Pomologische Monatshefte:1. Band:6. Heft:Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen …?

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Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 6, Seite 237–249
Johann Georg Conrad Oberdieck
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Pomologische Monatshefte:1. Band:5. Heft:Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen …?
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Beschreibung und Abbildung einiger empfehlenswerther, jedoch noch nicht genau bestimmter Birnen
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Die Obstausstellung zu Staefa am Zürcher-See im Oktober 1854
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Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen, oder muß die Anzucht veredelter Obstbäume, als allgemeine Regel, stets beibehalten werden?
Vom Superintendent Oberdieck.
(Fortsetzung.)
1. Hat die Anzucht von Edelstämmen wirklich die von ihr prädicirten Nachtheile?

Wenn man gesagt hat, daß beim Veredeln oft ein schlechteres Reis auf einen Stamm komme, der von Natur eine bessere Sorte würde geliefert haben, daß die Pfropfreiser leicht abgebrochen würden, besonders im Felde, wo sich gern Krähen auf dieselben setzten; daß veredelte Bäume von Dieben leichter gestohlen würden; man sich eher Kerne zuschicken könne, als leicht vertrocknende Pfropfreiser und dergleichen; so können wir diese und andere ähnliche Uebelstände übergehen, da sie ohne Gewicht sind und sich leicht darauf antworten läßt, und wenden uns zu einem Einwurf, der schon mehr Gewicht hat.

Die Veredlung soll eine schwer zu übende Kunst seyn, viele Zeit und viele Instrumente, als Meißel, Bohrer, Klöpfel, Sägen, Augenabschieber, Oculir- und Copulirmesser erfordern. Für den Landmann wenigstens sey das zu kostspielig und zu schwer zu erlernen, und hier liege die Ursache, warum er nicht viel anpflanze. – Allein man hat ja längst alle spielenden und zu künstlichen Methoden beim Aechtmachen aufgegeben. Selten veredelt man anders, als durch Copuliren und Oculiren, und bedarf dazu nur Bast (besser mit heißem Baumwachse bestrichenes gebleichtes Nesseltuch, welches in Streifen von angemessener Breite und Länge zerrissen wird), und ein einziges Messer. Ich wenigstens habe mich zum Veredeln immer nur eines etwas größeren Federmessers mit etwa 3 Linien breiter Klinge, an welchem unten ein kleines Oculirbeinchen angebracht war, bedient (ganz wie es im ersten Hefte der Monatsschrift, als auch in Hohenheim gebräuchliches Veredlungsmesser, abgebildet ist), [238] und unter hundert Reisern von Kernobst ging kaum eines aus. Auch hat man längst die mannigfaltigen Regeln der früheren Zeit für die Beschaffenheit der Pfropfreiser aufgegeben (jedes gesunde Reis ist gut, gleichviel wo und wie gebrochen, und selbst aus dem Fruchtholze kann man, wenn man andere Reiser nicht hat, wie ich öfters gethan habe, wenn andere Reiser fehlten, die triebigsten Stämme erziehen); verliert keine Zeit mehr mit dem öfteren Lösen der Bänder,[1] die man, wenn das Copulirreis 2–3 Zoll lang getrieben und das eingesetzte Auge 10–12 Tage gesessen hat, ohne Weiteres wegnimmt oder an der dem Reise entgegengesetzten Seite des Stammes durchschneidet, und das Copuliren insbesondere, wodurch man fast alle Obstsorten veredeln kann, geht so schnell und ist so leicht zu erlernen, daß es jeder gewöhnliche Landmann, der nur Lust dazu hat, gleich nachmacht, da nichts dazu gehört, als daß man am Wildling und Reise einen geraden Schnitt macht, und dieses an jenem fest anbindet. – Hier liegt also nicht die Ursache, warum der Landmann nicht mehr anpflanzt, sondern es mangelt noch häufig an Betriebsamkeit, oder es tritt hinderlich das Vorurtheil entgegen, daß die Obstbäume nicht genug einbrächten und dem Kornbau nur nachtheilig würden, und wenn die Kinder nicht etwa in einem Winkel des Gartens einige zusammengelesene Kerne oder von selbst aufgelaufene junge Stämme zusammentragen, so hat der Landmann auch keine Baumschule von Wildlingen. Sollte aber, wie Heusinger will, der Landmann an seinen Bäumen jeden Zweig erst ringeln, um von Wildlingen gute Früchte zu erhalten, so möchten dazu leicht mehr Zeit, mehr Kunst und mehr Instrumente erfordert werden, als zum Veredeln.

Doch wir wollen uns sogleich zu dem Hauptnachtheil wenden, den die Anzucht veredelter Bäume haben soll. Edelstämme sollen klein und schwach bleiben, wenig tragen, mancherlei Krankheiten unterworfen seyn und früh wieder eingehen; hingegen die durch das Aechtmachen nicht verkrüppelten Sämlinge, groß, wuchshaft, gesund, tragbar und alt werden, so daß sie selbst in ihrem Tode noch brauchbares Tischlerholz liefern. Ist dieß gegründet, so dürfen wir allerdings keine veredelten Stämme mehr anpflanzen, und wir müssen daher diese Beschuldigung völlig abzuweisen suchen.

Die Ursachen der an den Edelstämmen wahrgenommenen Mängel hat man, wie in der obigen geschichtlichen Relation gezeigt wurde, gesucht:

1) in der Operation des Veredelns, durch welche
a) dem Gewächse Theile genommen wurden, die zu seinem gehörigen Wachsthume nöthig seyen, und demselben eine empfindliche, fast tödtliche

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Verwundung beigebracht werde; sowie
b) an der Pfropfstelle eine totale Vermaserung und Verknorpelung entstehe, welche dem raschen Aufsteigen und Absteigen der Säfte, und somit dem Wachsthum und der Fruchtbarkeit für das ganze Leben ein zu großes Hinderniß entgegensetze[WS 1], das mit den Jahren nur zunehme;
2) in der Beschaffenheit des Pfropfreises, durch welches
a) alle Krankheiten, die der Mutterstamm habe, auf den jungen Pflänzling mit hinübergenommen und vervielfältigt würden, oder welche man
b) vielleicht von solchen Obstsorten nehme, die nach dem Gesetze der Vergänglichkeit aller organischen Wesen, die Periode ihres Lebens schon ziemlich ausgelebt hätten.

Wir wollen, um uns die Beantwortung dieser Punkte zu erleichtern, zuförderst einige allgemeine Erinnerungen voranschicken, und es fühlbar machen, daß man bei den Klagen über die mancherlei Mängel veredelter Bäume und bei dem Rühmen des Gegentheils an den der Natur überlassenen Sämlingen die Sache übertrieben hat (man sehe namentlich die oben beigebrachten Ansichten und Aeußerungen des Hrn. van Mons[2] und von einzelnen Erscheinungen gleich den Schluß auf das Allgemeine machte, ohne die vielen Ausnahmen auf der einen oder andern Seite zu beachten, die doch, wenn die Sache wirklich so wäre, wie man meint, kaum stattfinden könnten. Es wird überhaupt bei allen den Aeußerungen über wahrgenommene Verschlechterung an den älteren Obstsorten nicht übersehen werden dürfen, wie diese Klagen so oft nur ihren Grund darin haben, daß im Fortgange des Lebens unser Maßstab, nach dem wir die Güte und Gesundheit einer Obstvarietät beurtheilen, ein ganz anderer geworden ist, während wir geneigt sind, die Aenderung in den Dingen selbst zu suchen. Herr van Mons meint, in seiner Jugend seyen St. Germain, Bergamotte Crassane etc. noch besser gewesen und hätten die jetzt an ihnen wahrgenommenen Fehler bei weitem nicht in dem Maaße gehabt. Nun! wer weiß es nicht, wie in jungen Jahren manche Obstfrucht uns preiswürdig, delikat und höchst schätzbar erschien, über die wir später anders urtheilen, – und anders wird das Urtheil ausfallen, wenn wir erst mehrere Hunderte edler Früchte kennen und darunter solche, die frei von Steinen (im Fleische) sind, sich besonders tragbar zeigen, an Krebs nicht leiden etc., als zu der Zeit, wo sich unsere Obstkenntniß auf wenige der bekanntesten Varietäten beschränkte. Als die schöneren doppelten Georginen vor einer Reihe von Jahren zuerst aufkamen, da war auch alle Welt der Meinung, die älteren gefüllten Sorten hätten sich verschlechtert und seyen ausgeartet, während doch nicht diese, sondern die Vorstellungen der Blumenliebhaber über die vollendete Schönheit einer Georgine sich geändert hatten. Ich habe Picta formosa Turban Zwerg, Neue Rose, Lord Althorp und andere alte Georginen, zur Erinnerung an das Alte, noch 1853 und 1854 blühend gehabt, und finde sie noch immer ebenso vollkommen, [240] respect. unvollkommen, als bei ihrem ersten Erscheinen.

Was denn nun, um näher auf unsere Untersuchung einzugehen,

1) die Größe und den raschen, schlanken Wuchs betrifft, den die Sämlinge haben sollen, so ist das Rühmen davon übertrieben. Jedes organische Wesen hat seine eigenthümliche raschere oder langsamere Entwicklung und Grenzen seiner Ausdehnung, daher ist hierin unter den Sämlingen eine ebenso große Verschiedenheit, als unter den Edelsorten. Es gibt unter den letzten solche, die sich langsam entwickeln oder klein bleiben, als Edler Winter Borsdorfer, Winter Ambrette, Beurré blanc, Pigeon rouge etc.; aber ebenso gut fallen deren unter den Sämlingen, vorzüglich wenn die Kerne von klein bleibenden Sorten genommen werden, und gibt es unter den Birnsorten, die Hr. van Mons und Andere erzogen haben, nicht wenige, die klein bleiben, wie man so oft in Bivort’s Album angemerkt findet, daß die vorliegenden Sorten schwach treiben. Die an Diel gekommene Aremberg wächst auf den frechsten Wildlingen ganz zwergartig; die Comperette, Winter Dechantsbirn, Schmidtberger’s Butterbirn, Theodor Körner, Angeline, Westrumb und andere, erfordern zur Unterlage starktreibende Wildlinge, wenn sie nicht zu klein bleiben sollen, und schon aus dem Umstande, daß die neueren, durch Kernsaaten gewonnenen Früchte, vorzüglich auch die Birnen, zum größeren Theile weit früher tragen, als gar manche alte Obstsorten, kann man folgern, daß deren Bäume, wenn sie gleich anfangs ein rasches[WS 2] Wachsthum entfalten, doch nie die Größe und Lebensdauer der Bäume von vielen alten Obstsorten erlangen können, die erst, nachdem sie eine Reihe von Jahren gestanden haben und zu beträchtlicherer Größe gelangt sind, recht fruchtbar werden. Vielmehr ist gewiß zuversichtlich richtig der von v. Mons selbst, freilich im Widerspruch mit andern Behauptungen[WS 3], ausgesprochene obgedachte Satz, daß man glauben möchte, die Existenz der öfter durch Kernzuchten erneuerten Früchte werde in dem Maaße ungewisser, als sie auf Kosten ihrer Lebensdauer an Geschmack, früher Tragbarkeit etc. sich vervollkommnet hätten. Wir wollen darum die neueren Obstsorten nicht verwerfen, denn auch nicht allzugroß werdende und früh schon tragbare Bäume haben ihre eigenen Vortheile. – Sind wirklich und ohne übertriebene Angabe von den Sämlingen des Herrn Mons in 6 Jahren auch nur viele (von der Mehrzahl wollen wir abstrahiren), und buchstäblich genommen, nur zu der Höhe der größten Apfelbäume gelangt, so lag die Ursache ganz gewiß in seinem sehr günstigen Boden, und ist wenigstens mir kaum ein ähnliches Beispiel selbst bei unversetzt stehen gebliebenen Kirschen vorgekommen. Ich selbst habe nur einmal mit etwa 120 aus Birnkernen gezogenen Sämlingen in Nienburg den Versuch gemacht, sie ohne Veredlung aufwachsen zu lassen (ein zweiter Versuch ist durch meinen Umzug nach Jeinsen gestört); die Stämmchen wuchsen im Sommer, nachdem sie aufgelaufen[WS 4] waren, gut; nachdem sie aber in dem Garten vor der Stadt 2½ Fuß weit auseinander gepflanzt waren, standen sie 6–7 Jahre, in welcher Zeit doch auf den nebenliegenden Beeten die veredelten Stämme von Kernobst zu starken, verpflanzbaren Baumschulenstämmen mit guter Krone heranwuchsen, ohne daß die große Mehrzahl anders als ganz zwergartig, ja verkrüppelt gewachsen wäre, so daß ich sie zuletzt entfernte. Nur ein Dutzend darunter entwickelte [241] kräftigen Wuchs; doch hatte selbst unter diesen im 8. Jahre noch kein Stamm Blüthenaugen gemacht. Es ist wahr, daß ich die Kerne zu dem Versuche nur von besonders edlen Früchten, als: Winter Nelis, Napoleon, Hardenponts Winter Butterbirn, Winter Dechantsbirn etc. nahm, doch glaube ich, gegen die obgedachte Aeußerung des Hrn. v. Mons, darin auch nicht gefehlt zu haben, und hatte lauter schöne, vollständige Kerne gewählt; auch nagten Maikäferlarven öfter an den Wurzeln der Birnstämme, doch war dieß bei den Birnstämmen auf den daneben liegenden Beeten, wo generell, nach der sehr mittelmäßigen Güte des Bodens, die Bäume gut wuchsen, ebenso gut der Fall. – Sind unter den Sämlingen klein bleibende Stämme nicht noch weit häufiger, so rührt dieß daher, weil wir nur immer solche Wildlinge unveredelt aufwachsen lassen (was auch Hr. v. Mons that), die schon in ihrer ersten Jugend üppigen Trieb zeigen, indem wir sonst nicht hoffen könnten, gute und große Früchte von ihnen zu erhalten; die kleinen, zurückbleibenden, vielleicht gar kranken, sind dann zur Veredlung gut genug. Sollten wir da noch klagen, daß diese mit den Sämlingen nachher nicht gleichen Schritt halten? Dazu pflanzt man unveredelte Wildlinge häufig in’s Feld oder an einen Ort, wo noch keine Bäume standen und der Boden von Obstbäumen noch nicht ausgesogen ist (sicher war auch v. Mons Grund und Boden mit Obstbäumen früher noch nicht besetzt gewesen), wo sie dann rascher wachsen, während in den Gärten, namentlich wenn man, wie so oft geschieht, auf den Platz, wo ein Apfelbaum, Birnbaum etc. stand, wieder einen Stamm von derselben Obstklasse pflanzt (Apfel nach Apfel etc.), die jungen Stämme häufig für 50 und mehrere Jahre gänzlich ausgesogenen Boden finden und eben schlecht, kränklich und verkrüppelt wachsen. Gehe ich an die Chausseen von Hannover nach Hameln, Nendorf, Göttingen, die meistens durch[WS 5] mehr schweren, für den Obstbaum sehr angemessenen, lehmhaltigen Boden führen, so finde ich dort, mit ganz seltenen Ausnahmen, große, starkgewachsene, kerngesunde und reichlich tragende, veredelte Stämme von älteren Obstsorten, obwohl man Alles, was die Landesbaumschule und andere Baumschulen abgeben konnten, und so auch viele feine und in schlechterem Boden nicht gedeihende, oder an Krebs leidende Sorten mit hingepflanzt hat. Pflanzt man wuchshafte Stämme in solchen, oder überhaupt für den Obstbaum oder doch die besondere Obstsorte[WS 6] günstigen Boden, so ist es gar nichts Besonderes, wenn sie, was Heusinger von seinen Bäumen als etwas Außerordentliches angibt, in 15 Jahren 18 Fuß hoch und 4 Zoll dick werden. In Sulingen pflanzte ich in einen Feldgarten, wo noch nie Bäume gestanden hatten, aber der schwarze, etwas Moortheile enthaltende, sonst indeß leichte und schon in 1½ Fuß Tiefe in fast weißen Sand übergehende Boden die nöthige Feuchtigkeit hatte, etwa 50 Stück Aepfel- und Birnstämme; diese blieben nur an einer Stelle, die zu naß war, zurück, und erreichten schon in 8 Jahren die von Heusinger angegebene Größe und im 10. Jahre trugen mehrere derselben schon 3 Himbten Früchte. In meinem jetzigen Garten finde ich eine Anzahl Kernobstbäume, die nach der Aussage des alten Taglöhners, der die Stämme gepflanzt hat, vor nun 30 Jahren von dem damals antretenden Ephorus angepflanzt und fast sämmtlich trefflich gewachsen sind; darunter sind 2 Stämme der Guten Grauen, die in dieser Zeit eine Höhe von reichlich 36 Fuß erreicht haben und in 4 Fuß Höhe eine Stammdicke von 1 Fuß [242] Durchmesser haben, und ein Englischer Goldpepping, der in dieser Zeit im Stamme[WS 7] zu 10 Zoll Durchmesser herangewachsen ist und mit seiner hohen Krone einen Raum von 20 Fuß Durchmesser überragt. – Gerade aber über den Englischen Goldpepping klagt Knight so besonders, daß er ausgeartet sey und an allen Folgen des Alters leide, wobei, wenn das richtig wäre und diese Erscheinung nicht andere Ursachen hätte, mein Stamm so gesund und kräftig nicht seyn könnte, den ich noch 1853 mit schönen, vollkommenen Früchten sehr reich beladen sah, die keinen andern Fehler hatten, als daß selbst die, welche ich erst Ende Okt. pflückte, nach dem Januar schon stark welkten. Rühmen v. Mons und Heusinger den schlanken, den italienischen Pappeln gleichen Wuchs ihrer Birnbäume, so rührt dieser daher, daß sie die Spitze des Baumes nicht einstutzten. Wir schneiden gewöhnlich das oberste Reis aus, um die Krone mehr auszubreiten und niedriger zu halten, ob mit Recht oder Unrecht, bleibe hier unentschieden; die eine, wie die andere Form des Baums hat, den Umständen nach, ihre Vorzüge. Streicht man aber den Wuchs und die Größe des Holzapfels und der wilden Birn gegen unsere Edelsorten heraus, so muß ich zwar gestehen, daß ich in den Wäldern von jenen meistens kleine, zurückgebliebene Exemplare gesehen habe, aber auch an günstigen Orten keine, die größer würden, als gar manche unserer Edelsorten, die noch dazu rascher wachsen. Man sehe nur in passendem Boden den frechen Wuchs und die Eichen-Größe einer Volkmarserbirn, Sommerapothekerbirn (Bon Chretien d’été), Rainbirn, Kuhfußbirn, Gönnerschen Birn, Guten Grauen, des Edlen Winter-Borsdorfers, des weißen Maatapfels, der Winter-Bredeke, der Aechten grauen französischen Reinette und vieler andern. In meinem Garten zu Bardowick stand eine mir unbekannte Graue Reinette, deren Stamm unweit der Krone 4½ Fuß im Umfange hatte, und die vor dem Winter 1822 mit ihren Zweigen einen Kreis von mehr als 30 Fuß Durchmesser überragte. Im Garten des Nachbars in Bardowick standen 2 uralte, eichengroße Volkmarser Birnbäume, deren Stamm in Mannshöhe, 7 Fuß im Umfange hielt, und von denen man mehrmals für 30 Thaler Birnen (den Himbten zu 12–15 Groschen) verkaufte. In Neuenkirchen, unweit Sulingen, sah ich zwei uralte, meine gedachte Graue Reinette an Größe noch beträchtlich übertreffende Apfelbäume, von denen der Eigenthümer mir versicherte, daß er oft von jedem derselben 40 Himbten (16—17 Ctr.) Früchte geerndtet habe, und von einem eichengroßen uralten Stamme der Sulinger Grüneke, von dem im Jahre, als ich von dort wegzog, die Früchte, weil sehr wenig darauf zu sitzen schien, meistbietend um 2 Thaler verkauft waren, pflückte der Käufer, als es an’s Brechen der Früchte ging, bei einer damals spärlichen Erndte, doch noch 18 Himbten schöne Aepfel. Auch Diel weiset in seinem Systeme oft auf sehr große Aepfel- und Birnbäume hin, und erzählt z. B. von einem Englischen Goldpepping, der 1819 16 Körbe (Rheinisches Maaß, das etwa = 2 Himbten seyn wird) Aepfel trug, die 270 Bouteillen Wein lieferten!! – Das alles sind veredelte Bäume und zum Theil uralte Sorten; sollte nun das nicht vermuthen lassen, daß die Ursache der Kleinheit oder Kränklichkeit unserer Obstbäume nicht in der Veredlung, oder dem hohen Alter einer Fruchtsorte, sondern in ganz andern Umständen zu suchen sey! Haben wir daher wirklich unter unsern Edelstämmen zu viele kleine, kranke, so liegt die [243] Schuld daran, daß wir zu viele klein bleibende Sorten gepflanzt haben, oder die Stämme nicht recht behandelten. – Wie mit der Größe wird es sich dann

2) wohl auch mit der Tragbarkeit der Edelstämme verhalten. Es gibt veredelte Sorten genug, die nicht viel tragen; aber warum pflanzt man sie fort? An der Veredlung liegt das ja nicht. Haben wir nicht genug Obstsorten selbst unter den alten, aus Frankreich gekommenen, oder vielleicht noch ältere urdeutsche, die zum Erstaunen voll tragen? Wer tadelt die Tragbarkeit einer Rothen Bergamotte, des in passendem Boden malterweise tragenden Borsdorfer’s, der Volkmarserbirn, Nainbirn, Rothpunktirten Liebesbirn, Sommerapothekerbirn, Winterapothekerbirn (die schon die Römer als Bonum crustuminum gehabt haben sollen, welche wohl ungezweifelt auch schon den Api und Rothen Herbstcalville, gleichfalls 2 höchst tragbare Sorten, kannten), und so vieler andern. Ein Baum der Sommerapothekerbirn, den Diels Aeltern auf einer fetten Wiese allein stehen hatten, wo der Baum den feuchten Boden fand, den er verlangt, trug oft 40 schwere Körbe Früchte!! Nicht selten ist an der Unfruchtbarkeit eines Baumes bloß der Boden schuld, der der betreffenden Sorte nicht zusagt, und habe ich in meiner 1852 erschienenen „Anleitung“ etc. auf gar manche Beispiele der Art hingewiesen, und selbst eines wilden Stammes, der Mahalebkirsche gedacht, der in Sulingen, noch jung, gern trug, und nach Nienburg in den trockeneren Garten in der Stadt verpflanzt, 14 Jahre hindurch, bei gutem Wuchse, jährlich voll blühete, ohne jemals auch nur eine einzige Frucht anzusetzen. Ebenso oft liegt die Unfruchtbarkeit eines Baums darin, daß die Obstsorte zum Fruchtansetzen entweder überhaupt, oder wenigstens gleich nach der Blüthe mehr Wärme bedarf, als wir gewöhnlich haben, und tragen aus dieser Ursache die Graue Herbst-Butterbirn, der Rothe und Violette Perdrigon und andere sehr wenig oder setzen gar nichts an, und so habe ich auch eine aus Rußland stammende Astracan’sche Winter-Pomeranzenbirn, die sehr kräftig und gesund wächst, deren Probezweige, die immer merklich vor allen andern blühen, aber noch nie ansetzten, weil zur Zeit ihrer Blüthe die nöthige Wärme fehlen wird. Allerdings sind Sämlinge als in unserm Boden und Klima entsprossen, in der Regel sehr fruchtbar; aber gibt es denn nicht eben sowohl Sämlinge die wenig tragen, oder ganz unfruchtbar sind? Die Kirsche Belle Bosc habe ich 16 Jahre, bei jährlichem, reichem Blühen, gehabt, ohne in dieser Zeit mehr als 2 Früchte zu erhalten, während alle Probereiser, die darauf gesetzt wurden, bald und voll trugen; ebenso gings mit einer Samenkirsche, die ich selbst zog, und auf meinem großen Probebirnbaume in Nienburg, den ich mit den von Hrn. van Mons ohne Namen erhaltenen Birnsorten (etwa 275) bepfropfte, fanden sich, neben vielen bald und fast jährlich fruchtbaren Zweigen, auch circa 40 Zweige, die theils wohl blüheten, aber nicht ansetzten, theils in 14 Jahren auch nicht einmal eine Blüthe hervorbrachten, obwohl alle diese unfruchtbaren Sorten wohl ganz sicher von v. Mons allerletzten Kernsaaten abstammten. Man vergleiche auch, wie sogar nicht selten Bivort im Album anmerkt, daß der beschriebene Sämling wenig fruchtbar sey. Nicht weniger sind denn auch

3) die Klagen über Kränklichkeit und geringe Lebensdauer der veredelten Stämme, oder der alten Sorten übertrieben. – Alles Edle ist freilich in der Regel mehr [244] Krankheiten unterworfen und weniger dauerhaft, als das Unedle; aber sollen wir darum die rohen Sorten oder gar Holzäpfel pflanzen? So sind denn auch die aus Samen gefallenen, wirklich edlen Sorten eben sowohl zarter, und erreichen in der Regel kein so hohes Alter, als die mehr dem wilden Naturzustande sich nähernden Früchte. Dagegen machen unsere Pomologen genug Obstsorten auch unter den alten bemerklich, die gesund sind, groß und alt werden, und diese pflanze man an, wenn man auf reichlichen Ertrag und lange Dauer der Stämme sieht. Will Jemand nur aufmerksamer beobachten und sich weiter umsehen, so wird er in vielen Fällen finden, daß Kränklichkeit eines Obstbaums recht häufig nur an dem Boden liegt, in dem er steht, der entweder von Obstbäumen schon ausgesogen ist oder der besonderen Obstvarietät, ihrer Natur nach, nicht zusagt, und wenn Hr. v. Mons über Krankheit seiner Stämme von den alten Varietäten klagt, so waren das ohne Zweifel solche Sorten, für welche sein Boden nicht paßte. Bivort sagt im Album Tom. I. ad Tafel 22 bei der Birn Leon Leclerc de Laval, daß van Mons Baumschule zu Brüssel sandigen, warmen Boden gehabt habe. War dieser zugleich etwas trocken, so gediehen Bergamotte Crassane, St. Germain, Wildling von Motte, Graue Dechantsbirn etc. bei ihm ebenso wenig, als in meinem Nienburger Boden, obwohl im Allgemeinen Birnen da gut wuchsen. In Bardowick stand im Nachbargarten, neben den gedachten alten Volkmarser-Birnbäumen, eine nicht viel kleinere St. Germain, die gesund und tragbar war und delikate, fast steinfreie Früchte lieferte. Sie stand in einem mehr feuchten als trockenen, doch im Sommer nicht nassen, warmen, leichten, schwarzen tiefgehenden Boden, dem des sogenannten Suppenkrautlande, und ebenso hatte ich in Sulingen in ähnlichem Boden eine triebige, sehr gesunde Pyramide der St. Germain auf Quitte. In hiesiger Gegend kenne ich in schwerem, doch frischem Boden mehrere sehr große, gesunde Bäume der St. Germain (einen darunter kannte ich schon vor 50 Jahren als Knabe fast ebenso groß, als er jetzt ist und als alten Baum), die gern tragen, deren Früchte aber zu steinig sind, während in meinem eigenen hochgelegenen, trocknen Garten in Jeinsen, wo das Wasser im Brunnen ziemlich 40 Fuß tief steht, ein mit den obgedachten sehr großen Bäumen der Guten Grauen zugleich gepflanzter Baum der St. Germain zwar nicht merklicher krank ist, doch ganz unverhältnißmäßig klein geblieben ist, auch öfter junge Zweige durch Grind verliert und steinige Frucht hat; und im trocknen leichten Nienburger Boden wuchsen mehrere schöne, in Sulingen triebige Pyramiden der St. Germain auf Wildling nur noch 2–3 Jahre ziemlich gut, litten dann jährlich stärker an Grind und Absterben der Zweige, und nachdem ich eine, anfangs recht kräftige Pyramide davon in dem Garten in der Stadt in den höheren Aesten mit einigen Probereisern bepfropft hatte, fingen diese an, stark zu wachsen, während in 4 Sommern alle unteren Aeste der St. Germain abstarben, so daß ich nicht einmal mehr ein Pfropfreis daran finden konnte. – Die Beurré blanc war in meines Vaters Garten, anderthalb Stunden von Hannover, in gutem, mehr schwerem, warmem Boden sehr gesund, brachte viele und gute, nur zuweilen ziemlich schwarzfleckige Früchte; in Bardowick waren Stämme der Beurré blanc meistens sehr gesund, mit schönen Früchten; in Sulingen in feuchtem schwarzem, mit etwas Moorerde vermengtem Boden hatte ich eine kräftig wachsende, [245] kerngesunde Pyramide auf Quitte, die fehlerfreie, fast einmal so große Früchte brachte, als gewöhnlich, in Nienburg fand sich vor der Stadt kein gesunder Baum der Beurré blanc, in der Stadt wuchsen Pyramiden und Hochstämme in schwärzerem, tiefgehendem Boden (ganz ebenso, wie die Graue Dechantsbirn) eine Zeitlang sehr gut, litten dann, wenn die Wurzeln tiefer gingen, mehr oder weniger an Grind und Absterben der Sommertriebe, trugen aber noch ziemlich voll und meistens gute, nur in nassen Jahren sehr fleckige Früchte, und hier bei Jeinsen finde ich die Stämme der Beurré blanc, anscheinend je nach dem trockeneren oder frischeren Boden, bald mehr krank, bald gesund. Die Herbstbirn ohne Schale und die Lansac des Quintinye wuchsen als Pyramide in Sulingen frech, aber hatten nach 15 Jahren kaum noch etliche Früchte getragen; in Nienburg vor der Stadt wuchs ein gesund gepflanzter Hochstamm 12 Jahre lang ziemlich rasch, doch mit viel Grind, und blühete und trug nicht, und im Garten in der Stadt hatte ich nicht bloß zwei große, gesunde, tragbare Probezweige, sondern die Pyramide der Herbstbirn ohne Schale gehört zu den gesundesten, schönsten und tragbarsten im ganzen Garten, während die mit ihr wohl identische Lansac, – wahrscheinlich durch ihren Unterstamm, indem sie auf die Brüsseler Herbstmuskateller überpfropft war, am Verdorren einzelner Spitzen der Sommertriebe und Auszehrung einzelner Aeste litt, die jährlich kleinere Blätter bekamen und theils abstarben. Beispiele der Art könnte ich noch in beträchtlicher Zahl beibringen, muß aber bemerken, daß ich dieselben Fehler, je nach dem Boden, ebenso gut an neueren Samensorten gesehen habe, und es verhielten z. B. Loire de Mons; Fousalou, Beurré Beauchamp, Zschocke’s Butterbirn (erzogen in Landsberg von Burchardt) sich ganz ebenso, wie die Beurré blanc, während andere Samensorten ebenso wie die alte Römische Schmalzbirn an Grind und häufigem Absterben der Sommertriebe und kleinern Aeste litten und kaum einmal eine Frucht trugen.[3] Gesundheit oder [246] Kränklichkeit der Obstbäume wird daher wohl weder in der Anzucht gepfropfter Stämme, noch in dem Alter der Sorte, noch in deren Neuheit, sondern in andern Umständen liegen, und muß nur so viel zugegeben werden, daß die neueren Samensorten, als vom ersten Keime an mehr in unserem Boden und Klima entsprossen, öfter und leichter als die alten Sorten, unserem Klima und verschiedenartigem Boden sich anpassen werden, während es jedoch nicht wenige alte Sorten gibt, die in allerlei Boden und Lagen gesund, wuchshaft und sehr tragbar sind. – Was die Haltbarkeit der Obstbäume im Froste betrifft, so ist es wahr, daß ein Holzapfel bei uns vom Froste nicht leidet; er ist das rohe Kind unserer Natur und leidet nur, wenn auch Eichen erfrieren. Aber soll dasselbe von allen aus Edelkernen gezogenen Sämlingen gelten, so muß ich das verneinen. Bei Lüneburg kannte ich mehrere Pflanzungen von unveredelten Apfelstämmen (eine zählte gegen 100 Bäume und wuchs sehr gesund), die in dem Winter von 1822, wo so viele Obstbäume erfroren, sich wenig oder gar nicht besser hielten, als veredelte Obstbäume älterer Sorten von gleichem Alter, gleicher Gesundheit und in gleichem Boden. Und als mir in Nienburg im März 1845 fast die Hälfte der Baumschulenstämme bis gegen die Erde hin erfror, wo hoher Schnee geschützt hatte, traf das nach den gesammelten Notizen ziemlich zu gleichen Theilen ältere Obstsorten und neuere Samensorten auch viele Birnstämmen unter denen, die ich ohne Namen von v. Mons erhalten hatte, während nicht wenige[WS 9] ältere Sorten diesen fast unbeschädigt überstanden. Selbst in dem Winter 1822, wo sogar manche Eichen erfroren, hielten sich nicht wenige Stämme alter Obstsorten gut und wären wohl noch weit mehrere am Leben geblieben, wenn nicht aus andern Ursachen, als durch Veredlung und Alter der Sorte, die Obstbäume in unsern Gärten so oft krank und schlecht wären. Auch läßt sich mit Grund hoffen, daß die feineren, gegen den Frost empfindlicheren Sorten sich noch immer mehr an unser Klima gewöhnen werden; denn während sie in Frankreich von 15 Kältegraden R. leiden, ertragen sie bei uns schon einen Winter von 26 Graden ohne Nachtheil. Und da wir jetzt eine so reiche Auswahl guter Sorten haben, so kann man ja die gegen den Frost zu empfindlichen Sorten meiden, ohne daß wir das Veredeln aufzugeben brauchen.

Auch der Krebs, der sich allerdings in unsern Obstpflanzungen nicht selten zeigt, ist nicht den veredelten Stämmen, als solchen oder den alten Sorten eigen, sondern findet sich besonders bei einzelnen Sorten, als Aechter rother Winter Calville, Weißer [247] Winter Calville, Muskatreinette etc., ist aber selbst diesen Sorten nur in gewissen Bodenarten und Lagen eigen und kommt ebenso wohl an ungepfropften Sämlingen vor, ja würde sich unter diesen noch weit öfter finden, wenn man alle Sämlinge, die man in der Baumschule hat, unveredelt auspflanzte. Ich habe in meiner 1852 erschienenen größeren Schrift mich ausführlicher über den Baumkrebs erklärt, und wird es mir immer gewisser, daß die Ursache davon allermeistens im Boden liegt (vielleicht, wie wenigstens Diel wollte, in einem Ueberflusse an Kohlenstoff, durch den der Sauerstoff der Luft angezogen werde, weßhalb Kalk und Asche wohlthätige Heilmittel seyen.[4] In Bardowick hatte ich auf den höhern Stellen des Gartens zwei gesunde Hochstämme von Calville blanc, während ein dritter, im obgedachten Suppenkrautboden sehr an Krebs litt, aber weit schönere Früchte hatte. Auch in Sulingen kam der Krebs öfter auf den feuchteren Stellen des Gartens und der Baumschule vor, selten aus den höheren und in den Gärten vor Nienburg, auch generell bei Bardowick, waren selbst Muskatreinette, Calville blanc und ähnliche sehr gesund, während ich niemals einen so krebssüchtigen Boden gefunden habe, als in meinem Garten in Nienburg, wo indeß ebensowohl manche neuere Samensorten als der Breedon’s Pepping, Diel’s Reinette, August van Mons, Stein’s rother Winter Pepping, Kaiser Alexander von Rußland, Aremberg, Loires Gewürzbirn etc. litten, als umgekehrt sehr alte Sorten, wie Rother Herbstcalvill, Pigeon rouge, Großer edler Prinzessinapfel, Rothe süße Winter Reinette, Purpurrother Winter Agatapfel etc. 15 Jahre hindurch gesund blieben, und es dort noch jetzt sind.

Gleichfalls ist das leichte Abfallen der Früchte nicht Folge der Veredlung oder des Alters einer Sorte, sondern ein Erbfehler gewisser Sorten, die man vermeiden [248] muß, oder es rührt vom Mangel an Nahrung her, und findet sich auch bei schlechteren Sorten. Mein großer Bardowicker Probeapfelbaum ließ, ehe ich ihn zum Probebaume machte, einen guten Theil seiner Früchte schon vor Michaelis fallen, und die übrigen saßen auch nicht, bis sie die völlige Baumreife hatten. Nachdem er viele Sorten trug, ließen nur ein paar Zweige die Früchte zu früh fallen, und darunter waren 2 Samensorten; die übrigen Zweige hielten ihre Früchte selbst in heftigen Winden fest, wenigstens so fest als irgend ein anderer Baum. Mit einem andern Probebaume machte ich bei Nienburg ganz dieselbe Erfahrung.

Daß ein Baum ein ums andere Jahr nur recht tragbar ist, kann nicht unbedingt ein Fehler genannt werden, denn er bringt es im nächsten Jahre wieder ein, und trägt dann so voll, daß er keine Blüthaugen wieder machen kann, weil aller Saft auf die Früchte verwandt wird. Auch scheint dieß Wechseln im Tragen mehr ein Eigenthum unserer deutschen Sorten, als der aus Frankreich zu uns gekommenen zu seyn. – Und was endlich den Wurm- und Raupenfraß betrifft, so ist es Uebertreibung, wenn v. Mons von seinen Bäumen sagt, „aucun insecte n’y touche“, und hat er wirklich mehrfältig die Beobachtung gemacht, daß Insekten seine Bäume und deren Früchte wenig angingen, so hat es entweder in seinen Pflanzungen, als frisch auf einem mit Bäumen noch nicht bestandenen Boden angelegt, noch wenig Insekten gegeben, oder die gemachte Erfahrung ist für die Güte eines großen Theiles seiner Sorten kein Compliment. Die Raupen fallen alles an, was ihnen vorkommt; höchstens treibt ein Instinkt die Schmetterlinge mehr zu den großen Bäumen, wo die Jungen reichlicher und länger Nahrung finden werden. Diejenigen Insekten dagegen, welche die Früchte anstechen, daß diese schon jung abfallen, oder als wurmstichige reifen, wohin mehrere kleine Tenthredoarten gehören (ein Freund von mir zog aus angestochenen Pflaumen auch einen kleinen Rhynchites), sowie die Tinea pommella, Pyralis nigricana[WS 10] und andere, fallen allerdings gern auf die Früchte alter und kranker Bäume; aber insbesondere sind es gewisse bestimmte Sorten, besonders die edleren und süßen Früchte, die von ihnen aufgesucht werden, und sie gehen ebenso gut auf neuere Samensorten, als sie die ältesten Fruchtarten vermeiden, wo sie bessere Leckerspeise haben können. Leidet daher eine Frucht von ihnen mehr, als eine andere, so ist das meistens ein Zeugniß für ihre Güte. Vorzüglich schädlich sind sie den Pflaumen, wo sie in Jahren, die ihrer Vermehrung günstig waren, nicht selten ganze Erndten verderben. Finden sie nur Kreeken (Krinchen), so gehen sie auch diese an; sind aber irgendwo süße Reineclauden zu haben, so suchen sie diese ganz vorzüglich heim. Zwei Reineclaudenbäume in Bardowick, die schon 10 Jahre standen, und 4 erwachsene in Nienburg haben mir in respektive 8 und 14 Jahren, obwohl sie jährlich tausende kleiner Früchte ansetzten, zusammen vielleicht nicht 10 Schock Früchte getragen. Aber ganz ebenso ging es mit der von Diel erhaltenen, wohl nicht ächten Waterloopflaume, einer neuen, der Reineclaude ähnliche Samensorte, und habe ich überhaupt bei dem auf den Probebirn- und Pflaumenbäumen häufig selbst vorgenommenem Auspflücken der angestochenen Früchte (damit die Würmer darin nicht die noch vorhandenen Früchte gleichfalls zerstören möchten), generell unter älteren und neueren Obstsorten, in der hier fraglichen Hinsicht gar keinen Unterschied [249] bemerkt, und unter den Birnen, wovon z. B. Erzherzog Carl, Winter Dechantsbirn, Beauchamp’s Butterbirn, mehrmals auch Comperette, Winter Nelis, Hardenpont’s Winter Butterbirn und Andere, von den Tenthredomaden ebenso oder mehr heimgesucht, als alte Obstsorten. – So schädlich übrigens diese Thiere werden können, so sind sie doch, nebst dem Curculio pomorum (dessen Made die Blätter der Blüthen zusammenrollen macht, daß sie wie erfroren aussehen, und sich von den Staubfäden der Frucht nährt), wenn sie sich nicht zu sehr vermehren, eine Wohlthat für die Bäume, die ohne ihre Dienste von Früchten so voll sitzen würden, daß diese nicht ihre gehörige Größe erreichen könnten, und wir genöthigt seyn würden, einen Theil der Früchte auszubrechen.

Doch das Gesagte mag mehr als hinreichend seyn, um die Vermuthung zu begründen, daß es wohl um unsere veredelten Obstbäume und selbst die schlechteren Sorten darunter so ganz schlimm nicht stehen möge, und daß, wenn sich dennoch in unsern Gärten viele verkrüppelte und kranke Bäume finden, die Ursache in andern Umständen liegen werde.

(Fortsetzung folgt.)

  1. Manche nehmen zum Copuliren Papierstreifen, oder Stücke von etwas mürberem Cattuns, welche, wenn man etwas starke Wildlinge veredelt, durch das Reis im Fortwachsen von selbst gesprengt werden. Beim Oculiren ist das baldige Wegnehmen der Bänder sogar vortheilhaft; Augen, die nur oberflächlich angewachsen waren und nicht würden getrieben haben, verdorren dann bald und die, welche angegangen sind (und das sind bei geschickter Operation und recht saftreichen Wildlingen fast alle), wachsen um so freier und ungestörter in der nun am Wildlinge sich bildenden Rinde fest. Ich habe in Bardowick lange zwei Birnstämme, auf Quitte oculirt, gehabt, bei denen, durch Versehen eines Arbeiters, die Bänder schon drei Tage nach der Oculation weggenommen waren, und die im nächsten Frühlinge freudig austrieben. Bei Copulirreisern habe ich ohne Schaden das Band oft weggenommen, wenn die Augen nur erst wenige Linien geschoben haben.
  2. Daß Hr. van Mons, seiner Theorie zu Liebe, gern und öfter etwas übertrieb, davon sehe man ein besonderes Beispiel in dem Lobe, welches er seiner Colmar Navez in einem Briefe an Bivort gab (Album III, S. 17), wo Bivort selbst das zu stark aufgetragene Lob etwas zu entschuldigen sucht, oder in seinem Urtheile über seine Princesse Marianne im Allgemeinen Garten-Magazin I. S. 85.
  3. Auch Herr Dochnahl führt S. 114 seiner Eingangs gedachten Schrift eine Anzahl solcher neueren Früchte auf, die nicht gedeihen wollen und an den Fehlern litten, die man auf die älteren Sorten schiebe. Ich muß jedoch bemerken, daß das Urtheil nicht bei allen der aufgeführten Sorten zutreffend ist, und daß z. B. Villain XIV, Liebart, Knox, Dillens Herbstbirn, Fourcroy, Egmont, Enghien, St. Ghislain (ist auch alte Sorte und identisch mit der Holländischen Feigenbirn), Henkel’s Schmalzbirn, Oken, Onkel Peter Sinclair (identisch mit der Volltragenden Bergamotte, die ihren Namen verdient und so stark wächst, als treffliche Früchte bringt, Augustine, Argenson’s Butterbirn Sorten sind, die ebenso gesund wachsen, als ihre Früchte theils schätzbare Tafelbirnen, theils gute Haushaltssorten sind.
    Auch dem mag ich nicht beitreten, was Hr. Dochnahl S. 29 über die Rangfolge beibringt, in welcher die Obstarten ständen hinsichtlich ihrer größeren Empfindlichkeit gegen schwächende und krank machende Einflüsse; daß unter den Aepfeln am empfindlichsten seyen die Calvillen, dann folgten die Rosenäpfel, Gülderlinge, Reinetten, Ramboure, Schlotterapfel, Streiflinge und zuletzt die Troßäpfel; daß die Birnen sich so rangirten, daß die schwächesten seyen die Bergamotten, dann folge der größte Theil der Butterbirnen, die Pomeranzenbirnen, Weißbirnen, Rousseletten, Musktateller, Gewürzbirnen, Schmalzbirnen, Knackbirnen, Pfundbirnen, Schmeerbirnen, Kochbirnen; daß bunte und noch mehr gelbe Kirschen empfindlicher und schwächer seyen, als schwarze; härter diejenigen Pflaumensorten, die sich aus dem Steine ächt reproduzirten, als andere. Das alles sind, nach meiner Ansicht, zur Zeit noch völlig unerwiesene Behauptungen für welche zuverlässige und allgemeinere Erfahrungen nicht sprechen. Wir wissen kaum von einer Zahl einzelner Sorten mit einiger Gewißheit, daß sie empfindlicher und schwächer seyen als [246] andere, und mögen im Allgemeinen nur so viel bereits behaupten können, vielleicht selbst nicht einmal ohne manche Ausnahmen, daß eine Obstsorte um so empfindlicher ist, je edler sie ist und je mehr sie von der wilden Stammfrucht[WS 8] sich entfernt, und daß die aus wärmeren Klimaten, aus Frankreich, Italien etc. zu uns gekommenen Früchten in der Regel durch schädliche Einflüsse mehr leiden, als die, welche in Deutschland oder einem dem unsrigen mehr ähnlichen Klima entstanden sind. Hier ist noch ein weites Feld zur Einsammlung sicherer Erfahrungen, die erst längere Beobachtung und vor allen Dingen allgemeinere richtige Bekanntschaft mit den rechten Obstnamen uns geben kann.
    Bemerken will ich hier noch, daß man auch bei Ausbruch der Kartoffelkrankheit den Grund des Uebels gleich darin finden wollte, daß unsere Kartoffelsorten ausgeartet seyen und sich überlebt hätten, und Heilung von der Anzucht von Sämlingen erwartete, während die Erfahrung bis jetzt allermeist gezeigt hat, daß die Sämlinge bald ebenso gut der Krankheit unterlagen.
  4. Ueber kein Kapitel in der Obstbaumzucht ist wohl so viel geschrieben, vermuthet und verschiedenartig statuirt, als über die Ursachen des Baumkrebses, ohne daß wir noch zur Stunde irgend etwas Gewisseres und die Verhütung der Krankheit hinreichend Ermöglichendes darüber wüßten. Man suchte die Ursachen in Quetschungen, unzweckmäßigem Beschneiden, zu tiefem Pflanzen, Glatteis, Nagen der Insekten, Jahreswitterung, Nässe im Boden, zu stark gedüngtem und zu magerem Boden, Boden überhaupt, Standort, Grundstamm, Pfropfen, Klima, Abgelebtheit der Sorten etc. Ich kann nur so viel, nach meinen Beobachtungen einigermaaßen bestimmter sagen, daß Krebs seinen nächsten Anlaß in einer örtlichen Stockung der Säfte zu haben scheint, daß man aus dem Umstande, daß die angeschnittene krebsige Rinde, auch wenn sie beim Schnitte noch die Normalfarbe hatte, sehr bald sich braun färbt, auf ein Angezogenwerden des Sauerstoffs der Luft durch die krebsigen Stellen schließen läßt; daß der Krebs sich hauptsächlich in gewissen, dazu besonders inclinirenden Bodenarten (unter sich übrigens von oft sehr verschiedener Beschaffenheit) zeigt und dann wieder vorzugsweise an manchen zu dieser Krankheit besonders geneigten Sorten; daß die Zeit seiner Entstehung hauptsächlich in die nasse Winterzeit fällt, und die Witterung allerdings viel zur Vergrößerung des Uebels beizutragen scheint, so wie er sich am häufigsten in den Winkeln zeigt, wo ein Zweig in einen andern sich inferirt. Dieselbe Erscheinung kann mehrere Ursachen haben, und so sind wohl mehrere der obgedachten Ursachen nicht ohne Grund, als den Krebs veranlassend, betrachtet worden; auch mag es zwei eigentlich verschiedene Arten von Krebs geben, wo der eine aus Mangel an guter Nahrung, der andere vielleicht aus stellenweise zu sehr angehäuften Säften entspringt. Möchten die Chemiker, mit den bedeutenden ihnen jetzt zu Gebote stehenden Mitteln dieses dunkle Kapitel einmal mehr aufzuhellen suchen! Es ist auffallend, daß dies noch keiner versucht hat!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: entgegensetzte (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  2. Vorlage: rechtes (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  3. Vorlage: Bestätigungen (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  4. Vorlage: ausgelaufen (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  5. Vorlage: doch (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  6. Vorlage: besondern Obstsorten (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  7. Vorlage: Sommer (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  8. Vorlage: Samenfrucht (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  9. Vorlage: weniger (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  10. Vorlage: nigricona (vgl. Anzeige von Druckfehlern)