Ohne Kreuz keine Krone/Kap.15

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« Kap.14 William Penn
Ohne Kreuz keine Krone
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Funfzehntes Kapitel.


§. 1. Ankündigung der Gerichte Gottes über die Juden, wegen ihrer Ueppigkeit, wovon kein Stand ausgenommen ist §. 2. Christus warnt seine Jünger, sich des üppigen Lebens nicht schuldig zu machen. – Eine Ermahnung an die Bewohner Englands. §. 3. Mäßigkeit ward von den Aposteln den Gemeinen dringend empfohlen. §. 4. Wohlgemeinter Rath an England, sich nach dieser Richtschnur zu prüfen. §. 5. Worin die Erhohlungen der Christen bestehen. §. 6. Wer anderer Vergnügungen bedarf, um sich die Zeit zu vertreiben, der ist für den Himmel und die Ewigkeit nicht geschickt. §. 7. Der Mensch hat nur wenige Tage zu leben; – er könnte sie besser anwenden. Diese Lehre kann Keinem, dem es wirklich um sein Heil zu thun ist, unangenehm seyn. §. 8. Das üppige Leben verhindert nicht nur die Ausübung des Guten, sondern befördert auch die Begehung des Bösen; es zerreißt das Band der Ehe und Liebe, zerstört die Gesundheit, richtet das Vermögen zu Grunde, u. s. w. Schaubühnen und Spielhäuser sind die mächtigsten Beförderungsmittel dieser Uebel. §. 9. Wie sehr die Jugend dadurch zur Eitelkeit gereitzt wird; welchen Nachtheil das Spiel und die rauschenden Vergnügungen bringen. – Die bessern [290] Heiden verachteten ein solches Leben. §. 10. Die wahren Jünger Jesu sterben dem eitlen Wesen der Welt durch Selbstverleugnung ab. – Vergnügen und Belohnung einer guten Anwendung der Zeit.


§. 1. Die Ausschweifungen in Kleiderpracht und eitlen Vergnügungen, welche in der heiligen Schrift vielfältig verboten sind, gaben auch Veranlassung zu jener an das Volk Israel gerichteten traurigen Botschaft,[1] die der Prophet Jesaias in folgenden Worten erklärte: „Darum, spricht der Herr, daß die Töchter Zions stolz sind, und gehen mit aufgerichtetem Halse und mit geschminkten Angesichtern, (nach dem Englischen: mit lüsternen Blicken,) treten einher und schwänzen, (gehen geziert mit kurzen Schritten,) und haben köstliche Schuhe an ihren Füßen; (machen ein Geräusch mit ihren Füßen oder Schuhen;) darum wird der Herr den Scheitel der Töchter Zions kahl machen und ihr Geschmeide wegnehmen. Zu der Zeit wird der Herr den Schmuck an den köstlichen Schuhen wegnehmen, und die Hefte, die Spangen, die Kettlein, die Armspangen, die Hauben, die Flittern, das Gebräme, die Schnürlein, die Bisamäpfel,[2] die Ohrringe, die Ringe, die Haarbänder, die Feierkleider, die Mäntel, die [291] Schleier, die Beutel, die Spiegel, die Koller,[3] die Borten, die Kittel;[4] und es wird Gestank für guten Geruch seyn, und ein loses Band für einen Gürtel, und eine Glatze für ein krauses Haar, und für einen weiten Mantel ein enger Sack. Solches alles statt deiner Schöne. Deine Männer werden durchs Schwert fallen, und deine Krieger im Streite. Ihre Thore werden trauern und klagen, und sie wird jämmerlich (verlassen) sitzen auf der Erde. [5]

Sehet da! ihr eitlen und thörichten Bewohner Englands und Europa’s, worin eure Thorheit bestehet, und was für ein Loos auch ihr zu erwarten habt! Doch leset auch noch des Propheten Ezechiels Gesicht von der unglücklichen Stadt Tyrus; was für Strafen ihr Stolz und ihre Ueppigkeit ihr zuzogen. Unter vielen andern Umständen, die Ezechiel berührt, führt er die Dinge an, worin die Kaufleute mit Tyrus ihren Handel trieben, nämlich in allerlei kostbaren Sachen: in prächtigen seidenen und gestickten Kleidern und Tüchern, in Purpur, in köstlichen Kasten von Cedernholz, in feiner Leinwand, in Gewürzen, Korallen, Smaragden, Agaten und allerlei Edelsteinen, in Gold, Pferden, Wagen, u. s. w. Aber nun höret auch einen Theil ihres Strafurtheils! „Ein Ostwind,“ sagt der Prophet, „wird dich mitten auf dem Meere zerbrechen; so, daß alle deine Waaren, (dein Reichthum,) [292] u. s. w. und alles Volk in dir zur Zeit deines Unterganges mitten im Meere umkommen wird. Und Alle, die auf den Inseln wohnen, werden über dir erschrecken, und die Kaufleute dich anpfeifen, daß du so plötzlich untergegangen bist, und nicht mehr aufkommen kannst.“[6] Auf diese Weise hat Gott sein Mißfallen an dem üppigen und zügellosen Leben der Welt durch Ezechiel deutlich zu erkennen gegeben. Noch weiter geht aber der Prophet Zephanja, wenn er sagt: „Und am Tage des Schlachtopfers des Herrn will ich heimsuchen die Fürsten und des Königes Kinder, und Alle, die ein fremdes Kleid tragen.“[7] Solche schlimme Folgen hatte es zu jener Zeit, wenn die Großen es sich erlaubten, die eitlen Moden und Gebräuche fremder Völker nachzuahmen, oder bei ihrer Kleidung nicht auf den wahren Zweck derselben, sondern vielmehr auf die Befriedigung ihrer Prachtliebe zu sehen.

§. 2. Der Herr Jesus ertheilte seinen Jüngern den ausdrücklichen Befehl, sich um weltliche Dinge keine Sorgen zu machen; indem er ihnen zugleich deutlich zu verstehen gab, daß Diejenigen, die dieses thäten, seine Jünger nicht seyn könnten, als er ihnen sagte: „Ihr sollt nicht sorgen und sagen: was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach allem Solchem trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, daß ihr dieses alles bedürfet. Trachtet aber am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles zuzugegeben werden.“[8] Es leuchtet von selbst ein, daß [293] unser Herr hier unter Essen, Trinken und Kleidern alle äußern Dinge überhaupt verstehet; da sie, als sichtbare Dinge, den unsichtbaren und himmlischen, die das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit betreffen, entgegengesetzt, und auch als Diejenigen, um welche die Jünger nicht besorgt seyn sollen, doch an sich die unschuldigsten und nothwendigsten sind. Wenn nun aber die Gemüther der Nachfolger Jesu sogar in solchen Fällen nicht besorgt seyn sollen, wie viel weniger dürfen sie sich denn um die thörichten und eitlen Moden und Gebräuche der Welt bekümmern, die keinen andern Zweck haben, als die sinnlichen Neigungen irdischgesinnter Menschen zu befriedigen. Dann folgt hieraus auch eben so klar, daß Diejenigen, die in solchen weltlichen und üppigen Dingen leben, keine Nachfolger Jesu, sondern „den Heiden oder Völkern der Welt gleich sind, die Gott nicht kennen.“[9] Und da also die wahren Jünger Jesu und die Anhänger an den vergänglichen Dingen der Welt, sich offenbar darin von einander unterscheiden, daß die Erstern die himmlischen Dinge wahrnehmen, die das Reich Gottes betreffen, das in Gerechtigkeit, in Frieden und in Freude im heiligen Geiste bestehet, und um äußere Gegenstände, selbst um die unschuldigsten und nothwendigsten, nicht ängstlich besorgt sind, und die Andern ihre vornehmste Aufmerksamkeit auf Essen, Trinken und Kleider richten, und den Angelegenheiten, den Freuden, Vergnügungen, Vortheilen und der Ehre der Welt nachstreben; so laßt mich euch, ihr Bewohner Englands! um eures ewigen Heils willen bitten, einmal recht ernstlich über euch selbst nachzudenken. [294] Erwäget, wie viel Sorge, Kosten und Zeit ihr auf thörichte, ja, oft lasterhafte Dinge verwendet; denn daran könnt ihr erkennen, wie weit ihr von dem ursprünglich wahren Leben des Christenthumes abgewichen seid. Betrachtet das Kaufen und Verkaufen, das Handeln und Dingen, die viele Schreiberei, die Mühe und Arbeit, den Lärm, das Treiben, die Eile und Verwirrung; das Nachsinnen, die Kunstgriffe, die Uebervortheilungen; die Vorbereitungen zum Essen und Trinken, zu Besuchen, zum Putze, zu Vergnügungen und oft ganz lächerlichen Ergötzungen; kurz, wie früh die Menschen aufstehen müssen und wie spät sie sich erst wieder niederlegen können, und wie viel kostbare Zeit sie anwenden, um alles Das zu besorgen, was die Eitelkeit und Thorheit der Welt fordert. Sehet die Leute auf den Straßen, in den Läden, an der Börse, im Schauspiele, auf den Wandelplätzen, in den Kaffeehäusern, u. s. w. und gestehet, ob ihr nicht das Gepräge der Unruhe und Begierde des Geistes dieser vergänglichen Welt fast auf jedem Gesichte ausgedrückt findet? Sagt nicht: wie sollten denn die Menschen sonst leben, und wie anders könnte die Welt bestehen? Ein gewöhnlicher, aber schwacher Einwurf! Denn es ist genug für Alle da, wenn nur Einige sich mit etwas Wenigerm begnügen wollten. Für ein wahrhaft christliches Leben sind wenige einfache und anständige Dinge hinreichend; aber die Sinnlichkeit, der Stolz und der Geitz verleiten die Menschen zu solchen Thorheiten. Denn, wenn sie ihre Gemüther mehr mit dem Reiche Gottes beschäftigten, so würden sie wenig an vergängliche Vergnügungen [295] denken, und ihnen auch nur wenig Zeit widmen.

§. 3. Diese Lehre von der Selbstverleugnung bestätigten und empfahlen die Apostel, wie wir bereits bemerkt haben, sowohl durch ihr eigenes Beispiel, als auch durch Vorschriften in ihren Briefen und Episteln, wie aus zwei sehr merkwürdigen Stellen hervorgehet, wo Paulus und Petrus uns nicht allein melden, wie es in dieser Hinsicht gehalten werden solle, sondern auch anzeigen, was verleugnet und vermieden werden müsse. „So will ich nun,“ sagt Paulus, „daß die Weiber in zierlicher (sauberer) Kleidung sich schmücken,“ – wie ist das zu verstehen? – „mit Schamhaftigkeit und Zucht; nicht mit Zöpfen, (aufgeputzten Haaren,) oder Gold, oder Perlen, oder köstlichem Gewande;“ – Dergleichen war also nicht erlaubt! – „sondern, wie es Weibern, die Gottseligkeit vorgeben, geziemet: mit guten Werken.“[10] Hieraus folget unwidersprechlich, daß diejenigen Weiber, die sich mit Zöpfen oder Haarflechten, Perlen, Silber, Gold, und köstlichen oder prächtigen Kleidern schmücken, so lange sie das thun, keine Ansprüche auf Gottseligkeit machen können; indem der Apostel zu erkennen giebt, daß solcher Putz mit der christlichen Ehrbarkeit und Tugend nicht übereinstimmt, und folglich etwas Böses ist, das den Weibern, welche sich zur Gottseligkeit bekennen, nicht geziemet. – Der Apostel Petrus giebt eine Vorschrift gleiches Inhalts in folgenden Worten: „Deren“ (nämlich der Weiber) „Schmuck soll nicht äußerlich seyn, mit Haarflechten und Goldumhängen, oder Kleideranlegen;“ – Wie denn? – „sondern der verborgene Mensch [296] des Herzens, mit unverrücktem (unverderblichem) sanften und stillem Geiste, der vor Gott köstlich ist.“ Und um sie dazu zu bewegen, fügt er noch hinzu: „Denn so haben sich auch vorzeiten die heiligen Weiber[11] geschmücket, die ihr Vertrauen auf Gott setzen.“[12] Dieses beweiset nicht allein, daß vorzeiten die heiligen Weiber so geschmückt waren, und daß es Allen, welche ein heiliges Leben führen und ihr Vertrauen auf den heiligen Gott setzen wollen, gezieme, sich so zu schmücken, sondern es giebt uns auch deutlich zu erkennen, daß zu allen Zeiten Diejenigen, welche sich unerlaubter Zierrathen bedienten, aller ihrer frommen Worte ungeachtet, Keine von Denen waren, die wirklich heilig lebten und ihr Vertrauen auf Gott setzten. Solche sind in der That von einem wahren Vertrauen auf Gott weit entfernt; weshalb auch der Apostel Paulus ausdrücklich erklärt, „daß Diejenige, welche in der Ueppigkeit lebe,“ in Ansehung des Lebens aus Gott, „lebendig todt sei.“[13] Derselbe Apostel ermahnt ferner die Christen, „daß sie ihren Wandel im Himmel haben, und nach Dem trachten sollen, was droben ist. Laßt uns ehrbar wandeln, als am Tage!“ sagt er. „Nicht in Fressen und Saufen; nicht in Kammern und Unzucht; nicht in Hader und Neid. Hurerei und allerlei Unreinheit, oder Geitz, lasset nicht von euch gesagt werden; auch keine schandbare Worte und Narrentheidinge (Possen) oder Scherz; sondern vielmehr Danksagung. Lasset kein faules Geschwätz aus euerem Munde [297] gehen, sondern was zur nöthigen Besserung dienet, und holdselig zu hören ist (oder den Hörenden Erbauung gewährt). Ziehet den Herrn Jesum Christum an, und wartet des Leibes nicht so, daß er geil werde. Und betrüget nicht den heiligen Geist Gottes,“ – welches durch ein üppiges Leben geschiehet; – „sondern seid Gottes Nachfolger, als geliebte Kinder. Und wandelt vorsichtig, nicht wie Unweise, sondern wie Weise; und schicket euch in die Zeit, (erkaufet die gelegene Zeit) denn es sind böse Tage.“[14]

§. 4. Hiernach könnt ihr euch nun prüfen, ihr Bewohner dieses Landes! die ihr glaubt, man thue euch Unrecht, wenn man euch nicht für wahre Christen hält. Untersuchet doch nur, in wiefern euer Leben und eure Gesinnungen mit diesen heiligen Vorschriften und Beispielen der Selbstverleugnung übereinstimmen. O! meine Freunde! Meine Seele trauert über euch! Ich lebte einst selbst mit euch und in eurer Mitte. Euer Leben und die Dinge, womit ihr eure Zeit hinbringt, sind meiner Bemerkung nicht entgangen, und mit tiefem Bedauern, ja mit unaussprechlichem Mitleide, beklage ich eure Thorheit. O! daß ihr weise würdet! O! das ihr der innern Stimme eures Richters Gehör geben, und der Ewigkeit Zeit vergönnen wolltet, ein wenig mit euch zu rechten! Warum müssen eure Kleider, eure Putztische, Besuche, Schauspiele, Gastmähler, und so viele andere armselige, vorrübergehende Freuden, eure ganzen Seelen besitzen, und sowohl über eure Zeit, Sorgfalt und Aufmerksamkeit, als auch selbst über euer Vermögen gebieten? [298] Lasset euch, – ich bitte euch im Namen den lebendigen Gottes! – lasset euch den Rath und die Ermahnung eines Mannes gefallen, der, wie Einige unter euch wissen, an allen solchen Dingen Theil genommen und daher Zeit und Gelegenheit gehabt hat, aus eigener Erfahrung einzusehen, wie wenig dergleichen Eitelkeiten zu unserer wahren und dauernden Zufriedenheit beitragen können. Nein! meine Freunde! Gott, der Allmächtige, weiß es, – und o! möchtet ihr mir glauben, und meinen Rath annehmen! – sie enden in Schande und Kummer. Er, der Allerheiligste, der getreu und wahrhaftig ist, hat es einmal so beschlossen, daß jeder Mensch, er sei Mann oder Weib, das ernten soll, was er gesäet hat; und wird es daher nicht eine traurige und schreckliche Ernte seyn, wenn ihr für alle eure Zeit und Ausgaben, die ihr bloß auf Ueberflüssigkeiten und eitle Vergnügungen so übel verwendet habt, nur Unruhe, Angst und getäuschte Hoffnung ernten werdet? – O! darum ziehet euch in euch selbst zurück! Dämpfet nicht den heiligen Geist Gottes in eurem Innern! Bestrebet euch, eure so sehr gemißbrauchte Zeit wieder[WS 1] zu erkaufen, und suchet einen Umgang, der euch in der Ueberwindung eurer verderbten Neigungen behülflich seyn kann. Dann werdet ihr zu der Fähigkeit gelangen, daß ihr die Gebote Jesu Christi halten und sowohl seinem als auch seiner Jünger Beispiele folgen könnt. Denn aus Dem, was bisher erkläret worden ist, gehet deutlich hervor, daß eine solche Lebensweise, als unter euch in diesem Lande geführet wird, nie wahrhaft christlich war, noch jemals seyn wird.

[299] §. 5. Die beste Erhohlung der Christen ist: Gutes thun. Alle ihre Gebräuche bezielen Mäßigkeit und irgend einen wohlthätigen Zweck, der sich mehr oder weniger mit jeder Handlung verbinden läßt.[15] Z. B. wenn Männer und[WS 2] Frauen ihre Berufsgeschäfte fleißig wahrnehmen; religiösen Versammlungen beiwohnen; ihre gutgesinnten Nachbarn besuchen, um sich mit ihnen zu erbauen, und die bösartigen, um sie zu bessern. Wenn sie Sorgfalt auf die Erziehung ihrer Kinder verwenden; ihren Dienstboten mit guten Beispielen vorgehen; die Armen unterstützen; Kranke pflegen; Gefangene besuchen, zur Erleichterung ihrer unglücklichen Lage beitragen, und Ruhe und Frieden unter den Nachbarn zu befördern streben. Auch ist das mäßige Studium nützlicher und empfehlenswerther Künste und Wissenschaften, z. B. der Arithmetik, Geometrie, Mechanik, der Schiffahrtskunde, der Landwirthschaft, des Gartenbaues, der Arzneiwissenschaft, Naturkunde, u. dgl. ein angenehmes Vergnügen für das männliche Geschlecht, so wie für das weibliche Spinnen, Nähen, Stricken, Weberei, Gartenkunst, Einmachen der Früchte und andere nützliche Hausarbeiten, sehr angenehme Beschäftigungen sind, welche sogar die vornehmsten und edelsten Matronen und jungen Personen unter den Heiden trieben, die sich ein Vergnügen daraus machten, Andern, die aus Armuth keine Dienstboten halten konnten, in ihren häuslichen Beschäftigungen zu helfen, um ihnen ihre nothwendigen Arbeiten zu erleichtern. Das größte und wichtigste Vergnügen wahrer Christen bestehet aber [300] darin, daß sie sich oft von allen weltlichen Gegenständen zurückziehen, um, in geheimen und stillen Betrachtungen über das göttliche Leben und himmlische Erbe, daß Naheseyn des Herrn zu genießen. – Und dieses zu versäumen, um, unter dem Vorwande der Erholung, andern Vergnügungen nachzugehen, ist in der That höchst strafbare Lüsternheit und verwerfliche Ungottseligkeit.

Es ist eine sehr gewöhnliche, aber eben so nichtige Einwendung, wenn Einige sagen, daß sie sich doch nicht beständig mit ernsthaften Gegenständen beschäftigen könnten, und es ihnen daher nicht zu verargen sei, wenn sie sich die allgemein üblichen Zerstreuungen erlaubten. Denn ich frage, was sie denn eigentlich begehren? Was sie thun und haben wollen? Wer ein ordentliches Geschäft oder Gewerbe treibt, kann kaum Zeit finden, die Hälfte von Dem, was oben anempfohlen ist, zu thun. Und was Diejenigen betrifft, die nichts zu thun haben, – und daher auch gewöhnlich nichts thun, als, was das schlimmste von Allem ist, nämlich sündigen; – so habe ich ihnen ja eine Menge angenehmer, nützlicher und selbst ehrenvoller Beschäftigungen und Vergnügungen vorgeschlagen, unter welchen sie eine oder die andere wählen könnten. Allein das sind keine Erhohlungen für sie. Die Dinge, an denen sie das größte Behagen finden, sind: Schauspiele, Bälle, Karten, Würfel u. s. w., oder: Trinken, Schwärmen, Schwelgen und dergleichen, und zwar vom Morgen bis in die Nacht; ja, sie verwandeln die Nächte in Tage und verkehren die Ordnung der Natur, um ihre verderbten Neigungen zu befriedigen.[16] Und müßten sie nicht essen und schlafen, so würden [301] sie ohne Zweifel nie Zeit finden, von ihren eitlen Zeitvertreiben aufzuhören, bis der plötzliche Ruf des Todes sie aufforderte, in einer andern Welt zu erscheinen. Aber sonderbar ist es, daß diese Leute, die von ihrem Spieltische nicht aufstehen können, es unerträglich finden, und kaum für möglich halten, daß Jemand lange unter einer nützlichen Gemüthsübung oder in einer religiösen Versammlung aushalten könne.

§. 6. Aber wie glauben sie denn die unendliche Ewigkeit zubringen zu wollen? Denn „wie der Baum fällt, so wird er liegen.“[17] O! daß die Menschen sich doch nicht selbst betrügen, und ihre unsterblichen Seelen mit dem angenehmen, aber falschen und verderblichen Traume täuschen wollten, daß eine gewaltsame und unwiderstehliche Macht sie in dem Augenblicke, wo Leib und Seele geschieden werden, verändern und bekehren werde! Nein! meine Freunde! „Was ihr säet, das werdet ihr auch ernten.“[18] Habt ihr Eitelkeit, Thorheit, sichtbare Freuden, vergänglichen Genuß ausgesäet, so werdet ihr nichts Besseres als Verderben, Kummer, und peinliche Angst ewiger Verzweiflung ernten können. – Aber ach! was ist die Ursache der so allgemeinen Ausrede der Menschen, daß man doch nicht immer über geistliche Dinge grübeln müsse? Gewiß, sie ist keine andere, als weil sie die Freude und den Frieden nicht kennen, welche die Seele Desjenigen genießt, der beständig als in der Gegenwart Gottes redet und handelt. Dieses Gefühl des göttlichen Friedens übersteigt die eitlen Begriffe solcher Menschen, deren Verstand von der Herrlichkeit und den Freuden des Gottes dieser Welt verblendet und verfinstert [302] ist.[19] Daher bestehen auch ihre Religionsübungen bloß in einer leeren kraftlosen Wiederhohlung auswendig gelernter Worte. Denn wenn sie einen Schatz im Himmel hätten, so würde auch ihr Herz daselbst seyn, und sich mit dem Gegenstande ihrer größten Freude und Anhänglichkeit beständig beschäftigen. Und ich nehme keinen Anstand, gerade heraus zu erklären, daß diejenigen Menschen, denen dieses eine Last ist, und welche daher Erhohlungen in Schauspielen, Bällen, Spielpartien und andern Zeitvertreiben suchen, weder jemals die Freundlichkeit Gottes und seiner heiligen Wahrheit geschmecket haben, noch die Fähigkeit besitzen, dieselbe in einer künftigen Welt zu genießen. Denn, wie wäre es möglich, daß sie während einer ganzen Ewigkeit wahren Genuß und Befriedigung für ihren Geist in einem Gegenstande finden sollten, der ihnen in dem kurzen Zeitraume von dreißig oder vierzig Jahren schon so langweilig und unerträglich geworden ist, daß sie, um sich zu erhohlen, ihre Zuflucht zu den geringfügigen Tändeleien und Zeitvertreiben dieser vergänglichen Welt nehmen müssen. Wahrlich! Diejenigen, welche glauben; „daß sie einst von jedem unnützen Worte Rechenschaft geben müssen,“[20] dürfen keine Belustigungen aufsuchen, um muthwillig eine Zeit zu vertreiben, die sie mit allem Fleiße zu erkaufen angewiesen sind. O! wenn die Menschen bedächten, daß sie nichts Geringeres zu thun haben, als „ihren Beruf und ihre Erwählung fest zu machen;“[21] so würden sie weniger bemühet seyn, immer neue Erhohlungen für ihre leeren Seelen zu erfinden, und ihnen Tage, Monate [303] und Jahre zu widmen, während sie nicht den vierten Theil ihrer kostbaren Zeit auf die wichtigste Angelegenheit ihres Lebens, auf die Errettung ihrer unsterblichen Seelen, verwenden, wozu dieselbe ihnen doch gegeben wird.

§. 7. Es ist gewiß nicht nöthig, durch eitle Ergötzlichkeiten eine Zeit zu vertreiben, die an sich schon so schnell verstreicht, und welche, wenn sie einmal entflohen ist, Niemand zurückrufen kann. Schauspiele, Bälle, Concerte, Lustpartien, Romane und dergleichen nutzlose Unterhaltungen, womit so Viele, die ihnen ergeben sind, ihre edle Zeit hinbringen, werden am Tage der Qffenbarung des gerechten Gerichts Gottes ihnen nur zu ihrer Verdammniß gereichen. Diese Dinge, o! meine Freunde! sind Erfindungen eines Geistes, der gleich im Anfange den Geschmack an dem entzückenden Genusse der heiligen Gegenwart Gottes verlor. Und wollten diesem zufolge die Menschen nur die große Zufriedenheit und sichere Belohnung, welche ein allgemein wohlthätiges und tugendhaftes Leben sowohl in dieser Welt begleiten, als auch in der künftigen erwarten, in gehörige Erwägung ziehen, und sich dadurch von ihren eitlen, fruchtlosen Erhohlungen und Zeitvertreiben entwöhnen lassen; so würden sie finden, daß jene bereits erwähnten, vortrefflichen und der Neigungen vernünftiger Wesen würdigen Beschäftigungen, mehr als hinreichend wären, ihre Nebenstunden auf eine Art auszufüllen, die nicht nur ihnen selbst, sondern auch Andern, edles Vergnügen, angenehme Unterhaltung und wahren Nutzen gewähren würde. Auch kann das hier Gesagte nur solchen Menschen mißfallen, die nicht wissen, was es heißt: mit Gott wandeln, sich [304] auf die ewige Wohnung vorbereiten, das Gemüth mit wahrhaft guten, himmlischen Gegenständen beschäftigen und den Beispielen der Gläubigen einer glücklichen Vorzeit nachstreben. Es kann nur Solchen zuwider seyn, welche von der Lehre, von dem Leben, dem Tode und der Auferstehung Christi keine wahre Erkenntniß haben, und deren Gemüther nur auf sinnliche Gegenstände gerichtet sind, von denen sie hingerissen, getäuscht und ins Verderben gezogen werden. Ja, es kann endlich nur Denen verächtlich und anstößig vorkommen, die den Himmel verachten und die unsichtbaren, aber ewig dauernden Freuden des Geistes, dem Genusse einiger armseligen, vorübergehenden Ergötzungen der Sinne aufopfern. Läßt sich von Solchen wohl sagen, „daß sie in Jesum Christum, in sein heiliges Leben, in seine schmerzhaften Leiden, in seinen schmachvollen Tod getauft, und mit ihm zu einem Verlangen nach unsterblichen Genüssen, zu himmlischen Betrachtungen, zu einem neuen göttlichen Leben erwecket und auferstanden sind? daß sie in der Erkenntniß der göttlichen Geheimnisse und in der Heiligkeit wachsen, bis sie zu der völligen Größe Christi hinankommen, und Ihm ähnlich werden, der das große Muster Aller ist?“[22] Ich sage, ob diese nothwendigen Eigenschaften eines Christen bei ihnen anzutreffen sind, und was sie davon erfahren haben, möge, nach ernster Untersuchung und kalter Ueberlegung, ihr eigenes Gewissen ihnen beantworten.

§. 8. Die große Liebe, mit welcher die Menschen an eitlen Moden und Zeitvertreiben hängen, beweiset aber [305] nicht allein ihren Weltsinn und ihren Mangel an Kenntniß göttlicher Freuden; ihre Nachahmung jener schädlichen Erfindungen und ihr häufiges Besuchen der Belustigungsörter verhindert sie auch an vielem Guten, das sie thun könnten, und öffnet ihnen die Thür zu vielem Bösen, wozu sie sich verleiten lassen. Erstlich verlieren sie eine kostbare Zeit, die auf dem Sterbebette eine ganze Welt aufwiegen würde; dann verschwenden sie das Geld, welches zu bessern und gemeinnützigen Zwecken hätte verwendet werden können. Sie lernen Vergnügen an Dingen finden, die ihnen zur Schande gereichen; sorgen nur für die Befriedigung ihrer verderbten Neigungen, und verhärten ihre Gemüther gegen die Eindrücke himmlischer Dinge, indem sie dieselben beständig mit Gegenständen der Thorheit beschäftigen. Vom Stolze und von der Prachtliebe geblendet, legen sie einen so hohen Werth auf die Kleidung, – die doch nur zur anständigen Bedeckung der Blöße dienen sollte –, daß sie oft das edelste Geschöpf Gottes vernachläßigen und verachten, indem sie den Menschen bloß nach der Pracht und dem modigen Zuschnitte seiner Kleider beurtheilen und schätzen, woraus dann ganz natürlich das Ansehen der Person entspringt. Dieses ist so klar, daß Jemand, der es leugnen wollte, auch eben so leicht die Abwesenheit der Sonne am hellen Mittage behaupten könnte. Denn was ist gewöhnlicher und weltkundiger, als daß die Menschen mit ihren Komplimenten, Verbeugungen und Anreden sich nach dem mehr oder minder prächtigen Anzuge der Personen richten, mit denen sie zusammentreffen; wiewohl dieses in den Augen Gottes höchst mißfällig und in der heiligen Schrift [306] so ausdrücklich verboten ist, daß Diejenigen, die es thun, als Uebertreter des göttlichen Gesetzes betrachtet und folglich auch als Solche bestraft werden.[23] Und was für nachtheilige Folgen haben nicht ferner noch diese Ausschweifungen in allerlei Zerstreuungen und Belustigungen, sowohl hinsichtlich des Vermögens als auch der Moralität der Menschen? Wie oft werden nicht bei solchen Gelegenheiten die Geschäfte vernachläßigt, junge Mädchen verführt, die Bande der Ehe verletzt? Was für Zank und Mißhelligkeiten richten sie nicht in Familien an? und wie oft veranlassen sie nicht Trennungen unter Eheleuten, Enterbungen, Dienstentlassungen u. s. w. Wie häufig werden nicht deshalb die Dienstboten wie Sklaven behandelt, und die Kinder ganz vernachläßigt? Auch ist nicht selten die ausschweifende und unmäßige Lebensart der Männer Schuld, daß sie ihre Frauen geringachten und schändlich mißhandeln, welche dann oft deshalb zu gleichen Ausschweifungen schreiten, oder eine so ungerechte Behandlung sich so sehr zu Herzen nehmen, daß sie ihre Tage in Kummer und Elend hinbringen. Unter allen jenen unglücklichen Erfindungen der Ueppigkeit sind jedoch die Schauspiele, diese Schulen der Verführung, die verderblichsten; da sie das Laster reitzend darstellen, und fast immer, wo nicht von offenbar schmutzigen und schändlichen, doch von zweideutigen, schlüpfrigen und läppischen Dingen handeln, die, wie allgemein bekannt ist, einen sehr schädlichen Einfluß auf die Zuschauer, und vornehmlich auf die so leicht empfänglichen Gemüther der Jugend haben. Allein, so klar es auch am Tage liegt, daß kaum feinere und hinreißendere Verführungsmittel, [307] als die Schauspiele sind, für den Leichtsinn der Menschen hätten erdacht werden können; – wie sich aus dem Folgenden auch noch deutlicher entwickeln wird; – so werden, dessenungeachtet, die der Tugend so gefährlichen Theater noch immer unterstützt und unterhalten. Und gewiß, nur das außerordentliche Vergnügen, welches die Menschen darin finden, kann ihre Augen so sehr verblenden, daß sie das Schädliche derselben nicht einsehen.

§. 9. Auch erzeugen diese Zerstreuungsmittel eine gänzliche Abneigung gegen ernste und gründliche Betrachtungen religiöser Gegenstände; indem sie die Gemüther der Menschen mit Rückerinnerungen an die verschiedenen abenteuerlichen Begebenheiten, mit denen sie unterhalten wurden, unaufhörlich erfüllen, und dadurch, besonders bei jungen Leuten, die Einbildungskraft erhitzen und die Leidenschaften aufregen. Die andern gewöhnlichen Belustigungen, nämlich die Bälle, Gastereien, Spiele, u. dgl. haben oft ähnliche nachtheilige Folgen, wie die vielen Zänkereien und Feindseligkeiten, Zweikämpfe, Zeit- und Vermögensverschwendungen, u. s. w. die sie nicht selten veranlassen, leider überflüssig beweisen. Kurz, es sind Gebräuche, die unter den Heiden, die Gott nicht kannten, nie aber unter den Gläubigen, die ihn fürchteten, üblich waren. Selbst die Bessern unter den Heiden, z. B. Anaxagoras, Sokrates, Plato, Antisthenes, Heraklit, Zeno, Aristides, Kato, Cicero, Epiktet, Seneka, und Andere, haben in ihren Schriften ihren Abscheu vor solchen Dingen an den Tag gelegt, die ihnen hassenswürdig waren, und sowohl gegen die Ehre des unsterblichen Gottes, als auch gegen alle gute Ordnung [308] in den Regierungen zu streiten schienen; weil sie zur Ungebundenheit, zum Müßiggange, zur Unwissenheit und Weichlichkeit, den giftigen und ansteckenden Seuchen der Staaten und Reiche, führen. Aber so groß ist die Anmaßung der leichtsinnigen Menschen unsers Zeitalters, daß sie sich beinahe schon für Heilige halten, wenn sie sich von solchen groben Lastern und Verbrechen frei wissen, die das Gesetz mit Gefängnißstrafe belegt. Ihre Gemüther sind von der vermeinten Unschuld ihrer gewöhnlichen Ausschweifungen so eingenommen, daß sie sich ihnen ganz hingeben, und um bessere Dinge sich wenig bekümmern. Dies macht sie so kühn in ihrer Vertheidigung derselben, und so entschlossen, keinen Gedanken dagegen einzulassen. Und was hat dieses für einen Grund? – Die Freiheit, in der sie leben, behagt ihrer Sinnlichkeit; sie befriedigt das lüsterne Auge und den verwöhnten Gaumen der verderbten Natur. Daher halten sie es schon für etwas Lobenswerthes, wenn Jemand in seinen Genüssen sich auf das Beispiel der Thiere beschränkt, die nur das zu sich nehmen, was die Natur fordert; wiewohl selbst die Anzahl Derer, die so denken, nur gering ist. So sehr haben Viele in unsern Tagen sich der Unmäßigkeit ergeben, daß sie keine andere Richtschnur für ihre Handlungen, als ihren eigenen Willen anerkennen, und wenn sie es hoch bringen, einen Ruhm darin suchen, daß sie sich keiner der niedrigsten Laster schuldig gemacht haben. Diesen kann man ihnen auch in der That zu einer Zeit nicht absprechen, wo keine Handlung so abscheulich seyn kann, daß nicht Einige sie dennoch für erlaubt hielten. Indessen ist es gewiß doch immer ein Beweis allgemein herrschender Ruchlosigkeit unter den Einwohnern eines Landes, [309] wenn Jemand bei ihnen schon für tugendhaft, ja, für einen Christen gilt, und sogar im Rufe nicht geringer Frömmigkeit stehet, sobald man ihm nur keine solche Laster vorwerfen kann, als selbst die Heiden verabscheuen. Welch ein trauriges Zeichen der Verderbtheit eines Landes! Aber wie groß muß nicht die Verblendung seyn, wenn Leute, die sich für gläubige Christen halten, dieselben Gebräuche, welche von denen, die sie Ungläubige nennen, als schändliche Dinge verworfen werden, nicht für das erkennen können oder wollen, was sie wirklich sind, sondern ihnen die schönen Namen: Anstand, Artigkeit, guter Ton, Erhohlung, u. dgl. beilegen. Aber, meine Freunde! gesetzt auch, es gäbe keinen Gott, und weder Himmel noch Hölle; keine Beispiele heiliger Menschen; keinen Herrn Jesum Christum, dessen Kreuze wir uns unterwerfen, und nach dessen Lehre und Leben wir uns richten müßten; würde es nicht dennoch immer eine edlere Beschäftigung und weit würdigere Verwendung unserer Zeit und unseres Geldes seyn, wenn wir Mildthätigkeit gegen Arme ausübten, Dürftige und Verlegene unterstützten, Frieden und Eintracht unter Nachbarn zu befördern strebten, Kranke besuchten, der Wittwen und Waisen uns annähmen, und andere schon gedachte gute Handlungen verrichteten, statt eitlen Belustigungen und Zerstreuungen nachzugehen? Es läßt sich in der That auch nicht denken, daß auf dem Wege zur Seligkeit eine solche Verschiedenheit sinnlicher Genüsse sollte anzutreffen seyn, als die mehrsten Menschen sich erlauben; denn sonst müßte wirklich ein überzeugtes Gewissen, ein geängstigter Geist, ein zerschlagenes Herz, eine wiedergeborne Seele, mit einem Worte, die Unsterblichkeit [310] selbst eine bloße Erdichtung seyn, wie Einige behaupten wollen, und Andere daher auch geneigt sind zu glauben.[24] Nein! solche weltliche Freuden finden im Reiche Gottes nicht Statt, und müssen daher aus dem Gebiete des Christenthumes auf immer gänzlich verwiesen werden. Denn ich behaupte, daß sie für Jeden, der Gott in seinem Innern kennt, und ein Gefühl von seiner beseligenden Gegenwart hat, ein wahrer Tod sind. Ja, sie sind auch gefährlicher und mehr geeignet, das Gemüth von den Beschäftigungen mit göttlichen Gegenständen abzuziehen, als die gröbern Ausschweifungen, deren Abscheulichkeit leichter in die Augen fällt, und welche daher auch den Vielen schon durch Hülfe ihrer Erziehung und gewohnten Mäßigkeit, oder aus natürlichem Widerwillen verabscheuet werden; so wie sie auch, wenn sie begangen sind, allezeit einen ihnen angemessenen hohen Grad der überzeugenden Unruhe und Bestrafung mit sich führen. Die vorgeblich unschuldigen Vergnügungen, diese vermeinten unschädlichen Erheiterungen hingegen, schleichen sich unmerklich in das Gemüth ein, und können eben deshalb desto zerstörender um sich greifen. Denn da sie die Sinne sanft ansprechen, so gewinnen sie auch leicht Eingang, und jemehr sie den Anschein der Unschuld haben, desto stärker fesseln sie die Gemüther durch Allgemeinheit des Gebrauchs, bis die Menschen, durch öftern Genuß, sich so sehr daran gewöhnen, daß sie gegen die üblen Folgen derselben ganz unempfindlich [311] werden, und, mit festem Vertrauen auf ihre Unschädlichkeit, sie sogar in Schutz nehmen.

§. 10. Da nun aber eine solche Lebensweise, die nach den Erfindungen der Sinnlichkeit geführt wird, keinesweges mit der Selbstverleugnung übereinstimmt, sondern im Gegentheile bloß die Befriedigung der Augenlust, der Fleischeslust und des hoffärtigen Lebens zum Ziele hat, und die Gemüther der Menschen mit Dingen beschäftigt, die sie für den Genuß wahrer himmlischer Freuden ganz untüchtig machen; so sei es Allen, die solchen Dingen ergeben sind, hierdurch kund, daß das göttliche Leben und die Freuden des Christen von ganz anderer Art als die Freuden der Welt sind, wie auch bereits oben erklärt worden ist; daß die wahren Jünger Jesu allen Gegenständen und Beschäftigungen der Welt, die ihre Gemüther von Gott abziehen, gekreuziget werden, und daß ihre Neigungen auf erhabenere, geistige Gegenstände gerichtet sind; so, daß sie die Dinge dieser Welt, selbst in ihren unschuldigsten Genüssen, gebrauchen, als gebrauchten sie dieselben nicht. Wollen sie sich aber irgend ein Vergnügen machen, so finden sie dasselbe in solchen guten Handlungen, wie wir oben bemerkt haben, die auf eine oder die andere Art Andern zur Wohlthat gereichen, wodurch Gott über Alles Sichtbare geehret, dem Lande ein Dienst geleistet, oder das gemeine Wohl befördert wird. Auf diese Weise geben sie Andern ein gutes Beispiel, leben selbst in dieser Welt glücklich, und hinterlassen der Nachwelt eine angenehme Erinnerung; indem sie das Sichtbare und Vergängliche mit einer gegründeten Hoffnung verlassen, daß ihnen zur rechten Hand Gottes ewige Freude und Wonne zu Theil [312] werden wird. Und was kann wohl ehrenvoller, sicherer und glücklicher seyn, als ein solches Leben und Ende?

  1. Die ausschweifenden Moden, eitlen Gebräuche und Vergnügungen des gegenwärtigen Zeitalters, sind, ebensowohl als jene der damaligen Zeit, dem Strafgerichte Gottes ausgesetzt, welches über England und Europa schwebt, und über ihre empörischen Bewohner hereinzubrechen drohet.
  2. Mit wohlriechenden Sachen angefüllte und zur Zierrath anghängte Kapseln.
  3. Schürzen von feiner Leinwand.
  4. Feine dünne und leichte Kleider, mit welchen Staat gemacht wurde.
  5. Jes. 3, 16–23.
  6. Ezch. 27.
  7. Zeph. 1, 8.
  8. Matth. 6, 31. 32. 33.
  9. Luk. 12, 22–30.
  10. 1 Tim. 2, 9. 10.
  11. Es ist bemerkenswerth, daß der Apostel hier nur von dem weiblichen Geschlechte redet, als ob eitler Putz dem männlichen nicht eigen wäre. Möchten sie dieses doch beherzigen!
  12. 1 Petri. 3, 3. 4. 5.
  13. 1 Tim. 5, 6.
  14. Philipper 3, 20. Kolosser 3, 2. Römer 13, 13. Epheser 5, 3. 4. Kap. 4, 29. Römer 13, 14. Eph. 4, 30. Kap. 5, 1. 15. 16.
  15. 1 Petri 1, 15. Ebr. 10, 25. 1 Petri 4, 9–11. Matth. 25, 36. 37. Phil. 2, 4. Eph. 4, 8. 1 Mose 5, 24. Ps. 1, 2. Ps. 119, 15. Ps. 143, 5.
  16. Amos 6, 3–8.
  17. Pred. Sal. 11, 3.
  18. Gal. 6, 4–9. Eph. 5, 6.
  19. Eph. 4, 18. 19. 20. Röm. 10, 8.
  20. Matth. 12, 26.
  21. 2 Petri 1, 10.
  22. Röm. 6, 3–8. 1 Kor. 12, 13. Gal. 3, 27. Kol. 2, 12. 13. Eph. 4, 13.
  23. Jak. 2, 1–10.
  24. Spr. Sal. 18, 14. Ps. 51, 17. Matth. 5, 4. Luk. 6, 25. Röm. 2, 7. Ps. 40, 8. Röm. 7, 22. Ebr. 11, 13–16. Röm. 1, 25–30

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: fehlende Buchstaben ergänzt.
  2. Vorlage: nnd.
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