Panama (Meyer’s Universum)
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Die Bucht des stillen Oceans, in deren Hintergrund das heutige Panama liegt, wird von einer Gruppe kleiner Eilande und einem bewaldeten Vorgebirge gebildet, welches sich ziemlich steil zum Meere abdacht. Ein Streifen ebenes Land, dem Strande entlang, gibt Raum für die Stadt und die nächsten Weiler. Landeinwärts erhebt sich das Terrain, anfangs ziemlich schroff, bis zu dem Plateau auf dem Rücken des Isthmus, von dem die Quellen der Küstenflüsse nach beiden Oceanen in tief eingeschnittenen Rinnsalen abfließen.
Der Hafen von Panama würde vortrefflich seyn, wenn die vielen Felsblöcke und Gerollbänke entfernt worden wären, die zur Ebbezeit das Bassin unsicher machen. Größere Schiffe von ansehnlichem Tiefgang müssen daher außerhalb der Barre vor Anker gehen. Panama ist, so lange die Fremden fehlen, ein trister, stiller Ort. Trotz der für den Zwischenhandel so bevorzugten Lage, die, von Kapital und Unternehmungsgeist benutzt, Panama mit Reichthümern anfüllen würde, beschränkt sich der Verkehr zur Zeit noch ausschließlich auf die Befriedigung der Bedürfnisse der Reisenden, welche die Dampfer aus Kalifornien und den südamerikanischen Plätzen (Callao, Valparaiso etc.) bringen, oder die die Eisenbahn von Aspinwall-City über den Isthmus aus dem Osten herbeiführt, und deren Aufenthalt in Panama gewöhnlich ein bis zwei Tage dauert.
Das wird aber bald anders werden. Die Ansiedelung von Kapital und Unternehmungsgeist kann nicht ausbleiben, obschon das Klima, welches die Bevölkerung beständig decimirt, wohl geeignet wäre, sie zu hindern, wenn überhaupt die Gewinnsucht der Menschen ein solches Hinderniß scheute. Die niedrige Lage der Stadt setzt sie bei hoher Springfluth der Ueberschwemmung aus; das Wasser bleibt in den vielen Vertiefungen am Strande, als Lache, stehen, die Bäche und Quellen, welche von den Höhen herabrieseln, versumpfen die Meerufer, und alle diese Ursachen, [70] verbunden mit den Wirkungen der tropischen Sonne (die Hitze erreicht öfters 35° R. im Schatten!), machen Panama zum Heerde von tödtlichen Fiebern, und haben es in Verruf gebracht. Die einheimische Bevölkerung trägt die Spuren des ungesunden Klima’s schon an ihrem Aussehen. Es ist eine magere, schwächliche, kränkliche Raçe, und für den Fremden ist der Aufenthalt so gefährlich, daß sich Jeder bestrebt, ihn so sehr als möglich abzukürzen. – Panama ist jetzt ein offener Ort; früher war es befestigt; von einer starken Umfassungs-Mauer mit Bastionen sind noch Fragmente vorhanden. Die übrigen Fortifikationen sind bis auf das verfallene Kastell verschwunden. Sie haben großentheils das Material zu den neuen Bauten am Hafen hergegeben, welche das Bedürfniß des Transits, bei der wachsenden Frequenz des Platzes, nothwendig machte. Am Hafen stehen jetzt Magazine und Hotels, wo früher Wälle und Schanzen zu sehen waren. Von der ehemaligen Batterie, die den Hafen vertheidigte, ist bloß noch eine große Kanone übrig geblieben, über welche eine Flagge mit dem Wappen von Neugranada weht. Jenes Prachtstück, dessen eherner Mund die Grüße der kommenden und abfahrenden Dampfer mit 21 Schüssen zu erwiedern hat, verrichtet sein Amt mit spanischer Grandezza in langen feierlichen Pausen, und wenn es einige Schiffe auf einmal in Anspruch nehmen, so bleibt es ben ganzen Tag über in Thätigkeit.
Das Innere der Stadt läßt die bescheidensten Erwartungen unerfüllt. Es ist ein Bild großer Vernachlässigung. Einige Amtsgebäude und Klöster aus den Zeiten der spanischen Herrschaft stehen leer, oder dienen zu Speichern; die Straßen, obschon regelmäßig angelegt, sind sehr schlecht unterhalten und voller Schmutz; von der wegen ihrer Trägheit eben so sehr als um ihrer Prellerei willen verrufenen Bevölkerung sieht man wenig. – Die Häuser, welche gewöhnlich nur 2 Etagen haben, sind unansehnlich; ihr Baustyl macht nicht im Entferntesten Anspruch auf Schönheit, einige Hotels ausgenommen, welche der neuesten Zeit angehören und von nordamerikanischen Unternehmern aufgeführt wurden. Die untern Geschosse sind massiv, die obern von Holz; Balkone, grünbemalte plumpe Holzgitter, verunstalten die Fronten. Desto anspruchvoller kündigen die Bewohner ihre Gewerbe an. Riesenhafte Tafeln in schreienden Farben mit prahlenden Aufschriften nehmen die ganze Breite der Häuser ein, und als wäre das nicht genug, um die Aufmerksamkeit der Vorübergebenden zu erlangen, so strecken sich auch noch buntbemalte Breter quer in die Straße hinaus, deren Legenden den Reisenden in allen Sprachen verkündigen, wer in dem Hause wohnt und welchen Handel, welches Handwerk, oder welche Kunst da getrieben wird. Nirgends in der Welt versteht der Boutiquier die Reclame besser, als in Panama und nirgends weiß man mehr aus Nichts Etwas, aus Etwas sehr viel zu machen. Die großen Niederlagen, von welchen die Schildaufschriften reden, verschrumpfen, sobald man ihre Schwelle betritt, in kleine Läden, deren öfters geringe Waarenverräthe überdies allen Geschmacks in der Anordnung entbehren. Eleganz und Luxus in der Einrichtung sind [71] nirgends zu sehen. Die Preise hingegen sind nicht für eine ständige Kundschaft, sondern für die Zugvögel berechnet, welchen in Panama Jedermann Sprenkel und Leimruthen stellt, um so viel ihrer goldenen Federn, als nur immer möglich ist, auszurupfen. Alle Preise sind 3–6mal so hoch, als in New-York oder New-Orleans, oft sogar höher als in San Francisco. Namentlich sind die gewöhnlichen Reisebedürfnisse und frischen Lebensmittel unglaublich theuer und die Forderungen für jede Dienstleistung oder Handarbeit stehen damit im Verhältniß. Der Neger, welcher einen Fremden mit seinem Gepäcke im Nachen von dem Dampfer zum Kay fährt, eine Strecke von 60, höchstens 100 Schritten, verlangt 25 fl. oder 10 Piaster; der Lepero, welcher Dich mit Deinem Mantelsack vom Kay zum Hotel bringt, fordert 2 Piaster, und findest Du die Preise unverschämt, und macht den Versuch, sie zu ermäßigen, so versichert der Gauch, er habe sich geirrt und einen Piaster zu wenig gefordert.
Panama stand ehedem im Geruch großer Frömmigkeit; daher die Menge der Kirchen. Die ansehnlichste ist die Kathedrale, ein großes Gebäude mit 2 Thürmen, im Zopfstyl der Jesuiten. Seit der Revolution ist aber der kirchliche Sinn gesunken, die Jesuiten sind vertrieben, die Klöster geschlossen, und in manchen Kirchen wird nicht einmal mehr Messe gelesen. – Die leere, hohle Phrase des Glaubens ist in Mißachtung gekommen, und die Priesterschaft, die noch vor 50 Jahren in Panama allgewaltig war, hat ihren Einfluß fast ganz verloren. Besseres ist je doch nicht an dessen Stelle getreten. Panama ist wegen seiner Sitten fast in so üblem Ruf, als wegen seines Klima’s. Vom frühern Charakter des hiesigen Lebens ist wenig übrig. Der spanische Typus verwischt sich mehr und mehr, überall sieht man die Fußtapfen des eingedrungenen Yankeethums, überall begegnet man den modern-europäischen Trachten und Sitten, und hört die Sprachen der halben Welt in babylonischer Verwirrung. Wer von dem Leben, wie es zur Zeit der spanischen Herrschaft in Panama war, sich eine Vorstellung machen will, der muß es außerhalb der Stadt, auf einigen der großen Güter suchen, die noch die alten Besitzer haben, – in jenen Herrenhäusern, welche, von Cocospalmen überschattet, in der Mitte ihrer Plantagen liegen. Doch auch die meisten Landgüter sind schon zerschlagen und entweder in den Händen der freien Farbigen, oder an nordamerikanische Kolonisten zerstückelt. Die Verfassung des Landes hat für die allmählige Emancipation der Neger gesorgt. Viele sind schon frei und besitzen Grundeigenthum. Ihre Zustände sind aber dadurch nicht augenfällig besser geworden. Der früher mit der Peitsche seines Züchters zur Arbeit gezwungene Neger ergibt sich, sobald er frei ist, dem Müßiggang; er strebt nicht nach Verbesserung seines Hauswesens; an geistige Kultur denkt er noch weniger. Seine Hütte ist meist in elendererm Zustande, als diejenige war, welche er als Sklave bewohnte. Sie gleichen den schmutzigen Hütten seiner Heimath in Afrika, und bestehen aus 4 rohen unbehauenen Baumstämmen, als Eckpfählen, die man mit Astholz oder Latten verbindet und mit Koth und Lehm für den nothdürftigen Schutz gegen Regen und Sturm ausstopft. Fensteröffnungen fehlen; die Thür ist ein niedriges Loch, mehr zum Ein- und Auskriechen, als zum Gehen. [72] Ein spitziges Dach von Palmblättern oder Schilf vollendet den Bau. Statt der Dielen dient der natürliche Boden. Ein Stück Bret, auf einen Pfahl genagelt, macht den Tisch; ein anderes, oder eine Steinplatte die Bank; ein breterner Kasten enthält die Garderobe der Familie, eine alte Hängematte oder ein Paar Ochsenfelle sind ihr Bett. Dies ist der ganze Hausrath. Alle erwachsenen Neger tragen weite Beinkleider von grobem baumwollenem Zeug; die putzsüchtigen Frauen hingegen weite weiße Gewänder, die sie mit barbarischem Geschmack verzieren. Die Kinder beider Geschlechter gehen, bis sie heranwachsen, nackt. Von der Civilisation haben die freien Neger bis jetzt nichts angenommen, als ihre Laster. Der Schulunterricht ist ihnen verhaßt, und nur in einzelnen Fällen gelingt es der Beharrlichkeit der christlichen Missionäre, die Kinder zum Schulbesuch zu vermögen und so die Keime zu künftigen, bessern und menschlichern Zuständen zu legen. Die Leichtigkeit, mit der jeder freie Farbige sich, bei der enormen Theurung des Handlohns und der Fruchtbarkeit des Bodens, mit der geringsten Mühe und Anstrengung seinen Unterhalt erwerben kann, hat sie zu Bärenhäutern gemacht, und so groß ist die Arbeitsscheu dieser Emancipirten, daß für den Bau der Eisenbahn über den Isthmus die Unternehmer Arbeiter aus Nordamerika kommen lassen mußten, weil für keinen noch so hohen Lohn alle nöthigen Arbeitskräfte unter den freien Negern zu erlangen waren. Bei der Einfachheit ihrer Bedürfnisse hat der Erwerb für diese Menschen wenig Werth. Sie führen ein ihre thierische Natur beglückendes, sorgenfreies Leben, und sie wollen kein anderes.
Die Eisenbahn, durch welche Panama mit der auf der entgegengesetzten Seite des Isthmus an der Navybai gelegenen, neu entstandenen Aspinwall-City verbunden wird, ist jetzt zur größern Hälfte, nämlich von letztgenannter Stadt bis Gorgona, in Betrieb. Sie soll noch in diesem Jahre vollendet werden, wenn das Beschaffen der nöthigen Arbeiterzahl nicht unmöglich wird. Zur Zeit müssen Reisende und Güter von Panama bis Gorgona noch den alten, verrufenen Weg über Cruces auf Mauleseln machen. Diese Straße ist in nicht viel besserem Zustande als zur Zeit der Eroberung.
Zwei Tausend Maulthiere stehen für den Transport von Menschen und Waaren in Panama beständig bereit. Für jede Maulthierladung, die nicht über 300 Pfund seyn darf, und für eine Wegstrecke (bis an den Bahnhof zu Gorgona), die man in 24 Stunden zurücklegt, müssen 25 Piaster (62 Gulden) bezahlt werden. Es ist der theuerste Frachtsatz auf der ganzen Erde, und die Gesellschaft der Maulthiereigenthümer machte im vorigen Jahre mehr als 1 Million Gulden reinen Gewinn. In ähnlichem Verhältnisse stehen aber die Preise des Transports auf der ganzen Linie von Chagres nach San Francisco. Das spekulative Kapital hat sich desselben vollständig bemächtigt, jede Konkurrenz beseitigt, und es beutet sein Monopol mit einer Unverschämtheit aus, die alle Begriffe übersteigt. Dabei sind Diebstähle und arge Fahrlässigkeiten, durch welche Güter verloren gehen oder ganz verdorben ankommmen, [73] an der Tagesordnung[1]. Reklamationen haben selten einen Erfolg. Das Uebel ist jedoch so hoch gestiegen und für den Transit so lästig geworden, daß die Abhülfe nicht ausbleiben kann. –
Die Straße nach Cruces und Gorgona windet sich unmittelbar hinter der Stadt, ziemlich steil, in eine Thalschlucht hinan, und geht dann, bald auf, bald ab, über coupirtes Terrain. Es besteht aus den Trümmern der Cordilleren, welche, vom Feuerlande an bis zum Eliasberg, Amerika in seiner ganzen Länge durchziehen, bei einer Erdrevolution auf dem Isthmus aber zerrissen wurden. Ihr Schutt bedeckt die ganze Landenge. Die beständige Terrainabwechselung macht den Weg über den Isthmus malerisch und unterhaltend für Jeden, der für Schönheit der Scenerie empfänglich ist. Höhen von Bedeutung sind nicht zu übersteigen. Der erhabenste Punkt der Straße liegt 600 Fuß über Panama; die nächstliegenden Berge sind weniger als 2000 Fuß hoch; aber dessenungeachtet hat die Landschaft einen großen Charakter. Von der Wasserscheide, dem Plateau auf dem Rücken des Isthmus, hat man den Ausblick auf beide Weltmeere, eine Vista, die aller Beschreibung spottet. Nicht weniger Bewunderung erregt die Mannichfaltigkeit der organischen Natur auf dem Isthmus in allen ihren Gebieten. Affen von allen Arten und Größen klettern in den Bäumen, Armadillen, Faulthiere, Ameisenfresser, Tapire, Papageien im glänzendsten Farbenschmuck, und Schlangen von allen Größen und Arten, von der riesigen Boa an, bis zu einer fingerlangen Blindschleiche, bewohnen Wälder und Savanen, und die prächtigen Schmetterlinge, welche flatternden Blumen gleichen, die unzähligen Libellen, und die großen in der Nacht leuchtenden Käfer fesseln beständig die Aufmerksamkeit des Reisenden und verkürzen ihm den Weg. Aber vor allem Andern ist’s die tropische Pflanzenwelt, die Pracht der Wälder, die sein Interesse in Spannung hält. Die Palmenarten, mit ihren schlanken Säulenschäften und gefiederten Blätterkronen, die Magnolien, Agaven, der Tulpenbaum (hiriodendron tulipifera), die gewaltigen Platanen, der Pisang und andere Bananenarten, die kolossalen Gestalten der Araucarien, mit den sonderbaren und formreichen Familien der Fackeldisteln (Cakteen) und die baumartigen Farren bilden Gruppen in tausendfach wechselnder Mannichfaltigkeit und lassen Sinn und Auge niemals ermüden. Die Agaven, der Aloe Afrika’s entsprechend, streiten sich mit den Cakteen um jede dürre Felsbank. Ihre großen, dicken, fleischigen, scharfgezähnten Blätter umgeben symmetrisch die üppigen Blumenrispen, welche diese Gewächse oft bis zu 20 Fuß hoch treiben und mit vielen tausenden von würzig duftenden Blüthen schmücken. Die Agave vertritt die Rebe in Centralamerika. Ihr Saft gibt das weinartige, berauschende und zugleich kühlende Getränk – Pulgue – das der Arme wie der Reiche dort täglich genießt. Wenn in der Pflanze der Blüthenstengel auftreiben will, so wird ihr die Krone ausgeschnitten, [74] und nun läuft 6 bis 8 Wochen lang der Saft, der zur Bildung des gewaltigen Blumenschafts dienen sollte, aus der Wunde. Er wird aufgefangen, und, nach der Gährung, als Wein genossen. Eine Pflanze gibt öfters täglich nicht weniger als 3 preuß. Quart. Von Caktusarten zählt man einige fünfzig und sie sind die treuen Begleiter des Reisenden auf der ganzen Fahrt. Kaum gibt es unter den Blüthe und Frucht tragenden Pflanzen irgend eine Gruppe, die mannichfaltiger in ihrer Grundform und herrlicher in ihren Blumen wäre. Bald kugelförmig, bald gegliedert, bald in hohen, vieleckigen Säulen, wie Orgelpfeifen, aufrecht stehend, bald in schlangenähnlichen Ranken über die nackten Felsen herabhängend, bilden sie den höchsten Kontrast mit den stolzen Palmen, die sie beschatten, und mit den schönblätterigen Magnolien und Bananen. Die säulenförmigen Arten bilden mit ihren kreuzweise ineinandergreifenden langen Stacheln undurchdringliche und feste Einfriedigungen für Häuser und Gärten, an den Brücken und den gefährlichen Stellen der Straße. Nichts Prächtigeres gibt es als diese Umzäunungen, wenn sie in Blüthe stehen, und nichts Freundlicheres, als wenn sie, mit ihren säuerlichen wohlschmeckenden Früchten ganz bedeckt, jeden Vorüberziehenden zur Erquickung einladen. Die Cakteen liefern dem Centroamerikaner das Material zu seinen Stricken und Tauen; zu seinen Körben und Netzen; das Holz zu seinen Thürpfosten und Schwellen. Er zieht es zu diesem Zweck allem andern vor; denn es ist fast unverwüstlich. Aus der Caktus Opuntia sammelt er jenen kostbaren Farbstoff, der, als Cochenille, einen Hauptexport Mittelamerika’s ausmacht. Die dürren Stengel geben ihm ein gutes Brennmaterial, und den Thieren sind die kugelförmigen Arten beständig gefüllte Behälter, um ihren Durst zu löschen, wenn in der tropischen Dürre die Quellen und Bäche versiegen. Das Maulthier schlägt dann mit dem Vorderhufe die Stacheln seitwärts und saugt den etwas bitterlichen, aber kühlenden Saft auf. – Palmen, der Sonne Lieblinge, stehen an allen sonnigen Stellen; wo sie aber das Sonnenlicht nicht in Fülle haben können, da wächst keine Palme; an ihre Stelle treten dann aber, in den feuchten, schattigen Gründen, die zierlichen baumartigen Farren, deren, auf einem Stamm von 16–20 Fuß Höhe aufsitzende, 6–10 Fuß lange, Blattwedel in Bogen bis an den Erdboden herabhängen und kuppelartige Gewölbe bilden, – unserer Traueresche ähnlich, nur zierlicher und schöner. Aus ihren dunkeln Lauben blitzen Strelitzien und andere farbenreiche Blumen, – kurz, wer die Prachtbilder der Pflanzenwelt in jenen glücklichen Regionen, wo die Kränze der Flora von der rauhen Hand des Winters niemals entblättert werden, einmal gesehen hat, Dem werden sie nie wieder aus der Erinnerung entfliehen. Eine Menge Nutzpflanzen, welche Farbestoffe und andere Waaren dem Handel liefern, als Indigo, Cacao, Baumwolle, Zucker, Kaffee, Vanille, – wachsen wild in Centralamerika, oder sind der Gegenstand des Anbaues auf den Plantagen und Gütern; ihr Ertrag aber könnte das Hundertfache seyn, wären Fleiß und Spekulation statt Trägheit und Indolenz in der Bevölkerung heimisch. Wundern wir uns nicht darüber! We einige Agavenpflanzen und ein Dutzend Palmen hinreichen, einen Menschen [75] mit Speise und Trank für das ganze Jahr zu versorgen, und zur Ernte nichts als die Mühe gehört, die Früchte und den Saft zu sammeln, da wird die Arbeit nie der Genosse des Menschen seyn, und auch der menschliche Geist niemals ewige Blüthen treiben. Dem ist unser Kartoffelland sein Paradies.
Das heutige Panama ist nicht das alte, welches in den ersten Zeiten der Entdeckung gegründet wurde. Die Ruinen des Letztern liegen einige Meilen entfernt. Es wurde der Erdbeben halber verlassen. Auch die jetzige Stadt war zur Zeit der spanischen Herrschaft viel volkreicher und blühender. Als Sitz kirchlicher Prälaten, hoher Gerichtsbehörden und der Verwaltung einer ausgedehnten Provinz trug das hiesige Leben gebildete Formen, und als Stapelplatz für den großen Monopolverkehr des Mutterlandes mit den Niederlassungen an der Westküste Amerika’s hatte Panama einen lebhaften Handel, der großen Wohlstand verbreitete. – Durch die Revolution, welche nach einem langen Kampfe, der die Vermögensverhältnisse zerrüttete, die Losreißung von Spanien zur Folge hatte, kam Panama ganz herunter, und seine Volksmenge sank auf ein Drittel der frühern herab. Erst seit 6 Jahren ist dem weitern Verfall Einhalt geschehen. Durch unerwartete Ereignisse, deren Tragweite kein Sterblicher ermessen kann, – durch zwei Würfe des Zufalls, in dem man recht eigentlich die Hand erkennen mag, „welche die Zeiger rückt an der Uhr des Schicksals und die Kräfte im Weltraume zügelt“, ist für Panama eine neue Zeit des Gedeihens angebrochen, von dem Niemand voraussagen kann: „Hier ist die Grenze“. – Die Eisenbahn über den Isthmus, zwischen Aspinwall-City und Panama, sichert dieser Stadt den Besitz einer der beiden Hauptstraßen, auf der sich künftig der unermeßliche Verkehr zwischen der Ost- und Westwelt bewegen wird, und aller der Vortheile, welche sich daran knüpfen. Noch ehe der Kanal durch Nicaragua zur Fonsecabai das erste Schiff aus der Atlantis zum großen Ocean trägt – wird Panama seine Dampferflotten nach der ganzen Westküste des amerikanischen Kontinents nicht nur, sondern auch nach China, Japan, Australien und Singapore, Batavia und Calcutta senden, werden sich in seinen Docks die Flaggen aller Nationen versammeln und wird der Reichthum seiner Magazine und Niederlagen sprichwörtlich geworden seyn, wie es jetzt die Armuth derselben ist.
Und jener Doppelwurf des Zufalls, in welchem die Zauberkräfte für diese Umwandlung verborgen liegen? – Es ist der Goldfund in Kalifornien und Australien, und die Erhebung von Panama ist das kleinste Zeichen seiner Macht und seines Wirkens; – denn er wird das Angesicht der Erde verändern, die Wohnsitze der Civilisation verrücken und den Bau der Gesellschaft erneuern von Grund aus, damit er zu den veränderten Verhältnissen passe, die er hervorruft.
Niemand verurtheile diese Ansicht als eine übertriebene, überspannte oder irrige, ohne sie reiflich zu prüfen. Wessen Nachdenken hinab steigt auf den Grund der Thatsachen und in den ungemessenen Raum ihrer nothwendigen Folgen dringt, den wird vielleicht meine Meinung nicht mehr befremden.
[76] Zuerst suche man, um für sein Urtheil einen richtigen Standpunkt zu gewinnen, verwandte Vorgänge in der Geschichte auf. Man erinnere sich, welche tiefgreifenden Wirkungen die nach Europa herüberströmenden Schätze Peru’s und Mexiko’s im 16. Jahrhunderte äußerten. Kein Verhältniß in der Gesellschaft blieb damals ohne Erschütterung: alle Werthmesser wurden total verändert; tausend und aber tausend Dinge und Güter der Erde wurden werthlos, die früher als unveränderliche Basen des Reichthums gegolten hatten; in der politischen Welt wurde das Gleichgewicht der Macht aufgehoben, Staaten brachen zusammen, die als die gewaltigsten in Ansehen gestanden, und andere erhoben sich aus dem Nichts, oder aus schwachen Anfängen, zu den mächtigsten der Welt. Jenes Ereignis entwand der Kirche das Scepter der Allmacht, gab dem Feudalwesen den Todesstoß, und indem es dem beweglichen Reichthum das Uebergewicht über den Territorialbesitz verlieh, reifte es die Ansprüche des dritten Standes schnell und führte zu jener demokratischen Bewegung in Kirche und Staat, welche seit drei Jahrhunderten beharrlich dem Ziele zustrebt, das sie bereits in England unvollkommen, in Nordamerika hingegen, sowohl dem Wesen als der Form nach, vollständig erreicht hat.
An diesen thatsächlichen 300jährigen Wirkungen der mexikanischen und peruanischen Schätze auf Europa haben wir den Maßstab für die Wirkungen, die wir von den kalifornischen und australischen zu erwarten haben. Und was waren jene ältern Funde gegen diese Goldfelder, welche, obgleich ihre Erforschung kaum begonnen hat, schon notorisch über 20,000 englische Quadratmeilen bedecken, und bei der oberflächlichsten Ausbeutung mit einfachen Werkzeugen durch kaum 100,000 Menschen, – in Australien wöchentlich 160,000, in Kalifornien über 100,000 Unzen des kostbaren Metalls liefern, also schon mehr als dreimal so viel als die ganze übrige Welt, den Ural und Altai eingeschlossen, zusammen? – Die amtlichen geologischen Untersuchungen, geleitet von zuverlässigen wissenschaftlichen Autoritäten, haben die Unerschöpflichkeit der kalifornischen Goldniederlage als eine unbestreitbare Thatsache aufgestellt. Sie machen die Masse der künftigen Goldgewinnung nur von der Zahl der Hände und der Menge der mechanischen Kräfte abhängig, welche sich damit beschäftigen werden. Noch kolossaler erweist sich der Goldreichthum Australiens. – „Sendet Millionen herüber, es aufzuheben, und Millionen werden sich bereichern; nach 1000 Jahren aber wird an Gold noch kein Mangel seyn“, meldet der nach Australien gesandte geologische Kommissär aus Mount Alexander; und Millionen rüsten sich wirklich, dem Rufe zu folgen! – Nicht eine Auswanderung hat aus den britischen Inseln nach Australien begonnen, eine Völkerwanderung ist’s – und ehe noch der Vortrapp derselben, ein paarmal Hunderttausend, den Pflug, die Spinnmaschine, den Webstuhl, den Ambos, den Schacht verlassen hat, um Alt-England mit dem neuen Eldorado im großen Ocean zu vertauschen, treten schon die merkwürdigsten Zeichen der Folgen dieses Völkerzugs in den Vorgrund. Der [77] Handlohn für Fabrikation und Ackerbau ist in England in rapider Steigerung und macht manche Produktionszweige unfruchtbar. Die Furcht vor Mangel an Händen tritt bereits in den Vorgrund der Besprechung und läßt eine Auswanderung kontinentaler Arbeitermassen nach England zum Ersatz der nach Australien abgehenden als eine bald eintretende Begebenheit vermuthen. Britische Waaren, deren Herstellungskosten vorzugsweise aus britischem Arbeitslohn bestehen, namentlich solche Metalle, auf deren Marktwerth die britische Erzeugung entscheidenden Einfluß übt, als Eisen, Zinn, Kupfer und Blei, steigen allmählig im Werthe, und werden in dem Maße weiter steigen, als der Arbeitslohn in England sich erhöht. Die unerhörte Anhäufung von Kapital trägt dazu bei, diese Erscheinung zu kräftigen und andere nicht minder wichtige hervorzurufen. Eine Fülle großer Unternehmungen im Eisenbahn- und Kanalbau und in der Schifffahrt, die kolossalen Anlagen von Häfen und Docks, im Bergbau, im Hüttenwesen und in Manufakturen der verschiedensten Art, – Anlagen, welche Hunderte von Millionen kosten und verschlingen, ehe sie produktiv werden, – reichen so wenig mehr, als die fortgesetzten Anleihen an fremde Staaten aus, die Goldmassen zu absorbiren, die sich bei den wöchentlich gesteigerten Zufuhren ansammeln. Wie aus dem anhaltend bestehenden unerhört niedrigen Stand des Wechseldiskonts auf allen europäischen Börsen, und dem hohen Kurse solider Staatspapiere (die englischen Konsols z. B., nur drei Prozent Zinsen tragend, stehen pari) hervorgeht, sucht jetzt das Kapital überall nach einer rentabeln und sichern Anlage. Noch gibt zwar der kolossale Unternehmungsgeist der Nordamerikaner Massen von europäischem Gelde eine hochverzinsliche Verwendung; aber die kalifornische Goldfluth wird das ausländische Kapital bald auch dort entbehrlich machen und es in seine Heimath zurückdrängen: ein Ereigniß, mit dem die tiefsten Erschütterungen im relativen Werth des Kapitals zur Arbeit und der Arbeitserzeugnisse zu den edeln Metallen unaufhaltsam eintreten werden.
So lange der kalifornische Goldfund für nichts Größeres angesehen wurde, als der am Ural und Altai, so lange man in den Erträgnissen des letzteren einen Maßstab für jenen gefunden zu haben glaubte, und man wähnte, Kaliforniens mögliche jährliche Goldausbeute in gewisse Ziffern einschließen zu können, von denen keine die Summe von 50 Mill. Dollars erreichte, – so lange endlich der Fund selbst auf Kalifornien sich beschränkte: so lange durfte man ihn noch als ein Ereigniß ansehen, dessen Wellenschläge sich an den nordamerikanischen Verhältnissen entkräftigen und nicht auch erschütternd auf die europäischen einwirken würden. Seit aber jene Goldniederlage in ihrer ungeheuern Größe, gegen welche die des Ural und Altai winzig erscheint, erkannt wurde, und nachdem Australien mit einem, wie sich bereits erwiesen hat, noch weit unermeßlichern Reichthum auf den Schauplatz trat, und nun der Golddurst das englische Volk wie ein Fieber gepackt hat, und es nicht Schiffe genug gibt, die Hunderttausende aufzunehmen, die sich zur Wanderung nach dem neuen Eldorado rüsten: seitdem sind alle frühern Berechnungen wie Seifenblasen [78] zerronnen, und die Begebenheit mit ihren welthistorischen Folgen erscheint dem Verstande größer und gewaltiger, als irgend eine, welche die Menschheit seit Colons Entdeckung bewegt hat.
Der Strom edler Metalle, der sich vor dreihundert Jahren aus Amerika in die alte Welt ergoß, mündete in einem verhältnismäßig schwachen und armen Lande, in Spanien. Er hob diesen Staat, trotz der Ketten, in welche die Pfaffen und Fürsten seine Entwickelung geschlagen hatten, in wenigen Jahrzehnten zur ersten und gefürchtetsten Macht der Erde. Die neue Goldfluth hingegen ergießt sich unmittelbar in die mächtigsten Staaten der Welt; – sie kräftigt zwei Riesinnen, Mutter und Tochter, gesäugt an den Brüsten der Freiheit und Selbstregierung, deren Flaggen alle Oceane beherrschen und die in allen Zonen und Welttheilen unbezwingliche Vesten der Gesittung und Völkerfreiheit aufgerichtet haben; – sie stärkt die beiden größten Nationen, in denen sich die Weltmission des Germanenthums verkörpert hat und die Demokratie des Protestantismus in Kirche und Staat ihren wahren Ausdruck erhielt. Beide Goldfunde – eine wunderbare Fügung Gottes! – mußten fast gleichzeitig gemacht werden, um das Gleichgewicht zwischen Amerika und England zu erhalten. Dieses Gleichgewicht ist der stärkste Kitt ihres Zusammenhaltens und Zusammenwirkens; denn nur das Bündniß des Starken mit dem Starken ist dauernd und wirksam auf einen Zweck gerichtet. Der Goldstrom, der sich aus Australien nach Altengland, dem sturmerproben, festen, freien, stolzen, ungebeugten Hort der Freiheit in Europa, ergießt, macht alle Berechnungen seiner Feinde und Neider auf ein Sinken seiner Macht und seines Einflusses zu Schanden. Er läßt es die Wucht seiner Schuldenlast leichter tragen als je zuvor. Im unantastbaren Besitz Australiens und der neuen unerschöpflichen Hülfsmittel, die es in diesem Besitz findet, sind die Befürchtungen, es werde ihm unmöglich seyn, die enormen Bedürfnisse seines Weltstaats länger ohne die härtesten Anforderungen an die Steuerkraft der Nation und ohne gefährliche Erschütterungen aufzubringen, und die innern Reformen, welche die organische Entwickelung des Systems der Selbstregierung begleiten, friedlich und ohne gewaltsame Verletzung anerkannter Rechte durchzuführen, verschwunden. Schon tritt der Einfluß jener neuen Hülfsmittel in der weit zuversichtlichern und stolzern Haltung, die England in den Beziehungen zu andern Mächten neuerdings angenommen hat, zu Tage, und daß der ältere Zweig des angelsächsischen Stammes so wenig durch die zersetzenden Elemente des jüngern vor der Zeit wird gebrochen, als von seinen Wege der Volksfreiheit durch den korrumpirenden Einfluß des monarchischen Kontinents wird abgeleitet werden, ist keinem Zweifel mehr unterworfen. Schon dies ist ein Ergebniß, dessen Tragweite nicht hoch genug zu schätzen ist und auf den Gang der europäischen Politik in dieser kritischen Zeit entscheidend einwirken muß.
Noch vor weniger als hundert Jahren war der große Ocean eine unbekannte Wasserwüste, oder als die Sahara und Gobi, und kaum einmal in einem Lustrum durchfurchte sie der einsame Kiel eines Entdeckungsschiffs, oder die Gallione, welche von Mexiko nach den Philippinen fuhr. Nacht lag auf diesem die halbe Erdoberfläche bedeckenden Meere, bis James Cook, vor 80 Jahren, die Erforschung des stillen Oceans zur Aufgabe [79] seines Genies und seines Lebens machte. Er verwandelte das Dunkel in Licht. Cook wies der Schifffahrt neue und sichere Pfade, und seine großen Entdeckungen erregten den Spekulationsgeist aller seefahrenden Nationen. Seitdem hat der große Ocean alle Flaggen gesehen. Zumal der Verkehr der amerikanischen Westküste mit Asien wurde von Jahr zu Jahr lebhafter. Nach der Emancipation der spanisch-amerikanischen Kolonien waren es sodann vorzugsweise Engländer und Nordamerikaner, welche in der Beschiffung des großen Oceans mit einander wetteiferten, wogegen die spanischen und holländischen Flaggen nach und nach aus diesen Gewässern verschwanden. Der Handel mit den neuen Freistaaten auf der Westküste Amerika’s war es jedoch nicht allein, was den britischen und nordamerikanischen Unternehmungsgeist lockte, – ein weit größerer Reiz war ihm durch den Reichthum jenes Oceans an Phokenarten geboten, deren Fang für den Zweck der Thranbereitung schon vor dreißig Jahren beständig 5–600 große Schiffe beschäftigte, Zahlen, die seitdem sich auf das Dreifache erhöht haben. Einen spätern Impuls erhielt die Schifffahrt nach jenem Meere durch die Entdeckung der wunderbaren Dungkräfte des Guano – jener, binnen undenklichen Zeiträumen, auf den sterilen Eilanden unfern der peruanischen Küste zu Bergen aufgeschichteten Exkremente der Seevögel, und dessen Anwendung in der europäischen Landwirthschaft. Die Guanoeinfuhr nach Europa aus dem stillen Meere unterhält jetzt schon eine Flotte von mehr als 200 großen Schiffen, und bei der beständigen Zunahme der Guanodüngung in allen europäischen Ländern wird sie 1000 Schiffe gebrauchen, ehe das Jahrzehnt zu Ende geht. In diesen beiden Zweigen des groß-oceanischen Verkehrs rivalisirten England und Nordamerika, und je gewinnreicher sie waren, desto mehr strebten beide Nationen, auf der Westküste Amerika’s festen Fuß zu gewinnen, um für ihre Machtentwickelung in jenen fernen Gewässern territoriale Stützpunkte zu erhalten. England kam den Amerikanern durch die Okkupation der Falklandsinseln an der Maghellanstraße, der Eingangspforte aus der Atlantis in die Südsee, zuvor; als es aber auch aus dem Oregongebiete, nördlich von Mexiko, die Amerikaner gänzlich zu verdrängen suchte, fachte es die Eifersucht der Verein. Staaten heftig an und stachelte den öffentlichen Geist der großen Republik zu Gegenmaßregeln auf, die seinen Plan vereitelten. Der Krieg mit Mexiko hat hauptsächlich der Gewinnung von Kalifornien gegolten, das in San Francisco den herrlichsten Hafen der ganzen Welt und einen Punkt besaß, um an denselben die künftige Herrschaft über den großen Ocean und sein Inselreich bis an die östliche Landveste Asiens zu knüpfen. Um die Wichtigkeit der kalifornischen Eroberung für Nordamerika an’s Fabelhafte zu steigern, wurden bald nach der Besitzergreifung des Landes seine Goldschätze entdeckt. England, so plötzlich überflügelt, sah ein, daß es mit Amerika, weil im alleinigen Besitz so riesenhafter Hülfsquellen, auf die Dauer weder im Welthandel, noch in der Machtstellung, konkurriren könne, und in dem Maße, als die große Republik, seit sie über die kalifornischen Goldniederlagen verfügte, in ihrem Verkehr mit England anmaßlicher wurde, wurde dieses nachgiebiger. Albions Stern schien auf absteigender Bahn zu wandeln. Da sollte ein noch reicherer Fund im britischen Australien im vorigen Jahr das Blatt mit einem Male [80] wenden und das für den Fortschritt der Civilisation und der Freiheit der Völker so unerläßliche Gleichgewicht der Macht und der Entwickelungskräfte beider Reiche wieder herstellen. Seitdem ist der Raum zwischen Amerika’s Westküste auf der einen, der Ostküste Asiens, dem indischen Archipel und dem australischen Kontinente auf der andern Seite der Schauplatz einer unermüdlichen Thätigkeit und der wichtigsten Erscheinungen der Welt und Staatengeschichte geworden. Auf der einen Seite sinken wilde Urvölker vor dem plötzlichen Anwogen der europäischen Einwanderung und Ansiedelung in Nichts und in Vergessenheit; andererseits gerathen Nationen und Reiche einer uralten, aber morschen Civilisation mit den ungestüm herandrängenden Germanenvölkern, den Engländern und Amerikanern, in Konflikt, dessen sie sich ohne gänzliche Umgestaltung ihrer gesellschaftlichen und geistigen Zustände nicht entwinden können.
Für diese Umgestaltung bereiten sich in der nächsten Zeit große Ereignisse und Begebenheiten vor. England hat die Jahrtausende lang fest verschlossenen Pforten des himmlischen Reichs aufgesprengt, und eine gewaltige Flotte, auf der das Sternenbanner des freien Amerika’s weht, durchfurcht in diesem Augenblick das stille Meer, um Japans Thore aufzuriegeln und es dem Verkehr und dem Glauben christlicher Nationen zu öffnen. Der Sturz beider, der ältesten Reiche dieser Erde, der Musterreiche des erstarrenden Despotismus und der Alleinherrschaft, ist für jedes frei-beobachtende Auge in den Sternen zu lesen, die Stunde der Erlösung von 400 Millionen menschlicher Wesen – zwei Fünftel des ganzen Geschlechts – aus dem schmählichsten und furchtbarsten Joche, welches der fürstliche Despotismus mit Hülfe religiösen Aberglaubens, systematischer Verdummung und bureaukratischer Knechtung jemals den Völkern aufgelegt hat, kann nicht mehr fern seyn. Ein neuer Zusammenstoß der Angelsachsen mit den Chinesen, der zwar hinausgeschoben, aber nicht zu vermeiden ist, wird auf den Trümmern der Mandschuherrschaft ein anglo-chinesisches Reich entstehen lassen, wie ein anglo-indisches entstanden ist auf dem Schutte des Mogulthrons, und der amerikanische Adler wird, nachdem er einmal den Weg nach Nipon’s Felsenstrand gefunden hat, so gewiß dort sein Nest bauen, wie im Thale von Honolulu. In Japan und China finden die Interessen der beiden großen Nationen ihre friedliche Ausgleichung; ein Zweck verbindet sie auf das Engste auf diesen beiden Gebieten und läßt sie zusammenstehen gegen Alles, was ihren Bestrebungen feindlich oder hindernd in den Weg treten will. Wenn aber Rußland, Spanien und die Niederlande mit ihren Kolonien und Besitzungen in den indischen Meeren und an der asiatischen Ostküste sich als störende Elemente in diesen Bestrebungen der beiden Weltmächte erweisen, so ist vorauszusehen, daß man sie beseitigen wird. Gelegenheit und Vorwand dazu ist leicht zu finden.
Aus allen diesen Verhältnissen, die hier nur eine flüchtige Andeutung erhalten konnten, erklärt sich das außerordentliche Interesse, welches sich an die Uebergange aus dem atlantischen in’s stille Meer, an den Nicaragua-Kanal, an den Isthmus von Tehuantepek, und vorzüglich an die Landenge von Panama knüpft, [81] deren Eisenstraße für die nächsten 10 Jahre die einzige bleiben wird, welche beide Oceane direkt verbindet. Klug haben beide große Nationen, die von der Vorsehung bestimmt scheinen, der Civilisation die Bahnen der Zukunft zu brechen und den Neubau der Gesellschaft auf festen Grundlagen anzuordnen und auszuführen – wegen der Benutzung aller dieser Uebergänge den Grundsatz vollkommener gegenseitiger Rechtsgleichheit anerkannt und so jeder Möglichkeit zu Konflikten von vornherein die Spitze abgebrochen. Der Stand der Dinge ist jetzt der Art zwischen den beiden Reichen England und Nordamerika, daß keines von beiden ein Uebergewicht über das andere erlangen kann, ohne sich zu schwächen, daß beide an der vollkommenen Erhaltung ihres guten Einverständnisses ein gleiches, unverkennbares Interesse haben und daß ihre Stellung gegenüber den andern Mächten so ist: – daß sie gleichsam durch die Solidarität ihrer Interessen und Grundsätze gezwungen sind, in allen großen Fragen der internationalen Politik wie Ein Mann zusammen zu stehen und zusammen zu halten. In dieser Stellung aber können sie, wegen ihrer geographischen Lage und ihrer Allgewalt zur See selbst unangreifbar, sobald sie nur wollen, der übrigen Welt Gesetze diktiren.
Schon der natürliche Einfluß dieser Stellung, auch wenn sie allen aggressiven Tendenzen fern bleibt, muß ein großer und, da er von den Prinzipien der Freiheit getragen und geleitet wird, zugleich ein wohlthätiger und die Interessen der Gesittung schützender seyn. Es werden jedoch die nächsten Wirkungen dabei nicht stehen bleiben. Europa, die fruchtbare Mutter aller großen moralischen Bewegungen der Neuzeit, wird jene Wirkungen voll empfinden, zunächst und zumeist die Länder, welche zu der begonnenen Völkerwanderung nach den Goldländern die stärksten Kontingente liefern: – also die Länder germanischen Stammes. Wenige Jahre einer beständig wachsenden Auswanderung werden in England, Deutschland, Belgien, der Schweiz, dem Elsaß die Arbeitermassen dermaßen vermindern, daß der Bedarf an Händen die Menge der vorhandenen übertrifft, und die Steigerung des Handlohns wird so bedeutend werden, daß die arbeitenden Klassen künftig zu Wohlstand gelangen können, was sie zu einem viel höheren Grade von Unabhängigkeit, Intelligenz und zu einem politischen Einflusse emporheben muß, – einem Einflusse, der, man mag ihm gutwillig oder gezwungen Anerkennung gewähren, sich jedenfalls geltend machen wird. Es würde der Gesellschaft große Gefahren bringen, diese Gewißheit zu mißachten. Ich bin überzeugt, daß die australischen und kalifornischen Goldfunde, welche in San Francisco, Melbourne und Port Philipp schon das Einkommen eines Hausknechts oder eines Zimmermannsgesellen auf die Höhe der Minister-Besoldungen unserer deutschen Miniaturmonarchien gebracht haben, die Hoffnungen der socialistischen Schwärmer für die Arbeiterklassen ganz von selbst verwirklichen werden, ohne daß es der Lehre jener hirnverbrannten Theoretiker: „Eigenthum ist Diebstahl“, und ihres Aufstachelns zu Raub und Plünderung bedürfe. Schon ist in England, seit dem Anfang der australischen Emigration, der Arbeitslohn auf eine [82] für die Arbeitgeber beunruhigende Weise gestiegen, und wenn der Kontinent, wenn namentlich Deutschland von gleichartigen Wirkungen bis jetzt wenig verspürt hat, so ist die Ursache davon nur in dem allgemeinen Druck unserer gewerblichen Zustände zu suchen, die in einer solchen Lage sind, daß sie noch mehr Arbeitskräfte missen können, als bis jetzt auswanderten. Man entferne den Druck, der auf allen Aeußerungen des Volkslebens seit vier Jahren beständig und in täglich gesteigertem Maße lastet, und sofort wird in den wiederbelebten Gewerben sich Arbeitermangel geltend machen und mit denselben Wirkungen, wie jetzt in England.
Das bewegliche Kapital in der Hand der großen Masse, in der Hand der Arbeiter, ist allemal die Kraft und der Nerv der Demokratie. Dieses Kapital, welches durch den Arbeitslohn gewonnen wird, durchrinnt die Adern der Gesellschaft unaufhörlich, und je mehr dessen geschaffen wird und umläuft, um so höher äußert sich die Lebenskraft des Volkes, um so heftiger und unwiderstehlicher drängt es hin zu dem vernünftigen Ziel aller Vereinigung in Staat und Gesellschaft – zum gesteigerten Wohlergeben des Einzelnen in der Gesammtheit. Dieses Streben durchdringt die heutige europäische Gesellschaft unaustilgbar. Bald verfolgt dasselbe betretene Pfade, bald sucht es unbekannte Bahnen auf, und die Völker wandern jene Wege und diese Bahnen mit und ohne Bewußtseyn, bald willig, bald widerwillig, bald eine größere Strecke, bald, um sie nach wenigen Schritten wieder zu verlassen, und einen neuen Weg zu versuchen: – aber allezeit die allgemeine Richtung zum Ziele im Auge behaltend. Diese kann kein gesittetes Volk mehr verlassen. Es ist der Drang, den ihm die Zeit als Mitgift gab, und dem sich kein Volk entziehen kann, ohne in Barbarei zu versinken. Australiens und Kaliforniens Schätze aber werden dazu beitragen, jenem Drange Allmacht zu verleihen. –
- ↑ Das Universum, die englische Ausgabe, geht in 500 Exemplaren nach Kalifornien über den Isthmus – und schon zweimal gingen Sendungen auf dieser Strecke verloren.