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die autobiographischen Projekte, aus denen Weißkunig und Teuerdank hervorgingen, sind deutlich bezeichnet. Wenn es damals schon einen poetischen Teuerdankentwurf in deutscher Sprache gab, so wird die Vermutung nicht zu kühn sein, daß Celtis hier wie bei der Böhmenschlacht selbst diese Stoffe für solche „arithmarii“ zu hoch fand und der humanistischen Poesie seiner Sodalen vorbehalten wissen wollte. Bei Maximilian haben diese Gedanken noch spät Widerhall gefunden, aber Celtis hat hier so wenig wie anderswo sein Versprechen erfüllen können. Er wäre auch kaum der richtige Mann dazu gewesen, wenn er den ganzen Stoff so zu behandeln gedachte, wie die Heiligen des Hauses Österreich, deren Reihe er mit dem Pfaffen vom Kahlenberg und Neithardt von Reuental verzierte.[1]

Aber vielleicht hat er doch eine wichtige Anregung gegeben. Es gibt einen Stammbaum der deutschen Kaiser, den auf sein Betreiben um diese Zeit der Franziskaner Nikolaus Glaßberger zusammenstellte, und hier scheint sich eine Art Ausführung der Idee einer großen deutschen Kaiserfamilie, vielleicht auch eine direkte Anknüpfung der Habsburger an die Frankenkönige zu finden.[2] Wie das dem phantastischen Geiste Maximilians entgegenkam, wird sich zeigen. Man sieht aber auch wohl, wie nun eine Brücke von diesen genealogischen Hypothesen zur Germania illustrata herüberführte, und Celtis hat, trotz der Trojanerfabeln, nicht gezögert sie zu benutzen.

Der eigentliche Historiograph Maximilians war damals Ladislaus Suntheim, ein Priester aus Ravensburg.[3] Er gehört der älteren Generation an; als Celtis eben geboren war, war er schon Student in Wien und ist unter den Einflüssen der alten Bildung aufgewachsen. Im Kreise der Celtisschule muß er sich wie eine unscheinbare Raupe unter bunten Faltern ausgenommen haben, aber „pfaff Lasla“ galt etwas bei den Poeten, sie wußten, daß er „Historien und neue Dinge“ aufzuspüren verstehe,[4] und im September 1502 finden wir ihn mit Celtis bei Trithemius, sicherlich auch um solch neuer Dinge willen.[5] Damals mag Celtis genauere Kunde von den Sammlungen Suntheims erhalten haben und er fand, daß hier ein Helfer für seine eigenen Pläne sein könne. Doch Suntheim wies ihn ab, „er habe sich nichts verpflicht mit dem Celtis zu machen“, schrieb er nach Wien, „wann er der newen historien nicht underricht ist, insunder was kunig, fursten und herrn antrifft“.[6] Wir wissen, daß Suntheim damit Recht hatte. Celtis war kein Freund historischen Detailwissens und auch das Handschriftenstöbern hatte ihm keine Sicherheit in der Unterscheidung der Zeiten gegeben. Was weiter zurücklag, das erschien


  1. [271] 31) Die beiden Gestalten haben, allerdings nicht in solcher Umgebung, auch sonst bei den Humanisten Gnade gefunden, Bartholinus erwähnt sie im Hodoeporicon und Althamer den Neydhardus Francus eques nobilis im Tacituskommentar von 1536 S. 39. S. auch Aventin, Chronik (WW. V, 423) und w. u. die Bemerkungen über Suntheim. Über die damals übliche Verwechslung Neithardts mit Neithart Fuchs s. Bobertag, Narrenbuch (in Kürschners DNL) XI; dazu das Epigramm des Celtis im Serapeum XI, 80.
  2. [271] 32) cod. vindob. 12919 enthält nach dem Katalog folgendes: Rotula vel volumen antiquorum in modum, ’Stemma imperatorum Romanorum’; imperatorum a Carolo Magno usque ad Maximilianum I. prologo et epilogo hexametricis ornatum. Prologus incip.: ’Hec stirps francigenam Regni dum strinxit habenam...’ Et expl.: Successit primus Cunradus nominis huius. In tergo rotulae ’Stemma regum Francorum a Carolo Martello usque ad Carolum Magnum’. Epilogus incip.: In duo diuisa troiana propago parente... ’Et expl.: Stirps diuisa prius iungitur arte sua.’ Ad calcem legitur ’Regie Maiestati (sine dubio Maximiliani I.) ad instantiam Conradi Celtis frater Nicolaus Glasperger Moravus ordinis Minorum de observancia hanc rotulam propria manu scripsit et congessit’. – Es wäre wichtig, das Stück datieren zu können. Leider ist mir das nicht möglich. Glaßberger [272] ist uns wohl bekannt als Verfasser einer wichtigen Ordenschronik [gedruckt Analecta Franciacana II], die 1508 geschrieben zu sein scheint. Die Bekanntschaft mit Celtis kann er in Nürnberg gemacht haben, wo er Beichtvater der Nonnen von St. Klara war. Vielleicht ergibt die Hs. selbst weiteres. Gottlieb, Ambraser Hss. I, 137 bezeichnet sie als Stammbaum Maximilians I. Ich bemerke noch, daß Celtis noch im Ludus Dianae (1501) von den Habsburgern sagt: gens Aventino sanguino nata. Wenn also die Hs. eine Frankengenealogie der Habsburger enthält, muß sie jünger sein.
  3. [272] 33) S. über ihn Heyd in ADB. XXXVII, 161 ff. und Anton Mayer, Gesch. d. geist. Kultur in Niederösterreich 225.
  4. [272] 34) Michael Styrus Transsylvanus an Celtis 1498 bei Aschbach, Gesch. d. Wiener Universität II, 377.
  5. [272] 35) Trithemius, Chronicon Sponheimense (Opp. II, 416): Eodem etiam anno in octavo S. Laurentii martyris (17. aug.) dominus Johannes Trithemius abbas maiorem campanum ante decennium confractum denue maioremque, quam prius erat, fieri fecit, quindecim centenaria aeris optimi appendentem, quam postea in die Cosmae et Damiani (27. sept.) per se solenniter benedixit Conrado Celte Protucio poeta laureato et Ladislao de Sontheim historiographo, oratoribus Maximiliani regis Romanoram ad ipsum Trithemium in quodam negocio missia, praesentibus. – Dazu die archivalische Notiz bei Gottlieb l. c. I, 506.
  6. [272] 36) Suntheim an Matthäus Lang 1503 nov. 20 im Jb. d. kunsthistor. Sammlungen d. allerhöchsten Kaiserhauses V, 2 Regesten nr. 4491.