Physiognomische Aufgaben Nr. 3

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Titel: Physiognomische Aufgaben Nr. 3
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 414
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[410]
Physiognomische Aufgabe.
Nr. 3.

Im Jahre 1846.

[411]
Physiognomische Aufgabe.
Nr. 3.

Im Jahre 1856.

[414] Physiognomische Aufgaben Nr. 3.[1] (Mit Portraits, S. 410 u. S. 411.) Die beiden vorliegenden Portraits stellen ein und dieselbe Person dar. Alle unsere Leser kennen das Original und haben es schon in andern Abbildungen gesehen, die sämmtlich einer ältern Lebensperiode entnommen sind, während unsere heutigen aus den Jahren 1846 und 1856 datiren. Beide sind treu und frappant und haben doch wenige Linien der spätern. Jedenfalls zeigt der ganze Habitus des ersten Portraits ebenso sehr die Physiognomie eines lebenslustigen, weltgewandten Kaufmanns- oder Banquiersohns wie die eines vielversprechenden aristokratischen Referendars, der sicher ist, Carrière zu machen. Die noble Haltung, die weiße untadelhafte Halsbinde, der modische Frack sprechen dafür, daß sich das Original des Conterfei’s ebenso sicher auf dem Parquetboden der Banquiersalons wir in den Prachtsälen der gräflichen Schlösser zu bewegen versteht. Dabei verräth uns der dichtgeschlossene feine Mund, daß es seinem sonst lebensfrohen Eigenthümer nicht an Festigkeit fehlt und daß er auch der Rede, wenn er will, vollkommen Herr sein kann.

Zu dem zweiten, zehn Jahre später aufgenommenen Portrait tritt das Exterieur des Banquiersohnes ganz zurück und macht mehr der Erscheinung eines Comptoir- oder Bureau-Chefs Platz. Der damals offene, fast schwärmerische Blick ist verschwunden; oben am Scheitel des Kopfes tritt schon etwas Lichtung ein, und ein fast finsterer Groll brütet jetzt über diesen Augen. Nur die weiße weltmännische Cravatte von 1846 ist geblieben. Der bittere Ernst des Lebens spricht aus diesen Denkerzügen, die etwas Soldatisch-Festes und Energisches angenommen haben; die ganze Haltung aber ist eine reservirte, diplomatische geworden. Gebildete Rittergutsbesitzer, die längere Jahre bei der Cavallerie gedient und sich viel in den Salons der höchsten Schichten der Residenz bewegt haben, sehen dann und wann diesem Portrait ähnlich, aber das Auge des unsrigen hat etwas Berechnendes, fast Lauerndes, blickt aber scharf und fest auf bestimmte Ziele und hat jedenfalls mehr zu erforschen als Kartoffelfelder oder Fichtenwaldungen. Auffallend ist der Mangel jedes Ordenszeichens, das man in unserm Vaterlande doch sonst jedem großen Fabrikanten oder Regierungs-Rath in das Knopfloch wirft.

Wo das Original zu suchen, ob auf dem Comptoir eines Weltetablissements oder in dem Sitzungssaale einer hohen Behörde – wir überlassen dies dem Scharfsinn unserer Leser.

  1. Siehe Jahrg. 1861, Nr. 3, S. 45, u. Jahrg. 1862, Nr. 29, S. 464