Pomologische Monatshefte:1. Band:5. Heft:Aus einer Anzeige von Oberdieck’s Anleitung zur Kenntniß des besten Obstes

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Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 5, Seite 214–215
Johann Eduard Wappäus (1812–1879)
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Pomologische Monatshefte:1. Band:6. Heft:Aus einer Anzeige von Oberdieck’s Anleitung zur Kenntniß des besten Obstes
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Baumanstrich gegen Raupen

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Aus einer Anzeige von Oberdieck’s Anleitung zur Kenntniß des besten Obstes etc. vom Herrn Prof. Wappäus in Göttingen (aus den Göttingischen gelehrten Anzeigen 1853.)

Der Obstbau, der sich, wie der Gartenbau überhaupt, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bei uns einer großen allgemeinen, indeß doch nur vorübergehenden Gunst erfreute, ist in seiner volkswirthschaftlichen Bedeutung erst in neuerer Zeit wieder allgemeiner in Deutschland erkannt und damit auch vielfältiger wieder ein Gegenstand der Aufmerksamkeit und Pflege von Seiten der Regierungen geworden. Der Erfolg dieser Bemühungen, welche überhaupt nur sehr allmälig Früchte tragen können, ist sehr verschieden gewesen, nicht allein nach dem Gegensatz zwischen Süd- und Norddeutschland, was vorzüglich mit klimatischen und landwirthschaftlichen Verhältnissen, zum Theil jedoch auch mit ethnographischen Unterschieden zusammenhängt, sondern auch innerhalb der einzelnen Provinzen eines und desselben Landes und zwar ziemlich unabhängig von Bedingungen, die man für maßgebend halten sollte. In unserem Königreich z. B., in welchem nach einem bald vorübergehenden Aufschwunge in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, der Obstbau im Allgemeinen, einzelne Oertlichkeiten ausgenommen, wieder sehr vernachläßigt wurde, hat die Beförderung, welche die Regierung demselben theils schon seit längerer Zeit durch die Anlage und Unterhaltung der großartigen Baumschulen (Königliche Obstbaumplantage) zu Herrenhausen, theils erst neuerdings wieder durch direkte Unterstützungen hat angedeihen lassen, bis jetzt in zwei Provinzen sehr günstig gewirkt, nämlich in den Landdrosteibezirken Hildesheim und Hannover. In der ersteren fängt der Obstbau überall an, sich zu verbreiten und in der anderen wird derselbe, namentlich im Calenbergischen, auf den bäuerlichen Gütern jetzt mit großer Vorliebe getrieben; und daß der Obstbau auch einen nicht unbedeutenden Gewinn in diesen klimatisch keineswegs vorzugsweise begünstigten Gegenden abzuwerfen im Stande ist, geht z. B. daraus hervor, daß in dem Landdrosteibezirk Hannover in guten Jahren, wie 1849, allein die Anpflanzungen an den königl. Chausseen 3000 Rth. für verkauftes Obst lieferten und in weniger günstigen Jahren doch noch zwischen 1600 (i. J. 1846) und 1800 Rth. (i. J. 1851). Die beiden genannten Provinzen sind aber auch die einzigen des Königreichs Hannover, in denen der Obstbau eine allgemeinere Verbreitung gefunden hat; in allen anderen haben die Bemühungen der Regierung zur Hebung der Obstbaumzucht und des Obstbaues bis jetzt so gut wie gar keine Früchte getragen. Am meisten von allen scheint der Landdrosteibezirk Osnabrück in der Kultur des Obstes zurückgeblieben zu seyn; in Ostfriesland hat bis jetzt nur auf der Geest die Ermunterung zum Obstbau einigen Erfolg gezeigt, während in der Marsch dagegen noch ein allgemeines Vorurtheil herrscht. Das letztere ist auch durchgängig noch im Lüneburgischen der Fall, obgleich in einem Theil desselben der Obstbau einen wichtigen Erwerbszweig der ländlichen Bevölkerung bildet und auch im Landdrosteibezirk Stade, der doch das fast nur einen großen Obstgarten bildende Alte Land (in welchem z. B. im vorigen Jahre einzelne Einwohner des Hausmannsstandes allein für verkaufte Aepfel 300 bis 400 Rth. gelöst haben) umfaßt, steht im Ganzen der Obstbau noch auf einer sehr niedrigen Stufe. – Dieses Zurückbleiben der Obstcultur in dem größeren Theile unseres Landes muß aber, und namentlich auch in volkswirthschaftlicher Beziehung um so mehr bedauert werden, als der Obstbau gerade für die Klasse der bäuerlichen Grundbesitzer, die für sich und ihre Erben des Grundbesitzes sicher seyn können, und die in unserem Lande verhältnißmäßig so zahlreich ist, einen sehr wichtigen Nebenzweig der Landwirthschaft zu bilden geeignet ist. Für diese Klasse der Landwirthe hat der gute Betrieb des Obstbaues unzweifelhaft den günstigsten Einfluß auf den Wohlstand, weil er nicht allein mit schätzbaren Nahrungsmitteln versorgt, sondern auch einen ansehnlichen Erlös bewirkt, ohne dabei einen irgend erheblichen Kapital- und Zeitaufwand zu erfordern, indem die nöthigen Geschäfte füglich in Nebenstunden verrichtet werden können und der dazu benutzte Boden anderen Kulturen nicht entzogen zu werden braucht. Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, muß es gewiß auch im volkswirthschaftlichen Interesse unseres Landes bedauert werden, daß in neuerer Zeit bei uns unerachtet der von der Regierung diesem Gegenstande gewidmeten Aufmerksamkeit die Theilnahme, welche die Obstbaumzucht und der Obstbau eine Zeit lang beim gebildeten Publikum, namentlich unter den Gartenfreunden und den größeren Landwirthen gefunden hat, so sehr erkaltet ist, daß z. B. die einzige Gartenbau-Gesellschaft unseres Landes, der Gartenbau-Verein für das Königreich Hannover [215] der in Hannover oder Herrenhausen seinen Sitz hat, und der sich auch um die Verbesserung und Verbreitung des Obstbaues in unserem Lande (namentlich auch durch Herausgabe der von dem königl. Garteninspektor Bayer verfaßten Anweisung zum Obstbau und zur Benutzung des Obstes für den Bürger und Landmann; Hannover 1846, eine in ihrer Art noch unübertroffene kleine Schrift[WS 1]) große Verdienste erworben hat, sich jetzt, wenn auch nicht förmlich aufgelöst, doch seit längerer Zeit so unthätig verhalten hat, daß man nicht einmal mehr weiß, ob dieser Verein noch existirt oder nicht. Hoffen wir, daß die Anregung zur Wiederbelebung dieses Vereins, welche bei Gelegenheit der vorjährigen fünfzehnten Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe zu Hannover von einigen Pomologen gegeben worden ist, erfolgreich ausfallen möge, denn von welchem Nutzen die patriotische Thätigkeit einer solchen Gesellschaft für ein ganzes Land werden kann, hat sich nicht allein in Frankreich und Belgien, sondern bereits auch in Deutschland vielfach gezeigt, neuerdings vorzüglich in Böhmen, wo vor dreißig Jahren der Obstbau noch ebenso vernachläßigt war wie in dem größeren Theile unseres Landes, und wo durch die Thätigkeit von Obstbau-Vereinen die Wissenschaft und die Praxis des Obstbaues seitdem so gefördert worden, daß Böhmen jetzt durchschnittlich jedes Jahr für einige Millionen Gulden Obst ausführt und daß selbst in dem rauher gelegenen Klattauer Kreis jetzt mehr Obst producirt wird, als in mehreren großen Comitaten Ungarns zusammengenommen. Daß in unserem Königreiche aber der einzige größere Gartenbau-Verein so völlig in seiner Thätigkeit hat erlahmen können, muß um so mehr auffallen, da bei uns nicht allein doch einzelne Theile des Gartenbaues, namentlich die Blumenzucht – die freilich vorzüglich durch die zur herrschenden Mode gewordenen Künsteleien in Erzeugung von Bastard- und monströsen Pflanzen und durch die vorzugsweise auf die Kultur solcher Pflanzen gerichtete Thätigkeit der sog. Blumisten ebenso der Hebung der Gartenkultur überhaupt mehr schadet als nützt, wie sie auch den Sinn für die wirklich schöne Gartenkunde mehr verderbt als angeregt hat – so viele selbst enthusiastische Liebhaber gefunden hat und in Herrenhausen so viele Mittel und Kräfte wie irgendwo zur Anregung und Concentrirung einer solchen patriotischen Thätigkeit schon vorhanden sind, sondern auch die landwirthschaftlichen Vereine in neuester Zeit bei uns gerade ein so reges zu den besten Hoffnungen einer segensreichen Thätigkeit berechtigendes Leben entwickelt haben. Fragt man nun nach der Ursache dieser Erscheinung, so erhält man gemeiniglich zur Antwort, daß in dem größten Theile des Königreichs Hannover Klima wie Boden dem Obstbau wenig oder gar nicht zusage und daß gerade die neueren Versuche zur Hebung und Ausbreitung des Obstbaues neue Beweise dafür geliefert hätten, indem z. B. die Anpflanzung von Obst an Chausseen im ganzen Lüneburgischen trotz der vielen darauf verwendeten Mühe gänzlich mißglückt seyen. In anderen Gegenden zwar habe die Bepflanzung der Chausseen und der Communalwege mit Obstbäumen einen bedeutenden Ertrag geliefert, es sey aber noch die Frage, ob eine solche Anpflanzung den anliegenden Aeckern nicht wenigstens ebenso viel schadete, als der Obstertrag Gewinn bringen könne. –

(Schluß folgt.)

Anmerkungen (Wikisource)

  1. G. C. Bayer: Anweisung zum Obstbau und zur Benutzung des Obstes, für den Bürger und Landmann. Hannover 1836 MDZ München