Oberlandesgericht München – Verwendung zu schmaler Radfelgen

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Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 27. Dezember 1882
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1883, Nr. 5, Seite 49–51
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Kurzbeschreibung: Verletzung von Vorschriften für die Breite der Radfelgen für Gespannfahrzeuge im Handels- und Transportgewerbe
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 27. Dezember 1882.

in der Sache gegen den Müller Georg M. von U. wegen Zuwiderhandlung gegen straßenpolizeiliche Vorschriften.

Nach Art. 1 des Gesetzes vom 25. Juli 1850, „Die Einrichtung des die Kunststraßen in Bayern befahrenden Fuhrwerkes betr.“, muß auf sämmtlichen kunstmäßig oder doch vollkommen fahrbar hergestellten Kreis- und Bezirksstraßen alles Fuhrwerk, welches dem Handels- und Gewerbszwecke dient oder Gegenstände verführt, die zum Verkaufe oder zur Verarbeitung für den Verkauf bestimmt sind, nach Maßgabe der Anzahl der angespannten Zugthiere mit Radfelgen versehen sein, welche bei einem vierräderigen mit zwei Pferden bespannten Fuhrwerke eine Breite von 2 Zoll 8½ Linien bayerischen Maßes, und bei einem vierräderigen mit drei oder vier Pferden bespannten Fuhrwerke eine solche von 4 Zoll 3½ Linien haben. Unter die Bespannung sind jedoch nach Art. 5 Abs. 1a und Abs. 2 jene Zugthiere nicht zu rechnen, welche als Vorspann angewendet werden, wenn die Straße eine Steigung hat, für die beim Abwärtsfahren das Einlegen des Radschuhes vorgeschrieben ist, und diese Straßenstrecken sind durch Anschlag zu bezeichnen. Dabei ermächtigt das erwähnte Gesetz zugleich im Absatze 2 die Kreisregierungen, Kammern des Innern, aus Rücksicht auf die in kurzen Abständen sich wiederholenden Straßensteigungen die eben erwähnte Ausnahmsbestimmung bezüglich des Vorspannes auch noch auf andere Wegstrecken auszudehnen. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschrift des Art. 1 über die Felgenbreite sind im Art. 13a mit einer Geldstrafe von drei bis zwanzig Gulden – gemäß Art. 1 des Gesetzes vom 8. November 1875 über die Bestimmung der Geldstrafen nach der Reichswährung nunmehr von 5 40 ₰ bis 36 – bedroht, welche Strafbestimmung im Art. 10a des Ausführungs-Gesetzes zur Straf-Prozeß-Ordnung aufrecht erhalten worden ist, und gemäß Art. 16 des ersteren Gesetzes trifft die Strafe zunächst den bei dem Fuhrwerke betretenen Führer.

Hiernach bemißt sich die vom Gesetze in Art. 1 für das daselbst bezeichnete Fahren mit vierräderigem Fuhrwerke vorgeschriebene Felgenbreite lediglich nach der Zahl der angespannten Zugthiere, ohne daß die Schwere der verführten Gegenstände einen Unterschied macht. Dabei läßt das Gesetz allerdings in Art. 5a eine Ausnahme dahin zu, daß unter die Bespannung die Zugthiere nicht zu rechnen sind, welche, wenn die Straße eine Steigung hat, für die beim Abwärtsfahren die Einlegung des Radschuhes angeordnet ist, als Vorspann verwendet werden. Diese Vergünstigung des Nichtmitzählens der Vorspannthiere beschränkt sich jedoch auf die [50] Strecke, soweit die Straße in der besagten Weise ansteigt. Denn nur für die letztere Strecke wird das treffende Thier als Vorspann verwendet, für die weitere Straßenstrecke ist dasselbe, wenn es angespannt bleibt, nicht Vorspann, sondern Zugthier wie die anderen Thiere des Gespannes, Bezüglich dieses Theiles der Straße verbleibt es daher bei der Normalbestimmung des Art. 1, mag die Straße nur einmal oder öfter eine Steigung haben, wie solche in Art. 5a vorgesehen ist. Das Gesetz macht für den letzteren Fall keine Ausnahme. Es nimmt auf denselben nur insoweit Rücksicht, daß es in Art. 5 Abs. 2 die Kreisregierungen, Kammern des Innern, ermächtigt, wenn in kurzen Abständen Straßensteigungen sich wiederholen, die Ausnahmsbestimmung über den Vorspann auch noch auf andere Wegstrecken als auf die in Art. 5a angeführten auszudehnen, woraus zugleich hervorgeht, daß die vom Gesetz angeordnete Nichtmitzählung des Vorspannthieres nur für die Strecke der Steigung des Art. 5a, nicht auch für die zwischen der einen und anderen Steigung liegende, oder weiter vorhandene ebene Straßenfläche zu gelten hat. Diese fällt vielmehr unter die Regel des Art. 1, insoferne nicht von der zuständigen Kreisregierung eine Ausnahmsbestimmung getroffen worden ist. Dies war auch durch § 15 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit Abs. 1 Ziff. 1 der bis zur Erlassung des Gesetzes vom 25. Juli 1850 in Kraft bestandenen k. Verordnung vom 16. Juli 1840 gleichen Betreffes (Regsbl. S. 489) vorgeschrieben, welche Bestimmung nach den Motiven zum Gesetzentwurf, weil durch die Erfahrung als zweckmäßig bewährt (Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten von 1850 Beil. Bd. III S. 331) in den Art. 5 in der Fassung des Abs. 2 aufgenommen wurde, indem daselbst gesagt ist, daß, wo die Voraussetzung einer Steigung der Straße, für welche bei dem Abwärtsfahren die Einlegung des Radschuhes vorgeschrieben ist, nicht besteht oder aufhört, kein Vorspann gebraucht werden dürfe, daß dessen Beibehaltung nur ausnahmsweise da und insoweit gestattet werden könne, wo und in wie weit ebene Wegstrecken und Steigungen häufig und in kurzen Abständen wechseln, und daß diese Straßenstrecken von den Kreisregierungen, Kammern des Innern, durch örtliche Kundmachung und durch Anschlag zu bezeichnen seien.

Demzufolge sind nach Ueberwindung einer Steigung, wie sie Art. 5a des Gesetzes vom 25. Juli 1850 bezeichnet, die Vorspannszugthiere auszuspannen, widrigenfalls, wenn sie im Gespanne belassen werden, bei dem Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen Bestrafung nach Art. 13a eintritt. Das Gesetz hat in dieser Beziehung keine Ausnahme gemacht, damit nicht die Vorschrift des Art. 1 durch den Einwand, in dem Gespanne befinde [51] sich ein bei einer Steigung nach Art. 5a zu verwendendes oder verwendetes Zugthier, wirkungslos gemacht werden kann. In Folge dessen können wohl in einzelnen Fällen Härten entstehen; diese auf Grund des Art. 5 Abs. 2 abzuwenden, ist jedoch Sache der Kreisregierung.

Hieraus ergibt sich aber, daß, wenn die Ausnahmsbestimmung des Art. 5a des mehrbesagten Gesetzes von der k. Regierung von Oberbayern, Kammer des Innern, auf die ebene Distriktsstraßenstrecke, welche der Angeklagte am 27. Juni ds. Js. befuhr, nicht ausgedehnt wurde, worüber es an einer Feststellung fehlt, und wenn die Bretter, die derselbe geladen hatte, zum Verkaufe oder zur Verarbeitung für den Verkauf bestimmt waren, worüber die Strafkammer sich gleichfalls nicht aussprach, Georg M., nachdem sein Wagen mit drei Pferden bespannt, aber nur mit drei Zoll breiten Radfelgen versehen war, sich einer Uebertretung nach Art. 13a, Art. 16 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. Juli 1850 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zur Straf-Prozeß-Ordnung schuldig gemacht hat, und daß vom Berufungsgerichte, indem es den Angeklagten darum für nicht strafbar erklärte, weil er das eine der drei angespannten Pferde als Vorspann bei den zwei auf der von ihm befahrenen Straße befindlichen Steigungen nöthig gehabt habe, der Art. 5 des Gesetzes vom 25 Juli 1850 irrig angewendet und damit das Gesetz verletzt wurde.

Es war deshalb das auf dieser Gesetzesverletzung beruhende Urtheil vom 25. Oktober ds. Js. nebst den demselben zu Grunde liegenden unvollständigen Feststellungen im Hinblick auf §§ 393 und 394 Abs. 2 der Straf-Prozeß-Ordnung aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, welche auch die Kosten der Revisionsinstanz zu umfassen hat, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.