Pomologische Monatshefte:1. Band:3. Heft:Zwanzigster Jahresbericht des Thüringer Gartenbau-Vereins zu Gotha für das Jahr 1853

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Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 3, Seite 107–108
Johann Georg Conrad Oberdieck
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Obstliqueur
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Der Obstbaumschnitt

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Zwanzigster Jahresbericht des Thüringer Gartenbau-Vereins zu Gotha für das Jahr 1853.

Der hier bezeichnete Jahresbericht ist Zeugniß, wie der Thüringer Gartenbau-Verein nun schon seit einer größeren Reihe von Jahren sehr beharrlich in seinen Bestrebungen fortfährt, wodurch am gewissesten nachhaltig gewirkt wird. Diese Bestrebungen werden durch eine größere Baumschule, die jetzt über 30,000 Stämme zählt, und vielleicht die größeste ist, die ein nicht durch Staatsmittel bedeutend unterstützter Gartenbau-Verein in Deutschland unterhält, wesentlich gefördert. Der vorliegende Jahresbericht hat besonderen Werth vornehmlich durch drei mit vieler Gelehrsamkeit geschriebene, sehr interessante Abhandlungen des Herrn Hofraths Wüstemann: Ueber das Veredeln der Bäume bei den Alten; über die Papyrusstaude und die Fabrikation des Papiers bei den Alten; über die Rose, mit besonderer Rücksicht auf deren Kultur und Anwendung im Alterthume. – Nur der erste Aufsatz betrifft näher die von unserer Monatsschrift vertretene Branche des Gartenbaus. Derselbe verweiset in seinem Anfange diejenigen, welche von den Fortschritten der Alten im Obst- und Weinbau Kenntniß zu erlangen wünschen auf Wilh. Walker’s, früheren Institutsgärtners, in Hohenheim, Schrift: Obstlehre der Griechen und Römer; Reutlingen 1845. Näher wird auch gedacht der von den Alten überlieferten Nachrichten, daß auf den Ahornbaum alle Obstsorten leicht veredelt werden könnten; ebenso auf Quercus Robur, wenn gleich der Geschmack der Früchte dadurch verdorben werde; daß auch der Feigenbaum und Granatapfel sich mit allen Arten von Früchten beimpfen ließen, daß Nüsse auf den Erdbeerbaum (Arbutus) und Kirschen auf Ulmen veredelt werden könnten etc.; wobei angedeutet wird[WS 1], daß man diese Angaben vielleicht nicht für ganz falsch und bloße Täuschung der Alten halten dürfe. Man muß allerdings, nach dem jetzigen Stande der Phytonomie und den in neuerer Zeit gemachten Versuchen, sich der Ansicht hingeben, daß die Alten in dieser Beziehung nicht genau beobachtet haben, vielmehr im Irrthum gewesen sind, und die gedachten Veredlungsarten nicht gelingen werden, selbst wenn man die von den Alten gegebenen Regeln beobachtet, daß man dahin sehen müsse, daß die Rinde des Stammes und des Reises gleiche Beschaffenheit habe, (was ja gleich bei Ahorn und Obstreisern nicht der Fall ist, während es uns bisher nicht gelingen will, wenigstens durch Copulation Pfirsiche auf Pfirsiche, hier also Gleichartiges auf einander zu veredeln); daß der Baum, der bepfropft wird und der von dem man pfropft, zu gleicher Zeit ausschlagen (neuere Versuche und Veredlungsarten, z. B. Pfirsiche auf Pflaume thun dar, daß dies nicht immer nothwendig ist) und verwandte Säfte haben (ist wieder bei Obstbaum und Eichen nicht der Fall); daß man das Pfropfreis nicht in der Nähe eines Astes aufsetzen, das Reis von der nordöstlichen Seite des Baumes nehmen, zweijähriges Holz zum Edelreise anwenden und nur bei zunehmendem Monde veredeln solle (der Mond hat durch seine Attraction täglich den gleichen Einfluß auf die Erde, und seine verschiedenen Lichtphasen können beträchtlich nicht wirken; weßhalb man ja auch die Rücksicht auf den Mondwechsel beim Gartenbau längst für überflüßig erkannt hat). Dennoch bleibt es auffallend, daß der sonst so genaue und gewissenhafte Plinius erzählt, daß er bei Tibur einen Baum gesehen habe, der mit allen Arten Obst beschwert war, Nüsse, Steinobst, Trauben, Feigen, Granatäpfel etc. getragen habe, wenn gleich nicht alt geworden sey.[1] Immerhin möchten jene Angaben [108] wohl einmal veranlassen, unterstützt von den neueren Hülfsmitteln, auf mehrere verschiedene Arten Versuche zu wiederholen, in welchen Fällen und bis wie weit es möglich ist, verschiedene Baumarten durch Oculation, Copulation etc. auf einander zu pfropfen. Schreiber dieser Anzeige hat vor Jahren sorgfältige Versuche durch Copulation Rosen auf Eichen und Pfirsiche auf Weiden anzubringen, vergeblich angestellt. Dennoch gelingt unter Umständen und bei verändertem Verfahren manchmal, was früher nicht gelingen wollte. So fand der Unterzeichnete in einer kleinen Baumschule eines Försters mehrere sehr gut durch Copulation auf Pflaumen angeschlagene Pfirsichbäume (von 6–7 aufgesetzten Reisern waren nur zwei nicht angegangen), wo auch das Edelreis bis zum obersten Auge hin mit feuchtem Moos und dem früher gewöhnlich gebrauchten Pfropflehm umgeben worden war, also mehr, als bei andern Verfahrungsarten gegen Ausdörren gesichert gewesen war. Auffallend war es ihm dagegen, daß er von Herrn Dr. Liegel erhaltene Aprikosen- und Pfirsichenreiser, die in früheren Jahren, im Freien auf Pflaumen copulirt, erst antrieben und stark angeschwollene Knospen gemacht hatten, dann aber bei eintretender, trockener und wärmerer Luft wieder zurückgegangen waren, auch dann nicht anbringen konnte, als die Reiser auf in Töpfe gesetzte Pflaumenstämme copulirt und so in einen Glaskasten gesetzt wurden, wo sie zuerst bis zur wirklichen Entfaltung der Augen trieben, dann aber, auch bei sehr allmäligem Gewöhnen an die Luft wieder abstarben[WS 2], so daß doch noch eine wirkliche Verbindung zwischen Edelreis und Grundstamm nicht Statt gefunden haben konnte. Es sind aber hier wenigstens Fingerzeige gegeben, wie die Copulation von Pfirsichen und Aprikosen, auf Pflaumen und möglicher Weise selbst auf Pfirsichen, welche schon für Anbringen von aus der Ferne bezogenen Reisern, Wichtigkeit behält, doch mit größerer Sicherheit des Gelingens als erfahrungsmäßig bisher der Fall ist, wo kaum das zwanzigste Reis wirklich anschlägt, könnte vorgenommen werden.



  1. Wahrscheinlich ist dieser Baum aber nicht durch die Veredlung so vielerleifrüchtig geworden, dadurch, daß, wie noch jetzt es italienische Gärtner nicht selten thun, der Stamm aus einem Granatbaum bestand, derselbe aber innen durchbohrt war und man nun allerlei andere Holzgewächse durch den hohlen Stamm zu wachsen zwang, während die Wurzeln derselben unter denen und zwischen denen des Granatapfelbaumes, der sich wegen seines harten festen Holzes, wie auch die Orange, gut zu solchen Kunststücken gebrauchen läßt, wurzelten und ihre Nahrung also direkt aus dem Boden entnehmen konnten.

Anmerkungen (Wikisource)

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