Nur ein Corrector!

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Autor: Unbekannt
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Titel: Nur ein Corrector!
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 267-270
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Nur ein Corrector!
Eine Charakterskizze aus dem Junggesellenleben.

Ein einsam Leben und ein einsam Sterben – das ist oft die kurze, tiefernste Geschichte eines Alten-Junggesellenlebens. Um das offene Grab steht eine kleine Gilde theilnehmender Freunde; die letzte Erdscholle rollt auf den dürftigen Sarg, und der darunter schläft, ist vergessen – – vielleicht auch nicht; vielleicht hat einer seiner Lebensgenossen ihm tiefer in das einsame Herz geschaut und den Schatz erkannt, an welchem Tausende gleichgültig vorübergegangen.

Ja, es war ein reicher Schatz warmherzigen Empfindens [268] und tiefgründigen Wissens, den Du in der schlichten Hülle Deiner bescheidenen Persönlichkeit bargst, mein alter Freund, liebenswürdigster unter den Junggesellen. Lebhaft steht Dein Bild noch vor meiner Seele: die kleine, unansehnliche Gestalt, die klugen, milden Augen, die klare Stirn, welche trotz des Alters von dichtem, ungebleichtem Haar umrahmt war! Durch die Gassen der ehrwürdigen Universitätsstadt Leipzig sehe ich Dich im altmodischen Kleide schreiten; ich sehe Dich mit altväterlicher Förmlichkeit da und dort ein bekanntes Gesicht grüßen und still Deiner Wege gehen. Das ist nun lange her.

Und doch ist es mir, als wäre es noch heute, als müßte ich eintreten in Dein einsames, hochgelegenes Heim. Hochgelegen wahrlich! Hoch über dem Treiben der wechselnden Menge hast Du ein halbes Säculum hindurch gewohnt: im Thurmhause der Pleißenburg war Dein Heim, und hoch über dem Thorweg, der nach der Promenade zu liegt, schaute oft Dein ruhiges, freundliches Gesicht in das Menschentreiben hinab.

Ich steige noch einmal zu Dir hinauf, alter Freund, in die einsame Thurmstube. Hinter mir bleibt der Lärm und das Gewoge des Lebens – hier oben ist es friedlich still. Der blaue Himmel blickt durch die offenen Fenster herein, auf deren Brüstung, im Sonnenschein girrend, die Tauben sitzen, die in diesem Raume willkommene, ungestörte Gäste sind. Zwei alte gepolsterte Stühle, ein einfaches Schreibpult, bedeckt mit Büchern und Druckbogen, ein primitiver Papierkorb, ein Regal mit Gläsern und Flaschen, dazwischen die vielgebrauchte Studirlampe, ein Büchergestell und ein Schlafsopha – das ist die Einrichtung der weltfernen Junggesellenwohnung. Auf dem Boden liegt eine aufgeschlagene Kiste mit Büchern und Papieren; im Hintergrunde singt die alte Theemaschine ihr trauliches, brodelndes Lied, an der verräucherten Wand aber hängt ein längst vergilbter Lorbeerkranz mit seidenem Bande – ein verstaubter, welkender Zeuge schönerer, vom Sonnenglanze der Jugend vergoldeter Tage.

Und in diesem Stillleben steht der alte Candidat und merkt nicht, wie die Dämpfe des bereits kochenden Wassers aus der Theemaschine aufsteigen und wie die weiße Taube zu seinen Füßen nach dem gewohnten Futter sucht. Angethan mit dem langen, grauen Schlafrocke, die hohe Hausmütze auf dem Kopfe, steht er sinnend da und prüft mit ruhiger Ueberlegung, was er soeben gelesen. Nun klappt er das Buch zu und tritt an das offene Fenster. Blauer Himmel und lichter Sonnenschein, wie hat er euch so lieb, der alte, einsame Mann, der wie ein Kind sich fürchtet, wenn Gewitterwolken über seinem Thurme sich zusammenballen und gelbfahle Blitze die Stirn seines lieben Himmels durchfurchen! Er wohnt höher, als die anderen Menschen, und sein Herz ist besser und reiner, als die sind, welche da unten rennen und ringen, jagen und drängen. Er hört in seiner Höhe die Uhren schlagen und die Glocken läuten, und sie tönen ihm heller und mahnender, als den Anderen, die tief unter seinem Fenster hinwandern in Leid und Lust.

Wie sonnendurchleuchtet ist heute der Tag! Eine reine, ätherklare Luft weht ihn an, und er athmet sie mit innigem Behagen ein; sie gemahnt ihn an den Waldeshauch seiner lange entbehrten thüringischen Heimath.

O, du lieblich frische Idylle im freundlichen väterlichen Forsthause! Es ist schon lange her! Tannendurchrauschte, waldeinsame Jugendzeit – wer dich noch einmal durchleben dürfte! Die grünen Bäume umschatteten das Elternhaus und sahen den lustigen Knaben im Kreise der Gespielen: des Vaters Büchse knallte im nahen Forst, und die Mutter saß vor der braunen Thür, über der das Hirschgeweih prangte, und hielt den Strickstrumpf in der fleißigen Hand – vorbei, vorbei! – Dann kam er, ein blutjung Bürschlein, nach dem gassen- und giebelreichen Leipzig, auf das Alumnat der altehrwürdigen Thomas-Schule, und sehnte sich – wie bald schon! – aus dem Staube und Dunst der Mauern nach seinem Walde zurück. Auch das ward überwunden. Ist die Natur eine milde Fee, in deren Schooße es sich süß träumen läßt, so ist die Wissenschaft eine ernste, aber wunderthätige Göttin, welche die Träume scheucht und das forschende Auge stärkt und stählt, und wer beiden nicht dienen kann, der findet, wenn er ehrlich strebt, Trost auch bei der einen – hier oder dort. Ihm galt’s der ernsten Göttin dienen; ihm galt’s forschen, ringen, erkennen. Er bezog die Universität. Zu den Füßen der Gottesgelahrtheit saß er, und eines Tages – er erschrak fast[WS 1] über die praktische Wendung, die sein Leben nun nehmen sollte – eines Tages stand er an der Schwelle eines geistlichen Amtes. Forschen, ringen, erkennen – ja, das war ihm innerstes Geistesbedürfniß – aber frei forschen und ringen, frei bekennen, was er frei erforscht. Ein geistliches Amt! Dem Staate verantwortlich sein! Einem Staate von Knechten des Dogmas! Da kam der Tag, an welchem er die entscheidende Predigt halten sollte. Er betrat die Kanzel; unter ihm saß die andächtige Gemeinde; Orgelton und Kirchenlied war verklungen, und nun begann er zu den Andächtigen zu sprechen. Seine eigene Stimme kam ihm so seltsam vor, so laut und doch so unsicher; er fühlte, daß, was er sagte, nicht seine tiefinnerste Ueberzeugung war – die Pulse jagten ihm schneller; sein Denken verwirrte sich; er verlor den Faden der Rede und deckte mit einem improvisirten Schlusse nur nothdürftig den Rückzug. Seit jenen Tagen hat er die Kanzel nie wieder bestiegen; er hätte vor sich selbst erröthen müssen, wenn er es gethan – er war eben ein Charakter. Wo ihm die lebendige Ueberzeugung fehlte, mochte er nicht eintreten mit seinem Selbst. So wurde er Corrector, nur ein Corrector, statt eines Pfarrers.

Seitdem lebt er nun hier oben in der alten Thurmstube und liest Jahrzehnte hindurch die Correcturen gelehrter Werke, einsam, ruhig und unverzagt. Dies giebt seinem Geiste Nahrung, seinem Leibe Brod. Die Producte der erlauchtesten Geister, noch ehe sie die Welt in Aufregung versetzen, steigen zu ihm in die stille Thurmstube hinauf; bevor die Kritik ihre Feder gespitzt zu ihrer Beurtheilung, saugt schon der kleine Mann mit den klaren, milden Augen bienengleich den ersten Honig aus den leuchtenden Geistesblüthen. Seltsame Poesie des Correctorlebens!

Noch immer steht er am Fenster, der alte Candidat – und träumt und träumt – von der Jugend träumt er und von Thüringens Waldesduft, vom lustigen Studentenleben und dem Sturm und Drang seines wissenschaftlichen Strebens – dahin, dahin, alles dahin! Nun aber tritt er zurück in’s Zimmer, und während er dem dampfenden Kochapparate sich zuwendet, summt er eine Arie aus einem Oratorium vor sich hin. Ja, Musik und Gesang war in jungen Jahren seine Freude gewesen, und sie ist ihm lieb geblieben bis heute. In der tannenduftigen Heimath hat er das Singen gelernt von den lustigen Vögeln der Wälder, und von der sangesfröhlichen Mutter, und die Thomas-Schule hat der frischen Natur die Weihe der Kunst hinzugefügt. Einst trug er einen ganzen Reichthum in seiner Kehle – aber er hat es selbst nicht gewußt.

Durch das offene Fenster weht der Wind herein; er rauscht durch die dürren Blätter des vergilbten Lorbeerkranzes dort über dem Pulte, und aus dem Rauschen klingt es leise, wie eine gedämpfte Stimme: „Nicht gewußt, nicht gewußt!“

Nun lächelt der alte Candidat. Süße Erinnerung! Es war eine schöne Zeit, als er, jung und lebensfrisch, die strahlenden Lampen über sich sah, die strahlenden Lampen des berühmten Gewandhauses da unten in der Stadt, als er als Solosänger manch schmelzendes Lied vor der lauschenden Menge sang, als der Beifall des Hauses ihn belohnte, als er den Lorbeer empfing, der nun vergilbt und verdorrt. Ja, es ist noch derselbe Lorbeer. „Nicht gewußt, nicht gewußt!“ rauscht es in seinen Blättern. Armer Alter, was hast Du verscherzt! Du warst zu bescheiden, und so wurdest Du – ein Corrector, nur ein Corrector.

Aber es war nicht immer so einsam wie heute in dem luftigen Thurmgemache der Pleißenburg; dann und wann kam ein freundlicher Besuch aus dem Treiben der Stadt herauf in die stille Stube, und dann hatte der gute Alte immer ein Fläschchen Wein, eine Cigarre oder wohl gar eine Delicatesse seinen Gästen vorzusetzen. Das brauchte er zumeist nicht einmal zu kaufen; seine guten Freunde schickten Das und Jenes. Der alte Schrank in der Ecke war seine Schatzkammer: dahin stellte er sein Lieblingsgericht, das eine freundliche Hausfrau dem einsamen Junggesellen schickte, und bewahrte es, so lange es gehen mochte, um sich gleich einem Kinde recht lange auf den Genuß freuen zu können; dort barg er Obst und Erfrischungen, Cigarren und Wein – nicht für sich, nur für die Gäste, welche die vielen Stiegen zu ihm herauf nicht scheueten. Er war eine gute Seele, der alte Corrector.

Aber nicht nur gut war er – sein Leben hatte auch große Züge. Da hatte er irgendwo einen Freund gehabt und in dessen Auftrage ein Lotterieloos gespielt – Jahr für Jahr; der Freund zahlte den Einsatz, aber er gewann nicht, sodaß er endlich mißmuthig

[269]

Der Corrector in der Thurmstube.
Nach einem Oelgemälde auf Holz gezeichnet von Martin Lämmel.

[270] wurde und seinen Auftrag zurückzog. Nun that es dem guten Magister leid um das viele Geld, das Jener umsonst daran gesetzt – und schnell entschlossen spielte er das Loos weiter, ohne daß der Freund davon wußte. Aber siehe da – eines Tages klopft es an der Thür der Thurmstube, und der Postbote bringt eine glückliche Botschaft, den Gewinn von 10,000 Thalern. Und was that der plötzlich wohlhabend gewordene Einsiedler der Pleißenburg? Er packte das Geld zusammen und schickte es seinem Freunde – das war so selbstverständlich nach seiner geraden Auffassung.

„Mir würde kein Bissen wieder geschmeckt haben, wenn ich Jahre lang das Loos für einen Anderen gespielt und dann den Gewinn für mich behalten hätte,“ sagte er in seiner einfachen Weise zu seinen Freunden.

Unverdrossen las er nach wie vor seine Correcturen und verdiente sich mühsam, aber fröhlich sein ehrliches Brod. Er war eben ein Charakter und eine vornehme Natur dazu.

Alter Freund, ich kann Dich nie vergessen. Nun setzest Du Dich zu Deinem Frühstücke und verzehrst den selbst gekochten Trank; das freundliche alte Gesicht zeigt ein inniges Behagen; Du rückst die hohe Tuchmütze weiter über die breite Stirn hinaus und wirfst Deinen Lieblingen, den Tauben, die durch’s Fenster aus- und einfliegen, Semmelkrümchen zu. Das geflügelte Volk gurrt und zankt, und nun redest Du polternd dazwischen:

„Das macht’s wie die Menschen; keins will dem anderen den größern Bissen gönnen; ’s ist doch traurig, daß überall die leidige Selbstsucht waltet. Die Leute da unten nennen’s den Kampf um’s Dasein.“

Jetzt überlegt der alte Herr, ob er heute einmal einen Spaziergang machen soll, und überzählt die Wochen, während welcher er den Hof der Pleißenburg nicht betreten hat.

Seit er älter geworden ist und besonders seit seine Stimme ihr Metall verloren, hat er sich mehr und mehr eingesponnen auf seinem Thurme, und seine Freunde sehen ihn recht selten, wenn sie nicht die fünf Treppen nach seinem Horste heraufsteigen wollen. Es paßt ihm nicht, seinen langen, gefütterten Hausrock und seine hohe Mütze abzulegen und eine besondere Toilette zu machen, wie es nun einmal die Gesellschaft verlangt; auch fühlt er sich unter der jüngeren Generation nicht sonderlich behaglich.

Aber er hat sich in seiner Einsiedelei ein warmes Herz und ein kluges Verständniß für alle Vorgänge der Welt erhalten, die da unten an seinem Thurme ihre Wellen schlägt. So eine und die andere kleine Schrulle hat sich freilich wohl auch bei ihm eingenistet – aber wer hätte die nicht?

Eben tritt seine alte Dienstmagd ein; sie hat ihm Papier und Tinte besorgt und legt ihm nun einige Kupfer- und Silbermünzen in die Hand. Er wirft das Geld auf den Tisch, als ob ihn ein böses Insect gestochen, und über sein gutes Gesicht geht wirklich etwas wie ein kleiner ärgerlicher Zug:

„Muß ich denn jeden Tag wiederholen, daß mich ekelt vor diesen schmutzigen Groschen und Pfennigen? Kann Sie denn nicht den Leuten sagen, daß ich sauberes, blankes Geld haben will? – Hier sieht man ja kaum mehr, ob das auf dem Gelde da Kopf oder Schrift ist.“

„Aber, Herr Magister, die Leute haben’s eben nicht anders; es kann sich doch nicht Jeder jeden Tag die frische Prägung aus der Münze holen.“

„Das weiß ich, aber säubern, waschen kann man das Kupfer und Silber.“

Und das ist der pure Ernst des alten, wackeren Herrn; er veranstaltet wirklich ab und zu eine Geldwäsche und freut sich wie ein Geizhals, wenn die Münzen so recht glänzen und flimmern. Nun ist ihm freilich für heute die Lust am Spaziergange wieder vergangen; er hat zu thun: dies widerwärtig schmutzige Geld muß sauber werden. Er tritt an den Waschtisch; er wäscht und reibt; es schimmert und glänzt; nun geht er an’s Fenster und läßt die Silberstücke im Sonnenglanz flimmern; da kommt ihm ein neuer Gedanke: er will das Silber vergleichen mit anderem, und so begiebt er sich an sein Pult und zieht Kasten um Kasten heraus: hier liegt sein Reichthum, sein Schatz. In Reih und Glied, geordnet nach chronologischen und historischen Regeln, hat er hier Münze an Münze aufgehäuft, von den massigen Goldstücken mit den altrömischen Kaiserköpfen bis zum geprägten Metall vom neuesten Datum. Er liebte sie sehr, seine Münzen, fast noch mehr als seine Bücher, seine Tauben und Blumen, aber der Inbegriff all dieser stillen Leidenschaften des guten Alten, gewissermaßen deren Lebensbedingung, war doch die Einsamkeit seiner stillen Thurmwohnung, das hohe Nest, wo er den blauen Himmel so nahe hatte und wo seine Tauben ihm den Morgenbesuch abstatteten. Und ach! er sollte dieses trauliche Heim verlassen, sollte die fünf Stiegen auf immer herabsteigen müssen zu dem lauten Treiben da unten auf Märkten und Gassen. Das war der Schmerz seines Alters. Fremde Leute sollten hausen, wo er so lange gewohnt.

Wer kann ermessen, was damals in der Brust des alten Mannes vorging, als er mit dem letzten wehmüthigen Blicke Abschied nahm von dem lieben Heim, das ihn mehr als ein halbes Jahrhundert beherbergt hatte. In diesen verräucherten Wänden lag seine ganze stille, arme und doch so reiche Vergangenheit. Das hat ihm ein Stück von seinem Herzen gekostet. Lange aber hat er nicht in der neuen Wohnung gehaust, in welcher seine Freunde ihn untergebracht. Eine freundliche Parze schnitt ihm den Lebensfaden ab; er starb ohne Schmerzen schnell und plötzlich, ein Lächeln auf den Lippen. Nun mußte er, der fünfzig Jahre so hoch über der Erde gewohnt, so tief herab und unter die Erde ziehen.

Das war das Leben meines alten Freundes, und wahrlich es war reicher und reiner als das tausend Anderer. Nicht an welchem Platze man steht, sondern wie man denselben ausfüllt, darauf kommt es an. Der alte Magister von der Pleißenburg hat seines Herzens Meinung nie verrathen, seine Hände nie geschwärzt mit dem unsauberen Solde einer käuflichen Gesinnung. Sein Leben war redliche Arbeit in Verborgenheit – wenn er auch nur ein Corrector war.

Du fragst: Und hat ihn niemals der sanfte Flügelschlag jenes Engels berührt, den die Menschen Liebe nennen? – Ich weiß es nicht. Ob ihm ein Frauenauge jemals milder geleuchtet, eine weiche Hand die seine verständnißinnig gedrückt – wer mag es sagen? Wenn es geschah, dann ist es sein Geheimniß geblieben, und er hat es mit hinüber genommen zum ewigen Schlaf. Sein Herz war reich genug, um ein anderes Wesen liebend zu umfassen, und wer weiß, ob er nicht in seinen jungen Tagen den bitteren Kampf der Entsagung gekämpft hat, und wenn er ihn kämpfte, dann wußte er auch, warum.

Schlaf wohl, ehrlicher, alter Magister! Um Deinen Hügel weht es wie Hauch des Friedens. Kein Weib und Kind weint an Deinem Grabe, aber da und dort denkt wohl Einer, der Dich gekannt hat, Deiner in Liebe und spricht in Wehmuth und Achtung zugleich: Er war ehrlich und gut – er war ein Charakter, der alte Junggeselle.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ast