Osterglocken (Felix Dahn)

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Autor: Felix Dahn
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Titel: Osterglocken
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 269
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Osterglocken.
Nachklang der Ostern: Königsberg 1880.


Selten läuten hier die Glocken
      In der Protestantenstadt:
So ist fast mein Herz erschrocken,
      Als es heut’ vernommen hat
            Feierlich, mit tiefem Hall,
            Osterglocken, euern Schall!

Osterglocken, Faust’sche Klänge!
      Wie ihr schlaget an mein Ohr,
Mahnt ihr mich der Weihgesänge
      Von Alt-Münchens Oster-Chor,
            Wann euch trug der Märzenwind
            Zu dem ahnungsfrommen Kind.

Ueber Wipfel in dem Garten
      Hört’ ich leis die Klänge nahn,
Und mein gläubiges Erwarten
      Sah die Himmel aufgethan:
            Im Gewölk von Gottes Thron
            Nieder stieg des Menschen Sohn.

Ach, die Ulmenbäume ragen
      Wohl noch dort im Märzenwind,
Und Sanct Ludwig’s Glocken schlagen
      Noch wie damals voll und lind:
            Doch vernähm’ ich auch den Schall,
            Fänd’ er andern Widerhall. –

Andrer Ostern denk’ ich heute:
      An der blauen Adria
Ueber Pinien ihr Geläute
      Sandte die Basilika,
            Leise Klänge, todesmatt.
            Aus der Gothen Königsstadt.

Aus Ravenna kam’s gezogen
      Feierlich wie Grabgesang,
Und des Meeres leise Wogen
      Stimmten ein wie Klageklang:
            Dein gedacht’ ich, Held von Bern,
            Schöner, lang erloschner Stern.

Arme Menschheit! Was verloren,
      Bringt kein Ostern dir zurück.
Nie wird wieder dir geboren
      Todtes Leben, todtes Glück:
            Schönheit, Tugend, Weisheit, Kraft,
            Die der Tod dahin gerafft.

Arme Menschheit! All dein Sehnen:
      Leben, Wärme, Freude, Licht;
In des Leichenzuges Thränen
      Läßt du von der Hoffnung nicht:
            Ach, dein Lebensdrang so groß –:
      Und Vernichtung doch dein Loos!

Osterglocken, schönste Klänge
      Des Unsterblichkeitsgedichts!
Schwingt euch, ihr Triumphgesänge,
      Durch das Meer des Frühlingslichts!
            Kündet – wohl ist es gethan –
            Laut der Menschheit Trost und – Wahn!

Denn sie kann ihn nicht entbehren;
      Selbst erquickt durch diesen Traum
Mag ertragen sie die schweren
      Lasten ihres Looses kaum:
            Löscht im finstern Schachte nicht
            Ihr das letzte Grubenlicht!

Nahet doch der armen Erden
      Einst der letzte Ostertag,
Der noch mag gefeiert werden
      Mit der Glocken hellem Schlag:
            Denn die nächste Wiederkehr – –:
            Menschen findet sie nicht mehr.

Ausgeglüht hat dann die Sonne,
      Die geglänzt Aeonen lang:
Ausgeglüht in Weh und Wonne
      Auch der Menschheit Lebensdrang,
            Und in Nacht, in Eis, in Schmerz
            Brach das letzte Menschenherz.

Auch dies letzte wird noch wähnen,
      Daß es wieder weiter schlägt,
Daß ein andrer Stern sein Sehnen
      Fluthend durch die Himmel trägt:
            Aber schweigend durch das All
            Kreist der ausgestorbne Ball.

Niemand ahnt dann mehr, welch’ Leben
      Einst auf dieser Scholle schwoll:
Unser Jauchzen, Weinen, Streben
      Spurlos, zeugnißlos verscholl,
            Und in ew’ges Schweigen lang
            Schwand der Osterglocken Klang.

Felix Dahn.