Oberlandesgericht München – Nichtausübung der Option auf Namensangleichung bei ausländischem, geschlechtsspezifisch abgewandelten Familiennamen

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Entscheidungstext
Gericht: Oberlandesgericht München
Ort:
Art der Entscheidung: Beschluss
Datum: 5. September 2008
Aktenzeichen: 31 Wx 13/08
Zitiername:
Verfahrensgang: vorgehend Amtsgericht Traunstein (4. Mai 2007, 3 UR III 389/07); Landgericht Traunstein (20. September 2007, 4 T 2214/07)
Erstbeteiligte(r): Standesamtsaufsicht
Gegner: Mutter von N (Noel)
Weitere(r) Beteiligte(r):
Amtliche Fundstelle:
Quelle: Scan von NJW-RR 2008, Heft 24, S. 1680–1681
Weitere Fundstellen: FamRZ 2009, 437–439; FGPrax 2008, 249–251; IPRspr 2008, Nr 213, 677–681; OLGR München 2009, 61–63; StAZ 2009, 11–13
Inhalt/Leitsatz: Leitet ein Knabe seinen Familiennamen von seiner nicht verheirateten, allein sorgeberechtigten Mutter ab, welche einen ausländischen, geschlechtsspezifisch abgewandelten Familiennamen führt, so erwirbt der Knabe gem. § 1617a I BGB den Familiennamen in der von der Mutter geführten Form, wenn nicht die nun durch Art. 47 II i.V. mit Abs. 1 Nr. 4 EGBGB eröffnete Option einer Angleichung ausgeübt wird (Abs. 15 f.).
Zitierte Dokumente: § 1617a BGB; Art. 47 EGBGB
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[1680]

Leitet ein Knabe seinen Familiennamen von seiner nicht verheirateten, allein sorgeberechtigten Mutter ab, welche einen ausländischen, geschlechtsspezifisch abgewandelten Familiennamen führt, so erwirbt der Knabe gem. § 1617a I BGB den Familiennamen in der von der Mutter geführten Form, wenn nicht die nun durch Art. 47 II i.V. mit Abs. 1 Nr. 4 EGBGB eröffnete Option einer Angleichung ausgeübt wird.

OLG München, Beschl. v. 5.9.2008 – 31 Wx 13/08

[1] Zum Sachverhalt: N, der die deutsche und die griechische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde 2006 in der oberbayerischen Gemeinde W., wo er auch lebt, als Sohn der dort wohnhaften, nicht verheirateten Bet. zu 1, geboren. Seine Mutter ist ausschließlich griechische Staatsangehörige, ihr Familienname endet auf „a“. Sie hat die elterliche Sorge für N alleine inne und wurde selbst bereits in W. geboren. Der Vater von N ist deutscher Staatsangehöriger und wohnt ebenfalls in W. Die Mutter hat für ihren Sohn das deutsche Recht als Namensstatut gewählt. Am 7.9.2006 wurde der Familienname des Kindes in das Geburtenbuch des Standesamts W. gleichlautend mit dem Familiennamen der Mutter, also endend auf „a“, eingetragen.

[2] Im März 2007 beantragte die Bet. zu 2 als Aufsichtsbehörde unter Berufung auf § 57 VI der Dienstanweisung für Standesbeamten und [1681] ihre Aufsichtsbehörden (DA) die Berichtigung dieses Geburtseintrags. Der Familienname der Mutter sei eine geschlechtsspezifische Abwandlung der männlichen Stammform eines griechischen Familiennamens, der auf „as“ ende. N habe seinen Familiennamen nach deutschem Recht erworben. Weil diesem geschlechtsbezogene Abwandlungen des Familiennamens fremd seien, sei für das Kind die männliche Namensform einzutragen.

[3] AG und LG haben diesen Antrag zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde der Standesamtsaufsicht hatte keinen Erfolg.

[4] Aus den Gründen: II. 1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

[5] Geschlechtsspezifische Abwandlungen des Familiennamens würden von § 1617a I BGB nicht erfasst. Die Vorschrift sei daher ergänzend auszulegen, wobei die grundgesetzlich geschützte elterliche Sorge und der Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen Mann und Frau bzw. Vater und Mutter der Maßstab seien. Es stehe der Mutter frei, sich in Bezug auf den Familiennamen von N für die männliche oder die weibliche Form des Namens zu entscheiden. § 57 VI DA, welcher die Eintragung der männlichen Namensform verlange, sei nur eine Verwaltungsvorschrift. Ergänzend hat das LG zur Begründung seiner Entscheidung die Grundsätze zur Wahl des Vornamens eines Kindes herangezogen und ausgeführt, dass das Kind durch den Familiennamen der Mutter kein Nachteil drohe, er insbesondere nicht der Lächerlichkeit preisgegeben werde. Auch würden im deutschen Sprachraum die geschlechtsspezifischen Abwandlungen eines griechischen Familiennamens nicht durchgängig aufrechterhalten.

[6] 2. Die Entscheidung des LG hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 FGG, § 546 ZPO).

[7] a) Zu Recht ging das LG davon aus, dass sich der Namenserwerb nach deutschem Recht richtet, denn die allein sorgeberechtigte Mutter hat dieses wirksam als Kindesnamensstatut gewählt. Die Voraussetzungen von Art. 10 III Nr. 1 und Nr. 2 EGBGB lagen vor. Aber auch ohne wirksame Rechtswahl wäre das Kindesnamensstatut im vorliegenden Fall das deutsche Recht, da N neben der griechischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, Art. 10 I i.V. mit Art. 5 I Satz 2 EGBGB. Durch die Wahl des deutschen Namensstatuts wurde jedoch nicht ein bestimmter Familienname gewählt, sondern lediglich das Recht, dem der Namenserwerb und die Namensführung des Kindes unterstehen (vgl. Birk, in: MünchKomm, 4. Aufl., Art. 10 EGBGB Rdnr. 115). Nach deutschem Recht bestimmt sich daher, ob vorliegend der Familienname des Kindes gewählt werden kann oder ob der Familienname kraft Gesetzes erworben wird („gesetzlicher Namenserwerb“).

[8] b) Der Erwerb des Familiennamens richtet sich vorliegend nach § 1617a I BGB, da die Kindesmutter nicht verheiratet ist und das alleinige Sorgerecht hat. Damit liegt ein gesetzlicher Namenserwerb vor; für Erwägungen zu einem Wahlrecht der Mutter in Bezug auf den Familiennamen des Kindes ist im Rahmen des § 1617a I BGB kein Raum. Allerdings eröffnet bei ausländischen Namen der neu geschaffene Art. 47 EGBGB unter den dort näher geregelten Voraussetzungen ein Optionsrecht zur Angleichung.

[9] § 1617a I BGB schreibt für die hier vorliegende Fallkonstellation vor, dass das Kind den Familiennamen erhält, den seine allein sorgeberechtigte Mutter im Zeitpunkt seiner Geburt führte. Das ist hier der Name, den die Mutter auch heute noch führt. Es kann für die vorliegende Entscheidung dahinstehen, ob es sich bei dem Familiennamen der Mutter tatsächlich – wovon die Vorinstanzen ausgingen – um eine geschlechtsspezifisch abgewandelte („weibliche“) Form eines griechischen Familiennamens mit der Endung „as“ handelt und ob diese Annahme der Vorinstanzen mit ausreichender Sicherheit nachgewiesen ist; denn die Eintragung des nicht angeglichenen Familiennamens der Mutter ist unter Berücksichtigung des Regelungsgehalts des neu geschaffenen Art. 47 EGBGB jedenfalls richtig.

[10] c) § 1617a I BGB enthält keinerlei Regelung für Fälle, in denen ein Kind seinen Familiennamen von einem „ausländischen“, geschlechtsspezifisch abgewandelten Familiennamen ableitet; auch im Wege der Auslegung ist der Vorschrift eine solche nicht zu entnehmen.

[11] aa) In Literatur und Rechtsprechung wurde bisher nahezu einhellig die Auffassung vertreten, dass der Familienname der Mutter (falls tatsächlich geschlechtsspezifisch abgewandelt) „in der weiblichen Form“ nicht auf das Kind übertragbar sei. Dies wurde damit begründet, dass das deutsche Namensrecht keine geschlechtsabhängigen Familiennamen kenne (vgl. Birk, in: MünchKomm, Art. 10 EGBGB Rdnrn. 147, 148). Deswegen könne das Kind im Wege der Angleichung nur die „männliche“ bzw. „Stamm“-Form des Nachnamens erwerben. Von diesem herkömmlichen Verständnis der Anwendung des § 1617a I BGB in Fällen geschlechtsspezifisch abgewandelter ausländischer Familiennamen geht auch § 57 VI DA aus.

[12] bb) Diese Auffassung war allerdings schon bisher nicht zwingend. Vereinzelt wurde hieran in der Literatur bereits vor Schaffung des Art. 47 EGBGB Kritik geübt: Der ausländische Familienname sei unter deutschem Namensstatut nichts anderes als eine neutrale Laut- bzw. Zeichenfolge, die den sprachlichen Genusmerkmalen seiner Herkunftssprache gerade nicht (mehr) unterliege (vgl. Soergel/Schurig, BGB, 12. Aufl., Art. 10 EGBGB Rdnr. 6 Fußn. 24). Wenn man das Verbot von geschlechtsspezifischen Abwandlungen im deutschen Namensrecht ernst nähme, so könne wohl weder die weibliche, noch die männliche Namensform durch das Kind nach § 1617 a I BGB erworben werden (vgl. Hepting/Gaaz, PStR, 40. Lfg. Stand: Sept. 2006, II – 339). Werde ein Familienname ausländischer Herkunft bereits seit längerem als „deutscher“ Name geführt, sähe niemand einen Widerspruch zwischen den Regeln des Namensrechts und den Regeln der Sprache (Soergel/Schurig, Art. 10 EGBGB Rdnr. 6 Fußn. 24). Auch an eine Diskriminierung i.S. des Art. 12 EG könnte nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH zu denken sein (vgl. hierzu: Birk, in: MünchKomm, Art. 10 EGBGB Rdnr. 147). In anderem Zusammenhang, in dem es um die Wahl des Ehenamens ging, hat das LG Berlin entschieden, dass in den Fällen, in denen es keine Stammform des Namens gibt, der „weibliche“ Familienname gleichberechtigt eintragungsfähig sei (vgl. LG Berlin, NJW-RR 2000, 1247 = StAZ 2000, 109); dies ist überwiegend auf Kritik gestoßen (vgl. Henrich/Wagenitz/Bornhofen, Deutsches Namensrecht, 2. Lfg. 2004, Rdnr. 289).

[13] d) Eine abschließende Auseinandersetzung mit der (bisher) herrschenden Meinung ist vorliegend jedoch nicht veranlasst. Denn jedenfalls im Hinblick auf die Regelungen des neu geschaffenen und am 24.5.2007 in Kraft getretenen Art. 47 EGBGB lässt sich die Praxis des Vorrangs der männlichen Namensform nach Ansicht des Senats nicht mehr halten.

[14] aa) Zwar geht ein Teil der noch nicht sehr umfangreichen Literatur auch nach Einführung des Art. 47 EGBGB weiterhin davon aus, dass in Fällen wie dem vorliegenden unter Geltung des deutschen Namensrechts die männliche Form des Familiennamens einzutragen sei und daher Art. 47 II EGBGB „Selbstverständliches“ regele (vgl. Mäsch, IPrax [1682] 2008, 17). Die beschwerdeführende Standesamtsaufsicht möchte Art. 47 EGBGB gar als Beleg für die Fortgeltung des Vorrangs der männlichen Namensform im deutschen Namensrecht heranziehen.

[15] bb) Dem kann sich der Senat jedoch nicht anschließen. Der Senat wertet die Schaffung des Art. 47 EGBGB als Beleg dafür, dass das deutsche Namensrecht geschlechtsspezifische Abwandlungen des Familiennamens hinzunehmen gewillt und in der Lage ist. Art. 47 I EGBGB regelt Angleichungsfälle, die sich auf Grund eines Statutenwechsels des Namensträgers ergeben. Dies ist vorliegend nicht der Fall, das Namensstatut des Kindes ist unverändert das deutsche Recht. Nach Art. 47 II EGBGB gelten jedoch die nach Absatz 1 eröffneten Wahlmöglichkeiten entsprechend für die Fälle einer erstmaligen Namensbildung nach deutschem Recht, bei denen der Familienname des Kindes aus einem ausländischen Namen eines Elternteils abgeleitet wird (vgl. BT-Dr 16/1831, S. 79; Palandt/Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 47 EGBGB Rdnr. 8).

[16] cc) Diese Regelung macht nur dann Sinn, wenn nicht von einem zwingenden Erwerb der männlichen bzw. einer „Grundform“ des Namens ausgegangen wird. Dies dürfte auch die Auffassung des Gesetzgebers bei Schaffung des Art. 47 EGBGB gewesen sein. Sowohl in BT-Dr 16/1831 (S. 70, 71 und S. 78, 79), wie auch in BT-Dr 16/3309 (S. 12, 13) wird auf die Problematik hingewiesen, dass bisher ohne ausreichende Rechtsgrundlage versucht werde, zu Namensangleichungen zu kommen (vgl. hierzu auch StAZ 83, 170 [171]). Es solle gerade auch in den Fällen der Namensableitung – wie dem vorliegenden – die Möglichkeit eröffnet werden, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt eine für das deutsche Namensrecht passende Namensform zu wählen. Aus diesem Wahlrecht folgt nach Ansicht des Senats aber, dass der Familienname dann, wenn die durch Art. 47 II i.V.m. I Nr. 4 EGBGB eingeräumte Option der Angleichung nicht ausgeübt wird, der Familienname unverändert, also ohne Angleichung auf die „Stamm- “ oder „männliche“ Form, erworben wird, denn sonst bestünde weder Anlass noch Raum für eine Wahl (im Ergebnis nun ebenso: Hepting, StAZ 2008, 161 [177]).

[17] e) Der verfahrensgegenständliche Geburtseintrag stammt noch aus der Zeit vor Inkrafttreten des Art. 47 EGBGB, welcher keine Übergangsregelung enthält. Falls man davon ausgeht, dass Art. 47 EGBGB auch Altfälle regeln soll (so Henrich, StAZ 2007, 197 [198 f.]), so wäre im vorliegenden Fall eine Angleichung mit dem von der Beschwerdeführerin gewünschten Ergebnis einer Namensendung auf „as“ schon deswegen nicht möglich, weil die Mutter von N gerade nicht im Rahmen ihrer Personensorge für die männlichen Namensform optiert hat. Aber selbst wenn man eine unmittelbare Geltung von Art. 47 EGBGB für Altfälle verneinen würde, so wäre für bereits anhängige Verfahren jedenfalls der Rechtsgedanke des Art. 47 II EGBGB zu beachten.

[18] 3. Der auf „a“ endende Familienname des Knaben hätte daher nur durch eine entsprechend Art. 47 I Nr. 4 i.V. mit Abs. 2 EGBGB abgegebene Erklärung seiner allein sorgeberechtigten Mutter modifiziert werden können (vgl. hierzu auch den neu geschaffenen § 381 b I Satz 2 DA). Da eine solche nicht vorliegt – die Mutter hat im Gegenteil ausdrücklich den Willen zur Nichtangleichung bekundet – wurde der Familienname der Mutter von N unverändert erworben. Die Eintragung dieses Namens in das Geburtsregister war richtig.

[19] Die über Art. 47 I Nr. 4, II EGBGB eröffnete Wahlmöglichkeit wird im Übrigen nach Ansicht des Senats gleichberechtigungs- und damit verfassungskonform (vgl. zum Problem: BVerfGE 84, 9 = StAZ 91, 89) dahingehend auszulegen sein, dass jedenfalls in den Fällen, in denen es keine „neutrale“ Form des ausländischen Familiennamens gibt, sowohl die männliche, als auch die weibliche Namensform gewählt werden kann (so auch Hepting, StAZ 2008, 161 [173]).

[20] 4. Der Familienname der Mutter verstößt trotz des männlichen Geschlechts des Namensträgers auch nicht gegen das verfassungsrechtlich geschützte, auch im Namensrecht zu beachtende Kindeswohl; insbesondere wird der Knabe durch die Führung der Namensendung „a“ nicht dem Gespött seiner Umgebung preisgegeben, denn die Lautfolge des Familiennamens der Mutter klingt für die Umgebung des Knaben im oberbayerischen W. keinesfalls zwingend „weiblich“.

[21] Im Ergebnis erweist sich daher die Zurückweisung der Beschwerde der Standesamtsaufsicht durch das LG als zutreffend, sodass die hiergegen gerichtete weitere Beschwerde zurückzuweisen war.

(Mitgeteilt vom 31. Zivilsenat des OLG München)