, das Pferd kurz im Zaum zu halten, wodurch es zwar schön paradirt, aber frühzeitig zu Schanden geht.

Ismaël Pascha hatte das Land erst nach zwei Treffen zur Unterwürfigkeit gebracht, in welchen die Reiterei der Schaykyehs den Ruf ihrer Tapferkeit behauptete, und [527] nur dem türkischen Geschütze wich, ohne daß sie jedoch bedeutend gelitten hätte. Ein junges Mädchen auf einem reich geschirrten Dromedar hatte in dem ersten Treffen das Zeichen zum Angriff gegeben.

Dagegen erging es ihrem Fußvolk desto schlimmer. Dieß waren ein paar tausend Bauern, welche ein Heiliger versichert hatte, daß die wahrhaft Gläubigen keine Kugel treffe. In diesem Wahn stürzten sich die guten Leute unbewaffnet, in einer Hand eine Flasche, woraus sie Muth tranken, in der andern Hand etliche Stricke, womit sie die gefangenen Türken zu fesseln gedachten, auf die Feinde los; sie hatten ein solches Vertrauen zu ihren Amuletten, Talismanen und andern Wunderdingen, welche sie als Mittel, sich unsichtbar zu machen, betrachteten, daß sie am hellen Tage in’s türkische Lager drangen, um den Pascha aus der Mitte seiner Garden heraus zu holen. Dafür opferten die Türken diese paar Tausend Bauern ihrer Wuth, schnitten doppelt so vielen die Ohren ab, und zerstörten – als ob es in Nubien nicht genug Wüste gebe – ihre bedeutendsten Dörfer und Städte, wenn man anders hier von Städten reden kann.

Einst war es nicht so – aber war nicht auch damals Afrika mit dem Fluch des Despotismus belastet? Diese jetzt zerfallenen Zinnen, diese umherliegenden Riesentrümmer von Mauern sind sie nicht Ursache und Wirkung desselben Grundübels? Despoten haben sie erbaut und zerstört! Und doch welche Größe in dieser untergangenen Zeit! Die Ruinen von Nuri bei Gebel el-Barkal versetzten mich wieder ganz dahin zurück; beim Anblick des Elends des jetzigen Geschlechts vergaß ich, daß der blutige Schweiß der Sklaven an seinen glänzenden Denkmalen klebte, und ich gab mich ganz meiner Bewunderung hin. Der Name des Dorfes Merauy (18° 27’ 50" nördl. Br. und 29° 46’ 30" östl. L.) machten mich zuerst aufmerksam. Sollte hier nicht der Priesterstaat Meroe seyn? Und doch stimmten weder der Meridian, unter dem ich mich befand, noch die von den alten Geographen für Meroe angegebene Lage zwischen den Flüssen Astaboras und Astapus meiner Vermuthung zu. Außer den Grundmauern von acht Tempeln zählte ich in Nuri fünfzehn Pyramiden; letztere waren ganz wie die egyptischen gebaut und noch meisten Theils in gutem Zustande. Die größte derselben maß an der Grundfläche 48½, die andern sämmtlich zwischen 26 und 28 Metres. Gegen diese Kolosse sind die Werke der jetzigen Baukunst nun zwar zwergartig genug; doch wohnen die Häuptlinge der Schaykyehs in großen steinernen, befestigten und mit Schießscharten versehenen Häusern, die immer noch stattlich aussehen, und, sonderbar genug – die fortdauernde Liebhaberei für die Pyramidalform zeigen.

Barbar liegt schon wo der Nil von seiner nordöstlichen Ausbeugung wieder in die südliche Richtung übergeht; wir schlugen deswegen den südöstlichen Weg durch die Wüste ein, wodurch wir aber um die Ansicht der beiden Provinzen Dâr Monaßyr und Dâr Robâtât kamen, die uns links liegen blieben. Mich trieb es rastlos vorwärts Meroe zu.

Da ich nunmehr mit der Armee reiste, so war ich in meinen antiquarischen Untersuchungen sehr genirt. Denn um der Sonnenhitze auszuweichen, brach man gewöhnlich gegen drei Uhr auf, und fort ging es bis tief in die Nacht hinein. Der längere Aufenthalt in Barbar selbst bot für meine Zwecke wenig dar. Wie sollte ich es also angreifen, um den Pascha zu bestimmen, daß er mich, während er hier die Unterwerfung einiger benachbarten Stämme betrieb, nach Schendy voraus gehen ließ? Wenn ich auch nicht gerade direct von ihm abhing, so mußte ich mich doch wegen des weitern Verfolgs der Reise seiner Gunst auf jede Art versichern, und durfte mich also nicht ohne seine Zustimmung von der Armee trennen. Die Habsucht des Pascha half mir aus der Verlegenheit. Er zeigte mir einmal einen großen Diamant und fragte mich, aus welchem Lande diese kostbarem Steine wären? Indem ich diese Frage beantwortete, hob ich besonders heraus, daß man bisher den Diamant immer unter 18° der Br. gefunden habe. Gleich wollte der Pascha wissen, unter welchem Grad wir uns gegenwärtig befänden? „Eben unter dem achtzehnten,“ sagte ich, und um ihn zu überzeugen, las ich ihm die darauf sich beziehende Stelle aus Louis Patrin’s Abhandlung vor, wo namentlich die Vermuthung ausgesprochen ist, daß wahrscheinlich in den Gegenden Afrikas, die unter derselben Breite liegen, gleichfalls Diamanten vorkommen. Die Formation des Bodens, fügte ich hinzu, sey zwar bis jetzt nicht diejenige gewesen, bei welcher jenes glänzende Mineral sich erzeuge; da dieselbe jedoch plötzlich eintreten könne, so dürfe man, um zu einem ersprießlichen Resultate zu gelangen, nicht blos einen Blick über die Straße hinauswerfen, sondern man müße auf verschiedenen Punkten im Osten und Westen Nachforschungen anstellen. Auf diese Weise fand es der Pascha seinem Interesse völlig angemessen, daß ich bald nach Schendy abreiste. Er erbot sich sogar, mir eine Escorte mitzugeben, die ich indessen bescheiden ablehnte, weil ich das Gold- und Diamantsuchen eben nicht zu einem Hauptgeschäft machen wollte.

In anderer Hinsicht wäre der Aufenthalt in Barbar für mich nicht unangenehm gewesen. Der Reisende, der auf dem fünf Tag langen Marsch durch die Sandwüste beinahe verschmachtet ist, oder der von den rauhen Bergwildnissen der Nilstraße – zwei Katarakte, die der Nil zwischen Barbar und dem Lande der Schaykyehs bildet, zeugen hinlänglich von der Beschaffenheit des Terrains – müde in die schöne Ebene von Barbar hinabsteigt, wird noch überdieß durch das zuvorkommende Betragen der Einwohner angenehm überrascht – ein Betragen, das gegen das ernste zurückhaltende Wesen der Schaykyehs sehr abstach.

Die Männer gaben uns mit einem Handschlag einen zehnfachen Willkomm, sagten uns einen zehnfachen guten Morgen (Salamât a’charah, sabàh el-khayr a’charah); die Weiber unterhielten sich mit uns auf’s Traulichste.

Die Leute sind hier im Ganzen gut gewachsen und wohlgebildet, und ihre Gesichter nicht, wie in Schendy und Sennâr [528] durch tiefe Einschnitte, womit man eine daselbst grassirende Kinderkrankheit heilt[7], entstellt. Die gigantischen Gestalten einiger Häuptlinge fielen mir besonders auf. Ich erklärte mir dadurch die Gewohnheit der Egyptier, ihre Helden kolossal darzustellen.

Ich näherte mich nun der Gegend, in welche d’Anville und ältere Geographen Meroe setzen. Da Barbar ein sehr schmaler District ist, so waren wir bald in Dâr djal. Hier mündet der Astaboras (jetzt Atbara genannt) in den Nil, und es entsteht dadurch eine große Insel[8], oder Halbinsel, welche der Nil, und, wo er sich in den blauen und weißen Fluß trennt, der blaue Fluß, der Astapus der Alten auf der westlichen, der Astaboras auf der südöstlichen Seite, umfängt. Bruce und Burkhardt, meine Vorgänger in diesem Theil Nubiens, hatten jedoch Meroe nicht entdeckt. Durfte ich hoffen, glücklicher zu seyn? Eine Tagreise nördlich von Schendy, sagte man mir in Barbar, gebe es eine Menge Tarâbyls; diese Nachricht wiederholt mir jetzt mein Wegweiser, den ich dadurch in mein Interesse gezogen hatte, daß ich versprach, die Schätze, die ich finden würde, mit ihm zu theilen. Diese Tarâbyls, versicherte er mich, hunderte an der Zahl, liegen an der Straße von Schendy; man könne sie ersteigen. Aber ob man mich auch wirklich recht verstand? Ob nicht vielleicht jene Tarâbyls blos auf einander geschichtete Granitblöcke waren, wie ich sie in Asuân gesehen hatte? Diese Zweifel beunruhigten mich sehr.

Es war Morgen; vor uns eine öde Wüste, im Osten eine hohe Bergkette, eine Stunde weit hinter uns im Westen der Nil. Schweigend zogen wir dahin; ich träumte von Pyramiden, mein Führer von Schätzen. Da ging die Sonne auf, und wer beschreibt das Entzücken, das ich empfand, als ich meine Träume in ihren ersten Strahlen verwirklicht sah! Mein Dromedar ging mir nun viel zu langsam, und die Entfernung von drei Lieues, die ich bis zu dem Ziel meiner Wünsche zurückzulegen hatte, däuchte mir unermeßlich. Endlich komme ich an, sprenge aus dem Sattel, und in einem Athemzuge ersteige ich eines der höchsten dieser Denkmäler, wo ich in Staunen und Bewunderung versunken mich ganz dem Eindruck des imposanten Schauspiels[9] hingab. In Westen entdeckte ich bald eine zweite Gruppe von Pyramiden, und in einer kleinen Entfernung von dem Fluß einen ungeheuern mit Trümmern und Schutt bedeckten Raum, die Reste einer alten Stadt, und zwar, wenn mich nicht Alles täuscht, der Stadt Meroe.

Wenn nach Eratosthenes die Hauptstadt Aethiopiens siebenhundert Stadien, nach Plinius (B. 6, 29) siebenzig römische Meilen oberhalb des Zusammenflusses des Astaboras mit dem Nil lag, so ist sie in der Gegend der Ruinen von Aßur oder Dangeyleh und Maruk zu suchen, wo wir uns jetzt befanden; wenn Strabo (B. 16) sagt, die Sonne stehe daselbst fünf und vierzig Tage vor der Sommersonnenwende scheitelrecht, so ist nach dieser Angabe Meroe unter 16° 44’ nördl. Br. zu setzen, was so ziemlich die Lage von Aßur ist, die ich zu 16° 56’ 55" nördl. Br. und 31° 34’ östl. L. berechnete.

So elend auch der jetzige Zustand dieses einst berühmten Priesterreiches erscheint, welches zur Zeit seiner Blüte Heere von 250,000 Mann ausrüsten konnte, 400,0000 Künstler und Handwerker besaß, und eine Reihe von 45 Königen zählte, so ist man doch geneigt, die Nachrichten der Alten für nicht sehr übertrieben zu halten, wenn man die Lage desselben mitten zwischen großen Flüssen in der Region der periodischen Regen und die Menge Ruinen betrachtet, die jetzt noch dem Alterthumsforscher überall reiche Ausbeute geben, Naga, el-Mesaurât, Sobâh, Mandeyr, Kely und so viele andere, zum Theil kaum dem Namen nach bekannte Orte, während in dem weiter südlich gelegenen Sennâr, vermuthlich weil man dort nur aus Backsteinen baute, fast alle Ruinen verschwunden sind, und auch nördlich bis zu denen von Nuri[10] und Djebel el-Barkal nicht viel Erhebliches vorkommt.

Mit unwissender Bewunderung oder stumpfsinniger Gleichgültigkeit geht der Araber, der hier seine Heerden waidet, vorüber an den Reliquien eines mächtigen Volkes, von all dessen Werken in Staub und Asche versank, was für das Leben bestimmt war, und nur der Tempel des Todes, die Pyramide, zur Unsterblichkeit überging.

[549]
Die Stadt Schendy. Der nubische Handel.

Zu Folge der Schätzung Diodors von Sicilien und Strabo’s betrüge die Ausdehnung der Insel Meroe 3000 Stadien (= 300 röm. Meilen, = 120 Stunden) in der Länge, und ein Drittel so viel in der Breite. Mit dieser Angabe der Länge stimmt die Entfernung der Mündung des Atbora von dem Punkt, wo seine Quellen sich denen des Rahad im Süden nähern, vollkommen überein; was aber die Angabe der Breite betrifft, so scheint dieselbe – da das Land so ziemlich die Form eines Dreiecks hat, dessen Spitze in Südost und dessen Grundlinie in Nordwest liegt – auf einer Durchschnittsrechnung zu beruhen, von deren Richtigkeit man sich mit einem Blick auf die Karte überzeugen kann.

Den Theil dieses Gebiets, der längs den Ufern des Nils und des blauen Flusses hinläuft, nehmen gegenwärtig zwei Staaten [11] Dâr Schendy und Dâr Halfai ein: ersterer unter Meliks, letzterer unter Scheiks. Beide Staaten haben eine traditionelle Geschichte, die aber nicht über zwei bis drei Jahrhunderte hinauf reicht. Das ganze Land in der Mitte und auf der östlichen Seite wird von freien arabischen Horden durchzogen, die in immerwährenden Fehden untereinander leben, und ihre Streifzüge bis an’s rothe Meer und an die Grenzen von Habesch verbreiten.

Die Stadt Dâr Schendy (unter 16° 41’ 26" nördl. Br. und 31° 15’ östl. L.) mit 8 - 900 Häusern und 6 bis 7000 Einwohnern, ist ein beinahe reguläres Viereck, dessen Umfang 3500 Metres beträgt. Die Häuser, insgesammt im Viereck gebaut, bestehen gewöhnlich nur aus einem sehr hohen Erdgeschoß; eine Ausnahme machen indessen die des Melik, die ein Stockwerk und – weiße Außenwände haben. Da ein paar kleine Oeffnungen der einzige Weg sind, auf welchem von oben herab Luft und Licht hinein gelangt, so ist diese Bauart begreiflicher Weise der Helle nicht sehr günstig, desto geeigneter aber, die Hitze und die nächtlichen Insekten abzuhalten. Die Mauern haben eine etwas schräge Lage; die Dächer sind terrassenförmig, und mit vorspringenden Rinnen versehen, durch welche das Regenwasser abfließt. Überhaupt scheint Geräumigkeit, Bequemlichkeit und Kühle Zweck zu seyn: ein mit Backsteinen – dem allgemeinen Baumaterial – ausgemauerter Teich zum Baden befindet sich gewöhnlich in einem besondern kleinen Hofe im Innern der Häuser, und neben den Häusern liegen große eingehägte Plätze, Kochs genannt, welche zum Einschließen der Kameele und den Karavanen als Bazar dienen. Die Stadt ist von sehr breiten und ziemlich geraden Straßen durchschnitten; sie leidet jedoch durch den Uebelstand, daß der Wind Fluthen von Sand hineinbläst, wodurch das Gehen beschwerlich wird.

Nicht blos in der Stadt, sondern im ganzen Lande Schendy herrscht ein gewisser Wohlstand, als dessen Grund außer dem natürlichen Reichthum des Bodens die Industrie, als dessen Folge aber auch die Ueppigkeit und Sittenlosigkeit des Volks erscheint.

Hier sind die Weiber, wie in keinem Theile Nubiens, dermaßen aller Zucht und Ehre quitt und ledig, daß ihre Gunstbezeugungen laut auf öffentlicher Straße feil geboten werden, und selbst Damen von Rang in diesem Punkte kaum etwas vor andern voraus haben. Sollte man nun glauben, daß der wollüstige Schendyer in manchen Gegenständen, die zu den gemeinsten Bedürfnissen des Lebens gehören, der eben so uralten als einfachen Sitte treu, z. B. statt weicher Polster sich des hölzernen Kopfkissens bedient, wie man es häufig in den Gräbern von Theben als Kopfunterlage der Mumien findet? So bestätigte sich mir auf’s Neue die schon früher gemachte Beobachtung, daß, je weiter man sich von Eqypten entfernt, desto mehr von alterthümlicher Art auch im Volke sich erhalten hat. Ohne Zweifel darf ich dahin eine Anzahl länglicht viereckiger Grabsteine rechnen, auf welchen mir die wirklich antik aussehenden Musivmalereien mit schönen quadrillirten Dessins auffielen.

Die Umgebungen von Schendy sind zwar eine flache holzlose Wüste, die dem Auge keinen erfreulichen Anblick darbietet, aber das Land selbst ist an Feld- und Gartenfrüchten ergiebig, und besitzt eine treffliche Viehzucht, namentlich Pferde, Kameele, Büffel und eine sehr große Art Ziegen, deren Fleisch wie Gazellenfleisch schmeckt. Den europäischen Maßstab darf man jedoch an eine Provinz Obernubiens nicht anlegen. Denn wenn es nun noch etliche Juweliere gibt, welche Gold und Silber zu [550] Ringen, Armbändern und Amuletten verarbeiten, Schmide, welche doppelschneidige Messer, Säbelscheiden und Lanzenspitzen verfertigen, geschickte Lederarbeiter, welche z. B. aus einem Paar Sandalen zwei oder aus einem Dromedarreitzeug fünf und zwanzig spanische Piaster[12] lösen, so will das freilich so gar viel nicht heißen, aber es ist immerhin so viel, daß dadurch Schendy, wie Barbar, der Mittelpunct eines Handels wird, wodurch es einen leichten Absatz seiner Produkte und einen verhältnißmäßigen Wohlstand erzielt.

Jeden Freitag, Samstag und Sonntag ist Markt: Lebensmittel, Vieh, Kaufmannsgüter, Sklaven sind neben einander aufgestellt. Da sieht man die Weiber in ihrem bunten Arm- und Halsschmuck von Glaskorallen oder Elfenbein mit einem einzigen Stück Tuch um die Hüften, wie sie ihre Milch und Butter verkaufen, wobei sie Straußeneier als Maß gebrauchen, oder wie sie ihre Stroharbeiten, niedliche Matten und Körbe zeigen; man sieht die kräftigen braunen Männergestalten in ihren weißen Hemden, die Shawlbeturbanten Scheikhs, die stolzen Dschaleyns, mit ihren breitkrämpigen Palmblätterhüten, die Chukryehs, die Kauâlehs und andere Araber in ihren verschiedenen Trachten und Manieren, und man erstaunt über die Mannigfaltigkeit des menschlichen Kunsttriebs, der sich auch bei der größten Einfachheit der Sitten in allerhand Flitter und Putz äußert. Da die Araber wenig oder kein Getreide bauen, so gehört Dura und ein daraus gemachtes Bier, welches Merys heißt und in ledernen Gefäßen, Matarahs, getrunken wird, zu den von ihnen gesuchtesten Hausartikeln, wofür sie Vieh und Sklaven, zuweilen Gummi, Steinsalz, Straußenfedern, Tamarinden, die Häute und das Fleisch von Tschiraffen, Rhinozerossen, Elephanten und andern Thieren, die sie auf der Jagd erlegen, auf den Markt bringen. Diese Nomaden sind den Ackerbauern in Bezug auf Einsicht und Thätigkeit weit überlegen, so daß sie, besonders weiter im Süden, nach und nach das Monopol beinahe aller Zweige des Handels an sich gebracht haben.

Es stehen in Schendy eine dreifache Reihe kleiner Buden, deren Gestelle, wie auf den Märkten Oberegyptens, kaum drei Schuh über den Boden reichen. Der Kaufmann, der mit unterschlagenen Beinen dasitzt, nimmt die Hälfte des Raums ein. Hier verkauft man Materialien, worunter die sogenannten Datteln von Sudan, Spezereien, venetianische Glasspielwaaren u. s. w.; alle Lebensbedürfnisse sind zu haben. Erst nachdem der Melik verkauft hat, fängt der freie Marktverkehr an, der nur durch die Possen der arabischen Affenführer vom Berge Kaßal manchmal unterbrochen wird. Die kleine Abgabe, die jede Karavane [13]bezahlt, wird in Natura erhoben.

Fast Alles, was der Nubier vom Ausland bezieht, erhält er über Egypten: baumwollende Zeuge; blaubgefärbte Schafpelze, worauf man schläft oder die man als Schabracken über die Sättel der Dromedare legt; silberne Spangen, Glasperlen, Rosenkränze von Bernstein oder Dum-Kernen, runde oder viereckige Spiegel, welche letztere für die Toilette Neuvermählter unentbehrlich sind; Antimonium zum Schwärzen der Augenbraunen, Lausanie zum Rothfärben der Nägel; genuesisches und livornesisches Papier; die oben erwähnten deutschen Säbelklingen, Stahl, Zinn, Nadeln, Feilen, Schellen; Zucker, Pfeffer, Zimmt, Gewürznelken etc.

Egypten hat jedoch im nubischen Handel die Concurrenz der Stadt Sauâkin am rothen Meer zu fürchten, eine Concurrenz, welche sich bis Sennâr und Kurdofân erstreckt. Sauâkin, begünstigt durch die Nähe von Dschedda, liefert besonders arabische und indische Artikel: Mokka-Kaffe, Seidenstoffe, Sandelholz, feine Zitze, Dosen aus Kokosschalen oder Muscheln u. s. w. Ja, was man kaum glauben sollte, es gehen eine Menge Pferde aus Dongola und Schendy über Sauâkin nach Yemen, wo die Pferde von guter Race gegenwärtig sehr selten sind, obgleich Egypten und Afrika überhaupt die seinigen aus Arabien empfangen hat.

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Sclavenhandel. Eunuchen. Krokodile und Flußpferde, wie sie gefangen werden. Ein Blick auf die amerikanischen Saurier.

Sehr bedeutend ist der Handel mit Sclaven. Es werden deren jährlich vielleicht vier Tausend in Schendy verkauft.[14] Man bringt sie aus Habesch, Sennâr und aus mehreren Theilen des östlichen Sudan. Die abessynischen, die für die gescheidesten und fähigsten gelten, sind die gesuchtesten; auf zweiter Stufe folgen die Nuba-Neger; weniger gelehrig sind die von Kurdofân und Dârfur; die von Fertit sollen wilde Bestien seyn. In letzterem Land, welches gegen die Quellen des weißen Flusses hin liegt, sind es die Eltern selbst, welche ihre Kinder verkaufen, um sich Dura zu verschaffen.

Ehe die Sclaven auf den Markt kommen, werden sie sorgfältig geputzt und vom Kopf bis zu den Füßen mit Fett eingeschmiert. Dann müssen sie aber, wie die Thiere, die zum Verkauf ausgestellt sind, oft Tage lang den brennenden Strahlen der Sonne ausgesetzt, auf bloßer Erde sitzend, des Käufers harren. Uebrigens liegt es im Interesse der Sclavenhändler, daß sie die Unglücklichen gut behandeln, wofür ihnen diese, ungeachtet des eigennützigen Grundes ihrer Großmuth, den Namen Abu (Vater) geben.

Das Alter ist der gewöhnliche Maßstab, wornach man den Preis der Menschenwaare schätzt. Mädchen von eilf und unter eilf Jahren nennt man Commaßy; Sedaßy, die zwischen eilf und fünfzehn: letztere sind die theuersten und kosten achtzehn bis dreißig spanische Piaster; die Balegen, d. h. die über fünfzehn, nur acht bis zwölf. Ist eine Sclavin schon zwischen zwanzig und dreißig, so ist sie eine alte Waare, mit der man sich nicht gerne belastet, die man aber behält, wenn man sie einmal im Dienst hat, und der man sogar, wenn sie weibliche Arbeiten und die Küche versteht, noch einen Werth zuerkennt. Endlich macht auch der Umstand einen Unterschied im Preis, ob der Sclave die Pocken überstanden hat oder nicht: denn, wie man sagt, sterben in Dârfur ein Fünftel von ihnen an dieser Krankheit. Immer aber werden männliche Sclaven um 30 pro cent wohlfeiler bezahlt als weibliche.

Die Sclaven wandern lange Zeit von einer Hand in die andere, und oft hat einer acht oder zehn Herrn gehabt, ehe ihm eine bleibende Bestimmung zu Theil wird. Während sie so hin und her verhandelt werden, und auf dem Transport, wo beide Geschlechter nicht immer abgesondert werden können, überlassen sie sich ohne Scham und Zurückhaltung, mit der ganzen Heftigkeit des afrikanischen Temperaments, allen Ausschweifungen der Wollust, so daß, bis sie nach Okal Gellab, dem Ort der großen Sclavenniederlage in Kairo, kommen, keine Negerin mehr rein ist. Hier wird jede dann auf die Probe verkauft, und es gibt, wie beim Viehhandel, gewisse unsichtbare Fehler, für die der Verkäufer gut stehen muß: z. B. wenn eine die Gewohnheit hat, des Nachts zu schnarchen, mit den Zähnen zu knirschen u. s. w.

Wenn ein Türke einen Sclaven kauft, so läßt er denselben beschneiden und schöpft ihm einen Namen, der so seltsam als möglich ist, weil er besorgt, es möchte ihm, wenn ein anderer Sclave denselben Namen trüge, der seinige streitig gemacht werden können. Man nimmt an, daß sich in Egypten 40,000 Sclaven befinden. Bei der Expedition Ismael Paschas war es, außer dem Goldsuchen, hauptsächlich auf Sclaven abgesehen. Der Sohn des weisen Mehemed ließ förmlich darauf Jagd machen, und hoffte dreißig Tausend heim zu bringen. Allein wie die geträumten Goldberge sich zuletzt in etwas Goldsand verwandelten, so wurden aus dreißig Tausend Sclaven etliche Hundert, von denen mehr als die Hälfte unterwegs vor Kummer und Elend zu Grunde ging.

Verschnittene bekommt man auf den Sclavenmärkten Nubiens selten zu sehen. Egypten ist das eigentliche Vaterland der Eunuchen. Außer einigen wenigen aus [559] dem westlich von Dârfur gelegenen Borgu sind alle aus der großen, zu Tahta bei Syut befindlichen Castriranstalt, wo Kopten und Christen, gegen eine Abgabe an die Regierung, dieses scheußliche Gewerbe treiben. Die Operation wird mit dem Rasirmesser gemacht, und kostet vier bis fünf Thaler. Da sie an Erwachsenen zu gefährlich wäre, so werden gewöhnlich Knaben zwischen acht und zehn Jahren dazu genommen. Ein Sclave, der vorher fünf und zwanzig Piaster kostete, kostet, nachdem er verschnitten ist, bis an hundert. Man kann sich vorstellen, daß die Aussicht auf einen so unmäßigen Gewinn die Zahl der Schlachtopfer vermehrt. Die Harems Kleinasiens brauchen deren jährlich eine große Anzahl. Im Jahr 1812 ließ Mehemed Ali Pascha auf einmal zwei hundert Sclaven entmannen, um damit dem Sultan ein Geschenk zu machen.

Als ich in Schendy unter den Buden umherging, kam ich auch an die Fleischbänke. Ich überzeugte mich bei dieser Gelegenheit, daß hier zu Lande das Krokodilfleisch gegessen wird. Einige Araber in der Nachbarschaft des Katarakts von Guerri sind es hauptsächlich, welche sich mit dem Krokodilfang beschäftigen. Diese Leute kennen die Gegenden genau, wo die Krokodile sich aufhalten. Hier errichten sie kleine, zwei bis drei Schuh hohe Erdaufwürfe; wenn nun die Thiere, um sich zu sonnen und zu schlafen, an’s Land steigen, so suchen sie sich eine heimliche Stelle aus, und, da sie an den flachen Ufern, wo sie am liebsten weilen, nicht leicht eine andere finden als jene Erdaufwürfe, so legen sie sich dahinter. Der Araber, der nun eines in dieser Lage erblickt, nähert sich langsam und geräuschlos auf dem Boden und bohrt ihm in den Rachen oder auf einer Seite des Halses zwischen die Knochen des Kopfes und den Panzer einen Spieß in Form eines Angels, um dessen Schaft ein langes Seil gewickelt ist: so daß, wenn der Stich nicht gleich tödtet und das Ungeheuer noch den Fluß gewinnt, der Harpunierer sein Seil abwindet, und es so lang daran zappeln läßt, bis er es todt an’s Ufer ziehen kann.

Wie das Krokodil in einigen Gegenden häufiger, in andern seltener vorkommt, so gibt es auch Gegenden, z. B. Schendy, wo es als sehr gefährlich, andere, z. B. Barbar, wo es als weniger gefährlich betrachtet wird. Von Unglücksfällen weiß man indessen überall genug zu erzählen, und ich kam einmal dazu, als eines gerade einen Soldaten, der in seinem Zelte schlief, am Beine gefaßt und fortgeschleppt hatte. Die Weiber, die beim Wasserschöpfen bis an’s Knie in den Fluß gehen, werden oft ein Opfer seiner Gefräßigkeit; dagegen macht es nicht leicht auf Jemand, den es schwimmen sieht, einen Angriff.

Das Weibchen scheint seine Eier zu legen, ohne sich weiter darum zu bekümmern. Daß wenigstens die Jungen, um auszuschlüpfen, keiner mütterlichen Hülfe bedürfen, davon überzeugte ich mich durch folgende Beobachtung. Eines Tages hörte ich ein Geräusch, wie das Quacken eines Frosches, und entdeckte zu meiner Verwunderung, daß es aus einem Sack herrührte, in welchem ich eine Anzahl Krokodilseier aufbewahrte. Als ich den Sack öffnete, waren schon einige Jungen ganz, andere halb ausgeschlüpft, noch andere eben im Begriff ihre Schale zu durchbrechen. Das Thier lag in sich zusammengekugelt, so daß Kopf und Schwanz unter den Bauch zu liegen kamen, im Ei, und war in eine Art Mutterkuchen gewickelt, der unterhalb des Bauchs vom Nabel ausging: wenn es nun zur Geburt reif ist, so durchfrißt es zuerst das netzförmige Gewebe des Mutterkuchens, drückt hierauf die Schnautze gegen die Schale und macht eine kleine Oeffnung, die sich erweitert, jemehr der Kopf vordringt, der bald durch den Schwanz unterstützt wird, womit es sich am andern Ende des Eies anstemmt. Ein solches Junges ist einen Schuh lang, und mißt, wo es am dicksten ist, vier Zoll, obgleich die Größe des Eies nur drei Zoll im Durchmesser beträgt. Die Vorderfüße, ungefähr zwei Zoll lang, haben fünf Zehen, wovon die erstern mit Klauen, die beiden letztern und zugleich längern ohne Klauen, dagegen aber durch größere Schwimmhäute verbunden sind. Der anfänglich dicke und kurze Leib streckt sich nach der Geburt und wird dadurch bedeutend dünner. Das Auge ist olivenfarbig; ein schwarzer Streif mit weißem Saum geht durch den Augapfel. Ich hatte die Thiere sechs Monate lang, umsonst setzte ich ihnen Fisch, Fleisch und andere Speisen vor. Nach der Behauptung der Einwohner leben sie anfangs blos von schlammiger Thonerde. Wirklich hat auch das Fleisch der ältern Krokodile einen auffallend bittern Schlamm-Geschmack. Das Krokodil des Nils zeigt von Geburt an jenen Charakter der Wildheit, durch welche es sich vor dem Alligator [15] auszeichnet: es beißt nach allem, was es erreichen kann. [560] In dem obern Nil und im blauen Fluß herrscht das Nilpferd vor. Die Einwohner nennen es Faraß el-Bahr (Flußpferd) oder auch Boger el-bahr (Flußochse) und fürchten es sehr wegen der Verheerungen, die es auf den Durafeldern anrichtet; daß es Menschen angegriffen hätte, hat man kein Beispiel. Es scheint ein Feind des Krokodils zu seyn, und zu dessen Verminderung wesentlich beizutragen; gemein aber hat es mit diesem die Vorliebe für flache Ufergegenden, weil es um frische Luft zu schöpfen, oft an’s Land zu gehen pflegt. Seine Farbe ist gewöhnlich schwarz; in der Nähe von Sennâr sah ich jedoch etliche, die falb waren. Es stößt ein Gebrüll aus, das mit dem des Ochsen einige Aehnlichkeit hat, nur daß es abgebrochenere und durchdringendere Töne sind. Man fängt dieses Thier in Netzen, die man ihm bei Nacht legt: denn eine Stelle ober den Ohren und unter den Gelenken ausgenommen, dringt keine Lanze, selbst keine Kugel durch. Aus seiner Haut verfertigt man eine Art Peitschen, Curbaschen genannt, womit einiger Handel getrieben wird.

[574]
Halfaï. Die Karavanenstraßen. Der blaue und der weiße Fluß. Sennâr.

Schluß.

In Halfaï (unter 15° 44’ 20" nördl. Br. und 30° 22’ 15" östl. L.), der zweit-größten Stadt Meroe’s, verweilten wir nicht lange, da die Nachricht von innern Unruhen, welche im Königreich Sennâr ausgebrochen wären, den Pascha bestimmten, seinen Marsch dahin zu beschleunigen. Außerdem bot Halfaï keine Merkwürdigkeiten dar, die mir einen verlängerten Aufenthalt wünschenswerth gemacht hätten. Die Stadt ist im Verfall: von 8 bis 9,000 Einwohnern, die sie zur Zeit ihrer Blüthe gezählt haben mag, ist kaum der dritte Theil übrig; demungeachtet hat sie noch jetzt einen Umfang von 1½ Lieues, welcher eine weit zahlreichere Bevölkerung voraussetzen würde, wenn nicht die schon bemerkte nubische Sitte, jedes Haus mit geräumigen Höfen, Gärten und Feldern zu umgeben, in Betracht käme. Halfaï, ehedem, wie alle Nilländer bis Dongola hinab, eine Dependenz von Sennâr, machte sich vor etwa fünfzig Jahren unabhängig; dafür wurde es aber bald eine Beute der räuberischen Shaykyehs, die ihre Operationslinie gegen die vorbeiziehenden Karavanen von Dongola bis an den weißen Fluß ausdehnten.

Von den Karavanenstraßen, die aus dem Innern Afrika’s nach dem Mittelmeer führen, sind die von Tombuktu nach Tripolis und die von Dârfur nach Egypten die bedeutendsten. Jene – die nähere und wohl auch die sicherere, haben bekanntlich die englischen Reisenden eingeschlagen; diese ist ohne Zweifel wegen des egyptisch-asiatischen Handels die wichtigere. Was im westlichen Sudan Tombuktu, das ist im östlichen Dârfur, nämlich der Mittelpunct des Handels. Die Straßen von Dâr Kulla, von Baghermi und Tombuktu, von Dschebel Nubâ und Kurdofân laufen hier mit denen von Sennâr, Habesch, Massua und Sauâkin zusammen. Aber wie der Seefahrer nicht den freien Ocean mit seinen Stürmen, sondern die Klippen und Untiefen in der Nähe der Länder zu fürchten hat, so die Karavane nicht die Wüste mit ihren wilden Thieren, sondern die Nähe der Menschen in den Oasen und an den Flüssen. Darum zieht auch die Hauptkaravane von Dârfur den Weg durch die Wüste vor: stets auf der westlichen Seite des Nils und in großer Entfernung von demselben, nur die Oasen von Selymeh und el-Khargeh berührend, wandert sie viele Tage fort, und betritt bei Abutig, oberhalb Syut, das egyptische Gebiet. Die andern Karavanen sind solche, welche entweder die commerciellen Verbindungen der Küste des rothen Meers, Nubiens, Abyssiniens und des Sudans, oder der obern Nilprovinzen und Egyptens unterhalten; die erstern durchschneiden an mehrern Orten den Nil, z. B. in Dongola, Barbar, Schendy und Abu-ahras an der Grenze von Halfaï; die letztern vereinigen sich theils mit der großen Karavane bei Selimeh, theils verfolgen sie zwei besondere Straßen durch die Wüste auf der östlichen Seite des Nils, wovon die eine von Barbar nach Asuân, die andere, etwas westlichere, durch Dâr Robâtât nach dem Lande der Barâbra geht.

Ismaël Pascha benutzte den Zustand der Verwirrung, in welchen durch die Schaykyehs dieser große Theil Nubiens versetzt war, um, eine beliebte Redensart aller Eroberer gebrauchend – sich als den Befreier Afrika’s anzukündigen. Dieß war auch der Talisman, der ihm die Unterwerfung Sennârs erleichtern sollte.

[575] Es war ein schöner Tag für mich, als wir an die Stelle kamen, wo der blaue und der weiße Fluß sich als Nil vereinigen. Auf der Halbinsel, welche beide Flüsse bilden, liegt das Königreich Sennâr, dessen nördlichster Punkt, Râs el-Kartum, unter 15° 37’ 10" nördl. Br. und 30° 17’ 30" östl. L. liegt. Der weiße Fluß (Bahr el-Gazel), ist gegen seine Mündung höchstens 600 Fuß breit; seine Ufer sind der Ueberschwemmung ausgesetzt. Durch seine trübe milchige Farbe und seinen raschern Lauf unterscheidet sich der weiße Fluß, der auf Lehmboden fließt, von dem kritstallhellen und sanft über Felsengrund hingleitenden blauen Fluß (Bahr el-Azrak). Letzterer ist um ein Drittel schmäler. Nach der Versicherung meiner Führer würde sich aber der weiße Fluß gegen Süden noch bedeutend erweitern, und allein in Dâr Dinka, dem südwestlichen Grenzlande von Sennâr, neunzehn Flüsse und Bergwasser aufnehmen. Ich überzeugte mich in der Folge von der Wahrheit dieses Berichts. Beim Eintritt in Dinka fließt der Strom in einem sehr breiten Bett, und die Ufer sind zum Theil Sumpfland. Wie der blaue Fluß hat auch der weiße sein periodisches Steigen und Fallen, und Bruce, der das Gegentheil behauptet, ist im Irrthum. Eben so kann man jetzt mit Bestimmtheit annehmen, daß die Quellen, welche jener in Abyssinien sah und für die Quellen des Nils hielt, die des blauen Flusses sind. Der weiße Fluß ist der eigentliche Nil: einige Tagreisen oberhalb Dinka nimmt er eine starke Wendung gegen Westen; bei Fertit, vierzig Tagreisen südlich von Dârfur, findet man ihn wieder, so daß, wenn er der nordwestlichen Abdachung der Mondsgebirge (Dschebel el-Kamar) entströmt, er lange Zeit eine östliche Richtung verfolgt, bis er zuletzt nach Norden einlenkt, während der blaue Fluß, ein Sprößling der nordwestlichen Höhen von Habesch, zuerst nordöstlich, hierauf völlig südlich, und dann, als ein Schenkel des Dreiecks, das er mit dem weißen Flusse bildet, nördlich läuft.

Ich machte die Reise nach Sennâr auf dem blauen Fluß. Seit der Zeit der Pharaonen hatte hier vielleicht kein Segel geweht. Mich ergriff ein sonderbares Gefühl, als ich diese Bäume betrachtete, die ungebrochen von den Stürmen der Zeit, ungekrümmt von der Last der Jahre, ihre stolzen Häupter erhoben; diese dichten Wälder, deren ewiger Blätterschmuck noch nie einem Reisenden wohlthuenden Schutz gegen die Strahlen der glühenden Sonne verliehen hatte; diese undurchdringlichen Gebüsche, welche noch nie von eines Hirten Heerde gelichtet worden waren. Die wilde Natur allein lebt und schafft in der stets neu sich gebährenden Pflanzen- und Thierwelt; die Akazien, die Nevkas, die Heglygs, selbst die abgestorbenen Bäume, umarmt von den unentwirrbaren Lianen, bildeten nur Eine feste Masse. Das Schlagen der Ruder und das Rauschen der Fluthen, die unsre Barke durchschnitt, brachten Angst und Schrecken unter die Bewohner des Flusses. Die Krokodile, gewohnt ihre Eyer ungestört an die einsamen Ufer zu legen, flohen eiligst in’s Wasser; die Flußpferde stiegen aus der Tiefe auf, und schwammen schaarenweise und brüllend um uns her; Papageien, Perlhühner, der weiße und der schwarze Ibis[16] betäubten unser Ohr mit ihrem Geschrei; Affen belustigten uns mit ihren Fratzen und Luftsprüngen; Hyänen, Zebras, Dschiraffen, Elephanten, Löwen und Tiger zeigten sich zu beiden Seiten des Flusses, den sie besuchten, um zu baden, oder um zu trinken, und stäubten beim Knall einer Jagdflinte aus einander. Der Fluß führte Bambus, Ebenholz, Gaiac und andere kostbare Hölzer mit sich; ich sah unbekannte Schalthiere, Pflanzen, Insecten – wohin sollte der Beobachter seine Blicke wenden, wo die Natur überall so reich ist, überall so ein ganz neues und eigenthümliches Gepräge hat? Wir kamen an den Mündungen des Rahad und des Dender vorüber; beide Flüße trocknen in den heißen Monaten fast völlig aus; die Fahrt war, da der Südwind anhielt, nicht sonderlich schnell; heftige Stürme, von furchtbarem Donner und überströmenden Regengüssen begleitet, erregten ein Heimweh in uns nach dem schönen Himmel Egyptens. Endlich erreichten wir Sennâr. Der Pascha war bereits seit mehreren Tagen angekommen und hatte die Unterwerfung des Königs Baby empfangen.

Sennâr, (unter 14° 36’ 51" nördl. Br. und 31° 24’ 34" östl. L.) auf der westlichen Seite des blauen Flusses, mit 9000 Einwohnern und einem Umfange von einer 3/4 Lieue, ist in der Form eines Halbkreises gebaut. Den Mittelpunkt dieses Halbkreises beherrscht ein großes vierstöckiges Gebäude, schon halb verfallen und verlassen – die alte Residenz der Könige. Die Stadt liegt auf einer Erhöhung, die sie gegen die Ueberschwemmung sichert. Der Eindruck des Ganzen ist äußerst traurig. Eine Moschee ausgenommen sind die Häuser meistentheils elende runde Lehmhütten mit Strohdächern, die, wie sie auf einem, mit Trümmern älterer Baukunst überdeckten Boden stehen, selbst bald dieses Schicksal theilen werden.

Die Fungis, aus dem Sudan kommend, eroberten unter Amârah du Naqs im Jahr der Hegira 890 das Land und bauten die Stadt Sennâr. In einem Zeitraum von 335 Jahren regierten neu und zwanzig Könige. In der letzten Zeit hatten sich zwei Usurpatoren, Mohammed-Aʾdlân und Haßan-Regeb, der Obergewalt bemächtigt; sie beschloßen bei der gemeinschaftlichen Gefahr, womit sie Ismaël bedrohte, sich zu vereinigen: diese Gelegenheit benützte der treulose Hassan, um seinen Nebenbuhler aus dem Wege räumen zu lassen; die Verätherei kam aber nicht ihm, sondern dem rechtmäßigen Monarchen Baby zu gut, der, durch den Anhang Aʾdlâns verstärkt, das Uebergewicht erhielt. Hierauf entfloh Hassan, und Baby unterwarf sich dem Pascha, obgleich dessen Heer nicht mehr als 4000 Mann stark war – allerdings zur Eroberung eines Königreichs keine bedeutende Macht; aber Sennâr verdient auch kaum diesen Namen mehr; denn seitdem es unter den immerwährenden Thronrevolutionen, die es seit [576] einer Reihe von Jahren zerrütten, seine nördlichen Provinzen verloren hat, ist es auf eine Fläche von 95 Lieues in die Länge, von 20 bis 30 in die Breite beschränkt.

Wie in Egypten besteht das Erdreich aus einer sandigen Thonlage, die hier jedoch weniger dicht ist als dort, wo der austretende Nil seinen Schlamm allgemeiner verbreitet.

Der Winter (Chittat) beginnt mit dem Januar und endet mit dem März: beständiger Nordwind, kalte Nächte, oft umwölkter Himmel. Der Sommer (Sêf) fällt in die drei folgenden Monate: davon sind die heißesten der April und der Mai: dann weht der erstickende Samôn dreißig bis vierzig Tage. Dieß ist ein Nordwestwind, was um so sonderbarer auffällt, als sein Verwandter, der egyptische Kamsyn, aus der entgegengesetzten Richtung, nehmlich aus Südost und Südwest, kommt. Noch am 14 Juni stieg das Thermometer Mittags auf 38°, und sein niederster Stand innerhalb achtzehn Tagen war auf 28°. Der Karif (Südwind) bezeichnet die Periode der Regen, der Orkane und der Hochgewitter: diese dauert bis Ende des Septembers. In der ersten Hälfte der drei letzten Monate des Jahrs weht der Arabi, d. i. der Südost, der gegen den 15ten September in den Nord überschlägt.

Die Monate August und September zeigen die Umgebungen Sennârs als eine mit frischem Grün bedeckte Ebene: die zahlreichen Häusergruppen, die wie Bienenkörbe aussehen, nehmen sich gut aus. Aber auf der Oberfläche des durch und durch getränkten Bodens haben sich dann hin und wieder Sümpfe gesammelt; durch die nun plötzlich eintretende Hitze in Gährung gesetzt, verbreiten sie faule Miasmen, welche, in Verbindung mit den von der Erde ausgehauchten Dämpfen, die Luft verpesten und eine Menge[17] Krankheiten erzeugen; vor allen richten die Fieber große Verheerungen an. Als Fremde hatten wir hauptsächlich zu leiden. Am 25 September zählte die egyptische Armee 600 Todte und 2000 Kranke. Bei der Annäherung dieses verderblichen Zeitraums eilen die Anwohner des Flusses, ihre Dörfer mit ihren Heerden zu verlassen, und ziehen nach den felsigen Höhen in der Nachbarschaft, wo sie eine reinere Luft athmen. Bald versengt die Sonne den reizenden Schmuck der Felder; im April ist die Natur wie ausgestorben, und nur der Rand des Flusses behält das ganze Jahr hindurch seine grüne Einfassung.

An den Einwohnern bemerkt man einen großen Unterschied der Farben, welcher, durch die Vermischung des Bluts der Neger, der nomadischen Araber, der Aethiopier und der aus dem Sudan Eingewanderten, mit den eigenthümlichen Eingebornen entstanden, im Lauf der Zeiten sechs dergestalt verschiedene Racen hervorgebracht hat, daß jedes Individuum weiß, welcher Race es angehört:
1) die Asfar, sie sind die am wenigsten Farbigen; da sie, wie ihre Vorältern, Nomaden geblieben sind, auch nicht leicht in andere Stämme heirathen, so erkennt man in ihnen ohne Mühe die Araber. Sitten und Gebräuche, Sprache und Gesichtsbildung ist arabisch; 2) die Ahmar (die rothen): rother Teint, röthliche und krause Haare, wahrscheinlich eine Variation aus dem Sudan; 3) die Sudan-Azraq (die blauen): dieß sind die Fungis, sie haben Kupferfarbe; 4) die Ahcdar (die grünen): sie nähern sich schon den Negern; 5) die Kat-Fatlolem, sie halten die Mitte zwischen der ersten und vierten Race, d. h. sie sind halb gelb und halb grün, mit glatten, manchmal aber auch etwas krausen Haaren; das äthiopische Blut herrscht in ihnen vor; sie haben Kupferfarbe; sie bildeten die Hauptbevölkerung des alten Egyptens; 6) die Ahbit, Ahbd oder Nuba, Neger, aus dem Gebirge von Bertât stammend, mit schwarzen wollichten in’s Röthliche stechenden Haaren, mit weniger platter Nase, und weniger wullstigen Lippen als die Neger des mittäglichen Afrikas. Man findet unter ihnen ganz regelmäßig schöne Gesichter.

Sollte sich nicht die Verschiedenheit der Gesichtsfarben auf den Gemälden der alten Egyptier aus dieser Erscheinung erklären lassen? Eine künstliche Schattirung kannten sie nicht, und so nahmen sie denn eben jedesmal die charakteristische Farbe, und malten z. B. den Eingebornen des Sudan’s gelb-grün, den Araber blaßroth u. s. w.


Cailliaud begleitete das türkische Heer bis nach Singuè (10° 29’ 44" nördl. Br. und 32° 20’ 30" östl. L.) am Tumat, der sich bei Fazoql in den blauen Fluß ergießt. Das ungesunde Klima, der Mißmuth über fehlgeschlagene Hoffnungen, die Sehnsucht nach dem Vaterlande vermehrte die Zahl der Kranken oder Sterbenden von Tag zu Tag. Wo man nichts als Beute, Sclaven und Gold erwartet hatte, fand man blutige und unfruchtbare Kämpfe mit den kriegerischen Negern. Es wurde der Rückzug beschlossen. Ibrahim Pascha war mit einem besondern Heer ausgezogen, die Länder am weißen Fluß zu erobern. Krank eilte er nach Hause. Bald folgte Ismaël. Cailliaud, der sich, um schneller und ganz für seine Zwecke zu reisen, von der Armee getrennt hatte, kam lange vor dieser in Egypten an, und war schon in Marseille an’s Land gestiegen, als er den Tod Ismaëls und seines Gefolges erfuhr. Der junge Pascha übernachtete in einem Dorf bei Schendy: da erschien der Melik Nimir, (den er durch verächtliche Behandlung beleidigt hatte,) als die Türken in tiefem Schlaf lagen, vor dem Hause, umstellte es mit brennbaren Materialien und zündete es an. Niemand entkam. Als nun Mehemed Ali, im Zorn über den Tod seines Sohnes, seinen Eidam Mohamed Bey, der ihm Kurdofân erobert hatte, nach Nubien berief, und unerhörte Grausamkeiten durch ihn ausüben ließ, brach ein allgemeiner Aufstand von Sennâr bis an die Grenzen Egyptens aus.


  1. Voyage à Méroé, au fleuve blanc, au-delà de Fâzoql dans le midi du royaume de Sennâr à Syouah et dans cinq autres Oasis fait dans les années 1819–1822 par Frédéric Cailliaud etc. Accompagné de cartes géographiques, de planches représentant les momumens, de ces contrées, avec des détails relatifs à l’état moderne et à l’histoire naturelle. Tomes IV. Paris 1824–1827.
  2. Dieß ist der Maßstab für die Besteuerung. Ein Sakyeh zahlt zwölf spanische Piaster.
  3. Man vergleiche F. C. Gaus „Neuentdeckte Denkmäler Nubiens“ etc. ein Werk, das Cailliaud’s Reise ergänzt; denn Gau beschäftigt sich mit dem Theil von Nubien, der zwischen dem ersten und zweiten Nilfall liegt; wo Gau aufhört, beginnen Cailliaud.
  4. Hiezu ein lithographirtes Bild, welches in einigen Tagen nachgeliefert wird.
  5. Hiezu die lithographirte Abbildung des restaurirten Kolosses.
  6. die Schaykyehs verfertigen z.B. ein schönes Leder zu Sandalen, bunte Strohmatten mit artigen Dessins u. s. w., die meisten Erzeugnisse des Bodens werden aber im Lande verzehrt, so daß der Handel ganz unbedeutend ist.
  7. Bei älteren Personen ist das Brennen mit einem glühenden Eisen eine Art Universalkur in ganz Nubien
  8. Auf der südlichen und südwestlichen Seite wird Meroe dadurch zur völligen Insel, daß die Quellen des Rahad und des Atbara während der Regenzeit durch einen stark anschwellenden Bach wirklich verbunden werden.
  9. Hierzu die beiligende lithographirte Ansicht der Pyramiden von Meroe. Mit dem morgenden Blatte wird zugleich die zu Nro. 121 gehörige Lithographie, der Nilfall von Uady Halfa, ausgegeben.
  10. Ohne Zweifel sind die Pyramiden von Nuri nebst den Ruinen von Djebel el Barkal auf dem rechten Ufer des Nils das alte Napata, das Ziel der Expedition des Petronius (Plin. B. 6, 29), der von Syene 960 röm. Meilen in der Verfolgung der Aethiopier, die in Egypten eingefallen waren, vordrang; Nero’s Abgeordnete brauchten von da noch 360 Meilen nach Meroe. Die Richtigkeit beider Angaben erweist sich mit Evidenz, so wie man bei der Berechnung der Länge des Wegs alle Krümmungen, die der Fluß macht, mit in Rechnung bringt.
  11. Die westlichen Ufer des Nils, gegenüber von Schendy, gehören einem besondern Staate, dem von el-Mesaaʾd, an: eine Erscheinung, die hier zum ersten Mal vorkommt. Am untern Nil findet nicht nur diese Trennung nirgends Statt, sondern es liegen sogar manche Ortschaften halb auf dem einen und halb auf dem andern Ufer.
  12. Cursirende Goldmünzen sind spanische Dublonen, venetianische Zechinen und holländische Dukaten. Der Nubier stellt, ehe er ein Stück annimmt, jedes Mal zuvor eine Probe damit an: wenn das Gold, im Feuer glühend gemacht und mit Asche gerieben, nicht an Farbe verliert, so ist es von gutem Gehalte. Sehr häufig vertreten goldene Ringe die Stelle der Münzen, – eine Form, in welcher das Gold besonders in den indischen Handel kommt. Das dortige Silbergeld ist der spanische Piaster; eines besondern Vorzugs genießt das Gepräge Carls IV, an welchem man zwei Franken und mehr gewinnt.
  13. Es ist lauter Landhandel: zwischen Barbar, Schendy und Sennâr besteht nicht die geringste Wasserverbindung. Man hat in diesen Gegenden kaum einige Barken, um über den Nil zu setzen.
  14. Ein Hauptstapelplatz des Sclavenhandels nach Massua und Kairo ist ebenfalls Sauâkin.
  15. Ueber diesen Unterschied. Essai politique sur l’ile de Cuba. Par Alexandre de Humboldt. Par. 1826. Tom I. S. 344 folg.: „In den Morästen von Sienega bei Batabano finden sich beide Arten: die eine bezeichnen die Einwohner mit dem Namen Cayman, die andere mit dem Namen, Cocodrilo. Der Cocodrilo, wurde versichert, habe höhere Beine, eine spitzigere Schnauze, und seye behender als der Cayman. Er entferne sich eine Stunde weit vom Rio Cauto und von der sumpfigen Küste Xagua’s, um auf die Schweine im Innern der Ländereien Jagd zu machen. Er sey so unverschämt, daß, wenn er sich auf den Schwanz stützen könne, er in die Barken zu klettern suche oder wohl auch einen Menschen zu Pferd verfolge; mancher messe seine fünfzehn Schuh. Dagegen brauche man sich so wenig vor den Caymans in Acht zu nehmen, daß man in Gegenden, wo sie in Schaaren beisammen wohnen, ohne Gefahr unter ihnen bade. Der Name Cocodrilo, den der gefährlichste der Saurier auf der Insel Cuba führt, fährt Humboldt fort, und diese Schilderung von ihm machte mich zweifelhaft, ob die großen Thiere am Orinoko, am Rio Magdalena und auf St. Domingo von derselben Art seyen. Auf dem ganzen Festlande von Südamerika behaupten und wiederholen die Kolonisten, getäuscht durch die übertriebenen Berichte von der Wildheit der Krokodile Egyptens unaufhörlich, es gebe eigentliche Krokodile nur im Nil, während die Zoologen einer Seits in Amerika Caymans oder Alligators (Alligator lucius) mit stumpfer Schnauze und mit Füßen ohne Krallen, und Krokodile mit spitziger Schnauze und mit Krallenfüßen, and’rer Seits auf dem Continent der alten Welt Krokodile und Gapials zumal anerkennen. Der Crocodilus acutus von St. Domingo’, zwischen welchem und dem Krokodile des Orinoko und Magdalena mir bis jetzt kein spezifischer Unterschied bekannt ist, hat eine solche Aehnlichkeit mit dem Krokodil des Nils, daß es einer scrupulösen anatomischen Untersuchung bedurfte, um den Buffon’schen Grundsatz der Vertheilung der Arten zwischen den Tropenländern beider Continente zu retten. Bei einer zweiten Anwesenheit in Havanna, im Jahr 1804, ließ ich mir aus Batabano ein paar Cocodrilos lebendig schicken. Ich hatte auch Caymans bestellt, aber sie starben unterwegs und ich bekam sie nicht zu Gesicht. Von den Cocodrilos war der älteste vier Fuß, drei Zoll lang. Man hatte Mühe gehabt, sie zu fangen, so stark und wild waren sie. Um sie zu transportiren, mußte man ihnen einen Maulkorb anlegen, und sie auf das Lastthier binden. Wir thaten sie in einen großen Saal und sahen von einem sehr hohen Möbel herab zu, wie sie große Hunde angriffen. Da ich sechs Monate am Orinoko, Rio Apure und Magdalena mitten unter Krokodilen gelebt hatte, so machte es mir Vergnügen, vor meiner Rückkehr nach Europa noch einmal diese außerordentlichen Thiere zu beobachten, die aus der starren Leblosigkeit plötzlich zu den ungestümsten Bewegungen übergehen. Ich fand bei den Cocodrilos von Batabano die Schnauze eben so spitzig als bei denen am Orinoko und Magdalena, im Allgemeinen aber ihre Farbe etwas dunkler, auf dem Rücken schwärzlich grün, unten am Bauch weiß, an den Seiten gefleckt. Ich zählte acht und dreißig Zähne in der obern Kinnlade und dreißig in der untern; von jenen waren der zehnte und neunte, von diesen der erste und der vierte die größten. Der vierte untere griff frei in die obere Kinnlade. Diese Cocodrilos schienen mir ganz identisch mit dem Crocodilus acutus. Freilich das Prädicat, das man ihnen gibt, stimmt nicht ganz mit unsern an den Krokodilen der südamerikanischen Flüsse gemachten Beobachtungen überein; allein es ist gewiß, daß die bissigen Saurier von derselben Art und in demselben Fluß nach der Beschaffenheit der Lokalitäten sanfter und schüchterner oder wilder und muthiger sind. Ueber die geographische Vertheilung der Krokodile und der Alligators bemerkt schon Dampier (Voyages and Descriptions Tom. II. P. 1. p. 30 und 75): In der Bay von Campêche sah ich blos Alligators; auf der Insel Groß-Caymen gibt es blos Krokodile; auf der Insel Pinos aber und auf der Küste von Cuba Alligators und Krokodile zugleich. Und ich setze hinzu, daß das wahre Krokodil auf denjenigen Antillen unter dem Winde, welche der Terrafirma am nächsten liegen, z. B. auf Trinidad, Margarita und wahrscheinlich auch, trotz des Mangels an süßem Wasser, auf Curaçao zu finden ist. Mehr im Süden fand ich es, ohne daß ich zugleich eine von den in Guyana häufigen Alligator-Arten (alligator sclerops und alligator palebrosus) angetroffen hätte, im Neveri, Magdalena, Apure und Orinoko bis zur Mündung des Cassiquiare in den Rio Negro (Br. 2° 2’), also vier hundert lieues von Batabano. Es wäre interessant, die Grenzen nachzuweisen, innerhalb welcher auf der Ostküsten von Mexiko und Guatimala, zwischen dem Mississippi und dem Rio Chagre die verschiedenen Arten bissiger Saurier vorkommen.“
  16. Man findet den letztern häufig einbalsamirt in den Gräbern von Theben, aber in ganz Egypten nirgend mehr lebend.
  17. Sennâr, welches das alte Land der Makrobier seyn soll, ist an Krankheitserscheinungen sehr reich: Pocken, Masern, Hautkrankheiten, Geschwüre, die Siphilis in mehreren Formen, intermittirende hitzige Fieber mit Anfällen von Raserei, Epilepsie, Wasserscheu und eine Menge anderer Uebel sind einheimisch. In den meisten Fällen wird das glühende Eisen oder das Rasirmesser angewendet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: das
  2. Vorlage: kleinen